TE Vfgh Erkenntnis 1998/3/2 G37/97, G224/97, G225/97, G226/97, G227/97, G228/97, G229/97, G230/97, G

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Veröffentlicht am 02.03.1998
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Index

82 Gesundheitsrecht
82/04 Apotheken, Arzneimittel

Norm

B-VG Art140 Abs3 erster Satz
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
ApothekenG §10
ApothekenG §10 Abs2 Z1
ApothekenG §10 Abs2 Z2 und Z3

Leitsatz

Aufhebung einer Bestimmung im ApothekenG betreffend die Bedarfsprüfung für eine Apothekenkonzession wegen Verstoß gegen die Erwerbsausübungsfreiheit; Verneinung eines Bedarfes mangels eines Mindestversorgungspotentials der neuen Apotheke kein im öffentlichen Interesse gebotener Eingriff in das Recht auf Erwerbsfreiheit; keine Aufhebung der Vorschriften betreffend eine Prüfung der Existenzgefährdung bestehender öffentlicher Apotheken durch eine neue Apotheke; klaglose Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln im öffentlichen Interesse gelegen

Spruch

I.1.a) In §10 Apothekengesetz, RGBl. Nr. 5/1907, in der Fassung der Apothekengesetznovelle 1990, BGBl. Nr. 362, werden als verfassungswidrig aufgehoben:

im Abs2 die Ziffer 1;

der Abs3 zur Gänze;

im Abs5 die Wortfolge "3 oder".

b) Die verfassungswidrigen Vorschriften sind nicht mehr anzuwenden.

c) Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

2. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

II.Im übrigen wird der Antrag abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Beim Verwaltungsgerichtshof sind zu den Zlen. 92/10/0445, 95/10/0271, 95/10/0129, 96/10/0009, 94/10/0060, 96/10/0222, 96/10/0053, 96/10/0063, 96/10/0041, 95/10/0145, 96/10/0103, 95/10/0106, 94/10/0184, 97/10/0020, 96/10/0260, 96/10/0184, 94/10/0100, 96/10/0099, 96/10/0081, 96/10/0225, 96/10/0076, 95/10/0210 und 97/10/0022 Verfahren über Beschwerden anhängig, die sich gegen Bescheide des/der (damaligen) Bundesministers/Bundesministerin für Gesundheit, (Sport) und Konsumentenschutz wenden.

Mit diesen Bescheiden wurden zum einen Teil Anträge der nunmehrigen Beschwerdeführer beim Verwaltungsgerichtshof auf Erteilung einer Apothekenkonzession mangels Bedarfes abgewiesen. Zum anderen Teil wurde Anträgen auf Erteilung einer Apothekenkonzession stattgegeben; dagegen richten sich die nun von Inhabern einer Nachbarapotheke oder von Ärzten, die eine Bewilligung zum Führen einer ärztlichen Hausapotheke besitzen, eingebrachten Verwaltungsgerichtshofbeschwerden mit der Begründung, es sei kein Bedarf gegeben.

2. Aus Anlaß dieser Beschwerden stellt der Verwaltungsgerichtshof (mit näherer Begründung - s.u. III.1) zu den Zlen. A5/97, A12/97, A13/97, A14/97, A15/97, A16/97, A17/97, A18/97, A19/97, A20/97, A21/97, A22/97, A23/97, A24/97, A25/97, A26/97, A27/97, A28/97, A29/97, A30/97, A31/97, A32/97 und A60/97 gemäß Art140 Abs1 B-VG die gleichlautenden Anträge,

"1. in §10 Apothekengesetz in der Fassung der Apothekengesetznovelle 1990, BGBl. Nr. 362/1990, im Abs1 die Wortfolge 'und 2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.' und die Abs2 bis 7 als verfassungswidrig aufzuheben,

2. in eventu, §10 Abs2 Z. 1 und den Abs3 sowie im Abs5 die Wortfolge '3. oder' Apothekengesetz in der Fassung der Apothekengesetznovelle 1990, BGBl. Nr. 362/1990, als verfassungswidrig aufzuheben."

3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie (mit näherer Begründung - s.u. III.2) beantragt, auszusprechen, daß §10 ApG nicht verfassungswidrig ist. Für den Fall der Aufhebung begehrt sie, für das Außerkrafttreten eine Frist von 18 Monaten zu bestimmen, um die allenfalls erforderlichen legistischen Vorkehrungen zu treffen.

4. a)aa) Der Verfassungsgerichtshof hat im Gesetzesprüfungsverfahren den vornehmlich berührten Interessenvertretungen, nämlich der Österreichischen Apothekerkammer, der Österreichischen Ärztekammer und der Bundesarbeitskammer, Gelegenheit zur Stellungnahme geboten.

Hievon haben die erst- und zweitgenannte Interessenvertretung Gebrauch gemacht (Näheres s.u. III.3, 4).

bb) Außerdem hat der "Pharmazeutische Reichsverband für Österreich" - unaufgefordert - eine Stellungnahme erstattet.

cc) Schließlich hat sich die Beschwerdeführerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Zl. 96/10/0081 (hg. Zl. G243/97) Mag. I S geäußert (Näheres s. u. III.6).

b) Am 20. Juni 1997 fand die (erste) öffentliche mündliche Verhandlung in diesen Gesetzesprüfungsverfahren statt.

Als Auskunftsperson wurde hiebei Dr. J P einvernommen, der die Sach- und Rechtslage in Deutschland schilderte. Der Genannte ist leitender Funktionär der Bundesvereinigung der Deutschen Apothekerverbände.

c) Nach Einholung weiterer schriftlicher Stellungnahmen wurde am 9. Dezember 1997 die öffentliche mündliche Verhandlung fortgesetzt, bei der die Sach- und Rechtslage weiter erörtert wurde.

II.Die hier maßgebende Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

Gemäß §9 Apothekengesetz (ApG) ist der Betrieb einer öffentlichen Apotheke (die nicht auf einem Realrecht beruht) nur aufgrund einer besonderen behördlichen Bewilligung (Konzession) zulässig.

Die persönlichen Voraussetzungen hiefür sind in §3 umschrieben.

§10 ApG regelt die sachlichen Voraussetzungen der Konzessionserteilung wie folgt:

"§10.(1) Die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke ist zu erteilen, wenn

1. in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und

2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.

(2) Ein Bedarf besteht nicht, wenn

1. die Zahl der von der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke aus zu versorgenden Personen weniger als 5.500 beträgt oder

2. die Entfernung zwischen der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke weniger als 500 m beträgt oder

3. die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich infolge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5.500 betragen wird.

(3) Zu versorgende Personen gemäß Abs2 Z1 sind die

ständigen Einwohner aus einem Umkreis von 4 Straßenkilometern von der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke zu versorgen sein werden.

(4) Zu versorgende Personen gemäß Abs2 Z3 sind die

ständigen Einwohner aus einem Umkreis von 4 Straßenkilometern von der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus dieser bestehenden öffentlichen Apotheke weiterhin zu versorgen sein werden.

(5) Beträgt die Zahl der ständigen Einwohner im Sinne der Abs3 oder 4 weniger als 5.500, so sind die auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen.

(6) Die Entfernung gemäß Abs2 Z2 darf ausnahmsweise unterschritten werden, wenn es besondere örtliche Verhältnisse im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung dringend gebieten.

(7) Zur Frage des Bedarfes an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke ist ein Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer einzuholen. Soweit gemäß §29 Abs4 und 5 Ärzte betroffen sind, ist auch ein Gutachten der Österreichischen Ärztekammer einzuholen."

III.1.a) Der Verwaltungsgerichtshof schildert in seinem zu G37/97 erhobenen Gesetzesprüfungsantrag (Zl. A5/97) zunächst unter Punkt 1 das Verwaltungsgeschehen in diesem Anlaßfall und die Rechtslage. Er meint, daß er bei der Entscheidung darüber, ob die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung vorliegt, die vom Antrag erfaßten Gesetzesstellen anzuwenden habe; diese seien daher präjudiziell i.S. des Art140 Abs1 i.V.m. Art89 Abs2 und 135 Abs4 B-VG.

Sodann fährt er zur Begründung seiner verfassungsrechtlichen Bedenken wörtlich fort:

"2.1. Mit den Vorgängervorschriften der zitierten Regelung (Fassungen des Stammgesetzes, RGBl. Nr. 5/1907, und der Apothekengesetznovelle 1984, BGBl. Nr. 502/1984) hatte sich der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach zu befassen (vgl. z.B. die Erkenntnisse VfSlg. 8.765/1980, 10386/1985, und 10692/1985, sowie die Hinweise auf diese Rechtsprechung in VfSlg. 10932/1986, 11937/1988, 12643/1991, 12873/1991 und 13073/1992). Im Erkenntnis Slg. 10386/1983 legte der Gerichtshof zu §29 Abs1 iVm §10 Abs3 ApG (in der Stammfassung) dar, diese die Erwerbsausübungsfreiheit jener Person, die eine neue Apotheke errichten will, einschränkende Vorschrift wäre nur dann verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten und auch sachlich zu rechtfertigen wäre. Das Ziel, das klaglose Funktionieren der Heilmittelversorgung der Bevölkerung zu sichern, liege - ohne daß dies eines weiteren Nachweises bedürfe - im öffentlichen Interesse. Es sei auch an sich gerechtfertigt, zur Erreichung dieses Zieles die infolge Errichtung neuer Apotheken mögliche Existenzgefährdung bestehender Apotheken zu berücksichtigen, da die bestehende Apotheke sonst ihrer Betriebspflicht (§13 ApG) allenfalls nicht ordnungsgemäß nachkommen, so etwa nicht über das hiefür erforderliche Heilmittellager verfügen könnte. Der sachliche Grund, auf die mögliche Existenzgefährdung bestehender Apotheken Bedacht zu nehmen, liege ausschließlich in der Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten, nicht aber etwa darin, dem momentanen Apothekenkonzessionsinhaber (oder seiner Witwe) ein bestimmtes Einkommen oder eine Alters- bzw. Witwenversorgung zu sichern. Es sei davon auszugehen, daß es an sich im Interesse der Bevölkerung liege, die Medikamente benötige, wenn eine weitere Apotheke (Hausapotheke) eröffnet und so der Weg zur nächsten Medikamentenverkaufsstelle verkürzt werde. Es müßten daher besondere - streng zu prüfende - Umstände vorliegen, die diese Neueröffnung dennoch als dem öffentlichen Interesse widerstreitend erscheinen ließen. Derartige Umstände könnten nur darin liegen, daß eine der Apotheken infolge wirtschaftlicher Schwierigkeiten außerstande wäre, die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung zu gewährleisten, weshalb es für die Bevölkerung günstiger sei, wenn eine neue Apotheke nicht errichtet werde.

2.2. Unter den nach seiner neueren Rechtsprechung (insbesondere seit den Erkenntnissen VfSlg. 10179/1984, 10932/1986, 11483/1987 und 11558/1987) maßgebenden Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit des Eingriffes hat der Verfassungsgerichtshof die Vorschriften, die den Konkurrenzschutz für bestehende Apotheken regeln, bisher nicht geprüft. In seiner oben zitierten Rechtsprechung zu Vorschriften des Apothekengesetzes hatte sich der Verfassungsgerichtshof - fallbezogen - durchwegs nur mit Regelungen zu befassen, die auf den Schutz der bestehenden Apotheken vor Existenzgefährdung gerichtet waren; mit den Vorschriften, die die Erteilung der Konzession vom Bestehen eines Bedarfes nach der Errichtung der neuen Apotheke unter Gesichtspunkten der wirtschaftlichen Erfolgsaussichten dieser Apotheke abhängig machen, mußte sich der Verfassungsgerichtshof bisher nicht auseinandersetzen. Das durch die Apothekengesetznovelle 1990 eingeführte System der Bedarfsprüfung war ebenfalls noch nicht Gegenstand einer meritorischen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes. Unter den noch näher zu erörternden Gesichtspunkten des Beschwerdefalles und im Hinblick auf die erwähnte neuere Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Grundrecht der Erwerbsausübungsfreiheit sieht sich der Verwaltungsgerichtshof veranlaßt, Bedenken gegen die Übereinstimmung der im Beschwerdefall anzuwendenden Vorschriften des Apothekengesetzes mit dem Verfassungsrecht, insbesondere dem Art6 StGG, an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

2.3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist der Gesetzgeber durch Art6 StGG ermächtigt, die Ausübung der Berufe dergestalt zu regeln, daß sie unter gewissen Voraussetzungen erlaubt oder unter gewissen Umständen verboten ist (also auch den Erwerbsantritt behindernde Vorschriften zu erlassen), sofern er dabei den Wesensgehalt des Grundrechtes nicht verletzt und die Regelung auch sonst nicht verfassungswidrig ist (vgl. z.B. VfSlg. 5.871/1968, 9.233/1981).

Eine gesetzliche Regelung, die die Erwerbsausübungsfreiheit beschränkt, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. z.B. VfSlg. 10179/1984, 10386/1985, 10932/1986, 11276/1987, 11483/1987, 11494/1987, 11503/1987, 13955/1994) jedoch nur zulässig, wenn das öffentliche Interesse sie gebietet, sie zur Zielerreichung geeignet und adäquat ist und sie auch sonst sachlich gerechtfertigt werden kann (vgl. hiezu weiters Oberndorfer-Binder, in Klecatsky - FS 677 ff; Korinek in Wenger FS 243 ff; Stelzer, Das Wesensgehaltsargument und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 144 ff; Grabenwarter, Rechtliche und ökonomische Überlegungen zur Erwerbsfreiheit, 13 ff; Schulev-Steindl, Wirtschaftslenkung und Verfassung, 99 ff). Errichtet das Gesetz eine Schranke schon für den Antritt einer unternehmerischen Tätigkeit, die der Betroffene, der alle subjektiven Voraussetzungen erfüllt, aus eigener Kraft nicht überwinden kann - eine Schranke, wie sie etwa eine Bedarfsprüfung darstellt -, so liegt grundsätzlich ein schwerer Eingriff in die verfassungsgesetzlich gewährleistete Erwerbsausübungsfreiheit vor, der nur angemessen ist, wenn dafür besonders wichtige öffentliche Interessen sprechen und wenn keine Alternativen bestehen, um den erstrebten Zweck in einer gleich wirksamen, aber die Grundrechte weniger einschränkenden Weise zu erreichen (vgl. z. B. VfSlg. 11483/1987, 12009/1989).

3.1. §10 ApG normiert ein System des Konkurrenzschutzes, das auf drei negativ formulierten Bedarfsvoraussetzungen aufbaut:

Einer Mindestentfernung der Betriebsstätte der neuen Apotheke von jener der nächstgelegenen bestehenden Apotheke (§10 Abs2 Z2 ApG) sowie einem ausschließlich durch die Anzahl der 'zu versorgenden Personen' bestimmten Mindestversorgungspotential sowohl der bestehenden (§10 Abs2 Z3 ApG) als auch der neuen Apotheke (§10 Abs2 Z1 ApG).

Die negativen Bedarfsvoraussetzungen des Mindestversorgungspotentials der bestehenden Apotheke und des Mindestabstandes der Betriebsstätten beinhalten Elemente der Existenzgefährdungsprüfung nach einem 'standardisierten Verfahren'; der Gesetzgeber scheint davon auszugehen, daß die Existenz der bestehenden Apotheken bei Vorhandensein des Mindestversorgungspotentials und Überschreitung des Mindestabstandes nicht gefährdet ist. Mit dem negativen Bedarfsmerkmal des Mindestversorgungspotentials der 'neuen' Apotheke scheint sich der Gesetzgeber auf deren Existenzfähigkeit bzw. wirtschaftliche Erfolgsaussichten zu beziehen.

3.2. Der Verwaltungsgerichtshof bezweifelt nicht, daß - unter dem Gesichtspunkt der Volksgesundheit - ein besonders wichtiges öffentliches Interesse am klaglosen Funktionieren der Heilmittelversorgung der Bevölkerung besteht. Ziel jeder Regelung der Heilmittelversorgung der Bevölkerung muß es sein, die benötigten Arzneimittel in einwandfreier Beschaffenheit, rasch, überall, jederzeit und zu erschwinglichen Preisen für den Konsumenten verfügbar zu machen (vgl. Puck in FS Wenger, 577, 579).

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ist jedoch zu bezweifeln, daß das durch §10 ApG idF der Nov 1990 normierte System der Bedarfsprüfung durch das erwähnte öffentliche Interesse geboten und zur Erreichung der soeben umschriebenen Ziele geeignet ist sowie ein im Verhältnis zum verfolgten Ziel adäquates Mittel darstellt.

Die Ankerkennung des oben umschriebenen öffentlichen Interesses nimmt das Ergebnis der Prüfung, ob die Einschränkung des Grundrechtes der Erwerbsfreiheit im Hinblick auf dieses öffentliche Interesse geboten ist, nicht vorweg; denn es besteht kein Grundsatz, daß für die Volksgesundheit bedeutende freie Berufe nur in einer durch Eingriffe in die Erwerbsfreiheit geschützte Sphäre ordnungsgemäß und in einer dem Gemeinwohl Rechnung tragenden Weise ausgeübt werden könnten. Der Gesetzgeber sah sich nicht veranlaßt, etwa die Berufsausübung der Ärzte durch Maßnahmen des Konkurrenzschutzes zu beschränken. Der Verfassungsgerichtshof hat - soweit der Gesetzgeber in Teilbereichen der ärztlichen Berufsausübung einen Konkurrenzschutz normiert hat - dies als Verstoß gegen das Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit angesehen (vgl. z.B. VfSlg. 13184/1992). Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes liegt keine hinreichende Grundlage für die Auffassung vor, der Beruf des selbständigen Apothekers werde - anders als andere Gesundheitsberufe oder andere unternehmerische Tätigkeiten - unter solchen wirtschaftlichen Gegebenheiten ausgeübt, daß die Leistungsfähigkeit der Unternehmen nur durch die Bedarfsprüfung bei der Errichtung neuer Unternehmen sichergestellt werden könne. Insbesondere scheint keine hinreichende Grundlage für die Auffassung zu bestehen, daß die Apotheken ihren öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen nur unter dem Schutz des Systems der Bedarfsprüfung nachkommen könnten. Dies würde den Befund voraussetzen, daß aus den erwähnten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen wirtschaftliche Belastungen resultierten, denen Apothekenunternehmen nur standhalten könnten, wenn sie vor freiem Wettbewerb geschützt würden. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Sachlage nicht erkennbar.

3.2.1. In diesem Zusammenhang ist auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 11. Juni 1958, B VerfGE 7, 377-444, zu verweisen. Auf der Grundlage empirischer Untersuchungen der Heilmittelversorgung in mehreren europäischen Ländern, in denen das System der Niederlassungsfreiheit der Pharmazeuten besteht, gelangte das Bundesverfassungsgericht zur Auffassung, die vom Gesetzgeber bei Niederlassungsfreiheit der Apotheker befürchteten Gefahren hätten nicht so wahrscheinlich gemacht werden können, daß darauf - unter Beibehaltung des geltenden Apotheken- und Arzneimittelrechts im übrigen - die schärfste Einschränkung der freien Berufswahl, nämlich die Absperrung voll qualifizierter Bewerber von der selbständigen Ausübung des Apothekerberufs, gestützt werden könne. Insbesondere sei aus im einzelnen dargelegten Gründen (vgl. aaO 413-428) nicht zu erwarten, daß die Niederlassungsfreiheit zu 'einer schrankenlosen Vermehrung der Zahl der Apotheken, die in ihrer Auswirkung eine Verschlechterung der Arzneimittelversorgung bedeuten würde', führen könnte. In keinem der europäischen Staaten, die das System der vollen Niederlassungsfreiheit praktizierten, könne von einer Gefährdung der Volksgesundheit durch Mängel der Arzneimittelversorgung ernstlich die Rede sein. Wo es nach Einführung der Niederlassungsfreiheit zu einer großen Zahl von Neuerrichtungen gekommen sei, seien wirtschaftliche Fehlgründungen kaum festzustellen gewesen. Es sei - u.a. im Hinblick auf den hohen Investitionsbedarf - weiterhin unwahrscheinlich, daß die verschiedentlich behauptete Gründungsfreudigkeit 'der Apotheker sich über alle wirtschaftliche Vorsicht und Vernunft hinwegsetzen werde (aaO 419); dies würde ein Maß von 'Wirtschaftsblindheit' voraussetzen, das beim Apothekerstand ebensowenig unterstellt werden könnte wie bei anderen Wirtschaftstreibenden, denen - auch bei fehlender wirtschaftstheoretischer Vorbildung - die Fähigkeit, die Chancen einer Geschäftsgründung zu beurteilen, ohne weiteres zugetraut werde. Es sei somit nicht zu erwarten, daß die Leistungsfähigkeit vieler Apotheker infolge 'ungeregelter Vermehrung' so abnehmen werde, daß die gesetzlichen Verpflichtungen nicht erfüllt werden könnten. Vereinzelt mögliche, wirtschaftlich ganz unvernünftige Entschlüsse von Apothekern dürfe der Gesetzgeber nicht zur Grundlage einer generellen Zulassungsbeschränkung machen. Es ist nicht ersichtlich, daß die maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse und Rahmenbedingungen, von denen das Bundesverfassungsgericht ausging, von jenen in Österreich grundlegend verschieden wären (vgl. hiezu Grabenwarter, aaO, 154-160; Puck, aaO, 586-588; derselbe in FS Winkler 213, 231-235).

3.2.2. Auch der Gesichtspunkt der Vermeidung übermäßigen Wettbewerbs scheint nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes den vorliegenden Eingriff in die Niederlassungsfreiheit nicht zu rechtfertigen. Dem Gesetzgeber stehen zur Regulierung des Wettbewerbes andere, in die Freiheit der Erwerbsausübung weit weniger eingreifende Mittel, insbesondere Ausübungs- und Preisregelungsvorschriften, zur Verfügung.

Auch zur Verhinderung des Verdrängungswettbewerbes ist die angegriffene Regelung nicht erforderlich. Durch das Verbot der Kumulierung (§2 ApG) in Verbindung mit dem Grundsatz der alleinigen rechtlichen und wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Konzessionärs im Apothekenunternehmen (§12 ApG) bestehen nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ausreichende Vorkehrungen dagegen, daß kapitalkräftige Unternehmen überregionale Bedeutung und eine marktbeherrschende Stellung erlangen. Eine nähere Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Gesetzgeber einem befürchteten Verdrängungswettbewerb durch Einschränkungen der Erwerbsfreiheit begegnen darf, erübrigt sich somit.

3.2.3. Es ist auch nicht zu sehen, daß das System des §10 ApG in der geltenden Fassung unter dem Gesichtspunkt einer 'flächendeckenden' Heilmittelversorgung geboten wäre. Angesichts der großen Anzahl von Pharmazeuten, die über die persönlichen Voraussetzungen zur selbständigen Ausübung des Apothekerberufes verfügen und eine Unternehmensgründung anstreben, liegt kein hinreichender Grund für die Annahme vor, die Bedarfsprüfung sei notwendig, um Apotheker von der Niederlassung in Ballungsräumen abzuhalten und 'auf das Land zu zwingen' (vgl. Grabenwarter, aaO, 159).

Die dargestellten Überlegungen führen zum Ergebnis, daß das öffentliche Interesse an einer klaglosen Heilmittelversorgung der Bevölkerung es nicht gebietet, die Gründung neuer Apothekenunternehmen vom Bestehen eines Bedarfes abhängig zu machen.

3.4. Dazu kommt, daß zahlreiche an den Verwaltungsgerichtshof herangetragene Fälle überdies zeigen, daß die gegebene Rechtslage zur Erreichung des Zieles, die Heilmittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen, nicht geeignet ist. Die Gründung neuer Apothekenunternehmen wird für die Mehrzahl der Bewerber unangemessen erschwert bzw. unmöglich gemacht. Dazu kommt weiters, daß die Vollziehung - nicht zuletzt angesichts des Fehlens klarer gesetzlicher Regelungen, nach welchen Gesichtspunkten die Zuordnung der 'zu versorgenden Personen' zum Versorgungspotential der einen oder anderen Apotheke zu geschehen hat, und des Fehlens von statistischen Daten, die an den Regelungen von §10 Abs2 bis 5 orientiert wären - bei der Ermittlung der Anzahl der 'zu versorgenden Personen' vor nahezu unlösbare Ermittlungsaufgaben gestellt zu sein scheint. Die gegebene Rechtslage bewirkt daher eher den Schutz von Standortmonopolsituationen zum Zweck der Ertragserzielung als die Gewährleistung eines flächendeckenden Netzes leistungsfähiger Apotheken; damit wird die Zweck-Mittel-Relation in ihr Gegenteil verkehrt (vgl. Puck, FS Wenger, 596).

4. Die folgenden Bedenken begründen den auf Aufhebung insbesondere von §10 Abs2 Z1 ApG gerichteten Eventualantrag. Faßt man diese Vorschrift indessen als Teil einer - dem gesetzgeberischen Plan entsprechenden - Gesamtregelung (vgl. RV, 1336 BlgNR 17. GP, 4) auf, wobei (insbesondere) die Vorschriften des §10 Abs2 Z2 und 3 ApG ohne die ersterwähnte Vorschrift nicht bestehen könnten, so erfaßt die §10 Abs2 Z1 ApG anhaftende Verfassungswidrigkeit die gesamte mit dem Hauptantrag angegriffene Regelung; dies selbst dann, wenn die - einer Existenzgefährdungsprüfung gleichkommende - Regelung von §10 Abs2 Z2 und 3 ApG für sich alleine für verfassungskonform gehalten werden sollte. Es könnte nämlich die Auffassung vertreten werden, daß die nach Aufhebung des §10 Abs2 Z1 ApG und der damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Vorschrift des §10 Abs3 leg.cit. verbleibende Regelung nicht dem Plan des Gesetzgebers entspräche.

5.1. Selbst auf der Grundlage der Auffassung, der durch die Normierung 'negativer Bedarfsvoraussetzungen' nach §10 Abs2 Z2 und 3 ApG gegebene Konkurrenzschutz sei erforderlich und geeignet, die Erhaltung wirtschaftlich gesunder und leistungsfähiger Apotheken zu gewährleisten, eine nicht im Interesse einer geordneten Heilmittelversorgung gelegene Ballung von Apotheken im städtischen Raum und damit verbundenen übermäßigen Wettbewerb hintanzuhalten und die Versorgung des ländlichen Raumes sicherzustellen, könnte die vorliegende Regelung weder als erforderlich noch als zur Zielerreichung geeignet und adäquat angesehen werden. Der angestrebte Zweck würde nämlich schon durch die Regelungen des §10 Abs2 Z2 und 3 ApG - oder andere, die Existenz der bestehenden Apotheken sichernde Regelungen - sichergestellt; der weiteren Einschränkung der Erwerbsausübungsfreiheit durch §10 Abs2 Z1 ApG bedürfte es offenbar nicht.

5.1.1. Für eine qualitativ und quantitativ ausreichende und preisgünstige Heilmittelversorgung wird durch die gegebenen Ausbildungs-, Ausübungs- und Preisregelungsvorschriften auf eine Weise gesorgt, die den Eingriff in die Grundrechtssphäre durch die Bedarfsprüfung entbehrlich macht.

5.1.2. Dem Zweck, übermäßigen Wettbewerb hintanzuhalten und das Bestehen wirtschaftlich solider Apothekenbetriebe zu gewährleisten, wird durch die Normierung eines räumlichen Mindestabstandes der Betriebsstätten (§10 Abs2 Z2 ApG) und eines Mindestversorgungspotentials der bestehenden Apotheken (§10 Abs2 Z3 ApG) - allenfalls in Kombination mit Wettbewerbsvorschriften - hinreichend entsprochen. Weiters ist neuerlich darauf zu verweisen, daß durch die §§2 und 12 ApG der Entstehung von Unternehmen mit überregionaler Bedeutung und marktbeeinflussender Stellung und somit einem Verdrängungswettbewerb durch übermächtige Konkurrenten vorgekehrt wird.

5.1.3. Inwiefern - über das soeben dargelegte System hinaus - die Normierung einer Bedarfsprüfung, die an ein Mindestversorgungspotential der zu schaffenden Apotheke anknüpft, dem Zweck einer ordnungsgemäßen Heilmittelversorgung der Bevölkerung dienen sollte, ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu sehen. Dem Ziel, ein 'flächendeckendes' Netz von Apotheken herzustellen und zu erhalten, dient diese Regelung des §10 Abs2 Z2 und 3 ApG noch jener der Z1 leg.cit. bedürfte, um Apothekenunternehmen von der Niederlassung in Ballungsräumen abzuhalten und 'auf das Land zu zwingen' (vgl. Grabenwarter, aaO, 159). Die Praxis zeigt, daß einer großen Anzahl von Interessenten, die über die persönlichen Voraussetzungen verfügen, eine geringe Anzahl von nach den Grundsätzen des §10 Abs2 Z2 und 3 ApG in Betracht kommenden Apothekenstandorten gegenübersteht. Gerade der Beschwerdefall, aber auch andere an den Verwaltungsgerichtshof herangetragene Fälle zeigen sehr anschaulich, daß die Regelung des §10 Abs2 Z1 ApG der Errichtung eines flächendeckenden Netzes öffentlicher Apotheken nicht dient, sondern ihr entgegensteht, weil gerade in dünn besiedelten Gebieten mit schlechter Verkehrsverbindung zu Apothekenstandorten die Errichtung einer öffentlichen Apotheke wegen des (oft geringfügigen) Unterschreitens des Mindestversorgungspotentials nicht zulässig ist, obwohl keine Existenzgefährdung der benachbarten Apotheken eintreten könnte. Der angefochtene Bescheid verneint auf der Grundlage von §10 Abs2 Z1 ApG die sachlichen Konzessionsvoraussetzungen in Ansehung eines Apothekenstandortes, dem - nach den Feststellungen des Bescheides - ein Versorgungspotential von 5.342 Personen innerhalb der Entfernung von 4 Straßenkilometern von der Betriebsstätte zuzurechnen ist, wobei das in Rede stehende Gebiet - bei unzureichender Erschließung mit öffentlichen Verkehrsmitteln - mehr als 13 km von der nächsten öffentlichen Apotheke entfernt liegt.

5.1.4. Unter den Umständen des Einzelfalles ist auch nicht ersichtlich, daß die Regelung dem subsidiären Ziel der Erreichung gesunder Marktstrukturen durch Ausschaltung betriebswirtschaftlich nicht lebensfähiger Unternehmungen diente:

Das in Rede stehende Unternehmen, dem die rechtliche Basis auf der Grundlage einer Vorschrift entzogen wird, die vorgeblich die Gründung wirtschaftlich nicht lebensfähiger Unternehmen verhindern soll, besteht seit mehr als acht Jahren, wobei im Hinblick auf die besondere Situation eine Belastung durch die Kosten eines verantwortlichen Leiters verkraftet werden muß.

5.1.5. Es scheint auf der Hand zu liegen, daß §10 Abs2 Z1 ApG angesichts der Absicherung der bestehenden Apotheken durch Z2 und 3 leg.cit. nicht dem Schutz der Heilmittelversorgung der Bevölkerung durch öffentliche Apotheken dient.

Auch der Umstand, daß mit der angegriffenen Vorschrift als Reflexwirkung der Schutz des Bestandes der ärztlichen Hausapotheken einhergeht, läßt die Vorschrift nicht als adäquates Mittel der Heilmittelversorgung der Bevölkerung erscheinen (vgl. Puck in FS Winkler 234 f); denn das Apothekengesetz betrachtet die Heilmittelversorgung der Bevölkerung durch öffentliche Apotheken als Grundsatz. Die ärztliche Hausapotheke ist lediglich ein subsidiäres Mittel der Versorgung (vgl. §29 Abs4 und 5 ApG; VfSlg. 5648/1967).

5.2. Die angegriffene Regelung ist somit - angesichts des Umstandes, daß für den Konkurrenzschutz der bestehenden Apotheken durch §10 Abs2 Z2 und 3 ApG jedenfalls ausreichend gesorgt ist - unter Gesichtspunkten dieses Konkurrenzschutzes nicht erforderlich. Sie zielt - jedenfalls in ihrer Auswirkung - lediglich auf den Schutz des Unternehmers 'vor sich selbst', nämlich vor den Folgen seiner allenfalls verfehlten Prognose über die wirtschaftlichen Chancen einer Unternehmensgründung ab. Es besteht kein Grund zur Annahme, daß es ohne angegriffene Regelung bzw. gerade wegen ihres Fehlens zur Gründung wirtschaftlich nicht lebensfähiger Unternehmen in einer ins Gewicht fallenden Anzahl kommen würde. Warum gerade die Gründer von Apothekenunternehmen nicht in der Lage sein sollten, selbst eine sorgfältige Prüfung der Erfolgschancen einer Unternehmensgründung vorzunehmen und dem Ergebnis dieser Prüfung entsprechend zu handeln, weshalb diese Aufgabe der staatlichen Verwaltung überantwortet werden muß, ist nicht einzusehen (vgl. Grabenwarter, aaO, 159, unter Hinweis auf Puck, FS Winkler, 233).

Dazu wird bemerkt, daß schon der Gesetzgeber des Jahres 1907 keine Bedenken dagegen hatte, die Beurteilung der Existenzfähigkeit der neuen Apotheke nicht der Behörde, sondern dem Bewerber zu überlassen, weil 'anzunehmen ist, daß die Frage der Existenzfähigkeit von dem Anreger weit richtiger beurteilt wird als von der Behörde' (vgl. den Bericht des Sanitätsausschusses, 2620 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Abgeordnetenhauses, XVII. Session 1906, 9, 10). Welche Motive den Gesetzgeber im Jahre 1984 und 1990 bewogen haben, auf die wirtschaftlichen Erfolgsaussichten des zu gründenden Unternehmens als Bedarfsvoraussetzung Bezug zu nehmen - eine Regelung, die in der österreichischen Rechtsordnung anscheinend einzig dasteht - ist (auch bei Bedachtnahme auf die Gesetzesmaterialien) nicht zu erkennen.

5.3. Gegen die mit dem Eventualantrag angegriffene Regelung besteht ferner das Bedenken, daß sie auch infolge ihrer Ausnahmslosigkeit bei ausschließlicher Anknüpfung an die Anzahl der zu versorgenden Personen dem Ziel einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln durch wirtschaftlich lebensfähige Apothekenbetriebe nicht dient, sondern der Erreichung dieses Zieles entgegensteht; es fehlt somit auch die Eignung zur Verwirklichung des offenbar angestrebten Zweckes. Die Behörde erster Instanz wertete die im Beschwerdefall vorliegende, oben näher dargelegte Sachlage als einen Fall des 'zwingenden Bedarfes der Bevölkerung nach Errichtung einer neuen öffentlichen Apotheke' im Sinne des §10 Abs4 ApG idF der Novelle 1984, in welchem Fall nach dieser Rechtslage selbst über die Gefährdung der Existenzfähigkeit einer bestehenden öffentlichen Apotheke hinweggesehen werden konnte. Die hier anzuwendende Rechtslage läßt hingegen die Errichtung einer neuen öffentlichen Apotheke selbst ohne Existenzgefährdung einer bestehenden Apotheke bei Unterschreiten der Anzahl von 5500 zu versorgenden Personen auch in solchen Fällen nicht zu, in denen ein Bedürfnis der Bevölkerung nach einer öffentlichen Apotheke in dem Sinne, daß dem Angebot einer Apotheke eine hinreichende Nachfrage gegenüberstünde und die anderweitige Beschaffung von Heilmitteln aus einer öffentlichen Apotheke in der näheren Umgebung des Wohnortes nicht möglich ist, nicht zu. Diese starre, ausschließlich an eine bestimmte Anzahl der zu versorgenden Personen anknüpfende Regelung läßt eine Bedachtnahme auf sonstige in der Frage, ob ein Bedürfnis der Bevölkerung an einer öffentlichen Apotheke besteht, bedeutsame Umstände - wie es etwa die Regelung des §10 Abs6 ApG in Beziehung auf das negative Bedarfsmerkmal des §10 Abs2 Z2 ApG vorsieht - nicht zu; sie erscheint auch unter diesem Gesichtspunkt unsachlich.

Unterstellt man eine Rechtslage, wie sie im Falle der Beseitigung von §10 Abs2 Z1 ApG aus dem Rechtsbestand bestünde, wird deutlich, daß die erwähnte Vorschrift einen durch das öffentliche Interesse an der Heilmittelversorgung der Bevölkerung nicht gebotenen und zur Erreichung der angestrebten Ziele nicht geeigneten Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit darstellt. In einem solchen Fall wäre die wirtschaftliche Existenzfähigkeit der bestehenden Apotheken - soweit wirtschaftslenkende Regelungen dies überhaupt vermögen - durch §10 Abs2 Z2 und 3 ApG sichergestellt. Das durch diese Vorschriften 'garantierte' Mindestpotential stellt sicher, daß eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz bestehender Apotheken durch die Gründung neuer Apothekenunternehmen nicht eintritt. Daß neu gegründete Unternehmen in ins Gewicht fallender Anzahl wirtschaftlich nicht lebensfähig wären, ist - wie oben näher dargelegt wurde - nicht anzunehmen. Aber selbst die Gründung eines wirtschaftlich nicht auf Dauer lebensfähigen Apothekenunternehmens wäre kein Umstand, der geeignet wäre, die Heilmittelversorgung der Bevölkerung zu gefährden. Diesfalls käme es für eine mehr oder weniger kurze Zeit - solange die Apotheke ihren Betrieb ordnungsgemäß aufrechterhält - zu einer Verbesserung der Heilmittelversorgung der betreffenden Bevölkerung durch eine Verkürzung der Weg- und Wartezeiten. Nach dem Ausscheiden des nicht lebensfähigen Unternehmens aus dem Markt würde dessen Versorgungsaufgabe wieder von jenen Apotheken übernommen, die sie schon vor der Gründung des betreffenden Unternehmens besorgt hatten. Daß es in Einzelfällen zu solchen Situationen - die auch unter dem Regime der bestehenden Vorschriften nicht gänzlich ausgeschlossen sind - kommen könnte, stellt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes keine Gefährdung der Heilmittelversorgung der Bevölkerung dar, die einen Eingriff in das Grundrecht der Erwerbsausübungsfreiheit rechtfertigen könnte, wie ihn §10 Abs2 Z1 ApG darstellt. Im übrigen könnte nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einmal in einem solchen Fall mit Recht gesagt werden, es wäre für die Bevölkerung günstiger gewesen, wenn die neue Apotheke nicht errichtet worden wäre.

5.4. Es scheint denkmöglich, §10 Abs2 Z2 und 3 ApG und die damit im Zusammenhang stehenden Vorschriften als Regelung aufzufassen, die auch nach Wegfall des §10 Abs2 Z1 ApG bestehen könnten. In diesem Fall - und unter der weiteren Annahme, daß die oben erwähnten Regelungen als dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht widersprechend angesehen werden könnten - läge eine Verfassungswidrigkeit unter dem Gesichtspunkt des Art6 StGG alleine im Umfang des §10 Abs2 Z1 ApG und der damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Regelungen des §10 Abs3 und der genannten Wortfolge in §10 Abs5 ApG vor. Von diesen Annahmen ausgehend wäre die Verfassungswidrigkeit im Falle der Aufhebung der mit dem Eventualantrag angegriffenen Vorschriften beseitigt."

b) Zur Begründung seiner weiteren Anträge (s.o. I.2) bezieht sich der Verwaltungsgerichtshof auf die soeben wiedergegebenen Bedenken.

2. Die Bundesregierung begründet ihr Begehren, den Prüfungsanträgen des Verwaltungsgerichtshofes keine Folge zu geben, mit nachstehenden Argumenten:

"A. Allgemeine Bemerkungen:

Der Verwaltungsgerichtshof erblickt in der angefochtenen Bestimmung eine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit. Er bezweifelt, daß das durch die angefochtene Bestimmung normierte System der Bedarfsprüfung durch das öffentliche Interesse geboten und zur Erreichung der Ziele geeignet ist sowie im Verhältnis zum verfolgten Ziel ein adäquates Mittel darstellt.

1. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes sind gesetzliche, die Erwerbsausübungsfreiheit beschränkende Regelungen nur dann zulässig, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet und adäquat sind und auch sonst sachlich gerechtfertigt werden können (vgl. VfSlg. 10718/1985, 11558/1987, 12379/1990, 13094/1993 u.a.).

Dem einfachen Gesetzgeber ist bei der Entscheidung, welche Ziele er mit seinen Regelungen verfolgt, innerhalb der Schranken der Verfassung ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum eingeräumt (VfSlg. 11483/1987, 12481/1990). Der Verfassungsgerichtshof hat nicht zu beurteilen, ob die Verfolgung eines bestimmten Zieles etwa aus wirtschaftspolitischen oder sozialpolitischen Gründen zweckmäßig ist. Er tritt dem Gesetzgeber nur dann entgegen, wenn dieser Ziele verfolgt, die keinesfalls als im öffentlichen Interesse liegend anzusehen sind (VfSlg. 9911/1983, 11483/1987, 11652/1988 u.a.).

2. Hiezu ist aus Sicht der Bundesregierung zunächst auf folgendes hinzuweisen:

Im Apothekengesetz sind die Voraussetzungen normiert, unter denen die Errichtung und der selbständige Betrieb einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke erlaubt ist bzw. dafür eine Konzession zu erteilen ist. Durch das Apothekengesetz wird die Ausübung dieses Erwerbszweiges nicht unmöglich gemacht, sondern ein sinnvolles System von öffentlichen Apotheken entsprechend der Bedarfslage und im übrigen von Hausapotheken ermöglicht.

Nach ständiger Rechtssprechung ist unter der 'Zahl ... der zu versorgenden Personen' (vgl. Puck, Organisation der Heilmittelversorgung durch Apotheken, in Wenger - FS, S 595) im Sinne des §10 Abs2 ApG nicht nur die im ausersehenen Standort, sondern auch jene der 'Umgebung', also des für die geplante Apotheke in Betracht kommenden Einzugsgebietes zu verstehen (VwGH 31.8.1978, 2014/77). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Anzahl von 6000 potentiellen Kunden zur Begründung des Bedarfes unter dem Gesichtspunkt der Zahl der zu versorgenden Personen im Standort und der Umgebung ausreichend (VwGH 23.9.1975, 1878/74); in anderen Erkenntnissen wurde eine Bevölkerungszahl von ca. 5000 bzw. 5600 als noch ausreichend angesehen (VwGH 17.6.1969, 1693/68: 5000; VwGH 29.4.1966, 2143/65: 5600 noch ausreichend). Unter Zugrundelegung städtischer Maßstäbe betrachtet der Verwaltungsgerichtshof eine Wegstrecke von mindestens 600 m und mehr als beträchtlich, noch dazu wenn nur eine begrenzte Möglichkeit besteht, diese Strecke mittels öffentlicher Verkehrsmittel zurückzulegen (VwGH 16.4.1982, 81/08/0067; eine wesentliche Erleichterung wird durch eine Wegersparnis von 400 bis 500 m - VwGH 25.2.1969, 1063/68 - oder rd. 600 m - VwGH 28.11.1978, 1051/77 - nicht bewirkt). Hat man erkannt, daß es nicht darum geht, Standortmonopolsituationen zum Zwecke der Ertragserzielung zu schützen, sondern eine einwandfreie und dauerhafte Heilmittelversorgung sicherzustellen (VfSlg. 8765/1980), dann muß auch dem unbestimmten Rechtsbegriff des Bedürfnisses der Bevölkerung ein Sinn beigemessen werden, der diese Ziel-Mittel-Relation nicht in ihr Gegenteil verkehrt.

Aus dieser ständigen Judikatur heraus entwickelt wurde in der Apothekengesetznovelle 1984 schließlich die Mindestanzahl an zu versorgenden Personen mit 5500 im Umkreis von 4 Straßenkilometern - bei einer Mindestentfernung von 500 m zwischen 2 Apotheken - normiert.

Sowohl nach der früheren als auch nach der neuen Rechtslage bedeutet ein fundiertes Kundenpotential bei der Neuerrichtung einer Apotheke ein wesentliches Kriterium, wenn man berücksichtigt, daß erfahrungsgemäß die Grundlage der Existenzfähigkeit einer Apotheke auf Dauer gesehen ein entsprechendes Einzugsgebiet mit einer genügend hohen Anzahl an zu versorgenden Personen bildet. Eine eklatante Senkung der Mindestanzahl an zu versorgenden Personen oder gar der gänzliche Wegfall der Bedarfsprüfung würde - zugegebenermaßen - zu einer Apothekenvermehrung führen, was vermehrt zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten und auch zu Zusammenbrüchen von Apotheken führen könnte.

Das wiederum könnte die angestrebte umfassende und klaglos funktionierende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung gefährden. Hinzu kommt, daß der sich daraus ergebende größere Konkurrenzkampf im Hinblick auf die besondere Aufgabe der Apotheken von vorneherein verhindert werden soll. Die Situation erscheint, was das Ziel der Vermeidung eines Konkurrenzkampfes betrifft, mit der vom Verfassungsgerichtshof anerkannten Situation für das Bestattergewerbe vergleichbar.

Nur der Vollständigkeit halber soll in diesem Zusammenhang auch auf die Entstehungsgeschichte des Apothekengesetzes verwiesen werden:

Wie bereits im Motivenbericht zum Apothekengesetz 1906 (1912 BlgAH, 17. Session (1903)) ausgeführt wird, gäbe die unbedingte Niederlassungsfreiheit - ohne Rücksicht auf den Lokalbedarf und die bestehenden Apotheken - denselben den Charakter rein gewerblicher Unternehmungen, deren Ertragsfähigkeit hauptsächlich auf die kaufmännische Geschicklichkeit des Unternehmers gestellt wäre. Wie beim reinen Personalsystem der kommerzielle, würde hier der öffentliche Charakter der Apotheke als eine Anstalt im System der öffentlichen Sanitätspflege nicht berücksichtigt. Es könne nicht in Abrede gestellt werden, daß in einigen anderen europäischen Staaten die Niederlassungsfreiheit der Apotheke bestehe; doch müsse es als sehr bedenklich bezeichnet werden, dieses Prinzip auf unsere Verhältnisse anwenden zu wollen. Das unmittelbare Ergebnis wäre voraussichtlich nur die Schaffung einer im Interesse der allgemeinen Wohlfahrt gewiß nicht zu wünschenden Überkonkurrenz auf diesem Gebiet.

Bei Entfall einer entsprechenden behördlichen Lenkung der Apothekenstandorte durch die Bedarfsprüfung besteht vor allem auch die Gefahr der Konzentration von öffentlichen Apotheken in Ballungszentren, wie beispielsweise Einkaufszentren, Verkehrsknotenpunkten, etc. festzustellen sein. Außerhalb solcher Konzentrationspunkte bestünde kaum ein (wirtschaftliches) Interesse von Konzessionswerbern an Apothekenneugründungen. Eine österreichweite gleichmäßige Aufteilung von öffentlichen Apotheken ist somit aus gesundheitspolitischer Sicht für die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung von größtem öffentlichen Interesse. Während in Ballungsgebieten ein Überangebot an Arzneimittelabgabestellen entstehen würde, wären andere Gebiete mit Arzneimitteln unterversorgt.

3. Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß die Bedarfsprüfung dem öffentlichen Interesse an einer optimalen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung dient und zur Zielerreichung geeignet und adäquat ist.

4. Anhand der durch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes entwickelten Kriterien, kann daher festgestellt werden, daß

* ein öffentliches Interesse an der flächendeckenden

Arzneimittelversorgung Österreichs besteht,

* die Bedarfsprüfung ein taugliches Mittel ist, die Errichtung neuer Apotheken dort zu bewirken, wo bisher noch keine Heilmittelabgabestellen vorhanden sind und dort zu verhindern, wo der Bedarf durch bestehende Apotheken bereits gedeckt wird.

* die Bedarfsprüfung ein adäquates Mittel ist, da kein

anderes gelinderes Mittel ersichtlich ist, mit dem auf die flächenmäßig möglichst umfassende Verteilung von Apotheken hingewirkt wird und gleichzeitig die

angestrebte Bestandsicherung der bestehenden Apotheken erreicht wird.

Die im Apothekengesetz verankerte Bedarfsprüfung ist daher nach Ansicht der Bundesregierung ein taugliches und adäquates Mittel zur Verfolgung des im öffentlichen Interesse gelegenen Schutzes der klaglos funktionierenden Arzneimittelversorgung der Bevölkerung, die wiederum der Gesundheit dient (vgl. VfSlg. 10386/1985; Schulev-Steindl, Wirtschaftslenkung und Verfassung, 147).

B. Zu den Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes im einzelnen:

1. Wie unter Punkt A ausgeführt, ist zu prüfen, ob die angefochtene Bestimmung im öffentlichen Interesse geboten und ob sie zur Verfolgung dieses öffentlichen Interesses ein taugliches und adäquates Mittel darstellt.

Besonders hervorzuheben sind im vorliegenden Zusammenhang die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in dem Erkenntnis VfSlg. 10932/1986:

'Anders etwa als bei der Verleihung einer Apothekenkonzession, bei der das Ziel, die Heilmittelversorgung der Bevölkerung zu sichern, verlangen kann, auf eine mögliche Existenzgefährdung bestehender Apotheken Bedacht zu nehmen, dies vor allem deshalb, weil die Annahme gerechtfertigt ist, daß nur wirtschaftlich gesunde und starke Apotheken ein optimales Medikamentenlager halten können -, wird das Ziel, der Bevölkerung die Dienstleistung des Taxifahrens bestmöglich zu gewährleisten, durch eine Beschränkung der Zahl der Taxikonzessionen anscheinend geradezu inhibiert;'

Diese Ausführungen weisen darauf hin, daß der Verfassungsgerichtshof wohl auch die nunmehr vorgesehene Bedarfsprüfung im Apothekenbereich als verfassungskonform betrachtet und auf Grund ihrer unleugbaren Bedeutung für die Sicherung der Arzneimittelversorgung deutlich von anderen, sich auf andere Bereiche beziehenden Sachverhalten unterscheidet.

Die Argumentation des Verwaltungsgerichtshofes, die die Tätigkeit der Apotheker ganz allgemein anderen unternehmerischen Tätigkeiten gleichstellt, berücksichtigt nach Ansicht der Bundesregierung nicht die unterschiedlichen Voraussetzungen, die für die Ausübung der einzelnen Berufsgruppen definiert werden bzw. die Anforderungen, die im Rahmen der Berufsausübung im einzelnen gestellt werden. Für die Apotheken gilt die Besonderheit, daß sie dem besonderen Interesse an einer umfassenden Arzneimittelversorgung entsprechen sollen.

Bei den im Apothekenbereich festgelegten Verpflichtungen handelt es sich um sachspezifische Verpflichtungen, die in dieser Form wohl nicht mit anderen unt

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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