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27/02 NotareNorm
B-VG Art139 Abs1 Z3Leitsatz
Zurückweisung des Individualantrags eines Notars auf Aufhebung von Bestimmungen der Richtlinien der Österreichischen Notariatskammer über die Vorgangsweise bei notariellen Treuhandschaften als zu eng gefasstSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
1. Der Antragsteller, ein öffentlicher Notar, stellt gemäß Art139 Abs1 Z3 B-VG den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge die Bestimmungen 23.5., 38.1., 38.1.1., 38.1.2., 38.1.3. der Richtlinien der Österreichischen Notariatskammer vom 8. Juni 1999 über die Vorgangsweise bei notariellen Treuhandschaften idF des Delegiertentagsbeschlusses vom 18. Oktober 2012, kundgemacht auf der Website der Österreichischen Notariatskammer am 8. November 2012 (im Folgenden: THR 1999), als gesetzwidrig aufheben.
1.1. Zur Rechtslage und zur Antragslegitimation bringt der Antragsteller Folgendes vor:
Gemäß §109a Abs5 Notariatsordnung (NO) habe ein Notar Geldbeträge, die er im Rahmen einer eintragungspflichtigen notariellen Treuhandschaft übernommen hat, bei einem Kreditinstitut zu erlegen, das von der Österreichischen Notariatskammer für diesen Zweck anerkannt ist. Die Österreichische Notariatskammer habe in Richtlinien die Voraussetzungen für die Anerkennung von Kreditinstituten nach Abs5 näher zu regeln (§109a Abs6 letzter Satz NO). Auf Grundlage dieser Verordnungsermächtigung (vgl. zudem §140a Abs2 Z8 und §140b Abs6 NO) habe die Österreichische Notariatskammer die in Rede stehenden Richtlinien über die Vorgangsweise bei notariellen Treuhandschaften erlassen.
Als anerkanntes Kreditinstitut im Sinne dieser Bestimmungen gelte derzeit allein die Notartreuhandbank AG mit Sitz in Wien.
Der Antragsteller habe "aus wirtschaftlichen Gründen" sämtliche der von ihm im Rahmen der Treuhandschaft übernommenen Geldbeträge nicht bei der Notartreuhandbank AG, sondern auf Notaranderkonten bei nicht von der Österreichischen Notariatskammer anerkannten Kreditinstituten (mit Sitz in Kärnten) angelegt.
Als öffentlicher Notar sei er durch die angefochtenen Bedingungen für die Anerkennung eines Kreditinstitutes gemäß §109a Abs5 NO und das damit untrennbar verbundene Verbot des Abschlusses von Treuhandschaften, die nicht über ein Verständigungssystem eines von der Österreichischen Notariatskammer für diesen Zweck bereits anerkannten Kreditinstitutes gemäß Punkt 38a. THR 1999 an das Treuhandregister des österreichischen Notariats gemeldet werden können, unmittelbar betroffen, weil er bei Übernahme von notariellen Treuhandschaften Geldbeträge nicht mehr bei den allgemein und von Organen des Bundes anerkannten Kreditinstituten erlegen dürfe, bei denen er bisher die ihm anvertrauten Treugüter sicher und ertragreich erlegt habe. Die Rechtspflicht zum exklusiven Erlag bei der eigenen Notartreuhandbank AG und das oben erwähnte Verbot mit anderen österreichischen Kredit- und Finanzinstituten iSd Bankwesengesetzes oder europäischen Banken Treuhandschaften abzuwickeln, griffen somit in seine Rechtssphäre unmittelbar und aktuell ein, ohne dass es hiefür einer behördlichen Entscheidung bedürfe. Für den Fall eines Zuwiderhandelns müsse er als Notar mit standesrechtlichen Konsequenzen bis hin zum Erlöschen des Amtes, jedenfalls aber mit der Verhängung von Disziplinarstrafen (zB Entsetzung aus dem Notariatsamt, Suspension) rechnen, was ihm nicht zumutbar sei. Es stehe ihm auch kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, um sich gegen die rechtswidrigen THR 1999 zur Wehr setzen zu können; seine Antragslegitimation sei daher gegeben.
1.2. Der Antragsteller legt seine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnungsbestimmungen wie folgt dar:
Das von der Österreichischen Notariatskammer als Verordnungsgeberin in den Punkten 38.1. und 38.1.1. der Richtlinien vorgesehene Erfordernis der Beibringung über die gesetzliche Einlagensicherung hinausgehender, der Höhe nach unbeschränkter Solidar-Einlagenhaftungserklärungen durch bundesgesetzlich vorgesehene Einlagensicherungseinrichtungen zweier Geldinstitutssektoren könne außer von der Notartreuhandbank AG faktisch von keinem anderen Kreditinstitut erfüllt werden. Die Verpflichtung zur Eröffnung von Notaranderkonten (nur) bei der Notartreuhandbank AG und die damit einhergehende Beschränkung der Privatautonomie stelle eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG, Art1 1. ZPEMRK) dar. Zudem sei die bestehende "Monopolisierung" der Veranlagung von Treuhandgeldern bei einem "privilegierten" Kreditinstitut wie der Notartreuhandbank AG, an der die Österreichische Notariatskammer als Verordnungsgeberin zu 49 % beteiligt sei, sachlich nicht gerechtfertigt und führe zu einer Schlechterstellung österreichischer Notare gegenüber Rechtsanwälten oder in Deutschland amtierenden Notaren, die Treuhandgelder über sämtliche konzessionierte Kreditinstitute in Österreich und Deutschland abwickeln und dadurch einen "Wettbewerbsvorteil" erzielen könnten. Der sich aus den angefochtenen Richtlinienbestimmungen ergebende "Kontrahierungszwang" mit der Notartreuhandbank AG und die damit einhergehende Beschränkung der Ausübung des Notariats führe zu einer Verletzung im Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung (Art6 StGG). Letztlich könnten Registrierungen eintragungspflichtiger Treuhandschaften im Treuhandregister des österreichischen Notariats faktisch nur bei gleichzeitiger Anlage eines Notaranderkontos bei der Notartreuhandbank AG erfolgen; darin sei ein Verstoß gegen §140d NO zu erkennen, da es auch ohne Veranlagung von Treuhandgeldern bei der Notartreuhandbank AG möglich sein müsse, elektronische Meldungen an das Treuhandregister des österreichischen Notariats vorzunehmen.
2. §109a NO lautet auszugsweise wie folgt:
"(1) Übernimmt der Notar eine Treuhandschaft, so muß er in der Lage sein, diese selbständig auszuüben. Die Übernahme von Bürgschaften und die Darlehens- oder Kreditgewährung sind ihm in diesem Zusammenhang untersagt. Der Treuhandauftrag ist schriftlich abzuschließen und hat die Aufgaben des Notars genau zu bestimmen. Der Notar hat sich von der Identität der an der Treuhandschaft Beteiligten zu überzeugen (§55) und die Treugeber bei Bedarf oder auf deren Verlangen über den Stand der Sache zu informieren.
(2) Ist mit der notariellen Treuhandschaft unmittelbar oder mittelbar eine Ermächtigung des Notars zur Verfügung über Fremdgeld oder anderes Fremdgut mit Geldeswert verbunden und handelt es sich nicht um eine bloß geringfügige Treuhandschaft, so hat er die Treuhandschaft spätestens vor der ersten Verfügung über das Fremdgut in das 'Treuhandregister des österreichischen Notariats' (§140d) einzutragen und nachträgliche Veränderungen der gemeldeten Daten unverzüglich bekanntzugeben. Verwahrungen, die der Notar in seiner Eigenschaft als Gerichtskommissär vornimmt, fallen nicht unter die einzutragenden notariellen Treuhandschaften.
[...]
(5) Der Notar hat Geldbeträge, die er im Rahmen einer eintragungspflichtigen notariellen Treuhandschaft übernommen hat, bei einem Kreditinstitut zu erlegen, das von der Österreichischen Notariatskammer für diesen Zweck anerkannt ist. Eine solche Anerkennung hat insbesondere zur Voraussetzung, daß der jederzeitige Zugriff des Treuhänders auf das Treuhandkonto, die wenigstens taggleiche Bestimmung des Empfängers von Zahlungen und die möglichst taggleiche Unterrichtung der Treugeber und der Österreichischen Notariatskammer von allen wesentlichen Kontenbewegungen sichergestellt ist, daß das Treugut Gegenstand einer vom Bankvermögen unabhängigen Haftung in voller Höhe ist sowie daß das Kreditinstitut online mit dem Treuhandregister verbunden werden kann und die dafür erforderliche technische Sicherheit und Datensicherheit gewährleistet sind. Die Anerkennung ist auf der Website der Österreichischen Notariatskammer allgemein zugänglich kundzumachen.
(6) Die Österreichische Notariatskammer hat in Richtlinien näher zu regeln, welche Aufträge ihrer Art nach zu den notariellen Treuhandschaften zu zählen und welche eintragungspflichtig sind, wann eine geringfügige Treuhandschaft vorliegt, wie die Treuhandschaft zu sichern und der schriftliche Treuhandauftrag zu gestalten ist, wie eine Haftpflichtversicherung zur Sicherung der Rechte der Treugeber, insbesondere auch hinsichtlich des Deckungsumfangs, zu gestalten ist und wie die Treugeber über die Treuhandsache und über den Versicherungsschutz zu informieren sind. Weiters sind in den Richtlinien die Voraussetzungen für die Anerkennung von Kreditinstituten nach Abs5 näher zu regeln."
1.3. Das "Treuhandregister des österreichischen Notariats (THR)" dient der Registrierung der nach §109a Abs2 eintragungspflichtigen Treuhandschaften. Einzutragen sind insbesondere der Notar, die Versicherung des Notars, der Treuhandrahmen, die Treugeber und der Beginn und das Ende der Treuhandschaft (§140d Abs1 NO).
1.4. Die auf §109a Abs5 NO gestützten THR 1999 lauten auszugsweise (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"Treuhandvereinbarung
22. Der Notar hat Vereinbarungen über die Übernahme des Treuhandauftrages mit seinen Treugebern bzw. deren Vertretern oder Bevollmächtigten schriftlich abzuschließen. Der Treuhandauftrag hat die Aufgaben des Notars genau zu bestimmen.
23. Der Notar darf eine Treuhandvereinbarung nicht abschließen,
[…]
23.5. wenn einer der Treugeber dem Verständigungssystem nach §109a Abs5 NO und Punkt 38a. nicht zustimmt;
[…]
Anerkanntes Kreditinstitut
37. Der Notar hat Geldbeträge, die er im Rahmen einer eintragungspflichtigen Treuhandschaft übernommen hat, bei einem Kreditinstitut zu erlegen, das von der Österreichischen Notariatskammer für diesen Zweck anerkannt ist und dessen Anerkennung hiefür auf der Website der Österreichischen Notariatskammer kundgemacht ist. Der Notar hat den beabsichtigten Erlag eines Geldbetrages von mehr als EUR 100.000.000,00 (Großeinlage) ehestmöglich dem anerkannten Kreditinstitut zu melden.
Voraussetzung für die Anerkennung eines Kreditinstitutes gemäß §109a Abs5 NO für die Verwahrung der in Punkt 37. genannten Geldbeträge ist, daß das Kreditinstitut eine Einlagensicherung und die Kontoführung nach den folgenden Bedingungen gewährleistet:
38.1. Das Kreditinstitut hat für die von ihm für eintragungspflichtige Treuhandschaften geführten Notaranderkonten gegenüber der Österreichischen Notariatskammer über die gesetzliche Einlagensicherung hinausgehende, der Höhe nach unbeschränkte Solidar-Einlagenhaftungserklärungen beizubringen:
38.1.1. bundesgesetzlich vorgesehener Einlagensicherungseinrichtungen zweier Geldinstitutssektoren (Banken, Raiffeisen, Sparkassen, Volksbanken, Hypothekenbanken) oder
38.1.2. bundesgesetzlich vorgesehener Einlagensicherungseinrichtungen eines Geldinstitutssektors und eines dem Eigenkapital nach zu den fünf größten Banken zählenden Geldinstitutes, wobei letzteres einem anderen Geldinstitutssektor anzugehören hat oder
38.1.3. zweier dem Eigenkapital nach zu den zehn größten, im Inland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Banken zählender Geldinstitute, von denen zumindest eines zu den fünf größten Geldinstituten gehören muß und die beiden solidarisch haftenden Geldinstitute nicht demselben Geldinstitutssektor angehören dürfen, und deren Aufrechterhaltung einmal jährlich nachzuweisen;
[…]
38a. Das Kreditinstitut hat ein Verständigungssystem zur Verfügung zu stellen und zu betreiben, bei dem
38a.1. der Notar bei Anlage eines Notaranderkontos an das Kreditinstitut zu melden hat bzw melden kann
38a.1.1. folgende Informationen zur Treuhandschaft als Pflichtfelder:
Kontotyp 'Treuhandkonto' oder 'Gerichtskommissärskonto' oder 'Abgabenkonto' oder 'geringfügiges Treuhandkonto', wobei der Kontotyp 'Treuhandkonto' eine eintragungspflichtige Treuhandschaft bezeichnet
Bezeichnung des Anderkontos
Gesamtrahmen der Treuhandschaft in EUR (bei den Kontotypen 'Treuhandkonto' und 'Abgabenkonto')
Währung;
38a.1.2. folgende Informationen zur Treuhandschaft als optionale Felder:
Aktenzahl
Massenummer gemäß BFR
Notiz;
38a.2. der Notar die beabsichtigte Löschung eines Anderkontos an das Kreditinstitut zu melden hat bzw melden kann;
38a.3. der Notar bei angegebenem Kontotyp 'Treuhandkonto' folgende Informationen über die Treugeber zu melden hat bzw melden kann;
38a.3.1. als Pflichtfelder für zumindest einen Treugeber:
Vor- und Zuname bzw Firma oder sonstige Bezeichnung
Postanschrift
Rolle des Treugebers (Käufer, Verkäufer/Zahlungsempfänger, Finanzierer)
Kontoinformationen des Kontos des Treugebers oder Zahlungsempfängers (IBAN/Kontonummer, BIC/BLZ);
38a.3.2. als optionale Felder:
Titel
Sozialversicherungsnummer
Geburtsdatum
Email-Adresse
ob der Treugeber Devisenausländer ist;
38a.3.3. Änderungen und Erweiterungen von Informationen gemäß Punkt 38a.3.1. und 38a.3.2.;
38a.4. das Kreditinstitut ab Kontoeröffnung bis Kontoschließung die aktuellen Informationen gemäß Punkte 38a.1. bis 38a.3. und die Kontobewegungen und den Kontosaldo dem Notar zur Verfügung stellt;
38a.5. bei angegebenem Kontotyp 'Treuhandkonto';
38a.5.1. die für die Treuhandregistrierung notwendigen Informationen bei Kontoeröffnung an das Treuhandregister weitergeleitet werden und das Konto gleichzeitig mit Eintragung der Treuhandschaft in das Treuhandregister eröffnet wird;
38a.5.2. während des Bestehens eines Anderkontos bis zur Meldung der beabsichtigten Löschung (gemäß Punkt 38a.2.) alle Eintragungen und Änderungen zum Treuhandregister ausschließlich über das Verständigungssystem des Kreditinstitutes erfolgen; die Daten des Treuhandregisters sind mit jenen des Kreditinstitutes abzugleichen; Änderungen bzw Löschungen von Treuhandregistereintragungen sind erst nach Bekanntgabe der beabsichtigten Schließung des Anderkontos nach Punkt 38a.2. direkt über die Österreichische Notariatskammer oder des von ihr gemäß §140b Abs2 NO zur Dienstleistung für das THR herangezogenen Dritten zulässig;
38a.5.3. nach der ersten Habenbuchung auf dem eröffneten Anderkonto an alle vom Notar bekanntgegebenen Treugeber folgende Informationen postalisch an die angegebene Postadresse versendet werden:
Informationen zum Anderkonto (Notar, Kontonummer, Bezeichnung, Währung und Kontosaldo)
alle als Treugeber Beteiligte (unter Angabe Namen/Firma, Adresse, Email-Adresse, Funktion, Referenz und Kontonummer);
38a.5.4. bei Änderungen der Informationen gemäß Punkt 38a.5.3. und bei Meldung der beabsichtigten Kontoschließung (gemäß Punkt 38a.2.) alle vom Notar bekanntgegebenen Treugeber (per Email, bzw. mangels Angabe einer Email-Adresse postalisch an die angegebene Postadresse) von Änderungen verständigt werden;
38a.5.5. alle vom Notar bekanntgegebenen Treugeber (per Email bzw. mangels Angabe einer Email-Adresse postalisch an die angegebene Postadresse) über den aktuellen Kontosaldo im Fall einer Änderung verständigt werden;
38a.6. jeder dem Kreditinstitut vom Notar bekanntgegebene Treugeber berechtigt ist, von dem Kreditinstitut Auskunft zu verlangen, ob und mit welchen Informationen ein Anderkonto geführt wird, bei dem er als Treugeber beteiligt ist; er hat dabei seine Identität nachzuweisen."
3. Der Antrag ist unzulässig.
3.1. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).
3.2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfenden Gesetzes- oder Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (vgl. VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzes- oder Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt, und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzes- oder Verordnungsstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzes- bzw. Verordnungsprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2002). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011). Der Umfang einer zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmung ist derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als zur Beseitigung der zulässigerweise geltend gemachten Rechtswidrigkeit erforderlich ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (vgl. VfSlg 19.496/2011 mwN).
3.3. Da das Ziel eines Individualantrages in der Behebung der geltend gemachten Rechtsverletzung zu erblicken ist, kann die Antragslegitimation nur bejaht werden, wenn die Aufhebung der angefochtenen Norm die Rechtsposition des Antragstellers dergestalt verändert, dass die behaupteten belastenden Rechtswirkungen entfallen (Rohregger, Art140 B-VG, in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 6. Lfg. [2003] Rz 215; Schäffer, Art140 B-VG, in: Kneihs/Lienbacher [Hrsg.], Rill-Schäffer-Kommentar, 8. Lfg. [2011] Rz 59; vgl. dazu auch VfSlg 14.498/1996, 14.526/1996). Dieses Ziel des Aufhebungsantrags würde im konkreten Fall aber gerade nicht erreicht:
Der Antragsteller wendet sich nämlich gegen "das an den Notar gerichtete Verbot des Abschlusses einer Treuhandvereinbarung mit Treugebern, wenn einer der Treugeber dem Verständigungssystem nach §109a Abs5 NO und Punkt 38a. nicht zustimmt", und damit gegen Punkt 23.5. THR 1999, sowie gegen die Punkte 38.1., 38.1.1, 38.1.2. und 38.1.3. der in Rede stehenden Verordnung. Die Bedenken des Antragstellers sind allerdings gegen die Verpflichtung, notarielle Treuhandgelder bei der Notartreuhandbank AG als einziges dazu befugtes Kreditinstitut zu veranlagen und damit gegen die fehlende Möglichkeit, Treuhandschaften über ein von ihm selbst gewähltes, konzessioniertes Kreditinstitut abzuwickeln, gerichtet. Diese Verpflichtung ergibt sich jedoch aus dem – nicht mitangefochtenen – Punkt 37 erster Satz THR 1999. Würden die vom Antragsteller angefochtenen Bestimmungen aus der Rechtsordnung eliminiert, wäre damit nicht eine Rechtslage hergestellt, auf welche die vom Antragsteller ins Treffen geführten Bedenken nicht mehr zuträfen. Der Individualantrag ist daher zu eng gefasst.
3.4. Der Antrag ist daher schon aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen.
4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Notare, Berufsrecht, VfGH / Individualantrag, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / BedenkenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2014:V93.2014Zuletzt aktualisiert am
13.01.2015