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27/03 Gerichts- und JustizverwaltungsgebührenNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Aufhebung von Bestimmungen über Gerichtsgebühren für das Rechtsmittelverfahren in Außerstreitverfahren wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz; Unsachlichkeit der Festlegung der Pauschalgebühren unabhängig vom RechtsmittelinteresseRechtssatz
Aufhebung der Tarifpost 12a GerichtsgebührenG (GGG), BGBl 501/1984 idF BGBl I 111/2010.
Zulässigkeit des Antrags des OGH.
Der OGH beantragt zwar ausdrücklich die Aufhebung der TP12a GGG idF der Novelle BGBl I 52/2009. Es geht jedoch aus dem Antrag in Verbindung mit dessen Begründung mit hinreichender Deutlichkeit hervor, dass sich das antragstellende Gericht auf die TP12a GGG in der geltenden Fassung BGBl I 111/2010 bezogen hat und die bezeichnete Fassung der Novelle BGBl I 52/2009 auf einem offensichtlichen Irrtum beruht (Bedenken insbes gegen die Anmerkung 4 zu TP12a GGG idF BGBl I 111/2010; Anmerkung 4 idF BGBl I 111/2010 im Antrag wiedergegeben).
Angesichts der Besonderheiten zahlreicher außerstreitiger Verfahrensangelegenheiten ist es nicht unsachlich, wenn der Gesetzgeber für bestimmte Angelegenheiten bei der Bemessung der Gerichtsgebühren für das Verfahren erster Instanz feste Gebühren festsetzt und in der Folge diese festen Gebühren auch für die Pauschalgebühren für Rechtsmittel in Außerstreitsachen als Bemessungsgrundlage vorsieht. In das System des - im zivilgerichtlichen Verfahren vorherrschenden - "Streitwerts" als Bemessungsgrundlage der Gerichtsgebühren lassen sich nämlich zahlreiche Verfahren, die dem Außerstreitgesetz unterliegen (zB Verfahren der Ehescheidung oder der Regelung der Obsorge), nicht oder nur schwer einfügen.
Mit der angefochtenen TP12a GGG, die für die Bemessung der Gerichtsgebühren für das Verfahren in zweiter bzw dritter Instanz an die für das Verfahren erster Instanz maßgebliche Bemessungsgrundlage und die für das erstinstanzliche Verfahren vorgesehenen Gebühren anknüpft und diese verdoppelt bzw verdreifacht, trifft der Gesetzgeber eine pauschalierende Regelung, die in sich unsachlich ist.
Die Unsachlichkeit der angefochtenen Bestimmung ergibt sich daraus, dass TP12a GGG stets den dem erstinstanzlichen Verfahren zugrunde gelegten "Wert des Streitgegenstands" auch im Verfahren zweiter und dritter Instanz als Bemessungsgrundlage heranzieht, und zwar auch dann, wenn sich dieser "Wert des Streitgegenstands" im erstinstanzlichen Verfahren und das Rechtsmittelinteresse nicht decken. Wenn sich - wie etwa im Anlassverfahren vor dem OGH (betr die Festsetzung einer Enteignungsentschädigung gem §4 EisbEG) - ein Rechtsmittel nur auf einen klar trennbaren Teil des (die Bemessungsgrundlage für die Gebühren nach TP12 litd Z2 GGG bildenden) Entschädigungsbetrags bezieht, erlaubt es die angefochtene TP12a GGG nicht, nur diesen Teil des vom Gericht erster Instanz ermittelten Entschädigungsbetrags der Bemessung der Pauschalgebühren für das Rechtsmittelverfahren zugrunde zu legen. Dabei kommt dem Umstand Bedeutung zu, dass das Gericht zweiter Instanz im Antragsverfahren an das Rekursbegehren gebunden ist (§55 Abs2 AußStrG) und sich nur mit dem in Rekurs gezogenen Teil des Entschädigungsbetrags auseinanderzusetzen hat (vgl ebenso §70 Abs1 AußStrG für das Revisionsrekursverfahren). So war etwa im Anlassverfahren vor dem OGH nur mehr der Anspruch auf Ersatz eines nicht unwesentlichen Vermögensnachteiles zu beurteilen, der aber im Vergleich zum gesamten Entschädigungsbetrag nur einen geringen Betrag darstellte.
Es ist somit für den VfGH kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, warum bei Gerichtsgebühren, die im Verfahren außer Streit als Hundertsatz des den Verfahrensgegenstand erster Instanz bildenden Betrags zu berechnen sind, eine Einschränkung des Verfahrensgegenstandes im Rechtsmittelverfahren keine Berücksichtigung in der Bemessungsgrundlage für die Rechtsmittelgebühren im Verfahren außer Streit findet und in jedem Fall, unabhängig vom Rechtsmittelinteresse, dieselbe Bemessungsgrundlage wie im erstinstanzlichen Verfahren heranzuziehen ist.
Da die TP12a GGG, aus der sich die Bemessung der Rechtsmittelgebühren ergibt, und die zugehörigen Anmerkungen 1 bis 5 in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, ist diese Bestimmung antragsgemäß zur Gänze aufzuheben.
Schlagworte
Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren, Zivilprozess, Rechtsmittel, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / VerwerfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2014:G157.2014Zuletzt aktualisiert am
17.03.2016