Index
L85003 Straßen Niederösterreich;Norm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Beschwerde des A in E, vertreten durch die Hochleitner Rechtsanwälte GmbH in 4320 Perg, Linzer Straße 14, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 24. Jänner 2007, Zl. RU1-SL-28/003-2006, betreffend eine Bewilligung nach dem NÖ Straßengesetz (mitbeteiligte Partei: Land Niederösterreich, Landesstraßenverwaltung), nach mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 2.905,30 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1. Zur Vorgeschichte wird auf die hg. Erkenntnisse vom 23. Februar 2010, Zl. 2007/05/0285, vom 23. Juli 2009, Zl. 2008/05/0086, und vom 21. März 2013, Zl. 2011/06/0118, verwiesen.
Zusammengefasst ist daraus entscheidungswesentlich Folgendes hervorzuheben: Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft A (BH) vom 30. März 2006 wurde dem Land Niederösterreich die straßenbaurechtliche Bewilligung gemäß § 12 NÖ Straßengesetz 1999 für die Errichtung der Umfahrungsstraße "Umfahrung P" erteilt. Die Trasse dieser Umfahrung verläuft (u.a.) über Grundstücke, auf denen zugunsten des Beschwerdeführers im Grundbuch die Reallast des Ausgedinges eingetragen ist.
Der grundbücherliche Eigentümer dieser Grundstücke J.B. (der Sohn des Beschwerdeführers) erhob gegen diesen Bescheid Berufung, die von der belangten Behörde mit Bescheid vom 24. Jänner 2007 abgewiesen wurde. Die dagegen von J.B. erhobene Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 23. Februar 2010, Zl. 2007/05/0285, als unbegründet ab. Der Beschwerdeführer wurde diesem Verfahren nicht beigezogen.
Mit dem hg. Erkenntnis vom 23. Juli 2009, Zl. 2008/05/0086, wurde der Bescheid der belangten Behörde vom 4. März 2008, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf Zustellung des im straßenrechtlichen Bewilligungsverfahren zuletzt ergangenen Sachentscheidungsbescheides als unzulässig zurückgewiesen worden war, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
In weiterer Folge wurde dem Beschwerdeführer der erstinstanzliche Bescheid der BH vom 30. März 2006 zugestellt, gegen den er Berufung erhob. Diese Berufung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 7. Juli 2010 mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen. Mit dem Erkenntnis vom 21. März 2013, Zl. 2011/06/0118, wurde dieser Bescheid dahingehend abgeändert, dass in seinem Spruch die Worte "mangels Parteistellung" zu entfallen hatten. Der Verwaltungsgerichtshof legte unter anderem dar, dass der Beschwerdeführer die Zustellung des im straßenbaurechtlichen Bewilligungsverfahren "zuletzt ergangenen Sachentscheidungsbescheides" beantragt habe. Mit der Zustellung des seit Erlassung des Berufungsbescheides am 24. Jänner 2007 nicht mehr rechtswirksamen Bescheides der BH vom 30. März 2006 an den Beschwerdeführer am 21. September 2009 sei diesem Antrag nicht entsprochen worden, vielmehr wäre dem Beschwerdeführer der Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 24. Jänner 2007 zuzustellen gewesen. Der Beschwerdeführer habe nach Zustellung dieses Bescheides dann die Möglichkeit, dagegen Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zu erheben.
2. Der angefochtene Bescheid vom 24. Jänner 2007 wurde dem Beschwerdeführer schließlich am 19. April 2013 zugestellt.
3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 27. November 2013, B 637/09-10, deren Behandlung abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
In seiner vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Nachdem die Zuständigkeit auf das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich übergegangen war, legte dieses die Verwaltungsakten vor und beantragte in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
Das mitbeteiligte Land hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
4. Der Sohn des Beschwerdeführers, J.B., ist am 23. Oktober 2012 verstorben; dem Beschwerdeführer wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Haag vom 20. November 2013 (u.a.) die Liegenschaft EZ 65 KG E eingeantwortet.
Mit Verfügung vom 24. April 2014 wurde der Beschwerdeführer im Hinblick auf seine nunmehrige Stellung als außerbücherlicher Eigentümer und dinglich Berechtigter der Liegenschaft EZ 65 KG E ersucht bekanntzugeben, ob und gegebenenfalls in welchen subjektiven Rechten er sich als verletzt erachtet.
Mit Schreiben vom 13. Mai 2014 erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme, in der er mit näheren Ausführungen erklärte, auch weiterhin in Rechten verletzt zu sein.
5. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5.1. Der Beschwerdeführer legt im Wesentlichen dar, in dem auf Basis des § 5 NÖ Straßengesetz 1999 (StrG) erlassenen NÖ Straßenverzeichnis finde sich weder eine Straße mit der Bezeichnung "B 123 Mauthausener Straße Umfahrung Pyburg Windpassing" noch sonst eine Straße, welche die den Gegenstand des angefochtenen Bescheides bildende Straßenführung beschreibe bzw. festlege. Der zu bauenden Straße fehle es somit an der rechtlichen Qualifikation als Landesstraße. Daher fehle der BH die Zuständigkeit, als Behörde erster Instanz im Sinne des § 2 StrG einzuschreiten. Auch die belangte Behörde hätte ihre Sachzuständigkeit nicht in Anspruch nehmen dürfen.
Mit der Bewilligung des eine Vorstufe des nachfolgenden Enteignungsverfahrens bildenden bzw. für selbige Bindungswirkung entfaltenden Straßenbauprojektes werde in die Rechte des Beschwerdeführers eingegriffen. Um einen derartigen Eingriff in die Sphäre der Rechtsunterworfenen zu rechtfertigen müssten ein konkreter Bedarf, eine Eignung zur Bedarfsdeckung, keine Möglichkeit anderwärtiger Bedarfsdeckung sowie die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs vorliegen.
Mit dem Vorhaben sei eine massive Zerschneidung der landwirtschaftlich genutzten Liegenschaften verbunden, hinsichtlich derer der Beschwerdeführer dinglich berechtigt sei. Deren bestehende Aufschließung sei nicht gewährleistet. Dementsprechend hätte dem Beschwerdeführer ein Mitspracherecht hinsichtlich des Straßenbauprojektes zukommen müssen. Bisher sei es möglich gewesen, mit landwirtschaftlichen Geräten die Flächen über eigenen Grund zu erreichen - dies insbesondere auch mit Mähdreschern. Durch die jetzt vorgesehene Aufschließung mit der Grundzerschneidung und insbesondere Zerschneidung der bisher bestehenden Feldwege sei der Beschwerdeführer gezwungen, über öffentliches Gut bzw. Umwege zu fahren, wozu Begleitfahrzeuge und nicht vorliegende Genehmigungen notwendig seien.
Durch gegenständliches Straßenbauvorhaben seien die nach Enteignung verbleibenden (Rest-)Grundstücke Nr. 805, 806, 807, 880/2, 881/2, 1070 und 1071/2 für den Beschwerdeführer auf eigenem Grund bzw. über öffentliche Wege nicht mehr erreichbar. Eine Zufahrt zu oben genannten Grundstücken über den Verbindungsweg zwischen D-straße und H-straße 1 sei nicht möglich, weil dieser Weg durch die Gemeinde E gesperrt worden sei (Hinweis auf das im Akt erliegende Lichtbild ./6).
Durch die sich ergebende Enklavensituation verstoße das Vorhaben insbesondere gegen die Parteirechte des § 13 Abs. 2 Z. 3 StrG, also auch gegen § 9 Abs. 1 StrG, zumal die bestehende Aufschließungssituation der genannten Grundstücke nicht erhalten bleibe. Es werde somit widerrechtlich in die Rechtsposition des Beschwerdeführers eingegriffen; dies insbesondere vor dem Hintergrund einer Bindungswirkung eines unanfechtbaren Straßenbaubescheides in dem folgenden Enteignungsverfahren, im Rahmen dessen der Beschwerdeführer einen bestandkräftig gewordenen Trassenverlauf wegen bloß mittelbarer Anwendung nicht mehr bekämpfen könnte. Der angefochtene Bescheid widerspreche somit auch in diesem Punkt der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 27. April 2011, Zl. 2010/06/0015).
Zu der zur Bewilligung vorliegenden Trassenvariante sei (mit Verweis auf eine beiliegende Planbeilage) auszuführen, dass exakt diese Variante nicht notwendig sei, um der (zum Teil) vorgeschobenen Zielsetzung der Antragstellerin (nämlich Umfahrung der Ortskerne von Pyburg und Windpassing bzw. Aufschließung des Ennshafens) gerecht zu werden bzw. diese Ziele zu verwirklichen. Das Land Niederösterreich verfüge über die Firma E (die zu 100% in ihrem Eigentum stehe) unmittelbar angrenzend an die enteignungsbedrohten Grundstücke über eigene Grundstücksflächen, darunter das Gst. Nr. 895/5 KG E. Dieses Grundstück grenze unmittelbar an die Grundstücke, an denen der Beschwerdeführer dinglich berechtigt sei, sodass nicht nachvollziehbar sei, aus welchem Grund das Straßenbauvorhaben gerade noch über Grundstücke führe, an denen der Beschwerdeführer dinglich berechtigt sei, und nicht einige wenige Meter nordwestlich auf landeseigenen Grundstücken.
Aus der vorrangigen Berücksichtigung der Interessen der Firma E werde klar, dass der verfahrensgegenständliche Trassenfall "Dl" dadurch motiviert sei, die Interessen der Firma E an eigenen Grundstücken zu wahren und die in der Folge hinzukommende "Enteignungsbelastung" auf (private) Dritte abzuwälzen. Eine Trassenführung auf (großteils) landeseigenen Grundstücken wäre technisch ohne weitere Probleme verwirklichbar gewesen. Wenn nun zum Teil im Behördenakt auf die Stellungnahme des verkehrstechnischen Sachverständigen verwiesen werde, wo der nunmehr bewilligte Trassenverlauf als geradezu ideal dargestellt werde, sei dies als offensichtliche Scheinbegründung zu qualifizieren. Die von der belangten Behörde zum Schein vorgebrachte Behauptung, dass eine Trassenführung über Grundstücke der Firma E aus Hochwasserschutzgründen nicht möglich sei, sei durch nichts belegt.
Aus den im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Projekt erfolgten Flächenwidmungen ergebe sich, dass das Straßenbauvorhaben insbesondere dazu dienen solle, von den Betriebsbaugebieten der Firma E ausgehenden Betriebslärm durch den mit der Straße beabsichtigten Lärmwall hintanzuhalten. Es werde aber nicht erörtert, warum nicht mit einer weniger eingriffsintensiven (platzsparenden) Lärmschutzwand das Auslangen gefunden werden könnte; dadurch würden weniger Grundstücksflächen, an denen der Beschwerdeführer dinglich berechtigt sei, in Anspruch genommen. Das Argument der belangten Behörde, dass gewisse Vorzüge durch den naturschutzrechtlichen Sachverständigen genannt würden (wobei aber sonstige Forderungen des naturschutzrechtlichen Amtssachverständigen - wie insbesondere das zur Verfügungstellen von Ersatzflächen vor Baubeginn - einfach übergangen würden), sei als reine Schutzbehauptung zu qualifizieren. Das Interesse des Beschwerdeführers, einen landwirtschaftlichen Betrieb aufrechterhalten zu können, habe Vorrang vor nicht näher nachvollziehbaren naturschutzrechtlichen Überlegungen. Wenngleich ein Lärmschutzwall als Lebensraum für gewisse Arten dienen könne, nehme ein solcher Wall aber ungleich mehr Lebensraum in Anspruch als eine Lärmschutzwand und werde somit bereits bestehender Lebensraum zerstört. Aus diesem Grund könne dem Argument "Schaffung von Lebensraum" keine Geltung beigemessen werden. Im Übrigen habe der naturschutzrechtliche Amtssachverständige sehr wohl auf die visuellen Nachteile eines Lärmschutzwalles gemäß § 9 Abs. 1 StrG hingewiesen.
Im südwestlichen "Beginn-Bereich" des Straßenbauprojektes sei eine Kreisverkehrsanlage vorgesehen. Es sei nicht nachvollziehbar und den technischen Gutachten im Verwaltungsakt nicht zu entnehmen, weshalb dieser Kreisverkehr auf einem Grundstück des Beschwerdeführers projektiert und nicht in den bisherigen Straßenverlauf, wofür öffentliches Gut zur Verfügung stehe, integriert werde. Die Argumentation mit "Einfahrtswinkel" etc. sei müßig; unmittelbar an die Grundstücke des Beschwerdeführers angrenzend befinde sich das Grundstück der Firma E, bei der Verlegung um einige wenige Meter nach Norden würde sich denkunmöglich eine relevante Veränderung der Einfahrtswinkel ergeben.
Zur Positionierung des Kreisverkehrs sei festzuhalten, dass sich - auch vom Niederösterreichischen Landesdenkmalamt bestätigt -
genau beim projektierten Kreisverkehr knapp unter der Erdoberfläche eine kreisförmige frühzeitliche Siedlung befinde.
Der lärmtechnische Sachverständige stelle die Überschreitung des Grenzwertes zur Nachtzeit fest, worauf die belangte Behörde nicht eingehe.
Der erstinstanzliche Bescheid nehme die Ausführungen des Umweltamtes in den Spruch auf. Danach seien Ersatzflächen bereits vor Bescheiderlassung zur Verfügung zu stellen, was aber nicht geschehen sei.
Nach dem Antrag der Projektwerberin habe das Straßenbauvorhaben die Zielsetzung, die Ortsgebiete Pyburg und Windpassing verkehrsmäßig zu entlasten. Ein Ortsgebiet werde aber nicht dadurch entlastet, indem man im gleichen Ortsgebiet (in anderen Ortsteilen) eine zusätzliche Straße errichte bzw. werde durch die Neuerrichtung eine zweite Lärmquelle geschaffen, insbesondere im Bereich des Wohnsitzes des Beschwerdeführers.
Das gegenständliche Straßenprojekt diene (u.a.) dazu, einen verkehrstechnischen Lückenschluss zwischen einer (beinahen) Anbindung an die B l zu schaffen; zwischen gegenständlicher Straße und der Anschlussstelle der B 1 lägen nur wenige Meter. Das Straßenbauvorhaben sei demgemäß als Teil eines (größeren) Verkehrskonzeptes - eben verbunden mit der B 1 - zu betrachten. Der nicht erfolgte Lückenschluss/die sich dadurch ergebende "Projektstückelung" diene einzig dazu, einer Umweltverträglichkeitsprüfung "zu entgehen". Die BH sei, weil das straßenbaurechtliche Bewilligungsverfahren der Umweltverträglichkeitsprüfung unterliege, nicht sachlich zuständige Behörde erster Instanz gewesen.
Die belangte Behörde habe sich mit der Frage der Sinnhaftigkeit bzw. Notwendigkeit der geplanten Umfahrungsstraße aus verkehrstechnischen Gründen nicht auseinandergesetzt. Die Anbindung an die "oberösterreichische B3" mit der Problematik Mauthausener Donaubrücke sei nicht berücksichtigt worden. Ohne länderübergreifende Planung sei keine Prognose des tatsächlich zu erwartenden Verkehrsaufkommens möglich.
Zur Notwendigkeit der geplanten Umfahrung sei lediglich auf technische Berichte verwiesen worden. Mit der wesentlichen Frage der zu erwartenden (Gesamt-) Verkehrsbelastung habe man sich nicht auseinandergesetzt. Unzureichend bzw. unvollständig seien die Projektunterlagen insbesondere im Bereich der Prognosen für künftige Verkehrsentwicklungen (unter globalen Aspekten).
Die belangte Behörde hätte zu prüfen gehabt, ob ein Straßenprojekt auch ohne Enteignung verwirklicht werden könne. Der Beschwerdeführer hätte im Ermittlungsverfahren vorbringen können, dass der Bedarf ohne Enteignung (der Grundstücke, an denen ihm dingliche Berechtigung zukomme) gedeckt werden könne.
Die belangte Behörde führe an, dass im Zusammenhang mit verschiedenen Trassenvarianten auch sogenannte "Ost-Varianten" (das seien solche, die die Grundstücke des Beschwerdeführers nicht berühren würden) geprüft, allerdings aufgrund höherer Kosten nicht weiter verfolgt worden seien. Eine nachvollziehbare Gegenüberstellung der Kosten liege jedoch nicht vor. Darüber hinaus könne das Wirtschaftlichkeitsargument nicht eine - lediglich als ultima ratio in Betracht kommende - dem straßenbaurechtlichen Bewilligungsverfahren folgende Enteignung rechtfertigen.
Nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung (Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, B 200/92 und B 1897/92) sei der Grundsatz "apostrophiert" worden, wonach eine Verhandlungspflicht bezogen auf Grundstücksbeschaffungen gegeben sei.
Der bevorstehende Neubau der Donaubrücke und die daraus resultierende Gesamtverkehrssituation seien nicht beachtet worden. Dass ein Neubau der Donaubrücke Auswirkungen auf den Verkehrsfluss der gesamten Region nach sich ziehe, weshalb es erforderlich gewesen wäre, dieses "andere Projekt" in gesamtplanerische Überlegungen einzubeziehen bzw. zu berücksichtigen, liege auf der Hand.
Es wäre eine Grundlagenforschung, insbesondere zur Prognose des tatsächlich zu erwartenden Verkehrs, notwendig gewesen, um konkrete Auswirkungen des Vorhabens sowie Beeinträchtigungen der Nachbarn evaluieren zu können.
Es sei lediglich die "insgesamte Lärmbelastung" erörtert worden, nicht jedoch konkrete Auswirkungen auf einzelne Objekte; diese Feststellungen wären aber rechtserheblich gewesen, um die Zumutbarkeit des Projektes beurteilen bzw. prüfen zu können. Des Weiteren habe es die belangte Behörde unterlassen, sich mit der Frage der medizinischen Auswirkungen der durch die Straße zu erwartenden Lärmbelastung auseinanderzusetzen.
Ebenso mangle es an konkreten Feststellungen bezüglich Immissionen im Bereich der Luftqualität. Unabhängig von punktuellen Entlastungen werde der Bau der beabsichtigten Straße zu einer Zunahme des Autoverkehrs (insgesamt) führen. Gesundheitsbezogene Immissionsgrenzwerte seien einem individuellen Rechtsschutz zugänglich. Dieser Auffassung folge auch der EuGH, wonach bei Grenzwerten, die dem Gesundheitsschutz dienten, durchsetzbare Ansprüche auf Einhaltung der Grenzwerte bereits bei drohenden Grenzüberschreitungen geltend gemacht werden könnten. Gegenständliches Projekt stehe diametral im Widerspruch zur Richtlinie 96/62/IG (Luftqualitätsrahmenrichtlinie) mit dem Ziel der Festlegung von Luftqualitätszielen im Hinblick auf die Verhütung und Verringerung schädlicher Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit (und die Umwelt).
In der Verhandlungsschrift vom 29. März 2006 habe der Amtssachverständige für Naturschutz ausgeführt, dass trotz Ausschöpfung aller Vorkehrungen und schadensminimierenden Maßnahmen "nicht unwesentliche Auswirkungen" bestehen blieben. Des Weiteren habe er dargelegt, dass die ausgewählte Einreichvariante (= gegenständliches Projekt) aus Sicht des Naturschutzes mit Sicherheit nicht diejenige mit dem "optimalsten Verlauf" sei. Dem angefochtenen Bescheid sei nicht zu entnehmen, welche konkreten "nicht unwesentlichen Auswirkungen" bestehen blieben, sodass der Bescheid auch in dieser Hinsicht nicht überprüfbar sei.
Gemäß § 13 Abs. 2 Z. 1 StrG seien subjektiv-öffentliche Rechte im Hinblick auf die Standsicherheit und Trockenheit der Gebäude der Nachbarn eingeräumt. Der wasserbautechnische Sachverständige (Verhandlungsschrift vom 29. März 2006, Seite 4) führe im Zusammenhang mit dem Entwässerungsmanagement aus, dass durch den "vermutlichen" Behördenauftrag anfallende Oberflächenwässer "in der Regel" vor Ort versickern würden. Daraus folge, dass "fundierte Untersuchungen des Bodenaufbaus und in Richtung Auswirkungen der Oberflächenwässerentsorgung nicht stattgefunden haben". Die gutachterliche Tätigkeit beschränke sich nach dem Motto "in der Regel wird schon nichts passieren" auf Vermutungen. Auf Basis solcher Vermutungen bestehe im Ergebnis allerdings keine Gewährleistung im Hinblick auf Standsicherheit und Trockenheit der Bauwerke der Nachbarn - darunter auch das Gebäude, an dem der Beschwerdeführer dinglich berechtigt sei.
Die Forderung des Vertreters der Umweltanwaltschaft, dass Ersatzlebensräume vor Bescheiderlassung sichergestellt werden müssten, sei nicht berücksichtigt worden.
Der Spruch des Bescheides entspreche nicht dem Bestimmtheitsgebot des § 59 Abs. 1 AVG. Im Bescheid der Erstbehörde, welcher durch die belangte Behörde bestätigt worden sei, fehle jegliche Bezugnahme, welche Gutachten und Auflagen vorgeschrieben seien, zumal dies ohne näheren Bezug auf den Spruchinhalt gemacht worden sei (Hinweis auf Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens 6, E 24 a ff zu § 59 AVG). Ebenso sei der Bescheid der Erstbehörde, bestätigt durch die belangte Behörde, unbestimmt und unüberprüfbar, insofern die Bewilligung "gemäß dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 29.03.2006" erteilt worden sei. Unüberprüfbar sei, was eigentlich konkret gebaut werden solle. Der angefochtene Bescheid verweise lediglich darauf, dass der zu genehmigende Ausbau aus den Projektunterlagen und Plänen der R KEG ersichtlich sei. Unbestimmt sei die Auflage Punkt 9) der naturschutzfachlichen Auflagen.
5.2. In der mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer ergänzend insbesondere vor, durch das Bauvorhaben sei eine landwirtschaftliche Nutzung seiner Grundstücke durch deren "Nichterreichbarkeit" nicht möglich. Die Begleitwege seien im Plan nicht ersichtlich. Der Verbindungsweg werde durch die Umfahrung getrennt und werde überdies, wie aus dem bereits im Akt erliegenden Lichtbild ./6 ersichtlich sei, von der Gemeinde E versperrt.
Die Vertreterin der belangten Behörde äußerte sich dazu dahin gehend, dass es nicht in die Zuständigkeit der belangten Behörde falle, was die Gemeinde E auf Gemeindestraßen mache.
5.3. Hat der Verfassungsgerichtshof in einem Verfahren gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember geltenden Fassung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 eine Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten, hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 8 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGbk-ÜG), in einem solchen Verfahren die Bestimmungen des B-VG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung und des VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung weiter anzuwenden.
Im Beschwerdefall kommt im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides das NÖ Straßengesetz 1999, LGBl. 8500-0 in der Fassung LGBl. 8500-2 (StrG), zur Anwendung. Nach § 5 Abs. 1 leg. cit. hat die Landesregierung durch Verordnung (NÖ Landesstraßenverzeichnis) die durch das Land zu bauenden oder zu erhaltenden Straßen zu Landesstraßen zu erklären und deren Verlauf zu beschreiben.
Das NÖ Landesstraßenverzeichnis, LGBl. 8500/99-0 in der Fassung LGBl. 8500/99-6, enthält die Eintragung:
"B 123 Mauthausener Straße
Landesgrenze Oberösterreich/Niederösterreich - E (B 1) - Landesgrenze Niederösterreich/Oberösterreich
Länge in km: 4"
Wenn der Beschwerdeführer darlegt, der zu bauenden Straße fehle es an der rechtlichen Qualifikation als Landesstraße und daher sei eine Zuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde nicht gegeben gewesen, ist er darauf hinzuweisen, dass durch die hier gegenständliche Umfahrung sich am Verlauf laut Verordnung zwischen E (B 1) und Landesgrenze Niederösterreich/Oberösterreich nichts ändert, weshalb die Rechtsnatur als Landesstraße und damit die Zuständigkeit der hier eingeschrittenen erstinstanzlichen Behörde bestehen blieb (vgl. das angeführte hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2010, Zl. 2007/05/0285).
Für die hier gegenständliche Umgestaltung einer Landesstraße
sind folgende Bestimmungen des StrG maßgeblich:
"Bau von Straßen
§ 9
Planung, Bau und Erhaltung von Straßen
(1) Öffentliche Straßen sind so zu planen, zu bauen und zu erhalten, dass sie
* dem zu erwartenden Verkehr entsprechen,
* dem öffentlichen Interesse nach § 12a entsprechen, * bestehende Natur- und Kunstdenkmale, Nationalparks sowie
Schutzgebiete
nach dem NÖ Naturschutzgesetz 2000, LGBl. 5500, schonen, * dem Landschafts- und Ortsbild angepaßt werden, * keine Wasserschon- und -schutzgebiete beeinträchtigen, * der erfolgten Bedachtnahme auf die Umwelt entsprechen und * die bestehende Aufschließung von Grundstücken erhalten.
...
§ 12
Bewilligungsverfahren
(1) Für den Bau und die Umgestaltung einer öffentlichen Straße ist eine Bewilligung der Behörde erforderlich.
...
(2) Dem Antrag um Bewilligung sind Planunterlagen anzuschließen, die alle Angaben zu enthalten haben, die für die Beurteilung des Vorhabens notwendig sind. Dazu gehören insbesonders:
...
(3) Die Behörde hat vor Erteilung der Bewilligung eine mündliche Verhandlung abzuhalten, in deren Verlauf ein Augenschein an Ort und Stelle vorzunehmen ist.
...
(4) Weiters sind zur Verhandlung die für die Beurteilung des Straßenbauvorhabens und seiner Auswirkungen notwendigen Sachverständigen beizuziehen. Von der Aufnahme des Beweises durch Sachverständige darf nicht abgesehen werden.
...
(6) Die Behörde hat über einen Antrag auf Bewilligung einen schriftlichen Bescheid zu erlassen.
Der Bewilligungsbescheid hat die Vorschreibung jener Auflagen, durch deren Erfüllung den Bestimmungen der §§ 9, 12a und 13 Abs. 2 entsprochen wird, zu enthalten.
Liegt ein Widerspruch zu den Bestimmungen der §§ 9, 12a oder 13 Abs. 2 vor, der nicht durch Auflagen im Bewilligungsbescheid beseitigt werden kann, ist der Antrag abzuweisen.
§ 13
Parteien
(1) Im Bewilligungsverfahren nach § 12 haben Parteistellung:
1.
der Antragsteller (Straßenerhalter),
2.
die Eigentümer und sonstige dinglich Berechtigte der Grundstücke, auf denen die Baumaßnahmen durchgeführt werden sollen,
3. die Eigentümer der Grundstücke, die an jene Grundflächen, auf denen das Straßenbauvorhaben projektgemäß ausgeführt werden soll, unmittelbar angrenzen (Nachbarn); als unmittelbar angrenzend gelten auch Grundstücke, die von jenen Grundflächen, auf denen das Straßenbauvorhaben projektgemäß ausgeführt werden soll, nur durch Grundflächen getrennt sind, die zum Zeitpunkt der Einreichung des Straßenbauvorhabens rechtmäßig als Zugang oder Zufahrt von der öffentlichen Straße verwendet werden,
4. die Straßenerhalter von Verkehrsflächen, die an die geplante Straße angeschlossen werden sollen,
5. die Mitglieder einer Beitragsgemeinschaft (§ 17 Abs. 1).
Nachbarn (Z. 3) sind nur dann Parteien, wenn sie durch den geplanten Straßenbau und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektvöffentlichen Rechten berührt sind.
(2) Subjektivöffentliche Rechte sind:
1.
die Standsicherheit und Trockenheit der Bauwerke der Nachbarn
2.
die ausreichende Belichtung der Hauptfenster der zulässigen Gebäude der Nachbarn
3. die Gewährleistung eines bestehenden Zuganges oder einer bestehenden Zufahrt zum Grundstück, wenn das Grundstück über keinen anderen Zugang oder keine andere Zufahrt auf der Straße erreicht werden kann."
5.4. Vorauszuschicken ist zunächst, dass - wie bereits dargelegt (siehe Punkt 1.) - der Beschwerdeführer als dinglich Berechtigter an Grundstücken, auf denen die Baumaßnahmen durchgeführt werden sollen, dem Verwaltungsverfahren nicht beigezogen worden ist und ihm daher das grundsätzlich vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot (insoweit es sich um Behauptungen handelt, die auf subjektive Rechte des dinglich Berechtigten beziehen) nicht entgegengehalten werden kann (vgl. beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom 16. September 2013, Zl. 2013/12/0060, vom 22. Juni 1993, Zl. 93/07/0004, vom 27. April 1988, Zl. 87/03/0170, VwSlg 12.719/A, und vom 26. April 1974, Zl. 0135/74, VwSlg 8.608/A AStR).
5.5. Der wie der Eigentümer in § 13 Abs. 1 Z. 2 StrG angeführte dinglich Berechtigte ist nicht auf die Geltendmachung der in § 13 Abs. 2 StrG genannten Rechte beschränkt; er kann im Straßenbewilligungsverfahren auch die Notwendigkeit der Errichtung der Straße in Frage stellen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 15. Juni 2004, Zl. 2004/05/0085, und vom 23. Februar 2010, Zl. 2007/05/0285). Im Rahmen der Notwendigkeitsprüfung kann der betroffene Grundeigentümer/dinglich Berechtigte auch die gewählte Variante in Zweifel ziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. November 2008, Zl. 2006/05/0142, sowie das angeführte hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2010).
Die von der Straßenbaubewilligungsbehörde im Übrigen zu prüfenden Voraussetzungen für die Bewilligung, insbesondere die Voraussetzungen nach § 9 Abs. 1 StrG - abgesehen von der Frage des zu erwartenden Verkehrs - betreffen keine subjektiv-öffentlichen Rechte des gemäß § 13 Abs. 1 Z. 2 StrG Parteistellung genießenden Eigentümers bzw. hier dinglich Berechtigten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. September 2009, Zl. 2007/05/0013, sowie das bereits angeführte hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2010).
Insoweit der Beschwerdeführer behauptet, im Recht gemäß § 13 Abs. 2 Z. 3 StrG (Gewährleistung eines bestehenden Zuganges oder einer bestehenden Zufahrt zum Grundstück) verletzt zu sein, ist zunächst auf die diesbezüglichen Erwägungen im hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2010, Zl. 2007/05/0285, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG zu verweisen. Gleiches gilt für die Notwendigkeit eines Lärmschutzdammes.
Wenn der Beschwerdeführer allerdings zulässig (siehe Punkt 5.4.) moniert, die Grundstücke Nr. 805, 806, 807, 880/2, 881/2, 1070 und 1071/2 seien auf eigenem Grund bzw. über öffentliche Wege nicht mehr erreichbar und eine Zufahrt über den Verbindungsweg zwischen D-straße und H-straße 1 sei nicht möglich, weil dieser Weg durch die Gemeinde E gesperrt worden sei (Hinweis auf das vom Beschwerdeführer vorgelegte Lichtbild ./6), zeigt er eine Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes auf, weil eine abschließende Beurteilung, ob die Zufahrt zu den Grundstücken des Beschwerdeführers sichergestellt ist, nicht möglich ist.
6. Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen erübrigt sich, weil der Beschwerdeführer als dinglich Berechtigter berechtigt ist (siehe Punkt 5.4.), im fortgesetzten Verfahren seine Rechte im vollen Umfang wahrzunehmen.
7. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die gemäß § 8 VwGbk-ÜG weiter anzuwendenden §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008. Das die Pauschalbeträge der Verordnung übersteigende Mehrbegehren war abzuweisen.
Wien, am 28. November 2014
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:RO2014060006.J00Im RIS seit
21.01.2015Zuletzt aktualisiert am
22.01.2015