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L3715 Anliegerbeitrag, Kanalabgabe, UmweltabgabeNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch Vorschreibung von Erschließungsbeiträgen für die Errichtung von Rettungsschachtkopfgebäuden; unmittelbar dem Betrieb der Eisenbahn dienende Eisenbahnbauten vom Anwendungsbereich des Tir VerkehrsaufschließungsabgabenG 2011 nicht erfasstSpruch
I. Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
II. Das Land Tirol ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.620 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Die Beschwerdeführerin betreibt wie ihre Rechtsvorgängerin ein Eisenbahnunternehmen. Mit Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 24. April 2002 wurde der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin die eisenbahnrechtliche Genehmigung für den Bau von sechs Schachtkopfgebäuden auf ihren Rettungsplätzen erteilt. Die genannten Schachtkopfgebäude befinden sich auf Grundstücken in der Gemeinde Jenbach. Schachtkopfgebäude sind Gebäude, die unter anderem Telekomanlagen, Trafostationen, Ventilatoren oder die Belüftung der Tunnelschleuse für den Notfall sowie sonstige Anlagen und Sicherheitsanlagen unterbringen, die einen ordentlichen und sicheren Eisenbahnbetrieb gewährleisten. Mit Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 30. Oktober 2008 wurde die Bauausführungsfrist bis zum 31. Dezember 2012 verlängert. Sämtliche Schachtkopfgebäude wurden im Zeitraum zwischen dem 22. September 2008 und dem 7. Oktober 2010 errichtet und vollendet. Mit sechs gesonderten Bescheiden vom 12. Oktober 2010 schrieb der Bürgermeister der Marktgemeinde Jenbach als Abgabenbehörde erster Instanz für die Errichtung von Rettungsschächten zu den Schachtkopfgebäuden Beiträge für die Verkehrserschließung der Standortgrundstücke vor. Gegen sämtliche Bescheide erhob die Beschwerdeführerin Berufungen und beantragte jeweils die Aussetzung der Einhebung. Mit sechs gesonderten Berufungsvorentscheidungen vom 10. Jänner 2011 wies der Bürgermeister der Marktgemeinde Jenbach die Berufungen als unbegründet ab. Die Beschwerdeführerin beantragte für sämtliche Berufungen die Vorlage an den Gemeindevorstand der Gemeinde Jenbach. Dieser wies die Berufungen mit sechs Bescheiden vom 30. August 2011 als unbegründet ab. Gegen diese Bescheide erhob die Beschwerdeführerin Vorstellungen an die Tiroler Landesregierung als Aufsichtsbehörde.
2. Mit Bescheid vom 7. Dezember 2011 wies die Tiroler Landesregierung sämtliche Vorstellungen unter einem als unbegründet ab.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art7 B-VG und auf Unversehrtheit des Eigentumes gemäß Art5 StGG sowie in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.
Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Die Wendung "litb nach §1 Abs3 lita oder b der Tiroler Bauordnung 2011 von deren Geltungsbereich ausgenommen sind" in §2 Abs3 litb des Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetzes 2011, LGBl 58, (im Folgenden: TVAG 2011), auf welche sich der in Beschwerde gezogene Bescheid stütze, verstoße gegen die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung. Diese Bestimmung beziehe – vom Anwendungsbereich der Tiroler Bauordnung 2011, LGBl 57, ausgenommene – Eisenbahngebäude in den Anwendungsbereich des TVAG 2011 ausdrücklich mit ein.
Die Zuständigkeit des Bundes für das "Verkehrswesen bezüglich der Eisenbahnen" gemäß Art10 Abs1 Z9 B-VG sei umfassend. Den Ländern komme deswegen für Eisenbahnanlagen keinerlei Kompetenz zu; das gelte auch für abgabenrechtliche Belastungen.
Selbst wenn man eine in der Finanzverfassung verankerte Kompetenz der Länder bejahte, sei sie durch den Landesgesetzgeber überschritten worden: Würden auf landesgesetzlicher Grundlage Interessentenbeiträge für die Erschließung von Grundstücken vorgeschrieben, welche mit Gebäuden für den Betrieb einer Eisenbahn bebaut seien, überschreite der Landesgesetzgeber jedenfalls seine Zuständigkeit, wenn er sich wie hier zwar der Abgabenform bediene, inhaltlich jedoch eine eisenbahnrechtliche Regelung treffe. Denn die Vorschrift betreffe den Eisenbahnbetrieb so intensiv, dass sie zu einem bestimmten wirtschaftlichen Verhalten zwinge und den Bau einer Eisenbahn verhindern könne. Der Landesgesetzgeber würde unter Berufung auf vorgebliche Abgabenkompetenzen die umfassende Bundeskompetenz für das Eisenbahnwesen zu unterlaufen suchen und Hindernisse für den Bau von Eisenbahnen schaffen, welche die Zuweisung der genannten Kompetenz zum Bund gerade zu verhindern suche.
Nehme man eine Zuständigkeit der Länder aus der Finanzverfassung an, sei die getroffene Regelung über die Einbeziehung in die Beitragspflicht verfassungswidrig, weil es der Landesgesetzgeber entgegen dem verfassungsrechtlichen Berücksichtigungsgebot unterlassen habe, auf die Interessen des für das Eisenbahnwesen zuständigen Bundes ausreichend Bedacht zu nehmen. Denn das Berücksichtigungsprinzip sei auch bei der abgabenrechtlichen Belastung durch die Länder beachtlich (vgl. VfSlg 10.305/1984). Insbesondere habe der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 17.478/2005 ausgeführt, das verfassungsrechtliche Rücksichtnahmegebot verbiete es den Ländern, Mauteinnahmen einer wirtschaftlich der Bemautung vollkommen vergleichbaren Belastung zu unterwerfen, wenn der Bundesgesetzgeber durch eine Grundsatzbestimmung gemäß §7 Abs4 F-VG sein Interesse artikuliert habe, Entgelte und Abgaben für die Benutzung von Bundesstraßen nicht mit landesgesetzlich geregelten Abgaben zu belasten; dies sei auf den vorliegenden Fall zu übertragen: Zwar habe der Bundesgesetzgeber hier – anders als in dem VfSlg 17.478/2005 zugrunde liegenden Fall – sein Interesse an der Befreiung der für Zwecke der Eisenbahn genutzten Grundstücke von jeder landesgesetzlichen Belastung nicht ausdrücklich durch eine Grundsatzbestimmung gemäß §7 Abs4 F-VG bekundet, doch sei ein solches aus den bundesrechtlichen Bestimmungen über die Infrastruktur der Eisenbahnen und die diese betreibenden Gesellschaften konkludent abzuleiten; diese würden ein Interesse des Bundes an der kostengünstigen Errichtung der Eisenbahninfrastruktur und -anlagen positivieren. Insbesondere sei die Beschwerdeführerin gemäß §50 Abs2 Bundesgesetz zur Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Bundesbahnen, BGBl 825/1992 idF BGBl I 129/2011, (im Folgenden: BBG) von bundesgesetzlich vorgesehenen Abgaben befreit. Zudem leiste der Bund für die Instandhaltung, Planung und den Bau von Schieneninfrastruktur Zuschüsse; §47 BBG sehe auch eine Haftung des Bundes für daraus resultierende Kosten vor.
Schließlich wende die belangte Behörde das TVAG 2011 denkunmöglich an. Denn gemäß der Legaldefinition des §2 Abs3 TVAG 2011 müssten Gebäude im Sinne dieses Gesetzes dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen dienen und von Menschen betreten werden können. Schachtkopfgebäude könnten nicht von Menschen betreten werden. Denn unter einem "Betreten" im Sinne dieses Gesetzes sei nicht ein bloßes Durchschreiten des Bauwerkes, sondern ein Verweilen in diesem zu verstehen. Letzteres entspreche jedoch nicht dem Verwendungszweck von Schachtkopfgebäuden, die nur dem Funktionieren des Tunnelsicherheitskonzeptes dienen würden. Schachtkopfgebäude würden mithin den Gebäudebegriff des TVAG 2011 nicht erfüllen, sodass für sie keine Interessentenbeitragspflicht nach diesem Gesetz bestehe. Dies belege insbesondere die Vorschrift des §9 Abs2 TVAG 2011, die für die Berechnung der Beiträge auch auf die Widmung der betreffenden Grundstücke abstelle. Da es in der Zuständigkeit des Bundes liege, Grundstücke für die Verwendung für Eisenbahnanlagen zu widmen, zeige die zitierte Bestimmung, dass die belangte Behörde das Gesetz denkunmöglich anwende, wenn sie für die Schachtkopfgebäude Interessentenbeiträge vorschreibe.
4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der den Beschwerdebehauptungen wie folgt entgegengetreten wird:
Nach Ansicht der belangten Behörde würden durch §2 Abs3 litb TVAG 2011 iVm §1 Abs3 lita Tiroler Bauordnung 2011 ausdrücklich auch Eisenbahnanlagen in die Beitragspflicht einbezogen.
An der Kompetenz des Landes Tirol, auch Eisenbahnanlagen einem Erschließungsbeitrag nach landesrechtlichen Regelungen zu unterwerfen, bestehe kein Zweifel. Solche Regelungen würden nicht unter die Zuständigkeit des Bundes "Verkehrswesen bezüglich der Eisenbahnen" gemäß Art10 Abs1 Z9 B-VG fallen. Die Behauptung der Beschwerde, die Bundeskompetenz für das Eisenbahnwesen sei weit auszulegen, zeige keine kompetenzrechtliche Bedenklichkeit des TVAG 2011 auf. Denn bei der Vorschreibung eines Erschließungsbeitrages handle es sich nicht um eine – wegen des Umfangs der Bundeskompetenz für Eisenbahnen unzulässige – bau- oder raumordnungsrechtliche Regelung.
Zudem habe der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 15.552/1999 festgestellt, dass die Länder befugt seien, Eisenbahnanlagen einer naturschutzrechtlichen Bewilligungspflicht zu unterwerfen. Zuständigkeiten der Länder betreffend Eisenbahnanlagen seien also keineswegs schlechthin ausgeschlossen. Für die Beurteilung der Zuständigkeit für die Vorschreibung der Beiträge seien die Festlegungen der Finanzverfassung beachtlich. Die kompetenzrechtliche Unbedenklichkeit des TVAG 2011 folge aus §8 Abs1 und 5 F-VG, wonach unter anderem die ausschließlichen Landes- und Gemeindeabgaben – vorbehaltlich hier nicht vorgesehener Einschränkungen durch bundesgesetzliche Vorschriften gemäß §7 Abs3 bis 5 F-VG – durch die Landesgesetzgeber zu regeln seien; diese seien befugt, die Gemeinden zu ermächtigen, bestimmte Abgaben auf Grund eines Beschlusses der Gemeindevertretung zu erheben. Die Verkehrsaufschließungsabgaben nach dem TVAG 2011 seien als Interessentenbeiträge von Grundstückseigentümern und Anrainern im Sinne des §14 Abs1 Z13 Finanzausgleichsgesetz 2008, BGBl I 103/2007, (im Folgenden: FAG 2008) zu qualifizieren; es handle sich mithin um eine ausschließliche Gemeindeabgabe im Sinne des §7 F-VG, welche durch Gemeinden auf Grund ihres freien Beschlussrechtes vorgeschrieben werden dürfe. Bei der Erlassung des TVAG 2011 habe der Landesgesetzgeber von seiner Kompetenz nach §8 F-VG Gebrauch gemacht. Es sei den Ländern lediglich verwehrt, Landesabgaben von demselben Besteuerungsgegenstand ohne bundesgesetzliche Ermächtigung zu erheben; ferner seien die Landesgesetzgeber verpflichtet, die wesentlichen Merkmale solcher Abgaben, insbesondere ihr höchstzulässiges Ausmaß, zu bestimmen. Darüber hinausgehende verfassungsrechtliche Bindungen der Landesgesetzgeber seien nicht vorgesehen; insbesondere gebe es keine verfassungsrechtliche Verpflichtung, den Bund oder mit diesem in Zusammenhang stehende Rechtsträger von der Abgabepflicht ausnehmen zu müssen; ebenso wenig lege die Finanzverfassung eine Einschränkung von Interessentenbeiträgen auf bestimmte Grundstückseigentümer oder Anrainer fest.
Die Behauptung der Beschwerdeführerin, der Landesgesetzgeber habe seine Abgabenkompetenz überschritten, indem er inhaltlich eine eisenbahnrechtliche Regelung getroffen habe, treffe nicht zu. Das TVAG 2011 bezwecke offenkundig, einen Kostenbeitrag für die von der Gemeinde durchzuführende Verkehrserschließung einzuheben und dadurch deren Finanzierung sicherzustellen. Dies zeige §7 Abs3 leg.cit., wonach sich die Höhe des Erschließungsbeitragssatzes ausdrücklich nach der von der Gemeinde zu tragenden Straßenbaulast zu richten habe. Die Beitragspflicht nach dem die TVAG 2011 sei nicht von einer solchen Intensität, dass sie Beitragspflichtige wirtschaftlich zu einem bestimmten Verhalten zwinge und deshalb als materiellrechtliche Regelung anzusehen wäre. Dass eine abgabenrechtliche Regelung eines Landes neben Materiengesetzen des Bundes zulässig sei, werde durch das Erkenntnis VfSlg 10.305/1984 bestätigt.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin hänge die Berechnung des Erschließungsbeitrages für Eisenbahnanlagen gemäß §9 Abs2 TVAG 2011 nicht von der Widmung des Grundstückes ab, auf welchem sich diese befinden.
Entgegen den Behauptungen der Beschwerdeführerin verstoße die Vorschreibung der Verkehrsaufschließungsabgabe nicht gegen das verfassungsrechtliche Berücksichtigungsgebot. Der Verweis der Beschwerde auf das Erkenntnis VfSlg 15.552/1999 zeige keine Bedenklichkeit des TVAG 2011 auf. Darin habe der Verfassungsgerichtshof ausgeführt, Bund und Länder seien in der Heranziehung ihrer Gesetzgebungskompetenzen nicht völlig frei. Kein Gesetzgeber dürfe in seinen Regelungen einen bestimmten Aspekt absolut setzen und damit die Kompetenzen anderer Gebietskörperschaften aushöhlen oder unterlaufen. In diesem Erkenntnis habe der Verfassungsgerichtshof Vorschriften des niederösterreichischen Naturschutzgesetzes deswegen als verfassungswidrig aufgehoben, weil diesen zufolge bereits nicht vermeidbare Eingriffe in Naturschutzinteressen zur Versagung der naturschutzrechtlichen Bewilligung führten, ohne dass Bundesinteressen berücksichtigt werden konnten. Daraus sei abzuleiten, dass für Eisenbahnprojekte selbst eine – potentiell zur Untersagung des Projekts führende – naturschutzrechtliche Bewilligungspflicht vorgesehen werden dürfe, soweit die Möglichkeit einer Interessenabwägung vorgesehen werde. Dies lasse die Regelungen des TVAG 2011 unbedenklich erscheinen, weil diese keinesfalls die Zulässigkeit von Eisenbahnprojekten berührten; sie würden auch nicht bezwecken, deren Realisierbarkeit zu verhindern oder zu erschweren. Es würde lediglich ein Beitrag zu dem von der Gemeinde zu tragenden Aufwand der Verkehrserschließungskosten vorgeschrieben; der Beschwerdeführerin und dem diese bezuschussenden Bund würde dadurch keine unverhältnismäßige Last auferlegt. Berechtigte Bundesinteressen, insbesondere das Interesse an der Bereitstellung von Schieneninfrastruktur, würden dadurch nicht negiert. Der Landesgesetzgeber habe keine Regelung getroffen, welche die Effektivität von Regelungen des Bundes in sachlich nicht gerechtfertigter Weise beeinträchtige; die durch den Bund wahrzunehmenden Interessen würden durch das TVAG 2011 nicht unterlaufen. Soweit die Beschwerdeführerin auf das das Telegraphenwegegesetz betreffende Erkenntnis VfSlg 10.305/1994 verweise, sei daraus keine Verletzung des Berücksichtigungsgebotes durch den Tiroler Landesgesetzgeber abzuleiten. Denn anders als das Telegraphenwegegesetz enthalte das Eisenbahnrecht keine Bestimmung, welche die Abgabenfreiheit der Errichtung von Anlagen festlege. Auch aus dem Erkenntnis VfSlg 17.478/2005 sei keine Verletzung des Berücksichtigungsprinzips abzuleiten. Denn dieses Erkenntnis betreffe das ASFINAG-Gesetz, welches – auf Grund des §7 Abs4 F-VG – in §12 Abs3 die kompetenzrechtlich zu beurteilende landesrechtliche Abgabe ausdrücklich ausgeschlossen habe; eine solche Bestimmung sei im Eisenbahnrecht nicht vorgesehen. Im Übrigen positiviere das Eisenbahnrecht des Bundes entgegen der Behauptung der Beschwerde keineswegs konkludent das Interesse an einer möglichst kostengünstigen Errichtung von Eisenbahninfrastruktur. Dass die Beschwerdeführerin als Kapitalgesellschaft errichtet worden sei, lege vielmehr nahe, dass sie am marktwirtschaftlichen Wettbewerb teilnehmen solle; dies bedinge, die Beschwerdeführerin gleich wie andere Marktteilnehmer zu behandeln und der Beitragspflicht zu unterwerfen. Zudem sehe §50 BBG eine Befreiung der Beschwerdeführerin lediglich von gewissen bundesgesetzlichen Abgaben vor, lasse aber ausdrücklich die Bestimmungen über die Umsatz- und die Grundsteuer unberührt; betreffend die landesrechtlichen Abgaben treffe die genannte Vorschrift keine Festlegungen. Eine Intention des Bundesgesetzgebers, die Beschwerdeführerin von jeglicher Abgabe zu befreien, sei daraus nicht abzuleiten.
Im Übrigen sei die Gesetzesauslegung der belangten Behörde denkmöglich, wonach auch Eisenbahngebäude als Gebäude im Sinne des §2 Abs3 TVAG 2011 zu qualifizieren seien, sodass ihre Errichtung die Beitragspflicht auslöse. Dem stehe insbesondere nicht entgegen, dass Schachtkopfgebäude nicht zum Verweilen bestimmt seien. Die Beschwerdeführerin sei mithin nicht in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden.
Die belangte Behörde beantragt, der Verfassungsgerichtshof möge die Beschwerde als unbegründet abweisen und der Beschwerdeführerin die Tragung ihrer Kosten für die Vorlage des Verwaltungsaktes und für die Erstattung des Schriftsatzes auftragen.
5. Die Beschwerdeführerin erstattete eine Replik zur Gegenschrift der belangten Behörde, in der sie im Wesentlichen die bereits in der Beschwerde gerügten kompetenzrechtlichen Bedenken gegen das TVAG 2011 und die gerügte denkunmögliche Gesetzesanwendung durch die belangte Behörde bekräftigt.
II. Rechtslage
Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
1. §14 Finanzausgleichsgesetz 2008, BGBl I 103/2007, (im Folgenden: FAG 2008) lautet auszugsweise:
"C. Ausschließliche Landes(Gemeinde)abgaben
§14. (1) Ausschließliche Landes(Gemeinde)abgaben sind insbesondere:
[…]
13. Interessentenbeiträge von Grundstückseigentümern und Anrainern;
[…]"
2. Das Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz 2011, LGBl 58, (TVAG 2011) lautet auszugsweise:
"1. Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen
§1
Geltungsbereich
(1) Dieses Gesetz regelt die Erhebung von:
a) […]
b) Beiträgen und Vorauszahlungen zu den Kosten der Verkehrserschließung (Erschließungsbeitrag und vorgezogener Erschließungsbeitrag);
c) [...]
(2) Die Abgaben nach Abs1 sind ausschließliche Gemeindeabgaben.
§2
Begriffsbestimmungen
(1) [...]
(2) Bauliche Anlagen sind mit dem Erdboden verbundene Anlagen, zu deren fachgerechten Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind.
(3) Gebäude sind überdeckte, allseits oder überwiegend umschlossene bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können und die dazu bestimmt sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen, soweit sie
a) der Tiroler Bauordnung 2011 unterliegen,
b) nach §1 Abs3 lita oder b der Tiroler Bauordnung 2011 von deren Geltungsbereich ausgenommen sind,
c) bewilligungspflichtige Stromerzeugungsanlagen im Sinn des §6 des Tiroler Elektrizitätsgesetzes 2003, LGBl Nr 88, in der jeweils geltenden Fassung oder Teile solcher Anlagen sind oder
d) Abfallbehandlungsanlagen im Sinn des §1 Abs3 litg der Tiroler Bauordnung 2011 sind.
(4) Nicht als Gebäude gelten:
a) Gebäude im Sinn des §41 Abs2 lita bis d des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011, LGBl Nr 56, in der jeweils geltenden Fassung im Freiland,
b) Almgebäude, Kochhütten, Feldställe und Städel in Massivbauweise auf Sonderflächen nach §47 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011 oder im Freiland,
c) Folientunnels im Sinn des §2 Abs17 der Tiroler Bauordnung 2011,
d) bauliche Anlagen vorübergehenden Bestandes im Sinn des §46 der Tiroler Bauordnung 2011.
(5)-(7) [...]
[…]
§5
Bemessungsgrundlage und Höhe der Abgabe
(1) […]
(2) Die Landesregierung hat durch Verordnung für jede Gemeinde den Erschließungskostenfaktor festzulegen. Dieser setzt sich zusammen aus
a) den Kosten für die Herstellung von einem Quadratmeter staubfreier Fahrbahnfläche mittlerer Befestigung im ebenen Gelände mit Oberflächenentwässerung im landesweiten Durchschnitt und
b) 10 v. H. des ortsüblichen Durchschnittspreises für einen Quadratmeter bebaubaren Grundes in der jeweiligen Gemeinde.
[…]
3. Abschnitt
Erschließungsbeitrag
§7
Abgabengegenstand, Erschließungsbeitragssatz
(1) Die Gemeinden werden ermächtigt, im Fall des Neubaus eines Gebäudes oder der Änderung eines Gebäudes, durch die seine Baumasse vergrößert wird, einen Erschließungsbeitrag zu erheben. Verlieren Gebäude im Sinn des §2 Abs4 oder Teile davon ihren Verwendungszweck durch bauliche Änderungen, so gilt dies als Neubau.
(2) Die Erhebung des Erschließungsbeitrages erfolgt durch Festlegung des Erschließungsbeitragssatzes (Abs3).
(3) Der Erschließungsbeitragssatz ist ein Prozentsatz des Erschließungskostenfaktors nach §5 Abs2. Er ist von der Gemeinde durch Verordnung einheitlich für das gesamte Gemeindegebiet festzulegen. Die Höhe des Erschließungsbeitragssatzes hat sich nach der von der Gemeinde zu tragenden Straßenbaulast zu richten und darf 5 v. H. des Erschließungskostenfaktors nicht überschreiten.
§8
Abgabenschuldner
(1) Abgabenschuldner ist der Eigentümer des Bauplatzes, auf dem der Neubau errichtet wird oder das Gebäude, dessen Baumasse vergrößert wird, besteht.
(2) Abweichend von Abs1 ist bei Neubauten oder Gebäuden auf fremdem Grund der Eigentümer des Neubaus bzw. des Gebäudes, im Fall eines Baurechtes der Bauberechtigte, Abgabenschuldner.
§9
Bemessungsgrundlage und Höhe der Abgabe
(1) Der Erschließungsbeitrag ist die Summe aus dem Bauplatzanteil (Abs2) und dem Baumassenanteil (Abs4).
(2) Der Bauplatzanteil ist vorbehaltlich des Abs3 das Produkt aus der Fläche des Bauplatzes in Quadratmetern und 150 v. H. des Erschließungsbeitragssatzes. Bei Bauplätzen, die als Freiland oder als Sonderflächen nach §44, §45 oder §46 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011 gewidmet sind oder bei denen zumindest jener Teil, auf dem das Gebäude errichtet werden soll oder besteht, als Sonderfläche nach §47, §50 oder §50a des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011 gewidmet ist, tritt die durch das Gebäude überbaute Fläche samt der Fläche eines daran anschließenden Randes, dessen Tiefe je nach der Widmung in sinngemäßer Anwendung des §6 Abs1 litc oder d der Tiroler Bauordnung 2011 zu ermitteln ist, an die Stelle der Fläche des Bauplatzes. Bei Bauplätzen für Gebäude nach §2 Abs3 litb, c und d tritt die durch das Gebäude überbaute Fläche samt der Fläche eines daran anschließenden Randes, dessen Tiefe in sinngemäßer Anwendung des §6 Abs1 litb der Tiroler Bauordnung 2011 zu ermitteln ist, an die Stelle der Fläche des Bauplatzes. Die durch Gebäude oder Gebäudeteile für Laufställe überbaute Fläche ist in die Fläche des Bauplatzes nur zur Hälfte einzurechnen. Verlieren jedoch solche Gebäude oder Gebäudeteile diesen Verwendungszweck durch bauliche Änderungen, so gilt dies als Vergrößerung des Bauplatzes im Ausmaß der Hälfte der tatsächlich überbauten Fläche.
(3) Der Bauplatzanteil entfällt mit jedem nach §16 Abs2 fällig gewordenen Teilbetrag des vorgezogenen Erschließungsbeitrages hinsichtlich einer Fläche, die 20 v. H. der Fläche des Bauplatzes bzw. jener Teilfläche des Bauplatzes, für die der Teilbetrag fällig geworden ist, entspricht.
(4) Der Baumassenanteil ist
a) im Fall des Neubaus eines Gebäudes das Produkt aus der Baumasse des Gebäudes,
b) im Fall der Änderung eines Gebäudes, durch die seine Baumasse vergrößert wird, das Produkt aus der zusätzlich geschaffenen Baumasse,
jeweils in Kubikmetern und 70 v. H. des Erschließungsbeitragssatzes. Die Baumasse landwirtschaftlicher Wirtschaftsgebäude und entsprechend genutzter Gebäudeteile ist nur zur Hälfte, im Fall von Gebäuden oder Gebäudeteilen für Laufställe nur zu einem Viertel, anzurechnen. Verlieren jedoch solche Gebäude oder Gebäudeteile diesen Verwendungszweck durch bauliche Änderungen, so gilt dies als Vergrößerung der Baumasse im Ausmaß der Hälfte, im Fall von Gebäuden oder Gebäudeteilen für Laufställe im Ausmaß von drei Vierteln, der tatsächlichen Baumasse. Als Vergrößerung der Baumasse gilt weiters der Ausbau des Dachgeschoßes von Gebäuden, für die ein Erschließungsbeitrag unter Zugrundelegung der betreffenden Teile des Dachgeschoßes noch nicht entrichtet wurde.
(5) Soweit der Abgabenschuldner oder einer seiner Rechtsvorgänger aufgrund privatrechtlicher Vereinbarungen mit der Gemeinde Aufwendungen für die Verkehrserschließung des betreffenden Bauplatzes erbracht hat, sind diese bei der Vorschreibung des Erschließungsbeitrages entsprechend zu berücksichtigen.
[…]
3. Die Tiroler Bauordnung 2011, LGBl 57/2011, lautet auszugsweise:
"Allgemeine Bestimmungen
§1
Geltungsbereich
(1) Dieses Gesetz gilt für alle baulichen Anlagen, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist.
(2) Durch dieses Gesetz werden die Zuständigkeit des Bundes sowie sonstige Vorschriften über bauliche Anlagen nicht berührt.
(3) Dieses Gesetz gilt nicht für folgende bauliche Anlagen:
a) Eisenbahnanlagen, Seilbahnanlagen, Schifffahrtsanlagen, Bodeneinrichtungen eines Flugplatzes, Flugsicherungsanlagen oder Teile davon;
b)-r) [...]
(4) [...]"
4. §10 und §19 Abs1 Bundesgesetz über Eisenbahnen, Schienenfahrzeuge auf Eisenbahnen und den Verkehr auf Eisenbahnen (Eisenbahngesetz 1957 - EisbG), BGBl 60/1957 idF BGBl I 125/2006, lauten:
"Eisenbahnanlagen
§10. Eisenbahnanlagen sind Bauten, ortsfeste eisenbahnsicherungstechnische Einrichtungen und Grundstücke, die ganz oder teilweise, unmittelbar oder mittelbar der Abwicklung oder Sicherung des Betriebes einer Eisenbahn, des Betriebes von Schienenfahrzeugen auf einer Eisenbahn oder des Verkehrs auf einer Eisenbahn dienen. Ein räumlicher Zusammenhang mit der Schieneninfrastruktur ist nicht erforderlich."
"Vorkehrungen
§19. (1) Ein zum Bau und zum Betrieb von Eisenbahnen berechtigtes Eisenbahnunternehmen ist verpflichtet, die Eisenbahn einschließlich der zugehörigen Eisenbahnanlagen, Betriebsmittel und des sonstigen Zugehörs unter Berücksichtigung der Sicherheit, der Ordnung und der Erfordernisse des Betriebes der Eisenbahn und des Verkehrs auf der Eisenbahn zu bauen, zu erhalten, zu ergänzen und nach Maßgabe der Rechtsvorschriften und entsprechend der nach diesem Bundesgesetz erforderlichen Konzessionen, Genehmigungen und Bewilligungen zu betreiben und hat diesbezüglich die notwendigen Vorkehrungen zu treffen."
III. Erwägungen
1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.
2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
3. §2 Abs3 litb TVAG 2011 bezieht auch Gebäude, die gemäß §1 Abs3 lita oder b Tiroler Bauordnung 2011 von deren Geltungsbereich ausgenommen sind – wie im vorliegenden Fall, in dem das Bauwerk gemäß §1 Abs3 lita von der Anwendbarkeit der Tiroler Bauordnung 2011 ausgenommen ist, weil es sich um eine Eisenbahnanlage handelt, die gemäß Art10 Abs1 Z9 B-VG in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes fällt –, in die Abgabenpflicht ein.
4. Allerdings ist es aus folgenden Gründen unsachlich und daher gleichheitswidrig, Bauwerke wie jene im vorliegenden Fall als Gebäude im Sinne des §2 Abs3 TVAG 2011 zu qualifizieren und sie damit der Abgabenpflicht nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu unterwerfen:
4.1. Gemäß §2 Abs3 TVAG 2011 sind Gebäude "überdeckte, allseits oder überwiegend umschlossene bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können und die dazu bestimmt sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen".
Die in Rede stehenden Bauwerke stehen in unmittelbarer Verbindung mit Eisenbahntunneln und befinden sich am Ende von Rettungsschächten, die aus dem Tunnel führen. Sie enthalten Telekomanlagen, Trafostationen, Ventilatoren bzw. die Belüftung der Tunnelschleuse und sonstige Einrichtungen für den Notfall, damit der Tunnel verlassen werden kann.
4.2. Auch wenn diese Bauwerke damit dem Wortlaut nach den Tatbestandselementen des §2 Abs3 TVAG 2011 entsprechen, schließen es die Merkmale der mit dem TVAG 2011 geregelten Abgabe aus, sie als solche Gebäude zu qualifizieren:
Der Hauptanwendungsfall der Verpflichtung zur Entrichtung eines Erschließungsbeitrages bezieht sich gemäß §7 iVm §2 Abs3 lita TVAG 2011 auf Gebäude, die der Tiroler Bauordnung 2011 unterliegen. Insofern handelt es sich um typische Interessentenbeiträge, wie sie bereits vor dem Inkrafttreten des F-VG 1948 bestanden haben, stets in den Finanzausgleichsgesetzen vorgesehen waren und wie sie derzeit das FAG 2008 in §14 Abs1 Z13 erfasst. Dabei handelt es sich typischerweise um Gebäude, die dem Aufenthalt von Menschen dienen; diese Interessentenbeiträge dienen der Deckung der Kosten, die den Gemeinden für die Aufschließungsarbeiten entstehen (vgl. Pfaundler, Die Finanzausgleichsgesetzgebung 1948/58, 1958, 116), weil durch die Verkehrsaufschließung "den anliegenden Grundstückseigentümern [… ] große Vorteile erwachsen".
Dieser Zweck des Gesetzes wird sowohl durch den Abgabengegenstand gemäß §7 TVAG 2011 als auch durch die Vorschriften über die Bemessensgrundlage und Höhe der Abgabe gemäß §9 iVm §7 Abs3 und §5 Abs2 TVAG 2011 konkretisiert.
4.3. Nun ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien, dass der Gesetzgeber ausdrücklich auch Eisenbahnanlagen und die sonstigen, in §2 Abs3 litb genannten, nach §1 Abs3 lita oder b der Tiroler Bauordnung 2011 von deren Geltung ausgenommenen Bauwerke in die Abgabenpflicht einbeziehen wollte. Diese Vorschrift bestand bereits in der Stammfassung, LGBl 22/1998. Die Erläuterungen führen hiezu aus:
"Dagegen soll die Verpflichtung zur Leistung eines Erschließungsbeitrages und eines Gehsteigbeitrages im Falle der Errichtung oder Vergrößerung von Gebäuden künftig unabhängig davon bestehen, ob das betreffende Vorhaben der Tiroler Bauordnung unterliegt oder nicht. So lösten bisher etwa Seilbahnbauten, unbeschadet ihrer oft erheblichen Auswirkungen auf die Verkehrsbelastung ganzer Talschaften, keine Erschließungs- und Gehsteigbeitragspflicht aus."
Daraus wird deutlich, dass auch nach der Absicht des Gesetzes Eisenbahnanlagen nur in der Hinsicht in die Abgabepflicht einbezogen werden sollten, als der betreffende Grundeigentümer Nutzen aus der Verkehrsaufschließung zieht, sodass diese Gebäude insofern jenen nach der Tiroler Bauordnung bewilligungspflichtigen gleichen.
4.4. Dies trifft aber auf die hier in Rede stehenden Schachtkopfgebäude von Rettungsschächten eines Eisenbahntunnels nicht zu. Diese werden zwar von Menschen betreten, wenn es erforderlich ist, diese aus dem Eisenbahntunnel zu retten, sowie zu Instandhaltungs- und Wartungsarbeiten. Die Grundeigentümer ziehen aber keinen Nutzen aus der Verkehrsaufschließung, wie dies typischerweise für Gebäude nach der Tiroler Bauordnung oder für Eisenbahnbauwerke gilt, die – wie zB Seilbahnstationen, Bahnhöfe und ähnliche – auch dem Aufenthalt von Menschen dienen und deren Eigentümer insofern in gleicher Weise wie die der Bauwerke nach der Tiroler Bauordnung Nutzen aus der Verkehrsaufschließung ziehen.
4.5. Dazu kommt, dass ein Eisenbahnunternehmen, das Eisenbahnanlagen betreibt, gemäß §19 Abs1 Eisenbahngesetz 1957 verpflichtet ist, die Eisenbahn "einschließlich der zugehörigen Eisenbahnanlagen, Betriebsmittel und des sonstigen Zugehörs unter Berücksichtigung der Sicherheit, der Ordnung und der Erfordernisse des Betriebes der Eisenbahn und des Verkehrs auf der Eisenbahn zu bauen, zu erhalten, zu ergänzen und nach Maßgabe der Rechtsvorschriften und entsprechend der nach diesem Bundesgesetz erforderlichen Konzessionen, Genehmigungen und Bewilligungen zu betreiben und [...] diesbezüglich die notwendigen Vorkehrungen zu treffen". Daraus ist zu schließen, dass die ausschließlich wegen der Errichtung des Rettungsschachtes und der dazu gehörenden Schachtkopfgebäude eines Eisenbahntunnels erforderliche Verkehrsaufschließung vom Eisenbahnunternehmen selbst durchzuführen ist.
4.6. Die Vorschreibung von Beiträgen für die Verkehrserschließung im Zusammenhang mit der Errichtung von Rettungsschächten zu den Schachtkopfgebäuden steht damit außerhalb jedes Verhältnisses zum wirtschaftlichen Wert der Verkehrserschließung durch das öffentliche Wegenetz für die Beschwerdeführerin. Es wäre daher unsachlich, Eisenbahnbauten, die unmittelbar dem Betrieb der Eisenbahn im Sinne des §10 Eisenbahngesetz 1957 dienen, in gleicher Weise einem Erschließungsbeitrag zu unterwerfen wie sonstige Bauwerke, die typischerweise dem Aufenthalt von Menschen dienen und daher entsprechende Auswirkungen auf die Verkehrsbelastung im öffentlichen Wegenetz haben (VfSlg 10.463/1985, 635; 15.194/1998, 719).
4.7. Die belangte Behörde hat daher dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt, weswegen die beschwerdeführende Gesellschaft im durch Art7 B-VG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt wurde.
5. Da somit das Gesetz, nämlich §2 Abs3 litb TVAG2011, nicht den Inhalt hat, den ihm die Behörde unterstellt hat, vielmehr Bauten, die Eisenbahnanlagen sind und unmittelbar der Abwicklung oder Sicherung des Betriebs einer Eisenbahn im Sinne des §10 Eisenbahngesetz 1957 dienen, vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes nicht erfasst sind, erübrigt es sich zu prüfen, ob der Landesgesetzgeber angesichts der Kompetenz des Bundes für das Verkehrswesen bezüglich der Eisenbahnen gemäß Art10 Abs1 Z9 B-VG befugt wäre, auch unmittelbar dem Betrieb von Eisenbahnen dienende Anlagen einer Abgabenpflicht zu unterwerfen.
IV. Ergebnis
1. Die Beschwerdeführerin ist somit durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
2. Der angefochtene Bescheid ist daher aufzuheben.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,– sowie der Ersatz der Eingabengebühr in der Höhe von € 220,– enthalten.
Schlagworte
Aufschließungsbeitrag, Eisenbahnrecht, Abgaben Landes-, Geltungsbereich Anwendbarkeit, Kompetenz Bund - Länder VerkehrswesenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2014:B116.2012Zuletzt aktualisiert am
17.03.2016