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82/03 Ärzte, sonstiges SanitätspersonalNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Gesetzwidrigkeit einer Bestimmung der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich betreffend eine weitere Voraussetzung für die Gewährung der Invaliditätsversorgung entgegen der gesetzlichen GrundlageRechtssatz
Die Wortfolge "und sind alle Vorschreibungen zum Wohlfahrtsfonds gedeckt" in §30 Abs1 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich idF vom 01.01.2012 war gesetzwidrig.
Gemäß §100 Abs1 ÄrzteG 1998 ist eine Invaliditätsversorgung zu gewähren, wenn der Kammerangehörige infolge bestimmter Gebrechen dauernd oder vorübergehend berufsunfähig ist.
Sowohl in Abs2 zweiter Satz als auch in Abs3 erster Satz des §100 ÄrzteG 1998 wird mit gleichem Wortlaut normiert, dass der Leistungsfall dann, wenn die vorübergehende Berufsunfähigkeit weniger als drei Monate andauert, jedenfalls nicht vorliegt. Bei den wortgleichen Bestimmungen des §100 Abs2 zweiter Satz und Abs3 erster Satz ÄrzteG 1998 handelt es sich offensichtlich um ein Redaktionsversehen. Keine umfassendere Ermächtigungsnorm zur Festlegung zusätzlicher Voraussetzungen für die Gewährung der Invaliditätsversorgung.
Die Gesetzesmaterialien (AB 689 BlgNR 21. GP, 4) verdeutlichen, dass es dem Gesetzgeber hier insbesondere um eine zeitliche Abgrenzung zwischen vorübergehender Berufsunfähigkeit und kurzfristiger Erkrankung geht. Auch die Gesetzessystematik steht der Auffassung der Ärztekammer entgegen, da unter der Annahme, die Ermächtigung würde so weitreichend sein, dass sie die Festlegung jeglicher Voraussetzungen für den Leistungsfall dem Verordnungsgeber überlässt, die (restriktive) ausdrückliche Ermächtigung zur Festlegung des Zeitraumes der Gewährung einer vorübergehenden Invaliditätsversorgung in §100 Abs1 zweiter Satz ÄrzteG 1998 gerade nicht notwendig wäre.
Die zusätzliche Bedingung rechtfertigt die Erweiterte Vollversammlung auch damit, dass das Anstreben der "Versicherungsdeckung" bislang keine verfassungsrechtlichen Bedenken erweckte. Damit verkennt die Erweiterte Vollversammlung, dass das Bestehen von Leistungsrückständen eines Versicherten gegenüber dem Wohlfahrtsfonds nicht das Entstehen eines Anspruches dieses Versicherten gegenüber dem Wohlfahrtsfonds aus einem anderen Titel, nämlich aus dem Versicherungsfall "Invalidität", hindert; diese Betrachtung mag allenfalls ein Kompensationsinteresse nahelegen, welches im Übrigen auch in §110a Abs2 ÄrzteG 1998 berücksichtigt wird, erlaubt dem Verordnungsgeber aber nicht, eine weitere Voraussetzung entgegen der gesetzlichen Grundlage für den Leistungsanfall selbst vorzusehen.
Vor diesem Hintergrund vermag auch das Argument, dass eine Invaliditätsversorgung trotz Beitragsrückstand das Solidaritätsprinzip verletze, nichts zu bewirken, bleibt doch hier für eine Abwägung kein Raum.
(Anlassfall B52/2013, E v 10.12.2014, Aufhebung des angefochtenen Bescheides).
Schlagworte
Ärzte VersorgungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2014:V62.2014Zuletzt aktualisiert am
16.03.2016