TE Vwgh Erkenntnis 2014/11/18 2013/05/0227

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Veröffentlicht am 18.11.2014
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §68 Abs1;
BauO NÖ 1996 §3 Abs1;
BauTV NÖ 1997 §10;
B-VG Art118 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Sußner, über die Beschwerde 1. des J A und 2. der M A, beide in P, beide vertreten durch Fux/Neulinger/Mitrofanova Rechtsanwälte OG in 1020 Wien, Taborstraße 11b, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 13. Dezember 2013, Zl. RU1-BR-1540/004-2013, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1. F E in U; 2. Gemeinde U in U), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seines Spruchpunktes 2. wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Hinsichtlich des Spruchpunktes 1. wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte ist auf das hg. Erkenntnis vom 31. Juli 2012, Zl. 2012/05/0005, zu verweisen. Daraus ist Folgendes hervorzuheben:

Mit Schreiben vom 5. Juli 2010 stellten die Beschwerdeführer an den Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde unter anderem unter Nr. 6 folgenden Antrag, betreffend eine Baulichkeit auf der Nachbarliegenschaft:

"Ich beantrage wegen Gefahr im Verzug die vorhandenen 4 Stück Dachflächenfenster in der Brandwand gem. § 10 NÖ BTV per Bescheid öffnungslos errichten zu lassen. Diese Fenster entsprechen auch nicht der Auflage F90 von 1993."

Mit im Devolutionsweg ergangenen Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 21. April 2011 wurde dieser Antrag wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG abgewiesen (richtig: zurückgewiesen).

Die belangte Behörde hat die dagegen erhobene Vorstellung mit Bescheid vom 22. November 2011 als unbegründet abgewiesen.

Diese Entscheidung der belangten Behörde wurde mit dem eingangs genannten Vorerkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen aus, dass sich ein mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. November 2009 erledigter Antrag der Beschwerdeführer auf die vier Dachflächenfenster im Zusammenhang mit dem Abstand von 1 m, der Errichtung direkt an der Grundgrenze und der Nichteinhaltung der Brandschutzklasse F 90 bezogen habe. Nunmehr sei aber beantragt worden, die vier Dachflächenfenster gemäß § 10 der Niederösterreichischen Bautechnikverordnung (BTV) öffnungslos einzurichten. Die belangte Behörde habe nicht dargelegt, dass die Brandschutzklasse F 90 die Frage der Nichtöffenbarkeit ("Öffnungslosigkeit") von Fenstern regle. Ohne eine diesbezügliche nachvollziehbare Begründung könne aber im Hinblick auf den Wortlaut der beiden Anträge der Beschwerdeführer nicht nachvollzogen werden, ob sie sich tatsächlich auf dieselbe Sache bezogen hätten und ob mit der Erledigung des ersten Antrages auch die Frage der "Öffnungslosigkeit" der Fenster, die Gegenstand des nunmehrigen Antrages gewesen sei, erledigt worden sei.

Weiters führte der Verwaltungsgerichtshof Folgendes aus:

"Die belangte Behörde hat zusätzlich in ihrer Bescheidbegründung auch darauf verwiesen, dass die Baubewilligung vom 29. Jänner 2007 rechtskräftig geworden sei, die auch die vier Dachflächenfenster umfasst habe. Darin sei nicht festgehalten worden, dass die vier Dachflächenfenster nicht-öffenbar, in einem Abstand von 1 m von der Grundstücksgrenze oder in F 90 ausgeführt sein müssten. Es sei lediglich die Auflage erteilt worden, dass die Bauwerber einen Befund des verantwortlichen Bauführers über die Überprüfung der Dachflächenfenster auf die von der Bautechnikverordnung vorgeschriebene Brandklasse vorzulegen hätten. Mit der Vorlage dieses Befundes sei die Auflage erfüllt worden. Es sei mit der Auflage aber nicht vorgeschrieben worden, dass die Dachflächenfenster in der Brandklasse F 90 und auch als nicht-öffenbar sowie in einem Abstand von 1 m von der Grundstücksgrenze zu errichten seien. Aus diesem Grund sei es auch nicht zulässig, in einem baupolizeilichen Verfahren die Ausführung der Dachflächenfenster in einem Abstand von 1 m von der Grundstücksgrenze, in F 90 und als nicht-öffenbar aufzutragen. Auch aus diesem Grund sei der Antrag auf Durchführung eines baupolizeilichen Verfahrens zur Durchsetzung der Errichtung von öffnungslosen Dachflächenfenstern als unzulässig zurückzuweisen gewesen."

Zu diesen Darlegungen der belangten Behörde führte der Verwaltungsgerichtshof sodann aus:

"Zunächst ist dazu festzuhalten, dass die genannte Auflage entgegen der Auffassung der belangten Behörde nicht nur die Vorlage eines Befundes umfasst hat, sondern auch, dass dieser Befund zu erkennen geben muss, dass die von der Bautechnikverordnung vorgeschriebene Brandklasse eingehalten ist. Ansonsten würde der Befund der Auflage nicht entsprechen. In diesem Zusammenhang ist im Hinblick auf den Antrag der Beschwerdeführer vom 5. Juli 2010 wiederum darauf hinzuweisen, dass es erforderlich gewesen wäre, näher darzulegen, ob die 'vorgeschriebene Brandklasse' auch die Öffenbarkeit von Fenstern regelt. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre auch durch die Baubewilligung nicht über das nunmehrige Begehren der Beschwerdeführer entschieden worden.

Abgesehen davon wäre in Bezug auf die Fenster und deren Ausgestaltung zu klären gewesen, ob das Bauwerk, das die 'nach der Bautechnikverordnung vorgeschriebene Brandklasse' einzuhalten hatte, diesbezüglich der Baubewilligung entspricht. Gegebenenfalls wäre ein Auftrag nach § 35 iVm § 33 BO zu erteilen gewesen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. September 2011, Zl. 2009/05/0348, mwN), worauf die Beschwerdeführer im Hinblick auf den Brandschutz einen Anspruch hätten, soweit dem nicht im Sinne der obigen Ausführungen eine rechtskräftige Erledigung eines Antrages entgegenstünde."

Im weiteren Verfahren erließ die belangte Behörde den Bescheid vom 11. Februar 2013, mit dem sie der Vorstellung hinsichtlich des Punktes 6. des Bescheides des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 21. April 2011 Folge gab, den angefochtenen Bescheid in dieser Hinsicht aufhob und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand zurückverwies.

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 19. August 2013 wurde sodann unter anderem der gegenständliche 6. Antrag der Beschwerdeführer gemäß § 68 Abs. 1 AVG als "unbegründet" zurückgewiesen. Begründend wurde dazu ausgeführt, mit der Auflage im rechtskräftigen Baubewilligungsbescheid vom 29. Jänner 2007 sei nicht vorgeschrieben worden, dass die Außenwand zum Grundstück der Beschwerdeführer als "öffnungslos" zu errichten sei, da vier Öffnungen (vier Dachfenster) bewilligt worden seien. Der Verwaltungsgerichtshof habe im Vorerkenntnis vom 31. Juli 2012 ausgeführt, dass sich der mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. November 2009 erledigte Antrag der Beschwerdeführer auf die vier Dachflächenfenster im Zusammenhang mit dem Abstand von 1 m, der Errichtung direkt an der Grundgrenze und der Nichteinhaltung der Brandschutzklasse bezogen habe, sodass diesbezüglich entschiedene Sache vorliege.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung, in der sie unter anderem auch beantragten, die Vorstellungsbehörde möge den Gemeindebehörden auftragen, hinsichtlich ihres Antrages über die Lage der Dachflächenfenster ein Konsensüberprüfungsverfahren durchzuführen.

Mit Spruchpunkt 1. des in Beschwerde gezogenen Bescheides wurde der in der Vorstellung gestellte Antrag, dass die belangte Behörde den Gemeindebehörden auftrage, hinsichtlich der Lage der Dachflächenfenster ein Konsensüberprüfungsverfahren durchzuführen, als unzulässig zurückgewiesen.

Mit Spruchpunkt 2. des in Beschwerde gezogenen Bescheides wurde die Vorstellung hinsichtlich des Spruchpunkts "zu Punkt 6)" als unbegründet abgewiesen.

(Mit Spruchpunkt 3. des in Beschwerde gezogenen Bescheides, der von der Anfechtung nicht umfasst ist, wurde der Vorstellung hinsichtlich des Spruchpunkts des Bescheides des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 19. August 2013 "zu Punkt 5)" Folge gegeben, der angefochtene Bescheid in dieser Hinsicht aufgehoben und diese Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde verwiesen).

Begründend führte die belangte Behörde zu Spruchpunkt 1. aus, die Aufsichtsbehörde könne nur im Rahmen eines Vorstellungsverfahrens tätig werden und habe im Übrigen nicht die Befugnis, einer Gemeinde die Durchführung eines baupolizeilichen Verfahrens aufzutragen.

Zu Spruchpunkt 2. legte die belangte Behörde im Wesentlichen dar, der Verwaltungsgerichtshof habe im Vorerkenntnis ausgesprochen, dass sich der mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. November 2009 erledigte Antrag der Beschwerdeführer auf die vier Dachflächenfenster im Zusammenhang mit dem Abstand von 1 m, der Errichtung direkt an der Grundgrenze und der Nichteinhaltung der Brandschutzklasse F 90 bezogen habe, nicht jedoch darauf, dass die vier Dachflächenfenster gemäß § 10 BTV öffnungslos zu errichten seien. Es sei daher über den Teil des sechsten Antrags vom 5. Juli 2010, der sich auf die Einhaltung der Brandschutzklasse F 90 für die Dachflächenfenster beziehe, bereits mit Bescheid vom 16. November 2009 rechtskräftig entschieden worden und liege diesbezüglich entschiedene Sache vor. Dies habe auch der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde in der Bescheidbegründung dargelegt. Dem Antrag sei daher diesbezüglich richtigerweise wegen entschiedener Sache nicht Folge zu geben gewesen. Über den Teil des 6. Antrags, der sich auf die öffnungslose Errichtung der vier Dachflächenfenster bezogen habe, sei bisher noch nicht abgesprochen worden. Wie von den Beschwerdeführern ausgeführt, lasse sich die öffnungslose Errichtung der Dachflächenfenster nicht unter die Brandschutzklasse F 90 subsumieren. Diesbezüglich liege, wie auch der Gemeindevorstand ausgesprochen habe, keine entschiedene Sache vor. Weder der Verhandlungsschrift vom 4. Jänner 2007 noch dem Bewilligungsbescheid vom 29. Jänner 2007 noch dem zum Bestandteil dieses Bescheides erklärten Bestandsplan sei zu entnehmen, dass die vier Dachflächenfenster nicht öffenbar sein sollten. Vielmehr sei eine Außenwand mit vier Öffnungen, das seien die vier Dachflächenfenster, bewilligt worden. Es sei daher dem Antrag auf "öffnungslose" Errichtung der vier Dachflächenfenster nicht stattzugeben gewesen, was der Gemeindevorstand in der Bescheidbegründung auch dargelegt habe. Der Gemeindevorstand habe zwar im Spruch ausgesprochen, dass der sechste Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG als unbegründet zurückgewiesen werde. Aus der Bescheidbegründung ergebe sich jedoch, dass sich der Gemeindevorstand inhaltlich mit dem sechsten Antrag auseinandergesetzt habe. Der Spruch könne daher in dieser Hinsicht dahingehend umgedeutet werden, dass der Gemeindevorstand den Antrag als unbegründet habe abweisen wollen. Es sei daher auch kein Sachverständigengutachten zur Frage des Regelungsumfanges der Brandschutzklasse F 90 einzuholen und auch nicht festzustellen gewesen, aus welchem Material die Dachflächenfenster seien. Auch ein Befund zur Brandbeständigkeit der Dachflächenfenster habe sich erübrigt. Der Bescheid des Gemeindevorstandes sei auch ausreichend begründet worden. Im Übrigen wäre der Gemeindevorstand auch bei Vermeidung des behaupteten Begründungsmangels nicht zu einem anderen Ergebnis gekommen und liege daher, wenn überhaupt, nur ein unwesentlicher Verfahrensmangel vor. Den Beschwerdeführern seien zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Gemeindevorstandes sämtliche für dieses Verfahren relevanten Pläne und Einreichunterlagen sowie Verhandlungsschriften vorgelegen. Der Gemeindevorstand habe keine darüber hinausgehenden Ermittlungen durchgeführt. Es sei daher den Beschwerdeführern diesbezüglich auch kein Parteiengehör zu gewähren gewesen. Auch ein derartiger behaupteter Verfahrensmangel liege folglich nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn in seinen Spruchpunkten 1. und 2. wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und stellte den Antrag auf Zuerkennung des Vorlageaufwandes.

Die belangte Behörde erstattete eine Äußerung und beantragte, dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich Vorlage- und Schriftsatzaufwandersatz zuzuerkennen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird im Wesentlichen ausgeführt, in Verkennung der Rechtslage habe die belangte Behörde entweder in ihrem Bescheid vom 11. Februar 2013, im Protokoll der Gemeindevorstandssitzung vom 19. August 2013 oder in der Begründung des Berufungsbescheides des Gemeindevorstandes vom 19. August 2013 eine Darlegung erblickt, dass die Brandschutzklasse F 90 auch die Frage der Nichtöffenbarkeit von Fenstern regle, oder der Gemeindevorstand habe schlicht seine Darlegungspflicht übersehen. Über die Frage der "Öffnungslosigkeit" der Fenster sei noch nicht entschieden worden; dies treffe aber nur dann zu, wenn die Brandschutzklasse F 90 die Frage der Nichtöffenbarkeit nicht regle. Zwar komme die belangte Behörde (wenn auch ohne Einholung eines Gutachtens und näherer Darlegungen) zum korrekten Ergebnis, dass die Brandschutzklasse F 90 die Frage der "Öffnungslosigkeit" nicht regle, sie ziehe daraus jedoch die falschen rechtlichen Schlüsse. Komme man nämlich zum Ergebnis, die Brandschutzklasse F 90 regle die Frage der "Öffnungslosigkeit" nicht, sei zu beurteilen, ob im vorliegenden Fall § 10 BTV gebiete, dass die Dachfenster öffnungslos zu errichten seien. Diese Prüfung habe die belangte Behörde jedoch unterlassen. Zum Regelungsumfang der Brandschutzklasse F 90 fehlten entgegen den Anforderungen, die der Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis gestellt habe, Feststellungen und Begründungen. Aus dem Bescheid des Gemeindevorstandes gehe im Übrigen eindeutig hervor, dass dieser keine Sachentscheidung habe treffen wollen, sondern den Antrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen habe. Die von der belangten Behörde vorgenommene Umdeutung in eine Abweisung sei unzulässig. Wenn die Brandschutzklasse F 90 die Frage der Nichtöffenbarkeit von Fenstern nicht regle, so müssten die Gemeindebehörden den Auftrag erteilen, dass § 10 BTV eingehalten und die Dachflächenfenster öffnungslos ausgestaltet würden. Die Dachflächenfenster seien nicht entsprechend der Baubewilligung errichtet worden und verstießen daher nach wie vor gegen die nach § 10 BTV beantragte öffnungslose Errichtung. Ein diesbezüglicher Beseitigungsauftrag wäre daher zu erteilen. Nach den Baubewilligungen sei es erforderlich, dass die Dachflächenfenster der Brandschutzklasse F 90 entsprächen. Dies sei aber nicht erkannt worden. Betreffend den Antrag auf Konsensüberprüfung verweist die Beschwerde auf § 61 Abs. 3 der Niederösterreichischen Gemeindeordnung, nach dem die Aufsichtsbehörde verpflichtet sei, nötige Erhebungen selbst vorzunehmen oder durch die Gemeindebehörden durchführen zu lassen. Hinsichtlich der Lage der Dachflächenfenster gebe es genug Anhaltspunkte, dass sie nicht so errichtet seien, wie sie bewilligt worden seien. Die belangte Behörde hätte daher das Konsensüberprüfungsverfahren entweder selbst durchführen oder die Gemeindebehörden anweisen müssen, dies zu tun. An Verfahrensmängeln macht die Beschwerde die mangelnde Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Regelungsumfang der Brandschutzklasse F 90 geltend, ferner aktenwidrige Feststellungen betreffend die konsenswidrige Errichtung des gegenständlichen Gebäudes, mangelnde Auseinandersetzung mit dem Vorbringen zur Lage der Dachflächenfenster und unterlassene Feststellungen, aus welchem Material die Dachflächenfenster bestünden, sowie die unterlassene Beibringung eines Befundes zur Brandbeständigkeit der Dachflächenfenster, schließlich unterlassene Feststellungen, aus welchem Material die Wärmeschutzverkleidung bestehe (letzterer Punkt betrifft Spruchpunkt 3. des in Beschwerde gezogenen Bescheides). Außerdem sei das Recht auf Parteiengehör verletzt worden.

Zunächst ist zu bemerken, dass der Spruch des Bescheides des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 19. August 2013, mit dem der 6. Antrag der Beschwerdeführer "gemäß AVG § 68 (1) als unbegründet zurückgewiesen" wird, undifferenziert ist, was schon durch die Zitierung des § 68 Abs. 1 AVG die Ansicht der belangten Behörde ausschließt, dass der Gemeindevorstand inhaltlich über den gegenständlichen Antrag der Beschwerdeführer entschieden hat. Eine Entscheidung nach § 68 Abs. 1 AVG wäre aber nur rechtmäßig, wenn die Brandschutzklasse F 90 die Öffnungslosigkeit regelte. Dies hat die belangte Behörde nicht dargelegt.

Selbst wenn man aber mit der belangten Behörde davon ausgeht, dass der Gemeindevorstand keine Zurückweisung des Antrages Nr. 6 wegen entschiedener Sache vorgenommen hat, sondern sich mit diesem Antrag inhaltlich auseinandergesetzt und den Antrag als unbegründet abgewiesen hat, führte dies nicht zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Angesichts des Antrages Nr. 6 wäre vom Gemeindevorstand nachvollziehbar und nachprüfbar zu begründen gewesen, weshalb dem Antrag nicht stattgegeben wird. Der Verweis auf die Baubewilligung allein schließt eine Verletzung der Beschwerdeführer in ihren subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten nicht aus (siehe dazu die obige Wiedergabe aus dem Vorerkenntnis).

Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Gemäß Art. 118 Abs. 4 B-VG hat die Gemeinde die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches im Rahmen der Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes in eigener Verantwortung frei von Weisungen zu besorgen. Die Überprüfung der Einhaltung eines Baukonsenses fällt aufgrund des § 3 Abs. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde.

Der belangten Behörde ist beizupflichten, dass sie nicht die Befugnis hat, der Gemeinde Weisungen in baupolizeilichen Angelegenheiten zu erteilen. Zutreffend hat die belangte Behörde im Übrigen bemerkt, dass der entsprechende Antrag auf baupolizeiliche Überprüfung nicht Gegenstand einer gemeindlichen Entscheidung gewesen ist, die Gegenstand des Vorstellungsverfahrens sein könnte.

Die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt 1. des in Beschwerde gezogenen Bescheides erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Soweit die Beschwerde Verfahrensmängel betreffend Spruchpunkt 3. des in Beschwerde gezogenen Bescheides geltend macht, ist darauf nicht einzugehen, da dieser Spruchpunkt nicht Gegenstand des Anfechtungsantrages ist.

Die Beschwerdeführer haben die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der im Beschwerdefall in Rede stehende Anspruch als "civil right" im Sinne der EMRK zu beurteilen ist, weil im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus folgenden Gründen jedenfalls nicht erforderlich ist: Gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und wenn Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegensteht.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige.

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt zu Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides ist hier geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden ausschließlich Rechtsfragen aufgeworfen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Art. 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Entscheidung konnte daher, soweit sie Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides betrifft, im Sinne des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG, soweit sie Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides betrifft, auch gemäß Z 4 der genannten Bestimmung, in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Bemerkt wird, dass auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 79 Abs. 11 VwGG und § 3 der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF Nr. 8/2014 in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 18. November 2014

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2013050227.X00

Im RIS seit

08.01.2015

Zuletzt aktualisiert am

09.01.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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