TE Vfgh Erkenntnis 2014/12/1 V53/2014, G68/2014

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Veröffentlicht am 01.12.2014
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Index

50/05 Kammern der gewerblichen Wirtschaft

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art120a ff
B-VG Art139 Abs1 Z3
B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
WirtschaftskammerG 1998 §15 Abs1, Abs2, Abs8, Abs9
Fachorganisationsordnung der Wirtschaftskammer Österreich, Satzung des Wirtschaftsparlaments vom 28.11.2013
EMRK Art11
EMRK Art13
StGG Art5
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
StGG Art12
EMRK 1. ZP Art1
VfGG §62 Abs1

Leitsatz

Abweisung des - zulässigen - Individualantrags eines Fachverbandes auf Aufhebung von - die Auflösung des Fachverbandes und Zusammenlegung mit einem anderen Verband verfügenden - Bestimmungen einer Satzung betr die Änderung der Fachorganisationsordnung der Wirtschaftskammer Österreich; kein Bestandschutz einzelner Einrichtungen im Rahmen der beruflichen Selbstverwaltung; kein Verstoß der gesetzlichen Regelungen über die Errichtung von Fachverbänden gegen die für die Einrichtung von Selbstverwaltungskörpern geltenden Grundsätze; keine inhaltliche Gesetzwidrigkeit der bekämpften Verordnungsstellen; keine Verletzung von Verfahrensbestimmungen; Zurückweisung der Individualanträge von Fachverbandsmitgliedern; kein subjektives Recht der Mitglieder eines Selbstverwaltungskörpers auf Fortbestand dieses Selbstverwaltungskörpers; Unzulässigkeit des Gesetzesprüfungsantrags mangels Darlegung von Bedenken

Spruch

I. Der Antrag des Erstantragstellers, folgende Bestimmungen der Satzung ("Fachorganisationsordnung") des Wirtschaftsparlaments der Wirtschaftskammer Österreich vom 28. November 2013, mit der die Fachorganisationsordnung geändert wurde, kundgemacht im Verlautbarungsblatt der Wirtschaftskammer Österreich Nr 1 vom 8. Jänner 2014 unter "1. Satzung: Änderung der Fachorganisationsordnung", aufzuheben, wird abgewiesen:

- Ziffer 2.: "§2 Z2 entfällt."

- In Ziffer 17.: "§10 Z1. lita"

- In Ziffer 21.: Artikel II §1 Abs3: "Der Fachverband der Bauhilfsgewerbe ist Rechtsnachfolger

- des bisherigen Fachverbands der Bauhilfsgewerbe und

- des bisherigen Fachverbands der Steinmetze."

- In Ziffer 23.: In Abschnitt I. Z6 litb des Anhangs 1 der Fachorganisationsordnung: "6. Fachverband der Bauhilfsgewerbe, umfassend" sowie

"b) Steinmetze wie

1. Steinmetzmeister einschließlich Kunststeinerzeuger und Terrazzomacher,

2. Steinmetzmeister,

3. Kunststeinerzeuger,

4. Terrazzomacher,

5. Grabsteinerzeuger,

6. Steinbildhauer,

7. Marmorwarenerzeuger,

8. Schleifsteinhauer und

9. Werksteinbruchunternehmer."

II. Die Anträge der übrigen Antragsteller betreffend die Aufhebung der unter I. genannten Bestimmungen und die dazu gestellten Eventualanträge werden zurückgewiesen.

III. Die Anträge sämtlicher Antragsteller, §15 Abs9 Wirtschaftskammergesetz 1998, BGBl I Nr 103 in der Fassung BGBl I Nr 78/2006, in eventu Teile davon, als verfassungswidrig aufzuheben, werden zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.              Antrag und Vorverfahren

1. Der Erstantragsteller ist der Fachverband der Steinmetze, der gemäß §3 Abs1 Z4 des Bundesgesetzes über die Kammern der gewerblichen Wirtschaft (Wirtschaftskammergesetz 1998 - WKG), BGBl I 103, zuletzt geändert durch BGBl I 46/2014, als Körperschaft des öffentlichen Rechts Teil der Wirtschaftskammerorganisation ist. Die Zweit- bis Sechstantragsteller sind als Steinmetze unternehmerisch tätige juristische Personen und Mitglieder des Erstantragstellers.

Der vorliegende Antrag richtet sich auf das Wesentliche zusammengefasst gegen die Auflösung des Fachverbands der Steinmetze (des Erstantragstellers) sowie dessen Zusammenführung mit dem Fachverband der Bauhilfsgewerbe. Dem liegt das im Folgenden dargestellte Geschehen zugrunde.

2. Mit Beschluss des Erweiterten Präsidiums der Bundeskammer (in der Folge: Erweitertes Präsidium) vom 28. Juni 2006 wurden Kriterien für die Errichtung von Fachverbänden und Fachgruppen gemäß §15 Abs2 und §43 Abs1 WKG idF BGBl I 78/2006 festgesetzt (s. genauer unter Pkt. II.3.).

3. Mit Beschluss des Wirtschaftsparlaments der Bundeskammer (in der Folge: Wirtschaftsparlament) vom 26. Juni 2008, genehmigt vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit mit Note vom 30. Juli 2008, BMWA-38.500/0019-I/3/2008, kundgemacht im Verlautbarungsblatt der Wirtschaftskammer Österreich Nr 2/2008 bzw. Nr 2/2009, wurde die Fachorganisationsordnung festgesetzt, welche in der Folge mit Beschluss des Wirtschaftsparlaments vom 29. November 2012, genehmigt durch den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend mit Note vom 13. Dezember 2012, BMWFJ-38.500/0245-I/3/2012, geändert wurde (s. Pkt. II.4.).

4. Mit Beschluss des Erweiterten Präsidiums vom 26. Juni 2013 wurde im Rahmen der Evaluierung nach §15 Abs8 WKG idF BGBl I 78/2006 festgestellt, dass der Fachverband der Steinmetze nicht den im o.a. Beschluss vom 28. Juni 2006 festgesetzten Kriterien entspreche und daher mit dem Fachverband der Bauhilfsgewerbe zusammenzuführen sei (vgl. Pkt. II.5.).

Die gegen diesen Beschluss vom 26. Juni 2013 beim Verfassungsgerichtshof – durch den Fachverband der Gießereiindustrie sowie neun in der Gießereiindustrie tätige Kapitalgesellschaften – erhobene Beschwerde wies dieser mit Beschluss vom 27. November 2013, B1129/2013, G100/2013 und V63/2013, mangels Bescheidqualität des mit der Beschwerde angefochtenen Beschlusses zurück. Die hiezu gestellten Eventualanträge auf Verordnungs- bzw. Gesetzesprüfung wies der Verfassungsgerichtshof mit diesem Beschluss ebenso zurück.

5. In der Folge wurde mit der am 28. November 2013 beschlossenen Satzung des Wirtschaftsparlaments, genehmigt vom Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend mit Note vom 20. Dezember 2013, BMWFJ-38.500/0097-I/3/2013, die o.a. Fachorganisationsordnung (in der Folge: FOO) geändert (s. Pkt. II.6.).

6. Mit dem auf Art139 B-VG gestützten (Individual-)Antrag samt Eventualanträgen bzw. dem auf Art140 B-VG gestützten Eventualantrag begehren die Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge (folgende Bestimmungen dieser Satzungsänderung),

"I.1.1. Ziffer 2. [Fußnote: '§2 Z2 entfällt.']

und

Ziffer 17. und zwar hinsichtlich der lita des §10 Z1 [der Fachorganisationsordnung] [Fußnote: '§10 Z1. lita […] entfallen.']

je der Satzung des Wirtschaftsparlaments der Wirtschaftskammer Österreich vom 28.11.2013, genehmigt vom Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend mit Note vom 20.12.2013, BMWFJ-38.500/0097-I/3/2013, mit der die Fachorganisationsordnung [beschlossen am 26.06.2008, genehmigt vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit mit Note vom 30.07.2008, BMWA-38.500/0019-I/3/2008, und kundgemacht im Verlautbarungsblatt der Wirtschaftskammer Österreich Nr 2/2008, in der Fassung des Beschlusses des Wirtschaftsparlaments vom 29.11.2012, genehmigt vom Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend mit Note vom 13.12.2012, BMWFJ-38.500/0245-I/3/2012, und kundgemacht im Verlautbarungsblatt der Wirtschaftskammer Österreich Nr 2/2012] geändert wird, kundgemacht im Verlautbarungsblatt der Wirtschaftskammer Österreich Nr 1/2014,

gemäß Art139 Abs1 B-VG und §57 VfGG als verfassungswidrig und/oder gesetzwidrig aufheben;

sowie

I.1.2. Artikel II §1 Abs3 [Fußnote: 'Der Fachverband der Bauhilfsgewerbe ist Rechtsnachfolger

       - des bisherigen Fachverbands der Bauhilfsgewerbe und

       - des bisherigen Fachverbands der Steinmetze.']

und

Abschnitt I. Z6 litb) des Anhangs 1 [Fußnote: 'Fachverband der Bauhilfsgewerbe, umfassend […].']

       in eventu die Wortfolge

       'b) Steinmetze wie

       1. Steinmetzmeister einschließlich Kunststeinerzeuger und Terrazzo-

       macher,

       2. Steinmetzmeister,

       3. Kunststeinerzeuger,

       4. Terrazzomacher,

       5. Grabsteinerzeuger,

       6. Steinbildhauer,

       7. Marmorwarenerzeuger,

       8. Schleifsteinhauer und

       9. Werksteinbruchunternehmer'

       in Abschnitt I. Z6 des Anhangs 1,

je der Fachorganisationsordnung, beschlossen am 26.06.2008, genehmigt vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit mit Note vom 30.07.2008, BMWA-38.500/0019-I/3/2008, und kundgemacht im Verlautbarungsblatt der Wirtschaftskammer Österreich Nr 2/2008, und zwar jeweils in der Fassung der Satzung des Wirtschaftsparlaments der Wirtschaftskammer Österreich vom 28.11.2013, genehmigt vom Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend mit Note vom 20.12.2013, BMWFJ-38.500/0097-I/3/2013, und kundgemacht im Verlautbarungsblatt der Wirtschaftskammer Österreich Nr 1/2014,

gemäß Art139 Abs1 B-VG und §57 VfGG als verfassungswidrig und/oder gesetzwidrig aufheben;

in eventu (Punkt I.2. eventualiter zu den Punkten I.1.1. und I.1.2.)

I.2. Ziffer 2. [Fußnote: '§2 Z2 entfällt.'],

Ziffer 17. und zwar hinsichtlich der lita des §10 Z1 [der Fachorganisationsordnung] [Fußnote: '§10 Z1. lita […] entfallen.'],

Artikel II §1 Absatz 3. in Ziffer 21. [Fußnote: 'Der Fachverband der Bauhilfsgewerbe ist Rechtsnachfolger

- des bisherigen Fachverbands der Bauhilfsgewerbe und

- des bisherigen Fachverbands der Steinmetze.'],

       in eventu

       die Wortfolge 'Der Fachverband der Bauhilfsgewerbe ist Rechtsnachfolger

       - des bisherigen Fachverbands der Bauhilfsgewerbe und

       - des bisherigen Fachverbands der Steinmetze.' in Ziffer 21.,

Ziffer 22. und zwar hinsichtlich der Z6 des Abschnitts I. des Anhangs 1 der Fachorganisationsordnung [Fußnote: 'Abschnitt I. Z2 […] des Anhangs 1 der Fachorganisationsordnung entfallen.'],

und

Ziffer 23. und zwar hinsichtlich der litb) der Ziffer 6. des Abschnitts I. des Anhangs 1 der Fachorganisationsordnung [Fußnote: 'b) Steinmetze wie […].'],

       in eventu

       die Wortfolgen

       'a) Bauhilfsgewerbe wie' und, in eventu oder,

       'b) Steinmetze wie

       1. Steinmetzmeister einschließlich Kunststeinerzeuger und Terrazzo- macher,

       2. Steinmetzmeister,

       3. Kunststeinerzeuger,

       4. Terrazzomacher,

       5. Grabsteinerzeuger,

       6. Steinbildhauer,

       7. Marmorwarenerzeuger,

       8. Schleifsteinhauer und

       9. Werksteinbruchunternehmer'

       in Abschnitt I. Z6 des Anhangs 1 der Fachorganisationsordnung,

je der Satzung des Wirtschaftsparlaments der Wirtschaftskammer Österreich vom 28.11.2013, genehmigt vom Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend mit Note vom 20.12.2013, BMWFJ-38.500/0097-I/3/2013, mit der die Fachorganisationsordnung [beschlossen am 26.06.2008, genehmigt vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit mit Note vom 30.07.2008, BMWA-38.500/0019-I/3/2008, und kundgemacht im Verlautbarungsblatt der Wirtschaftskammer Österreich Nr 2/2008, in der Fassung des Beschlusses des Wirtschaftsparlaments vom 29.11.2012, genehmigt vom Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend mit Note vom 13.12.2012, BMWFJ-38.500/0245-I/3/2012, und kundgemacht im Verlautbarungsblatt der Wirtschaftskammer Österreich Nr 2/2012] geändert wird, kundgemacht im Verlautbarungsblatt der Wirtschaftskammer Österreich Nr 1/2014,

gemäß Art139 Abs1 B-VG und §57 VfGG als verfassungswidrig und/oder gesetzwidrig aufheben;

in eventu (Punkt I.3. eventualiter zu den Punkten I.1.1. und I.1.2. bzw. zu den Eventualanträgen unter Punkt I.2.)

I.3. Artikel II §1 Absatz 3,

und

die Wortfolgen

       'a) Bauhilfsgewerbe wie' und, in eventu oder,

       'b) Steinmetze wie

       1. Steinmetzmeister einschließlich Kunststeinerzeuger und Terrazzo- macher,

       2. Steinmetzmeister,

       3. Kunststeinerzeuger,

       4. Terrazzomacher,

       5. Grabsteinerzeuger,

       6. Steinbildhauer,

       7. Marmorwarenerzeuger,

       8. Schleifsteinhauer und

       9. Werksteinbruchunternehmer'

in Abschnitt I. Z6 des Anhangs 1 der Fachorganisationsordnung,

je der Fachorganisationsordnung, beschlossen am 26.06.2008, genehmigt vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit mit Note vom 30.07.2008, BMWA-38.500/0019-I/3/2008, und kundgemacht im Verlautbarungsblatt der Wirtschaftskammer Österreich Nr 2/2008, und zwar jeweils in der Fassung der Satzung des Wirtschaftsparlaments der Wirtschaftskammer Österreich vom 28.11.2013, genehmigt vom Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend mit Note vom 20.12.2013, BMWFJ-38.500/0097-I/3/2013, und kundgemacht im Verlautbarungsblatt der Wirtschaftskammer Österreich Nr 1/2014,

gemäß Art139 Abs1 B-VG und §57 VfGG als verfassungswidrig und/oder gesetzwidrig aufheben;

in eventu (Punkt I.4. eventualiter zu den obigen Punkten)

I.4. die Fachorganisationsordnung, beschlossen am 26.06.2008, genehmigt vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit mit Note vom 30.07.2008, BMWA-38.500/0019-I/3/2008, und kundgemacht im Verlautbarungsblatt der Wirtschaftskammer Österreich Nr 2/2008, und zwar in der Fassung der Satzung des Wirtschaftsparlaments der Wirtschaftskammer Österreich vom 28.11.2013, genehmigt vom Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend mit Note vom 20.12.2013, BMWFJ-38.500/0097-I/3/2013, und kundgemacht im Verlautbarungsblatt der Wirtschaftskammer Österreich Nr 1/2014,

gemäß Art139 Abs1 B-VG und §57 VfGG als verfassungswidrig und/oder gesetzwidrig aufheben.

in eventu (Punkt I.5. eventualiter zu den obigen Punkten)

I.5. die Satzung des Wirtschaftsparlaments der Wirtschaftskammer Österreich vom 28.11.2013, genehmigt vom Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend mit Note vom 20.12.2013, BMWFJ-38.500/0097-I/3/2013, mit der die Fachorganisationsordnung [beschlossen am 26.06.2008, genehmigt vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit mit Note vom 30.07.2008, BMWA-38.500/0019-I/3/2008, und kundgemacht im Verlautbarungsblatt der Wirtschaftskammer Österreich Nr 2/2008, in der Fassung des Beschlusses des Wirtschaftsparlaments vom 29.11.2012, genehmigt vom Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend mit Note vom 13.12.2012, BMWFJ-38.500/0245-I/3/2012, und kundgemacht im Verlautbarungsblatt der Wirtschaftskammer Österreich Nr 2/2012] geändert wird, kundgemacht im Verlautbarungsblatt der Wirtschaftskammer Österreich Nr 1/2014,

gemäß Art139 Abs1 B-VG und §57 VfGG als verfassungswidrig und/oder gesetzwidrig aufheben.

II. Eventualantrag auf Gesetzes- und Verordnungsprüfung (Punkt II. eventualiter zusätzlich zu Punkt I.)

Falls der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis kommen sollte, dass die oben in Punkt I. bekämpften Normen ganz oder teilweise in einem untrennbaren Zusammenhang mit §15 Abs9 WKG bzw dessen zweiten oder ersten Satz stehen und oder die gänzliche oder teilweise Aufhebung von §15 Abs9 WKG zur erfolgreichen Bekämpfung der oben in Punkt I. bekämpften Normen erforderlich sein sollte, stellen die Antragsteller, je für sich selbstständig, eventualiter zusätzlich zu den obigen unter Punkt II. genannten Anträgen den

Antrag,

der Verfassungsgerichtshof möge,

den ersten Satz von §15 Abs9 des Wirtschaftskammergesetzes 1998, BGBl I 1998/103 in der weiterhin unverändert geltenden Fassung des Bundesgesetzes, BGBl I 2006/78,

       in eventu

       den zweiten Satz von §15 Abs9 des Wirtschaftskammergesetzes 1998,  BGBl I 1998/103 in der weiterhin unverändert geltenden Fassung des               Bundesgesetzes, BGBl I 2006/78,

       in eventu

       §15 Abs9 des Wirtschaftskammergesetzes 1998, BGBl I 1998/103 in der  weiterhin unverändert geltenden Fassung des Bundesgesetzes,               BGBl I 2006/78,

gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG iVm §§62ff VfGG als verfassungswidrig aufheben." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

7. Die Wirtschaftskammer Österreich brachte die Akten betreffend die o.a. Satzungsänderung in Vorlage und erstattete eine Äußerung, in der sie die Rechtmäßigkeit der von den Antragstellern bekämpften Satzungsvorschriften verteidigt (s. hiezu unter Pkt. II.3. und II.8.).

8. Die Bundesregierung gab zum (Eventual-)Antrag auf Aufhebung des §15 Abs9 WKG idF BGBl I 78/2006 bzw. näher bezeichneter Teile davon eine Äußerung ab, in der sie einerseits die Zulässigkeit des Antrages insoweit bestreitet und andererseits die Verfassungsmäßigkeit dieser gesetzlichen Bestimmung verteidigt.

II.              Rechtslage und darauf bezogenes Vorbringen

9. Gemäß §1 Abs1 des Wirtschaftskammergesetzes 1998 - WKG, BGBl I 103, zuletzt geändert durch BGBl I 46/2014, sind zur Vertretung der gemeinsamen Interessen ihrer Mitglieder Wirtschaftskammern (Landeskammern, Bundeskammer) errichtet. Sie gliedern sich gemäß §1 Abs2 leg.cit. in Fachorganisationen, und zwar Fachgruppen im Bereich der Landeskammern und Fachverbände im Bereich der Bundeskammer, die die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten haben. Gemäß §3 Abs1 Z3 und 4 leg.cit. sind u.a. die Fachgruppen und die Fachverbände Körperschaften öffentlichen Rechts. Sie sind gemäß §3 Abs2 leg.cit. selbstständige Wirtschaftskörper, haben das Recht, "innerhalb der Schranken der allgemeinen Bundes- und Landesgesetze Vermögen aller Art zu besitzen, zu erwerben und darüber zu verfügen, Leistungen gegen Entgelt auszuführen, wirtschaftliche Unternehmungen zu betreiben und im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes ihren Haushalt selbständig zu führen und Umlagen vorzuschreiben." Über die Organisation der Fachorganisationen (also Fachgruppen im Bereich der Landeskammern und Fachverbände im Bereich der Bundeskammer – vgl. §14 Abs1 Z1 und 2 leg.cit.) bestimmt §15 leg.cit. Folgendes:

"Fachorganisationsordnung

§15. (1) Das Wirtschaftsparlament der Bundeskammer hat nach Anhörung der Landeskammern und der Bundessparten in der Fachorganisationsordnung die Errichtung der Fachverbände und Fachgruppen, insbesondere ihre Zahl und Bezeichnung sowie ihren Wirkungsbereich zu regeln. Hierbei ist insbesondere darauf Bedacht zu nehmen, dass wirtschaftlich verwandte Berufszweige zusammengefasst werden, eine wirksame Vertretung der Interessen der betreffenden Mitglieder möglich und die Bedeckung des Aufwandes gewährleistet ist.

(2) Das Erweiterte Präsidium der Bundeskammer hat die in Abs1 und §43 Abs1 genannten Kriterien für die Errichtung von Fachverbänden und von Fachgruppen als Körperschaften öffentlichen Rechts sowie für den Widerruf von Errichtungsbeschlüssen unter Bedachtnahme auf die gegenwärtige und die zu erwartende Wirtschaftsstruktur näher auszuführen. Die Kriterien für insbesondere die Größe (Mitgliederzahl) der Fachorganisationen, die Fähigkeit, den Aufwand der Fachorganisationen nachhaltig zu bedecken, sowie für die wirtschaftliche Bedeutung und die Interessenlage der zu Fachorganisationen zusammengefassten Berufszweige sind im Interesse der Gewährleistung einer wirksamen und effizienten Vertretung der Interessen der betreffenden Mitglieder festzusetzen.

(3) Sind die in Abs1 genannten und gemäß Abs2 näher ausgeführten Kriterien für die Errichtung eines Fachverbandes einschließlich der zugehörigen Fachgruppen nicht erfüllt, kann aufgrund eines Beschlusses des Erweiterten Präsidiums der Bundeskammer ein Fachverband dann errichtet werden, wenn im Bereich der Landeskammern vorbehaltlich Abs4 grundsätzlich keine Fachgruppen eingerichtet werden, die wirksame Vertretung der Interessen der betreffenden Mitglieder sowie deren gesamtwirtschaftliche Bedeutung die Errichtung eines Fachverbandes rechtfertigen und die Bedeckung des Aufwands des Fachverbandes gewährleistet ist.

(4) In den Fällen des Abs3 kann im Bereich einer oder mehrerer Landeskammern eine Fachgruppe errichtet werden, wenn dies für eine wirksame Interessenvertretung wegen der besonderen regionalen Bedeutung der in den Wirkungsbereich des Fachverbandes fallenden Berufszweige notwendig ist und das Erweiterte Präsidium der Bundeskammer die Errichtung der Fachgruppe im Einzelfall genehmigt hat.

(5) Jedem Fachverband hat im Bereich der Landeskammern jeweils eine Fachgruppe oder eine Fachvertretung zu entsprechen. Auf Antrag des Erweiterten Präsidiums der Bundeskammer kann innerhalb eines Fachverbandes im Bereich einer oder mehrerer Landeskammern mehr als eine Fachgruppe oder Fachvertretung vorgesehen werden, wenn dies für eine wirksame Interessenvertretung wegen der einzigartigen Interessenlage der in den Wirkungsbereich des Fachverbandes fallenden Berufszweige notwendig ist.

(6) In der Fachorganisationsordnung ist für den Fall, dass es die Mitgliederzahl oder die wirtschaftliche Lage einzelner Berufszweige erfordert, die Ermächtigung vorzusehen, dass im Bereich jeweils einer Landeskammer Fachvertretungen, die in den Wirkungsbereich mehrerer Fachverbände fallen, zusammengeschlossen werden können. Derartige Zusammenschlüsse können nur nach der Urwahl und innerhalb der gleichen Sparte erfolgen. Sie können ausschließlich zu Beginn einer Funktionsperiode für die Dauer derselben in Kraft treten. Zusammenschlüsse bedürfen übereinstimmender Beschlüsse der betroffenen Fachvertretungen. Nähere Bestimmungen kann die Fachorganisationsordnung treffen.

(7) Die Fachverbände gelten mit dem In-Kraft-Treten der Fachorganisationsordnung als errichtet.

(8) Im dritten Kalenderjahr nach der Konstituierung des Wirtschaftsparlaments der Bundeskammer ist vom Erweiterten Präsidium der Bundeskammer nach vorheriger Prüfung zu entscheiden, ob die Fachverbände und Fachgruppen den gemäß Abs2 festgelegten Kriterien entsprechen.

(9) Die gemäß Abs2 festgelegten Kriterien sind für die Wirtschaftskammern verbindlich und von diesen umzusetzen. Die Wirtschaftskammern haben die notwendigen Anpassungen vorzunehmen, wenn die Prüfung gemäß Abs8 ergibt, dass Fachverbände und Fachgruppen den gemäß Abs2 festgelegten Kriterien nicht mehr entsprechen."

10. Die Abs2 bis 9 des §15 haben ihre Fassung durch das Bundesgesetz BGBl I 78/2006 erhalten. Dieses fügte dem WKG als ArtIV bzw. V folgende Übergangs- und Schlussbestimmungen bzw. Inkrafttretensbestimmungen an:

"Übergangs- und Schlussbestimmungen

Artikel IV

§1. Das Erweiterte Präsidium der Bundeskammer hat bis zum 30. Juni 2006 die in §15 Abs1 und §43 Abs1 genannten Kriterien für die Errichtung von Fachverbänden und von Fachgruppen als Körperschaften öffentlichen Rechts sowie für den Widerruf von Errichtungsbeschlüssen unter Bedachtnahme auf die gegenwärtige und die zu erwartende Wirtschaftsstruktur näher auszuführen. Die Kriterien für insbesondere die Größe (Mitgliederzahl) der Fachorganisationen, die Fähigkeit der jeweiligen Mitglieder, den Aufwand der Fachorganisationen nachhaltig zu bedecken, sowie für die wirtschaftliche Bedeutung und die Interessenlage der zu Fachorganisationen zusammengefassten Berufszweige sind im Interesse der Gewährleistung einer wirksamen und effizienten Vertretung der Interessen der betreffenden Mitglieder festzusetzen.

§2. Das Wirtschaftsparlament der Bundeskammer hat bis spätestens 30. Juni 2008 eine den gemäß §1 festgelegten Kriterien entsprechende Fachorganisationsordnung zu beschließen und für die auf das In-Kraft-Treten des Bundesgesetzes BGBl I Nr 78/2006 folgende Funktionsperiode in Geltung zu setzen.

§3. Die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Bundesgesetzes BGBl I Nr 78/2006 geltende Fachorganisationsordnung gilt für die gesamte zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Bundesgesetzes BGBl I Nr 78/2006 laufende Funktionsperiode. Sie ist bis zum Ende dieser Funktionsperiode nicht allein aus dem Grund abzuändern, dass die in §15 Abs1 und §43 Abs1 genannten, durch einen Beschluss des Erweiterten Präsidiums der Bundeskammer gemäß ArtIV §1 näher ausgeführten Voraussetzungen für die Errichtung von Fachverbänden und Fachgruppen nicht gegeben sind.

[…]

In-Kraft-Treten

Artikel V

§1. Das Bundesgesetz BGBl I Nr 78/2006 tritt, sofern im Folgenden nicht anderes bestimmt wird, mit Ablauf des Tages seiner Kundmachung in Kraft.

§2. ArtIV §1 tritt am 1. Juni 2006 in Kraft.

[…]

§4. §15 Absatz 2 bis 5, 8 und 9 sowie die Neubezeichnung der Absätze 6 und 7, §36 Absatz 3 Z13 und 14 sowie Absatz 4, §43 Absatz 1, §48 Absatz 4 und §65 Absatz 4 und 5 sowie die Neubezeichnung der Absätze 6 bis 8 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 78/2006 treten am 1. Jänner 2010 in Kraft. Die §§15, 36, 43, 48 Absatz 4 und 65 sind in der Fassung BGBl I Nr 153/2001 bis zur Konstituierung der aufgrund der Wahlen der Organe der Organisationen der gewerblichen Wirtschaft im Jahr 2010 neu zusammengesetzten Kollegialorgane anzuwenden. Beschlüsse gemäß §36 Absatz 3 Z14 iVm §36 Absatz 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 78/2006 können bereits ab Kundmachung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 78/2006 gefasst werden, werden jedoch erst ab dem In-Kraft-Treten des §36 idF BGBl I Nr 78/2006 wirksam."

11. In Erfüllung u.a. der Vorschrift des §15 Abs2 WKG idF BGBl I 78/2006 einschließlich der dazu ergangenen Übergangsvorschriften fasste das Erweiterte Präsidium am 28. Juni 2006 folgenden Beschluss über Kriterien für die Errichtung von Fachverbänden und Fachgruppen gemäß §15 Abs2 und §43 Abs1 leg.cit. (§43 Abs1 leg.cit. betrifft jeweils die Fachgruppen auf Länderebene, um die es im vorliegenden Normenprüfungsverfahren nicht geht); soweit für das vorliegende Normenkontrollverfahren von Belang, hat dieser Beschluss folgenden Wortlaut:

"Im Bewusstsein, dass die Effektivität der Leistungserbringung und die Akzeptanz der Wirtschaftskammerorganisation durch deren Mitglieder als gesetzliche Interessenvertretung neben der politischen Durchsetzungsfähigkeit auch maßgeblich von der Qualität der Dienstleistungen sowie der Effizienz der Strukturen und Prozesse abhängt,

im Bestreben,

die gesamte Wirtschaftskammerorganisation möglichst straff und effizient zu strukturieren um ihre Aufgaben bestmöglich erbringen zu können,

ineffiziente Schnittstellen zwischen den einzelnen Gliederungen der Wirtschaftskammerorganisation durch überregionale Zusammenarbeit weitestgehend zu vermeiden,

die Struktur der Österreichischen Wirtschaft im Gefüge der Fachorganisationen bestmöglich abzubilden und dieses der dynamischen Wirtschaftsentwicklung entsprechend jeweils zu adaptieren,

im Bewusstsein, dass bei der Errichtung von Fachverbänden nach dem Wirtschaftskammergesetz darauf Bedacht zu nehmen ist, dass wirtschaftlich verwandte Berufszweige zusammengefasst werden, eine wirksame Vertretung der Interessen der betreffenden Mitglieder möglich und die Bedeckung des Aufwandes gewährleistet ist (§15 Abs1) und, bei Fachgruppen zudem die wirtschaftliche Bedeutung des Berufszweiges (§43 Abs1) an Hand einheitlicher Kennzahlen die Errichtung einer Fachorganisation rechtfertigt,

im Bestreben, diese im Wirtschaftskammergesetz genannten Voraussetzungen für die Errichtung von Fachverbänden und Fachgruppen als Körperschaften öffentlichen Rechts mittels objektiver Kriterien näher auszuführen

hat das Erweiterte Präsidium folgenden Beschluss gefasst:

Unbeschadet der generellen Bestimmungen des §15 Abs1 und des §43 Abs1 WKG sind der Errichtung von Fachverbänden bzw Fachgruppen folgende Kriterien zugrunde zu legen:

1. Erster Prüfschritt:

Kriterien des ersten Prüfschrittes sind

1.1. Mindestanzahl von 1.500 Mitgliedschaften (inklusive der ruhenden),

1.2. Mindestgrundumlagenaufkommen der Fachorganisationsschiene ein-schließlich der Fachvertretungen von € 400.000,- jährlich. Dabei sind allfällige temporäre Absenkungen von Grundumlagen, die zum Zweck der Verringerung von Rücklagen vorgenommen wurden, zu prüfen.

Fachorganisationsschienen, die beide Kriterien nicht erfüllen, sind vorbehaltlich Pkt. 4 zu widerrufen.

2. Zweiter Prüfschritt:

Kriterien des zweiten Prüfschrittes sind:

2.1. Einzigartige, branchenspezifische Rechtsnormen, die die Tätigkeit der in der Fachorganisationsschiene zusammengefassten Mitglieder reglementieren.

Fachorganisationsschienen, die nur ein Kriterium des ersten Prüfschrittes und das Kriterium 2.1. erfüllen, bleiben bestehen, es sei denn, es kommt mehr als eines der nachfolgenden Kriterien zum Tragen:

2.2. Mindestausmaß gemeinsamer Mitglieder zweier verwandter Fachorganisationsschienen von 33,3%. Als verwandt gelten Fachorganisationsschienen, wenn ihre Mitglieder am selben Markt zur Befriedigung einer vergleichbaren Nachfrage oder in einander ergänzender Weise zur Befriedigung einer komplexen, sich wirtschaftlich sinnvoll ergänzenden oder einheitlich darstellenden Nachfrage auftreten.

2.3. Gemeinsame Interessenlage der in zwei oder mehreren Fachorganisationsschienen zusammengefassten Mitglieder aufgrund der rechtlichen Grundlagen ihrer Tätigkeit, ihrer Marktposition oder der jeweils zuständigen Behörden.

2.4. Kein ausgeglichener Betriebserfolg über die letzten fünf Jahre, wobei Sonderprojekte im Einzelfall entsprechend berücksichtigt werden.

3. Widerruf

Fachorganisationsschienen, die zu widerrufen sind, werden vom Erweiterten Präsidium der Bundeskammer Vorschläge zur Zusammenführung mit einer anderen Fachorganisationsschiene unterbreitet. Diese Vorschläge haben bis zu drei Varianten für die Zusammenführung mit Fachorganisationsschienen anzubieten, zu denen eine hohe Verwandtschaft (im Sinn der Kriterien 2.2. und 2.3.) besteht. Die Vorschläge sind nach Anhörung der betroffenen Bundessparten und Landessparten zu erstellen.

4. Option

Fachverbände gemäß §15 Abs3 WKG können errichtet werden, wenn die nachfolgenden Kriterien erfüllt sind:

4.1. Mindestgrundumlagenaufkommen der Fachorganisationsschiene einschließlich der Fachvertretungen von € 100.000,- jährlich[.]

4.2. Zumindest zwei Drittel des Aufkommens der Fachorganisationsschiene muss für mitgliederspezifische Zwecke zur Verfügung stehen, die über die nach dem WKG jedenfalls zu erbringenden organisationsbezogenen Aufgaben (insbesondere Organsitzungen und Finanzgebarung) hinausgehen.

4.3.1. einzigartige Interessenlage und eine wirtschaftliche Kenngröße der Fachorganisationsschiene von zumindest 0,3.

Die Kenngröße bestimmt sich nach der Anzahl der unselbständigen Beschäftigungsverhältnisse, dem Umsatz bzw einer adäquaten Größe und der Bruttowertschöpfung zu Faktorpreisen der im Fachverband zusammengefassten Mitglieder. Dabei ist jede dieser drei Kennzahlen je Fachorganisationsschiene in Relation (Prozentsatz) zur Summe der Kennzahlen aller Fachorganisationsschienen zu setzen, die solcherart ermittelten Prozentsätze sind zu addieren und danach durch drei zu dividieren.

4.3.2. Wird die wirtschaftliche Kenngröße nicht erreicht, kann ergänzend zur einzigartigen Interessenlage eine spartenspezifische Kenngröße ermittelt werden, in dem jede der drei in Pkt. 4.3.1. genannten Kennzahlen je Fachorganisationsschiene in Relation (Prozentsatz) zur Summe der Kennzahlen aller Fachorganisationsschienen einer Sparte zu setzen, die solcherart ermittelten Prozentsätze zu addieren und danach durch drei zu dividieren sind. Die spartenspezifische Kenngröße ist jene, die von zwei Drittel aller Fachorganisationsschienen innerhalb dieser Sparte überschritten wird.

[…]

6. Datenbasis

Die Prüfung der Kriterien hat grundsätzlich auf der Basis der am Ende des der Prüfung zweitvorangehenden Kalenderjahres verfügbaren Daten (wie Mitgliederstatistiken, Rechnungsabschlüsse) zu erfolgen. In der derzeit laufenden Funktionsperiode erfolgt diese Prüfung in Umsetzung des Beschlusses des Wirtschaftsparlaments vom November 2005 ausnahmsweise auf der Grundlage der am 31.12.2004 verfügbaren Daten." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

Wie der Verfassungsgerichtshof bereits mit Beschluss vom 27. November 2013 (s. Pkt. I.4.) im Einklang mit der Vorjudikatur festgestellt hat, kommt dem Beschluss des Erweiterten Präsidiums vom 28. Juni 2006 kein selbstständiger Normcharakter zu; er ist lediglich ein Element im Verfahren zur Erlassung von Normen über die Fachorganisationen durch das Wirtschaftsparlament (so schon VfSlg 18.530/2008).

Die Wirtschaftskammer Österreich führt in ihrer Äußerung zu den in diesem Beschluss des Erweiterten Präsidiums festgelegten Kriterien – unwidersprochen – Folgendes aus:

"Die festgelegten Kriterien tragen der Vorgabe des Gesetzes Rechnung, ökonomisch existenzfähige Körperschaften unter Berücksichtigung der Bedeutung der einzelnen Berufszweige, wirtschaftlicher Verwandtschaftsverhältnisse, gemeinsamer Interessenlagen und der Gewährleistung einer wirksamen Interessenvertretung zu schaffen und bilden ein in sich geschlossenes und konsistentes, der Wirklichkeit korrespondierendes Ganzes: Fachorganisationen, die nur eines der beiden Kriterien des ersten Prüfschrittes erfüllen (also ein Grundumlagenaufkommen von € 400.000,-- erreichen oder mehr als 1.500 Mitglieder aufweisen), können nach Maßgabe der Kriterien des zweiten Prüfschrittes, die auf die jeweilige Eigenart, die Besonderheit der Interessenlagen und bestehende Verwandtschaftsverhältnisse abstellen, weiter bestehen bleiben. Überdies besteht unabhängig von der Erfüllung dieser Prüfschritte unter der Voraussetzung, dass zumindest österreichweit ein Mindestgrundumlagenaufkommen von € 100.000,- pro Jahr in der gesamten Fachorganisationsschiene erzielt wird, bei Erfüllung weiterer Voraussetzungen die Möglichkeit der Errichtung eines Fachverbandes ohne diesem korrespondierenden Fachgruppen in den Ländern.

Auf dem Boden dieser Kriterien ist die angeordnete Evaluierung durchgeführt worden (dazu im Detail Zellenberg, Die österreichische Wirtschaftskammerorganisation, in: Graf/Paschke/Stober, Hrsg, Strategische Perspektiven des Kammerrechts, 2007, 131 ff [149 ff]) und eine die Fachorganisationslandschaft erheblich verändernde neue FOO, kundgemacht im Verlautbarungsblatt der Wirtschaftskammer Österreich Nr 2/2008, erlassen worden. Eine durch diese Satzung bewirkte Zusammenführung von Fachverbänden ist Gegenstand des mit dem Beschluss VfSlg 18.530/2008 beendeten Verfahrens gewesen.

Aufgrund der Anordnung des §15 Abs8 WKG war im Jahr 2013 - '[i]m dritten Kalenderjahr nach der Konstituierung des Wirtschaftsparlaments der Bundeskammer', die im Juni 2010 erfolgt ist - zu überprüfen und danach vom Erweiterten Präsidium der Bundeskammer darüber Beschluss zu fassen, ob die Fachverbände und Fachgruppen den vom Erweiterten Präsidium am 28.6.2006 beschlossenen Kriterien für die Errichtung von Fachverbänden und Fachgruppen gemäß §15 Abs2 und §43 Abs1 WKG entsprechen.

Die gesetzlich gebotene Evaluierung der Fachorganisationsstruktur wurde im Frühjahr 2013 von einer Arbeitsgruppe durchgeführt. Das Erweiterte Präsidium der WKÖ befasste sich in seiner Sitzung vom 26.6.2013 mit den Ergebnissen der Evaluierung und stellte durch Beschluss fest, welche Fachverbände und Fachgruppen die Voraussetzungen für die Errichtung als Körperschaft öffentlichen Rechts nicht (mehr) erfüllen und empfahl die Ergreifung einer Reihe von Maßnahmen. Dieser Beschluss ist Gegenstand des mit Beschluss vom 27.11.2013, B1129/2013, G100/2013, V63/2013, beendeten Verfahrens gewesen.

In weiterer Folge beschloss das Wirtschaftsparlament der Bundeskammer am 28.11.2013 eine umfassende Novelle der FOO, die am 8.01.2014 im Verlautbarungsblatt der Wirtschaftskammer Österreich Nr 1/2014 kundgemacht wurde. Diese Novelle sieht u.a. die Beendigung der selbständigen Existenz der Fachverbände der Gießereiindustrie und der Steinmetze sowie deren Zusammenführung mit dem Fachverband Maschinen & Metallwaren einerseits und dem Fachverband der Bauhilfsgewerbe andererseits vor. Gegen diese Vorgänge richten sich die verfahrensgegenständlichen Individualanträge." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

12. Mit Beschluss vom 26. Juni 2008, kundgemacht im Verlautbarungsblatt der Wirtschaftskammer Österreich Nr 2/2008 bzw. Nr 2/2009, geändert mit Beschluss vom 29. November 2012, erließ das Wirtschaftsparlament eine "Fachorganisationsordnung – FOO", die folgende – im vorliegenden Normenprüfungsverfahren bedeutsamen – Anordnungen enthält:

"Errichtung von Fachverbänden

§1. (1) Die Errichtung der Fachverbände und Fachgruppen erfolgt auf Grund und nach den Bestimmungen der §§14, 15, 43 und 47 des Bundesgesetzes über die Kammern der Gewerblichen Wirtschaft (Wirtschaftskammergesetz 1998 – WKG), BGBl I Nr 103/1998 in der Fassung BGBl I Nr 78/2006.

(2) […]

(3) Dem Wirkungsbereich der in den §§2-8 angeführten Fachverbände gehören insbesondere die in dem einen integrierenden Bestandteil dieser Satzung bildenden Anhang 1 angeführten Berufszweige an.

[…]

§2. Sparte Gewerbe und Handwerk

1. […]

2. Fachverband der Steinmetze

3.-5. […]

6. Fachverband der Bauhilfsgewerbe

7.-26. […]

[…]

Anhang 1 zur Fachorganisationsordnung

In den Wirkungsbereich der Fachverbände gemäß §§2 bis 8 dieser Satzung fallen insbesondere folgende Berufszweige:

I. Sparte Gewerbe und Handwerk

1. […]

2. Fachverband der Steinmetze, umfassend

a) Steinmetzmeister einschließlich Kunststeinerzeuger und Terrazzomacher,

b) Steinmetzmeister,

c) Kunststeinerzeuger,

d) Terrazzomacher,

e) Grabsteinerzeuger,

f) Steinbildhauer,

g) Marmorwarenerzeuger,

h) Schleifsteinhauer sowie

i) Werksteinbruchunternehmer.

3.-26. […]

[…]" (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

13. In Fortführung des vorhin unter Pkt. II.3. wiedergegebenen Beschlusses über die Kriterien für die FOO fasste das Erweiterte Präsidium im Rahmen der Evaluierung gemäß §15 Abs8 WKG idF BGBl I 78/2006 am 26. Juni 2013 folgenden Beschluss (soweit er die von den Antragstellern bekämpften Verordnungsbestimmungen betrifft):

"Protokollauszug 26. Juni 2013

3. Fachorganisations-Evaluierung

[…]

I. Evaluierung gemäß §15 Abs8 WKG

1. Gemäß §15 Abs8 WKG wird festgestellt, dass folgende Fachverbandsschienen nicht den vom Erweiterten Präsidium der Bundeskammer am 28. Juni 2006 beschlossenen Kriterien für die Errichtung von Fachverbänden und Fachgruppen gemäß §15 Abs2 und §43 Abs1 WKG entsprechen und die jeweils dargestellten Maßnahmen umzusetzen sind:

1.1. Bundesinnung der Steinmetze: Zusammenführung mit der Bundesinnung der Bauhilfsgewerbe.

[…]" (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

14. Mit dem von den Antragstellern bekämpften Beschluss des Wirtschaftsparlaments, "1. Satzung des Wirtschaftsparlaments der Wirtschaftskammer Österreich vom 28.11.2013, genehmigt vom Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend mit Note vom 20.12.2013, BMWFJ-38.500/0097-I/3/2013, mit der die Fachorganisationsordnung geändert wird", kundgemacht im Verlautbarungsblatt der Wirtschaftskammer Österreich vom 8. Jänner 2014, Nr 1/2014, wurde die FOO im hier in Betracht kommenden Teil unter "1. Satzung: Änderung der Fachorganisationsordnung" folgendermaßen geändert (die im Antrag angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"[…]

2. §2 Z2 entfällt.

[…]

17. §10 Z1. lita […] entfallen.

[…]

21. Nach §22 wird folgender ArtII eingefügt:

'Artikel II

§1. (1) Die in den Absätzen 3 bis 15 dieser Bestimmung angeführten Fachverbände sind Gesamtrechtsnachfolger der jeweiligen, bisher aufgrund der vom Wirtschaftsparlament der Bundeskammer am 26.6.2008 beschlossenen und vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit mit Note vom 30.7.2008, BMWA-38.500/0019-1/3/2008, genehmigten Fachorganisationsordnung, Verlautbarungsblatt der Wirtschaftskammer Österreich Nr 2/2008, zuletzt geändert durch den Beschluss des Wirtschaftsparlaments vom 29.11.2012, genehmigt vom Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend mit Note vom 13.12.2012, BMWFJ-38.500/0245-I/3/2012, Verlautbarungsblatt der Wirtschaftskammer Österreich Nr 2/2012, errichteten Fachverbände. Sie treten in alle deren Rechte und Pflichten ein. Die Rechtsnachfolge erstreckt sich insbesondere auch auf die Rechtsstellung als Vertragspartner von Kollektivverträgen.

(2) […]

(3) Der Fachverband der Bauhilfsgewerbe ist Rechtsnachfolger

       - des bisherigen Fachverbands der Bauhilfsgewerbe und

       - des bisherigen Fachverbands der Steinmetze.

(4)-(15) […]

[…]

Inkrafttreten

§3. Die Änderungen der Fachorganisationsordnung – FOO in der Fassung des Beschlusses des Wirtschaftsparlaments der Bundeskammer vom 28.11.2013, kundgemacht im Verlautbarungsblatt der Wirtschaftskammer Österreich Nr 1/2014, treten mit 1. Jänner 2015 in Kraft.

[…]'

22. Abschnitt I. Z2 und 9 des Anhangs 1 der Fachorganisationsordnung entfallen.

23. Abschnitt I. Z6 des Anhangs 1 der Fachorganisationsordnung lautet:

'6. Fachverband der Bauhilfsgewerbe, umfassend

[…]

b) Steinmetze wie

1. Steinmetzmeister einschließlich Kunststeinerzeuger und Terrazzomacher,

2. Steinmetzmeister,

3. Kunststeinerzeuger,

4. Terrazzomacher,

5. Grabsteinerzeuger,

6. Steinbildhauer,

7. Marmorwarenerzeuger,

8. Schleifsteinhauer sowie

9. Werksteinbruchunternehmer.'

[…]"

15. Auf das Wesentliche zusammengefasst wurde durch die bekämpften Änderungen der soeben angeführten FOO der Fachverband der Steinmetze mit jenem für Bauhilfsgewerbe zusammengelegt, und zwar derart, dass der neue Fachverband für Bauhilfsgewerbe der Rechtsnachfolger der beiden bisherigen Fachverbände ist.

16. Zur Erfüllung der die Grundlage dieses Beschlusses vom 28. November 2013 bildenden Kriterien gemäß dem oben unter Pkt. II.3. wiedergegebenen Beschluss vom 28. Juni 2006 führt die Wirtschaftskammer Österreich in ihrer Äußerung u.a. in Erwiderung des Vorbringens der Antragsteller, das um des Zusammenhanges willen – der Darstellung der Wirtschaftskammer Österreich folgend – gemeinsam wiedergegeben wird, Folgendes aus:

"Die Antragsteller erachten sich, wie unter Bezugnahme auf VfSlg 3673/1960 vorgebracht wird, durch die bekämpften Normen im Recht verletzt, nicht ohne ihre Mitsprache der Herrschaft anderer unterstellt bzw durch diese vertreten zu werden. Die Zusammenführung mit dem Fachverband der Bauhilfsgewerbe sei ohne Mitsprachemöglichkeit und Anhörung der Antragsteller sowie gegen deren erklärten Willen erfolgt.

 

Die bekämpften Normen seien überdies willkürlich, weil vollkommen unbegründet. Auch sei weder Parteiengehör gewährt noch ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt worden. Zudem sei unterlassen worden zu prüfen, ob der Fachverband der Steinmetze nicht vor dem Hintergrund der in Punkt 4. des Widerrufsbeschlusses (gemeint offenkundig: des Kriterienbeschlusses) geregelten Option hätte bestehen bleiben können. Auch sei nicht geprüft worden, ob der Widerrufsbeschluss aufgrund seiner mangelnden Vereinbarkeit mit Art18 B-VG sowie wegen der in ihm generell unbegründeten und damit willkürlich festgelegten Kriterien überhaupt hätte maßgeblich sein dürfen, um den Vorgaben des §15 WKG nach der Zusammenfassung wirtschaftlich verwandter Berufszweige und einer wirksamen Vertretung der Interessen der betreffenden Mitglieder gerecht zu werden.

[…]

Das Vorbringen erschöpft sich in unsubstantiierten Behauptungen, ohne eine Rechtswidrigkeit der bekämpften Vorschriften darzutun.

Der Verweis auf das Erkenntnis VfSlg

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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