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L92005 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Salzburg;Norm
MSG Slbg 2010 §27;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der Salzburger Landesregierung in 5010 Salzburg, Mozartplatz 9, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 16. Oktober 2012, Zl. UVS-15/10148/5-2012, in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 20. Februar 2013, Zl. UVS-15/10148/12-2013, betreffend Rückerstattung von Leistungen nach dem Salzburger Mindestsicherungsgesetz (mitbeteiligte Partei: M H in S), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
I.
1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Salzburg (die Erstbehörde) vom 29. April 2011 wurde die Mitbeteiligte gemäß §§ 28, 29, 30, 32 und 33 des Salzburger Mindestsicherungsgesetzes (Sbg. MSG) verpflichtet, dem Land Salzburg den im Zeitraum vom 1. September bis 31. Oktober 2010 entstandenen Mindestsicherungsaufwand in der Höhe von EUR 913,04 zurückzuzahlen.
Begründend führte die Erstbehörde im Wesentlichen aus, dass aus der Niederschrift von Notar Dr. H.A. vom 10. Dezember 2010 hervorgehe, dass die Mitbeteiligte in den Monaten August und September 2010 mehrmals Geld vom Konto ihrer verstorbenen Mutter E.H. abgehoben habe. Insgesamt seien EUR 1.330,-- in sechs Teilbeträgen abgehoben worden. Dieses Einkommen habe die Mitbeteiligte als Antragstellerin des Mindestsicherungsverfahrens nicht bekannt gegeben.
In der Berechnung der Sozialhilfe und der Mindestsicherung werde jeweils das Einkommen des Vormonats berücksichtigt. Demnach hätte im Monat September 2010 ein geringerer und im Oktober 2010 kein Anspruch auf Mindestsicherung bestanden. Es seien somit EUR 913,04 zu viel an Mindestsicherung ausgezahlt worden. Dieser Betrag sei daher zurückzuerstatten.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Mitbeteiligte im Wesentlichen vor, die Bankomatbehebungen habe nicht sie, sondern unerlaubterweise ihre Schwester vorgenommen.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16. Oktober 2012 in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 20. Februar 2013 gab die belangte Behörde der Berufung der Mitbeteiligten gegen den Bescheid der Erstbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG Folge und behob diesen.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, im Zeitraum vom 1. September bis 13. September 2010 sei es zu Bankomatbehebungen in der Höhe von EUR 1.330,-- vom Konto der verstorbenen E.H. mit der auf die Mitbeteiligte ausgestellten Bankomatkarte gekommen. "Nicht abschließend geklärt" habe werden können, wofür die Mitbeteiligte bzw. wer dieses Geld verwendet habe. Allerdings sei "lebensnah anzunehmen", dass die Mitbeteiligte dieses Geld für ihre Bedürfnisse verwendet habe, zumal sie es verabsäumt habe, die entsprechenden Auszüge ihres Kontos vorzulegen; daraus wäre ersichtlich gewesen, ob und wie viel die Mitbeteiligte im entsprechenden Zeitraum von ihrem eigenen und vom Konto der verstorbenen E.H. behoben habe.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, auch wenn die Mitbeteiligte den Betrag in der Höhe von EUR 1.330,-- für sich selbst verwendet habe und dies gemäß § 30 Abs. 1 Sbg. MSG als nachträglich bekannt gewordenes Einkommen oder Vermögen zu qualifizieren sei, sei zu prüfen, ob dieses Vermögen unter die Freibetragsgrenze im Sinne des § 7 Abs. 1 Z. 4 Sbg. MSG einzuordnen sei. Nach dem Willen des Gesetzgebers stehe der Freibetrag im Sinne des § 7 Abs. 1 Z. 4 Sbg. MSG nicht nur bei der Bemessung von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, sondern auch bei allfälligen Ersatzansprüchen gemäß § 30 Sbg. MSG zu (Hinweis auf ErlRV 687 BlgLT, XIV. GP, S. 56).
Da die Mitbeteiligte kein sonstiges Vermögen habe und der angeführte Betrag nicht die Höhe des Fünffachen des Mindeststandards für Alleinstehende oder Alleinerziehende nach § 10 Abs. 1 Z. 1 Sbg. MSG übersteige, falle dieses Vermögen unter den Freibetrag des § 7 Abs. 1 Z. 4 Sbg. MSG und könne somit nicht zur Abdeckung der aufgewendeten Kosten des Sozialhilfeträgers gemäß §§ 29 und 30 Sbg. MSG herangezogen werden.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet. Die Mitbeteiligte hat sich am Verfahren nicht beteiligt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Vorauszuschicken ist, dass im vorliegenden Fall gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG anzuwenden sind.
2. Die im Beschwerdefall anzuwendenden Bestimmungen des Salzburger Mindestsicherungsgesetzes (Sbg. MSG), LGBl. 63/2010 in der Fassung LGBl. 57/2012, lauten auszugsweise wie folgt:
"Einsatz des Vermögens
§ 7
(1) Bei der Bemessung von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ist das verwertbare Vermögen der Hilfesuchenden einzusetzen. Davon ausgenommen sind:
(...)
4. Ersparnisse und sonstiges Vermögen bis zu einem Freibetrag in Höhe des Fünffachen des Mindeststandards für Alleinstehende oder -erziehende (§ 10 Abs 1 Z 1), ausgenommen unbewegliches Vermögen (Abs 2).
(...)
Hilfe für den Lebensunterhalt und den Wohnbedarf
§ 10
(1) Der monatliche Mindeststandard für die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs beträgt:
1. für Alleinstehende oder Alleinerziehende 744,01 EUR;
(...)
Anzeigepflicht
§ 27
(1) Hilfesuchende, die Leistungen nach diesem Gesetz erhalten, sowie ihre Vertreter haben jede ihnen bekannte Änderung der für die Leistung maßgeblichen Umstände, insbesondere der Vermögens-, Einkommens-, Familien- oder Wohnverhältnisse, Aufenthalte in Kranken-, Kuranstalten oder vergleichbaren stationären Einrichtungen sowie länger als drei Tage dauernde Aufenthalte im Ausland unverzüglich bei der örtlich zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen. (...)
(...)
Rückerstattungspflicht
§ 28
(1) Hilfesuchende, die wegen falscher Angaben, Verschweigung von wesentlichen Tatsachen oder Verletzung der Anzeigepflicht gemäß § 27 Leistungen nach diesem Gesetz zu Unrecht erhalten haben, haben diese zurückzuerstatten. Gleiches gilt, wenn die Hilfe suchende Person oder ihr Vertreter wusste oder hätte erkennen müssen, dass die Hilfeleistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührt.
(...)
§ 30
(1) Hilfesuchende sind zum Ersatz der für sie aufgewendeten Kosten verpflichtet, wenn:
(...)
2. nachträglich bekannt wird, dass sie zur Zeit der Hilfeleistung hinreichendes Einkommen oder Vermögen hatten;
(...)"
3. Die Amtsbeschwerde bringt im Wesentlichen vor, die belangte Behörde habe die behobenen Geldbeträge fälschlicherweise als nachträglich bekannt gewordenes Vermögen iSd § 30 Sbg. MSG gewertet und so den maßgeblichen Sachverhalt anhand der in dieser Bestimmung normierten Kostenersatzpflicht unter Heranziehung des Vermögensfreibetrages gemäß § 7 Abs. 1 Z. 4 Sbg. MSG beurteilt. Bei rechtskonformer Beurteilung des Sachverhaltes hätte die belangte Behörde vor dem Hintergrund des vorsätzlichen Verschweigens der Bankomatbehebungen durch die Mitbeteiligte auf der Grundlage von § 28 Sbg. MSG die Verpflichtung der Mitbeteiligten, den Geldbetrag in der Höhe von EUR 913,04 an den Mindestsicherungsträger zurückzuerstatten, ohne Rücksichtnahme auf einen Freibetrag feststellen und daher deren Berufung abweisen müssen.
4. Mit diesem Vorbringen wird eine zur Aufhebung führende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt:
Nach den Feststellungen der belangten Behörde hat die Mitbeteiligte den in den Monaten August und September 2010 vom Konto ihrer verstorbenen Mutter mit der auf die Mitbeteiligte ausgestellten Bankomatkarte in sechs Teilbeträgen behobenen Geldbetrag in der Höhe von insgesamt EUR 1.330,-- für ihre Bedürfnisse verwendet. Bereits im Verwaltungsverfahren war unstrittig, dass die Mitbeteiligte diesen Betrag der Behörde nicht gemeldet hat.
Die belangte Behörde hat die Frage der Ersatzpflicht der Mitbeteiligten für die infolgedessen zu Unrecht bezogene Mindestsicherung anhand von § 30 Abs. 1 Z. 2 Sbg. MSG geprüft; nach dieser Bestimmung sind Hilfe suchende Personen zum Ersatz der für sie aufgewendeten Kosten verpflichtet, wenn nachträglich bekannt wird, dass sie zur Zeit der Hilfeleistung hinreichendes Einkommen oder Vermögen hatten. Auf ein allfälliges Verschulden der Hilfesuchenden kommt es bei der Ersatzpflicht im Sinne des § 30 Sbg. MSG nicht an (vgl. zu vergleichbaren Bestimmungen in den Sozialhilfegesetzen Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht 520).
Ändern sich allerdings - wie im gegenständlichen Fall - die für die Leistungsgewährung maßgeblichen Umstände, insbesondere etwa die Einkommens- und Vermögensverhältnisse eines Hilfesuchenden, und sind diese Änderungen dem Hilfesuchenden bekannt, normiert § 27 Sbg. MSG eine Verpflichtung des Hilfesuchenden, dies "unverzüglich bei der örtlich zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen". Schließlich dürfen die Leistungen nach dem Sbg. MSG fortlaufend nur soweit gewährt werden, wie es den jeweils aktuellen Umständen entspricht (vgl. ErlRV 687 BlgLT, XIV. GP, S. 55).
Wenn ein Hilfesuchender (u.a.) wegen Verschweigung von wesentlichen Tatsachen oder einer Verletzung seiner Anzeigepflicht nach § 27 Sbg. MSG Leistungen der Mindestsicherung zu Unrecht erhält, hat er gemäß § 28 Abs. 1 erster Satz Sbg. MSG diese Leistungen zurückzuerstatten.
Ausgehend von ihren (oben unter I.2. wiedergegebenen) Tatsachenannahmen hätte die belangte Behörde ihrer rechtlichen Beurteilung § 28 Sbg. MSG zugrunde legen müssen.
Nach den oben wiedergegebenen behördlichen Feststellungen hat die Mitbeteiligte mit den Behebungen vom Konto ihrer verstorbenen Mutter (wiederholt) Einkünfte erzielt. Die Freibetragsgrenze des § 7 Abs. 1 Z. 4 Sbg. MSG findet allerdings schon nach dem Wortlaut dieser Bestimmung nur auf Vermögen, nicht aber auf Einkünfte Anwendung. Bei Festsetzung der Rückerstattungspflicht der Mitbeteiligten war daher kein Freibetrag in Ansatz zu bringen.
5. Da die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet; dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 17. Dezember 2014
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1Besondere RechtsgebieteAuslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:2013100020.X00Im RIS seit
11.02.2015Zuletzt aktualisiert am
23.02.2015