TE Vwgh Erkenntnis 2014/12/17 2012/08/0168

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Veröffentlicht am 17.12.2014
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Index

66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

GSVG 1978 §14b;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z4;
GSVG 1978 §5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des Dr. F K in Z, vertreten durch Dr. Gerhard Kienast, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Am Getreidemarkt 1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 27. Oktober 2011, BMASK-123367/0002-II/A/3/2011, betreffend Pflichtversicherung gemäß § 14b GSVG (mitbeteiligte Partei:

Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen im Instanzenzug ergangenen Bescheid stellte die belangte Behörde in Bestätigung des Berufungsbescheides fest, dass der Beschwerdeführer seit dem 1. April 2008 der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung gemäß § 14b Abs. 1 Z 2 GSVG unterliege.

Nach Darlegung des Ganges des Verwaltungsverfahrens und Wiedergabe der von ihr als maßgeblich erachteten Rechtslage stellte die belangte Behörde in der Begründung fest, dass der Beschwerdeführer als Notar freiberuflich tätig sei und seit 1. April 2008 eine die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung begründende Pension nach dem ASVG beziehe. Er sei nicht einer Krankenfürsorgeeinrichtung seiner gesetzlichen beruflichen Vertretung beigetreten. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2009 habe er der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt erklärt, dass er "dort nicht mehr versichert sein wolle".

In rechtlicher Hinsicht ging die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer seit 1. April 2008 die Voraussetzungen für die Pflichtversicherung nach § 14b Abs. 1 Z 2 GSVG erfülle. Er unterliege seit 1. April 2008 ipso iure der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach § 14b Abs. 1 Z 2 GSVG. Die von ihm angestrengte Kündigung seiner Krankenversicherung habe keine rechtliche Wirkung entfaltet.

Soweit er in seiner Berufung verfassungsrechtliche Bedenken gegen die bestehende Gesetzeslage äußere, müsse er auf die Möglichkeit einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof verwiesen werden. Die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes bzw. der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung komme ausschließlich dem Verfassungsgerichtshof zu. Die Verwaltungsbehörden hätten ordnungsgemäß kundgemachte Gesetze und Verordnungen anzuwenden.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 12. Juni 2012, B 1414/11, abgelehnt hat. In seiner Begründung führte der Verfassungsgerichtshof unter anderem aus, dass weder die - in Durchführung zu § 5 GSVG ergangene - Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen vom 29. Dezember 2005 über die Ausnahme der Mitglieder von Kammern der freien Berufe von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem GSVG, BGBl. II 471/2005, nicht ordnungsgemäß kundgemacht sei, noch eine gesetzlich nicht gedeckte Rückwirkung enthalte, weil § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG die Pflichtversicherung auch unabhängig von dieser Verordnung vorsehe. Die in § 14b GSVG vorgesehene Aufrechterhaltung der Pflichtversicherung für Personen im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG, die der Krankenversicherung ihrer gesetzlichen beruflichen Vertretung trotz opting out nach § 5 GSVG nicht beigetreten sind, sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Letztlich wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften des angefochtenen Bescheides geltend.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt hat eine als "Äußerung der mitbeteiligten Partei" bezeichnete Gegenschrift erstattet und beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. § 5 Abs. 1 und 2 GSVG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des Sozialrechts-Änderungsgesetz 2004, BGBl. I Nr. 105/2004, lauten wie folgt:

"Ausnahmen von der Pflichtversicherung für einzelne Berufsgruppen

§ 5. (1) Von der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung oder in der Kranken- oder Pensionsversicherung sind Personen ausgenommen, wenn diese Personen auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu einer gesetzlichen beruflichen Vertretung (Kammer) und auf Grund der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 4 Anspruch auf Leistungen haben, die den Leistungen nach diesem Bundesgesetz gleichartig oder zumindest annähernd gleichwertig sind, und zwar

1. für die Kranken- und/oder Pensionsversicherung gegenüber einer Einrichtung dieser gesetzlichen beruflichen Vertretung oder

2. für die Krankenversicherung aus einer verpflichtend abgeschlossenen Selbstversicherung in der Krankenversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz oder diesem Bundesgesetz

und die für das Bundesgebiet jeweils in Betracht kommende gesetzliche berufliche Vertretung (falls die gesetzliche berufliche Vertretung auf Grund eines Landesgesetzes eingerichtet ist, diese Vertretung) die Ausnahme von der Pflichtversicherung beantragt. Hinsichtlich der Pensionsversicherung gilt dies nur dann, wenn die Berufsgruppe am 1. Jänner 1998 nicht in die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung einbezogen war. Die Feststellung der Gleichartigkeit oder annähernden Gleichwertigkeit obliegt dem Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales.

(2) Der Antrag im Sinne des Abs. 1 ist bis zum 1. Oktober 1999 zu stellen. Verordnungen auf Grund dieses Antrages können rückwirkend mit 1. Jänner 2000 erlassen werden."

Auf Grund des § 5 Abs. 1 und 3 GSVG erging die in BGBl. II Nr. 471/2005 (ausgegeben am 29. Dezember 2005) kundgemachte Verordnung:

"§ 1. Personen sind hinsichtlich einer selbständigen Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG, die die Zugehörigkeit zu einer Ärztekammer, einer Rechtsanwaltskammer, der Österreichischen Apothekerkammer, einer Architekten- und Ingenieurkonsulentenkammer, der Österreichischen Patentanwaltskammer, der Kammer für Wirtschaftstreuhänder, der Österreichischen Tierärztekammer oder einer Notariatskammer begründet, von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem GSVG ausgenommen.

§ 2. Diese Verordnung tritt rückwirkend mit 1. Jänner 2000 in Kraft."

Der mit der 24. Novelle zum GSVG, BGBl. I Nr. 175/1999, eingefügte § 14b Abs. 1 GSVG lautet:

"(1) Personen, die auf Grund eines Antrages ihrer gesetzlichen beruflichen Vertretung gemäß § 5 von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung ausgenommen sind, unterliegen dann auf Grund ihrer freiberuflichen Erwerbstätigkeit in der Krankenversicherung der Pflichtversicherung, wenn sie

1. eine andere Erwerbstätigkeit, die die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung begründet, ausüben oder

2. eine die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung begründende Pension nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz beziehen

und sie nicht einer Krankenvorsorgeeinrichtung ihrer gesetzlichen beruflichen Vertretung beigetreten sind. Dies gilt auch für Bezieher einer Hinterbliebenenpension bzw. einer Hinterbliebenenversorgungsleistung."

Mit 1. Jänner 2000 wurde durch das Arbeits- und Sozialrechtsänderungsgesetz 1997, BGBl. I Nr. 139, für die selbständig Erwerbstätigen eine Pflichtversicherung in allen Zweigen der Sozialversicherung vorgesehen (§ 2 Abs. 1 Z. 4 Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz; GSVG), es sei denn, die gesetzliche berufliche Vertretung macht gemäß § 5 GSVG von einem "Opting-Out" Gebrauch. Das "Opting-Out" nach dieser Gesetzesstelle ist aber nur zulässig, wenn für das jeweilige Kammermitglied gegenüber einer Einrichtung seiner Berufsvertretung oder einer verpflichtend abgeschlossenen Selbstversicherung in der Krankenversicherung (nach dem ASVG oder dem GSVG) ein den Leistungen nach dem GSVG gleichartiger oder zumindest annähernd gleichwertiger Leistungsanspruch besteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 1. April 2009, 2006/08/0101, mwN).

§ 14b GSVG sieht eine Gegenausnahme zu § 5 GSVG vor, wenn die freiberufliche Erwerbstätigkeit iSd § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG, die von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung zwar infolge des "Opting-Out" der gesetzlichen Berufsvertretung ausgenommen wäre, mit einer anderen Erwerbstätigkeit, die die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung begründet, oder mit einem Pensionsbezug, der einer Pflichtversicherung in der Krankenversicherung unterliegt, zusammentrifft und das konkrete Kammermitglied bezüglich dieser Tätigkeit nicht einer Krankenvorsorgeeinrichtung seiner Kammer beigetreten ist. In diesem Fall unterliegt der Betroffene - trotz des "Opting-Out" seiner gesetzlichen Berufsvertretung - aufgrund seiner freiberuflichen Erwerbstätigkeit der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung des GSVG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 2012, 2011/04/0038).

2. Der Beschwerdeführer will eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin erkennen, dass dieser auf einer nicht gehörig kundgemachten oder rechtswidrig erlassenen Verordnung fuße (gemeint ist die Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen BGBl. II Nr. 471/2005). Die genannte Verordnung dürfe nur aufgrund eines Antrages der gesetzlichen beruflichen Interessensvertretung, ihre Mitglieder von der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung auszunehmen, erlassen werden. Die belangte Behörde habe es unterlassen zu prüfen, ob ein solcher Antrag vorgelegen sei. Sei jedoch der Antrag der Notariatskammer gar nicht oder nicht rechtzeitig gestellt worden, wäre nicht nur die Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen vom 29. Dezember 2005 rechtswidrig, sondern auch der bekämpfte Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Darüber hinaus enthalte die Verordnung eine gesetzlich nicht gedeckte Rückwirkung, die den Vertrauensschutz verletze. Die Beschwerde thematisiert letztlich die Unsachlichkeit der Differenzierung in § 14b Abs. 1 GSVG zwischen Krankenversorgungseinrichtungen der "Kammern" und einer Krankenversicherung nach dem ASVG.

Mit diesen Argumenten ist der Beschwerdeführer auf den Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Juni 2012, B-1414/11 zu verweisen, in dem dieser klar zum Ausdruck gebracht hat, dass er an der ordnungsgemäßen Kundmachung der genannten Verordnung keine Zweifel hegt. Diese Auffassung wird auch vom Verwaltungsgerichtshof geteilt, der auch an deren Gesetzmäßigkeit keine Bedenken hegt und sich zu einer Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof nicht veranlasst sieht.

Das weitere Vorbringen in der Rechtsrüge, das die Zulässigkeit der Mehrfachversicherung aussprechende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. Juni 2004, B 869/03 sei im vorliegenden Fall, in dem eine zweifache Krankenversicherung aus dem Zusammentreffen von selbständiger Erwerbstätigkeit und Pensionsbezug resultiere (und nicht aus dem Zusammentreffen mehrerer Erwerbstätigkeiten), nicht anwendbar, ist er auf den eindeutigen Wortlaut des § 14b Abs. 1 Z 2 GSVG in der genannten Fassung zu verweisen: Diese Bestimmung ordnet das Bestehen einer Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem GSVG ausdrücklich für den Fall an, dass der freiberuflich Tätige "eine die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung begründende Pension nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz" bezieht (vgl. zudem das bereits zitierte Erkenntnis vom 1. April 2009, 2006/08/0101). Dies ist in der vorliegenden Fallkonstellation gegeben und vom Beschwerdeführer auch unbestritten.

3. Der Beschwerdeführer rügt weiters unter Bezugnahme auf Art. 107 und Art. 108 AEUV einen Verstoß gegen das unionsrechtliche Beihilfenverbot. Die in § 14b Abs. 1 GSVG angeordnete Pflichtversicherung in Verbindung mit dem dort bestehenden Selbstbehalt (im Unterschied zu Leistungen aus der Krankenversicherung nach ASVG) führe nämlich im Ergebnis dazu, dass der SVA Beitragszahlungen zukämen, denen aber tendenziell keine Leistungen gegenüberstünden. Diese erhalte daher eine Begünstigung finanzieller Art, der keine entsprechende marktgerechte Gegenleistung der Begünstigten gegenüberstünde. Damit erhalte die SVA eine staatliche Beihilfe, die jedoch von der Europäischen Kommission nicht genehmigt sei. Dem ist folgendes zu entgegnen:

Art. 107 Abs. 1 AEUV (vormals Art. 87 Abs. 1 EG, vormals Art. 92 EGV) enthält ein grundsätzliches Verbot von Beihilfen, die mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind.

Art. 108 AEUV (Art. 88 EG) regelt das Verfahren der Beihilfenaufsicht.

Durch Artikel 107 AEUV (Artikel 87 EG) soll verhindert werden, dass der Handel zwischen Mitgliedstaaten durch von staatlichen Stellen gewährte Vergünstigungen beeinträchtigt wird, die in verschiedenartiger Weise durch die Bevorzugung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen. Voraussetzungen für die Qualifizierung einer nationalen Maßnahme als staatliche Beihilfe sind die Finanzierung dieser Maßnahme durch den Staat oder aus staatlichen Mitteln, das Vorliegen eines Vorteils für ein Unternehmen, die Selektivität dieser Maßnahme und die Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten und eine daraus resultierende Verfälschung des Wettbewerbs (vgl. EuGH 15. Juni 2006, C-393/04 und C-41/05, Air Liquide).

Mit seinem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer eine Vergleichbarkeit der unionsrechtlichen Bestimmungen mit den im Rahmen des Systems der gesetzlichen Sozialversicherung bestehenden Regelungen zur Mehrfachversicherung nicht auf. Schließlich ist auch nicht ersichtlich, inwieweit die hier gegenständlichen Sozialversicherungsbeiträge den Beihilfenbegriff im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllen sollten.

4. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 17. Dezember 2014

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2012080168.X00

Im RIS seit

11.02.2015

Zuletzt aktualisiert am

27.03.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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