TE Vwgh Erkenntnis 2014/11/28 2012/06/0027

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.11.2014
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
VwRallg;
ZustG §11 Abs1;
ZustG §2 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Beschwerde des A in S, vertreten durch Dr. Branko Perc, Rechtsanwalt in 9150 Bleiburg, 10.-Oktober-Platz 13, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 14. Dezember 2011, Zl. 15-ALL-1578/2011 (003/2011), betreffend Zurückweisung einer Vorstellung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde B), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 21. Februar 2012 wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, für ein Gebäude auf einer näher genannten Liegenschaft einen Kanalanschluss herzustellen und ebendort Sickergruben u.ä. aufzulassen.

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 23. Mai 2011 wurde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Die Versendung erfolgte im Wege eines an "A ..., Slowenien" adressierten Rückscheinbriefes. Nach dem Rückschein fand die Übernahme am 13. April 2011 statt, und die Unterzeichnung lautete "T. Leopold Leopold".

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 15. Juli 2011 Vorstellung. Darin führte er unter anderem aus, er habe den Berufungsbescheid vom 23. Mai 2011 am 4. Juli 2011 beim Postpartner A. in S. abgeholt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung als verspätet zurückgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Rückschein weise eine eigenhändige Unterschrift "T. Leopold Leopold" und ein handschriftliches Datum der Übernahme - am 13. Juni 2011 - auf. Belege dafür, dass der Beschwerdeführer den Bescheid am 4. Juli 2011 beim Postpartner in S. abgeholt habe, gebe es nicht. Der Rückschein stelle eine öffentliche Urkunde dar, und es bestünden deshalb an der Übernahme in Slowenien keine Zweifel. Da der Bescheid eine entsprechende Rechtsmittelbelehrung enthalte und die Frist dennoch nicht eingehalten worden sei, sei die Vorstellung verspätet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013, die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013 weiter anzuwenden.

Der Beschwerdeführer bringt zusammengefasst vor, dass die im § 11 Abs. 1 ZustG normierte Vorgangsweise bei Zustellungen im Ausland nicht eingehalten worden sei. Die Zustellung hätte gemäß § 135 der Slowenischen Zivilprozessordnung, welche die Zustellung im diplomatischen Weg vorsehe (wobei dies durch das Außenministerium zu erfolgen habe), vorgenommen werden müssen. Weiters habe der Beschwerdeführer der mitbeteiligten Marktgemeinde unmissverständlich die österreichische Adresse als Abgabestelle bekannt gegeben. Weder im Bescheid der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 23. Mai 2011 noch im bekämpften Bescheid scheine die slowenische Adresse als Abgabestelle auf. Auch bestreite der Beschwerdeführer, den Rückschein unterschrieben zu haben. Es sei aus dem Verwaltungsverfahren ersichtlich, dass die Unterschrift seiner nicht ähnle. Die belangte Behörde hätte schon im Hinblick auf sein Vorstellungsvorbringen, dass er den Berufungsbescheid am 4. Juli 2011 beim Postpartner A. abgeholt habe, die Zustellung prüfen müssen. Mangels Klärung bzw. Beachtung der in Betracht kommenden Zustellvorschriften sei die Zustellung rechtsunwirksam, weshalb auch keine Heilung gemäß § 7 ZustG möglich sei. Die Frist für die Erhebung des Rechtsmittels habe deshalb erst mit dem tatsächlichen Zukommen des Bescheides zu Laufen begonnen, wodurch die Vorstellung rechtzeitig gewesen sei.

Die belangte Behörde brachte in der Gegenschrift im Wesentlichen vor, dass der Beschwerdeführer seinen ordentlichen Wohnsitz am 17. April 2011 nach Slowenien verlegt habe, woraufhin die Berufungsentscheidung an diese Adresse mit Auslandsrückschein zugestellt worden sei. Die Zustellung sei entsprechend den in der Republik Slowenien geltenden Zustellvorschriften (Gesetz über das allgemeine Verwaltungsverfahren) rechtswirksam erfolgt (wurde näher ausgeführt). Die Prüfung der Frage, ob der Beschwerdeführer selbst oder eine andere Person das Schreiben entgegengenommen habe, würde zu weit gehen. Da die Unterschrift auf dem Übernahmevermerk in Blockschrift geschrieben sei, sei ein direkter Unterschriftsvergleich mit Unterschriften im Akt nicht möglich. Der Beschwerdeführer habe erst am 30. Oktober 2011 bekannt gegeben, dass er eine Zustellung an seine Zweiwohnsitzadresse in Österreich wünsche. Zum Zeitpunkt der Postaufgabe am 10. Juni 2011 habe der Beschwerdeführer seinen Hauptwohnsitz in Österreich bereits abgemeldet gehabt.

§ 2 ZustG idF BGBl. I Nr. 5/2008 lautet auszugsweise:

"Begriffsbestimmungen

§ 2. ...

...

4. 'Abgabestelle': die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort, oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort;

..."

§ 7 ZustG idF BGBl. I Nr. 5/2008 lautet:

"Heilung von Zustellmängeln

§ 7. Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist."

§ 11 ZustG idF BGBl. I Nr. 137/2001 lautet auszugsweise:

"Besondere Fälle der Zustellung

§ 11. (1) Zustellungen im Ausland sind nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.

..."

Slowenien hat weder das Europäische Übereinkommen über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland, BGBl. Nr. 67/1983, unterzeichnet noch besteht ein diesbezügliches bilaterales Rechtshilfeabkommen der Republik Österreich mit der Republik Slowenien.

Bestehen keine internationalen Vereinbarungen über die Zustellung in einem ausländischen Staat, sind gemäß § 11 Abs. 1 ZustG - sofern in dem betreffenden ausländischen Staat Rechtsvorschriften über die Zustellung von Schriftstücken ausländischer (im Besonderen: österreichischer) Behörden bestehen -

ausschließlich diese maßgebend. Wenn weder internationale Vereinbarungen (Staatsverträge) noch auch derartige nationale Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, bestehen, bestimmt sich die Zulässigkeit und Form der Zustellung von Schriftstücken österreichischer Behörden im Ausland nach der internationalen Übung, also danach, ob und gegebenenfalls welche Form der Zustellung der betreffende ausländische Staat auf seinem Gebiet üblicherweise ohne Protest zulässt und damit stillschweigend seine Zustimmung zu diesem Vorgehen zum Ausdruck bringt (vgl. dazu Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze, I2, S. 1935, Anm. 5 und 6 zu § 11 Abs. 1 ZustG; Raschauer/Sander/Wessely, Österreichisches Zustellrecht, S. 98 ff).

Die belangte Behörde ist zunächst offenbar auf Grund der meldebehördlichen Abmeldung des Hauptwohnsitzes des Beschwerdeführers davon ausgegangen, dass dieser an der bisherigen Abgabestelle nicht mehr aufhältig sei. Eine meldebehördliche Abmeldung beseitigt den Charakter einer Abgabestelle aber nicht. Allein aus der meldebehördlichen Abmeldung lässt sich noch nicht zwingend ableiten, dass der Beschwerdeführer seine bisherige Abgabestelle geändert oder aufgegeben hätte (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. April 2002, Zl. 2002/21/0036, und vom 17. März 2009, Zl. 2006/19/0515, mwN).

Wenn man abgesehen davon von der Annahme ausgeht, dass an der gegenständlichen slowenischen Adresse eine zustellungstaugliche Abgabestelle des Beschwerdeführers bestand, so oblag es der belangten Behörde zu klären, welche zustellrechtlichen Regelungen für den Fall der Zustellung eines behördlichen Schriftstückes einer österreichischen Behörde in Slowenien zum Tragen kommen. Darauf wäre jedenfalls in der Bescheidbegründung einzugehen gewesen, zumal die Ermittlung ausländischen Rechts dem Bereich der Tatfrage zuzuordnen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. November 2003, Zl. 2001/21/0118). Das Vorbringen in der Gegenschrift vermag eine fehlende Bescheidbegründung schon deshalb nicht zu ersetzen, weil es dem Beschwerdeführer dadurch nicht möglich war, zu den Annahmen der belangten Behörde in der Beschwerde Stellung zu nehmen (vgl. die bei Walter/Thienel, aaO, S. 1064 f unter E 140 ff zitierte hg. Judikatur; vgl. in diesem Zusammenhang auch die hg. Erkenntnisse vom 19. März 2003, Zl. 2001/03/0045, und vom 29. Februar 2008, Zl. 2007/02/0315, zur Ermittlung ausländischer Zustellvorschriften). Der Beschwerdeführer geht offenbar auch tatsächlich von einer anderen ausländischen Rechtslage als maßgebend aus als die belangte Behörde.

Soweit die belangte Behörde im Hinblick auf den Rückschein allenfalls von einer Heilung von Zustellmängeln ausgehen sollte (dazu, dass § 7 ZustG grundsätzlich auch bei Zustellungen im Ausland zum Tragen kommt, vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. Juni 2003, Zl. 2002/17/0182, und vom 16. Mai 2011, Zl. 2009/17/0185), hätte sie zuvor angesichts des Vorstellungsvorbringens jedenfalls Parteiengehör gewähren müssen (vgl. die bei Walter/Thienel, aaO, S. 1260 unter E 88 zitierte hg. Rechtsprechung). Nach dem Beschwerdevorbringen ist es nicht auszuschließen, dass die belangte Behörde nach einem Parteiengehör zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.

Der angefochtene Bescheid war aus den oben genannten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 28. November 2014

Schlagworte

Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland VwRallg12Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2012060027.X00

Im RIS seit

21.01.2015

Zuletzt aktualisiert am

22.01.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten