Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des H W in L, vertreten durch Dr. Janko Tischler, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Neuer Platz 7/II, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 6. November 2013, Zl. 10-FOB- 308/11-2013, betreffend Rodungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 6. November 2013 hat der Landeshauptmann von Kärnten den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Rodungsbewilligung auf bestimmt genannten Grundstücken gemäß § 17 Forstgesetz 1975, BGBl. Nr. 440 (ForstG), abgewiesen.
Zur Begründung führte die belangte Behörde - soweit für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wesentlich - aus, dass der Beschwerdeführer in der Berufung vorgebracht habe, die gegenständlichen Grundstücke seien von der Gemeinde in Bauland umgewidmet worden, um neuen Siedlungsraum für Familien zu schaffen. Als öffentliches Interesse an der beantragten Rodung habe der Beschwerdeführer das Interesse am Siedlungswesen ins Treffen geführt und dazu auf einen familiären Baulandbedarf verwiesen.
Der von der belangten Behörde beigezogene forstfachliche Sachverständige habe Folgendes ausgeführt:
Die zur Rodung beantragte Fläche habe ein Ausmaß von 3.829 m2 und weise die Wertziffern 121 laut Waldentwicklungsplan auf. Die mittlere Wohlfahrtsfunktion beruhe nach dem Textteil des Waldentwicklungsplanes auf der Notwendigkeit der Sicherung der Bewaldung rund um Ballungszentren. Es sei konkret geprüft worden, ob sich diese Einstufung auch mit den lokalen Gegebenheiten decke. Die gegenständliche Waldfläche habe auf Grund des "advektiven Waldeinflusses" eine positive Wirkung auf den angrenzenden Siedlungsraum. Der betroffene Wald liege nur etwa 140 m südlich der R-Bundesstraße und leiste als Wald entlang von Hauptverkehrswegen einen Beitrag zur Luftreinigung durch Filterung von Staub, Schwermetallen und des verkehrsbedingten Abriebes. Eine mittlere Wohlfahrtsfunktion des konkret betroffenen Waldstückes sei daher wegen der das Klima ausgleichenden und die Luft reinigenden Wirkung gegeben. Überdies trage der in einem ehemaligen Wasserschongebiet gelegene Wald zur Verbesserung des Wasserhaushaltes bei. Aus forstfachlicher Sicht liege daher ein besonderes öffentliches Interesse an der Walderhaltung vor. Im Fall der Rodung der gegenständlichen Fläche zur Errichtung von Bauten, würden die Bestände auf den benachbarten Waldflächen, für die bereits jetzt kein Deckungsschutz besteht, eine wesentliche Gefährdung für die Bauwerke darstellen. Es wäre daher sinnvoll, eine Entflechtung zwischen Wald und Bauland herbeizuführen, um entsprechende Mindestabstände zwischen Gebäuden und Waldflächen einzuhalten. Sollte im Zuge der durchzuführenden Interessenabwägung trotz der aus forstfachlicher Sicht geäußerten Vorbehalte zu Gunsten der außerforstlichen Nutzung entschieden werden, so wären aus forstfachlicher Sicht u.a. Auflagen vorzuschreiben, nach denen die Rodung an den Zweck der Schaffung von Bauland gebunden werde und die Bewilligung erlösche, wenn diesem Zweck nicht bis 31. Dezember 2016 entsprochen werde.
Weiter führte die belangte Behörde aus, dass nach der Stellungnahme der Gemeinde F für den verfahrensgegenständlichen Bereich keine Bauverfahren anhängig seien und auch kein Teilbebauungsplan vorliege, es gäbe jedoch ein Gestaltungskonzept, welches für eine allfällige Teilung der Parzelle herangezogen werden solle. Weiters sei seitens der Gemeinde vorgebracht worden, dass zwar eine Baulandreserve von 77,28 ha vorhanden sei, auf Grund des zu erwartenden Zuzugs an Wohnbevölkerung jedoch ein Baulandbedarf von 101,94 ha ausgewiesen sei und für die unmittelbare Bebauung nur etwa 3,31 ha zur Verfügung stünden.
Zur rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, dass auf Grund der mittleren Wohlfahrtsfunktion der gegenständlichen Waldfläche die Erteilung einer Bewilligung nach § 17 Abs. 2 ForstG nicht in Betracht komme. Es sei daher eine Interessenabwägung gemäß § 17 Abs. 3 ForstG durchzuführen gewesen. Der Beschwerdeführer habe die Rodung zum Zweck der Schaffung von Bauland beantragt. Es sei somit zu überprüfen gewesen, ob das öffentliche Interesse am Siedlungswesen jenes an der Walderhaltung überwiege. Bei dieser Abwägung sei zu berücksichtigen, dass die gegenständliche Grundfläche im Flächenwidmungsplan als "Bauland-Kurgebiet" ausgewiesen sei. Weiters sei die Stellungnahme der Gemeinde betreffend das Ausmaß und den Bedarf an Baulandreserve zu berücksichtigen, wobei sich aus dem örtlichen Entwicklungskonzept ergebe, dass die vorhandenen Baulandreserven größtenteils als Bauland-Aufschließungsgebiete ausgewiesen seien. Grundsätzlich dürfe die Inanspruchnahme von Waldboden für die Beschaffung von Bauland nur subsidiär nach der Ausschöpfung aller sonstigen Möglichkeiten erfolgen. Auf Grund des Vorhandenseins einer an sich ausreichenden Baulandreserve auf Nichtwaldflächen in der Gemeinde könne nicht angenommen werden, dass ein dringender, auf andere Weise nicht sinnvoll zu befriedigender Bedarf an Bauland vorliege. Das öffentliche Interesse am Siedlungswesen werde nicht durch das private Interesse des Antragstellers an der Erlangung eines Bauplatzes determiniert, sondern ausschließlich durch das Interesse der Allgemeinheit an der Baulandschaffung, wobei das private Interesse mit dem öffentlichen Interesse am Siedlungswesen im Einklang stehen könne. So sei ein Privater berechtigt, das im Siedlungswesen begründete öffentliche Interesse geltend zu machen, wenn er ein bisher als Wald gewidmetes Grundstück in einen Bauplatz umwandeln wolle, um darauf für sich ein Wohnhaus zu errichten, ein mit dem öffentlichen Interessen im Einklang stehendes privates Siedlungsinteresse fehle jedoch, wenn gerodete Baugründe an Dritte verkauft werden sollen oder wenn das private Interesse an der Bebauung erst in ungewisser Zukunft liege.
Da für den verfahrensgegenständlichen Bereich weder ein konkretes Bauvorhaben noch eine konkrete Bebauungsabsicht vorliege, sei kein aktueller Baulandbedarf gegeben, zumal das öffentliche Interesse an der Beschaffung von Bauland in der Gemeinde F durch die vorhandene Baulandreserve auf Nichtwaldflächen befriedigt werden könne. Insgesamt liege daher kein solches Interesse am Siedlungswesen vor, das das öffentliche Interesse an der Erhaltung der gegenständlichen Fläche als Wald überwiege.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch das gemäß Art. 151 Abs. 51 Z. 9 B-VG an die Stelle der belangten Behörde getretene Landesverwaltungsgericht Kärnten erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass im vorliegenden Fall gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG anzuwenden sind.
§ 17 Forstgesetz 1975, BGBl. Nr. 440 idF BGBl. I Nr. 59/2002
(ForstG), hat (auszugsweise) folgenden Wortlaut:
"Rodung
§ 17. (1) Die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) ist verboten.
(2) Unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 1 kann die Behörde eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald nicht entgegensteht.
(3) Kann eine Bewilligung nach Abs. 2 nicht erteilt werden, kann die Behörde eine Bewilligung zur Rodung dann erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.
(4) Öffentliche Interessen an einer anderen Verwendung im Sinne des Abs. 3 sind insbesondere begründet in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- oder öffentlichen Straßenverkehr, im Post- oder öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung, im Siedlungswesen oder im Naturschutz.
(5) Bei der Beurteilung des öffentlichen Interesses im Sinne des Abs. 2 oder bei der Abwägung der öffentlichen Interessen im Sinne des Abs. 3 hat die Behörde insbesondere auf eine die erforderlichen Wirkungen des Waldes gewährleistende Waldausstattung Bedacht zu nehmen. Unter dieser Voraussetzung sind die Zielsetzungen der Raumordnung zu berücksichtigen.
..."
Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die - unbedenkliche - Ansicht der belangten Behörde, dass die beantragte Rodungsbewilligung nur gemäß § 17 Abs. 3 bei einem Überwiegen von öffentlichen Interessen an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald erteilt werden könnte. Er bringt vor, dass in der Gemeinde F entgegen der Annahme der belangten Behörde keine ausreichende Baulandreserve vorhanden sei, zumal lediglich 3,31 ha zur unmittelbaren Bebauung zur Verfügung stünden. Weiters habe die belangte Behörde nicht geprüft, ob die Rodung unter Vorschreibung von Auflagen möglich wäre. Der Sachverständige habe dazu konkrete Auflagen vorgeschlagen. Unberücksichtigt gelassen habe die belangte Behörde auch das Berufungsvorbringen, wonach "familienintern beabsichtigt" sei, die verfahrensgegenständlichen Grundstücke zu bebauen. Zwei Kinder des Beschwerdeführers wollten sich "in naher Zukunft" auf diesen Grundstücken niederlassen. Weiters sei entgegen den ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen - zu denen dem Beschwerdeführer kein Parteiengehör gewährt worden sei - keine Gefährdung einer allfälligen Bebauung durch Windwurf gegeben.
Der Beschwerdeführer stützt sich somit darauf, dass die beantragte Rodung im überwiegenden öffentlichen Interesse am Siedlungswesen gelegen sei.
Nach der ständigen hg. Rechtsprechung liegt ein solches Interesse jedenfalls dann vor, wenn Grundflächen der Verwirklichung eines nach dem Flächenwidmungsplan zulässigen Bauvorhabens dienen sollen. Dieser Umstand vermag aber noch nicht das Überwiegen dieses öffentlichen Interessens gegenüber jenem an der Walderhaltung zu begründen. Selbst wenn nämlich die Rodungsfläche in einem bereits bestehenden Flächenwidmungsplan der Gemeinde als Bauplatz ausgewiesen ist, bedeutet dies noch nicht, dass eine Verwirklichung dieser anderen Widmung entgegen dem Grundsatz der Walderhaltung auf jeden Fall zulässig wäre; es hat vielmehr die Forstbehörde festzustellen, ob die erforderliche Rodungsbewilligung auf Grund der forstrechtlichen Vorschriften als im öffentlichen Interesse gelegen zu erteilen ist. Die Verwirklichung der von der Gemeinde vorgesehenen anderen Verwendung einer Waldfläche ist in jedem Fall von der Entscheidung der Forstbehörde abhängig, die auf einer dem Gesetz entsprechenden Interessenabwägung beruhen muss. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt dargelegt, dass ein mit dem öffentlichen Interesse im Einklang stehendes privates Siedlungsinteresse fehle, wenn die in Rede stehende Grundfläche an Dritte verkauft werden soll, private Siedlungszwecke in ungewisser Zukunft liegen oder Grundflächen, die nicht Wald sind, zur Verfügung stehen. Die Interessenabwägung kann nicht zu Gunsten der Rodung ausfallen, wenn kein den Rodungszweck verkörperndes konkretes Vorhaben bezeichnet wurde, das im öffentlichen Interesse des Siedlungswesens gelegen wäre (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 2009, Zl. 2006/10/0223, mwN).
Die Gemeinde F. hat in ihrer Stellungnahme vom 2. Juli 2013 ausgeführt, dass nach einem mit dieser Stellungnahme übermittelten Gestaltungskonzept auf der gegenständlichen Rodungsfläche im Ausmaß von 3.829 m2 insgesamt fünf Bauparzellen entstehen sollen. Nach dem Vorbringen in der Beschwerde hat der Beschwerdeführer dazu im Verwaltungsverfahren geltend gemacht, dass "familienintern beabsichtigt" sei, die Grundstücke zu bebauen; zwei Kinder des Beschwerdeführers wollten sich "in naher Zukunft" auf diesen Grundstücken niederlassen.
Damit hat der Beschwerdeführer kein ausreichend konkretes Vorhaben genannt, das geeignet wäre, ein die Rodung der beantragten Fläche rechtfertigendes öffentliches Interesse am Siedlungswesen darzutun. Schon deshalb konnte die Interessenabwägung im Sinn der dargestellten Judikatur nicht zu Gunsten der Rodung ausfallen (vgl. auch dazu das zitierte hg. Erkenntnis zur Zl. 2006/10/0223).
Die vom forstfachlichen Sachverständigen in seinem Gutachten für den Fall der Erteilung der Bewilligung vorgeschlagenen Auflagen zur Sicherstellung des Rodungszweckes können das Fehlen eines konkreten Projektes ebensowenig ersetzen wie eine allenfalls geringe Baulandreserve der Gemeinde.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 17. Dezember 2014
Schlagworte
Begründung von ErmessensentscheidungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:2013100267.X00Im RIS seit
11.02.2015Zuletzt aktualisiert am
23.02.2015