RS Vfgh 2014/11/24 E35/2014 ua

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 24.11.2014
beobachten
merken

Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

AsylG 2005 §5, §10
FremdenpolizeiG 2005 §61
Dublin II-VO des Rates vom 18.02.03, EG 343/2003 Art3 Abs2, Art16
EMRK Art8

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch Zurückweisung des Asylantrags und Ausweisung nach Polen; keine hinreichende Würdigung des Familienlebens

Rechtssatz

Das Bundesverwaltungsgericht geht aktenwidrig davon aus, dass zwischen dem Erstbeschwerdeführer und dessen in Österreich aufenthaltsberechtigten minderjährigen Kindern kein von Art8 Abs1 EMRK geschütztes Familienleben besteht und begründet dies im Wesentlichen damit, dass "der Erstbeschwerdeführer über viele Jahre hinweg auf Grund eines Gefängnisaufenthaltes und örtlicher Dislokation über keinerlei Kontakt zu den minderjährigen Kindern verfügte [...] und [mit] den minderjährigen Kindern offenbar zu keinem Zeitpunkt ein gemeinsamer Haushalt [bestand]; [...] überdies [sei der Erstbeschwerdeführer] nicht zur Obsorge betreffend die minderjährigen Kinder berechtigt." Dabei verkennt das Bundesverwaltungsgericht, dass das familiäre Band zwischen Eltern und Kindern iSd Judikatur des EGMR nur unter exzeptionellen Umständen zerreißen kann und es sohin lediglich darauf ankommt, ob tatsächlich jede Verbindung zwischen Eltern(teil) und Kind gelöst wurde (EGMR 24.04.1996, Fall Boughanemi, Appl 22070/93, Z35).

Dadurch, dass das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Beurteilung der Frage, ob Österreich zum Selbsteintritt nach Art3 Abs2 Dublin II-VO verpflichtet wäre - ausgehend von seinem Rechtsirrtum - die Umstände des konkreten Falles, insbesondere betreffend die Behauptungen des Erstbeschwerdeführers, wonach dieser im Heimatland vor und nach seines Gefängnisaufenthaltes mit seinen beiden minderjährigen Kindern im gemeinsamen Haushalt gelebt und während dieser Zeit auch maßgeblich zu deren Pflege, Erziehung und Unterhalt beigetragen habe, nicht hinreichend ermittelt bzw aktenwidrig gewürdigt hat, wurde der Erstbeschwerdeführer in seinem Recht auf Achtung des Familienlebens verletzt.

Gleiches gilt für den minderjährigen Zweitbeschwerdeführer, der gemeinsam mit seinem obsorgeberechtigten Onkel, dem Erstbeschwerdeführer, nach Österreich eingereist ist.

Entscheidungstexte

  • E35/2014 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 24.11.2014 E35/2014 ua

Schlagworte

Asylrecht, Ausweisung, Privat- und Familienleben, Ermittlungsverfahren, EU-Recht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2014:E35.2014

Zuletzt aktualisiert am

16.01.2015
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten