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L1030 GemeindestrukturNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Abweisung weiterer Individualanträge von Gemeinden auf Aufhebung von Bestimmungen des Stmk GemeindestrukturreformG betreffend Gemeindefusionen; keine Unsachlichkeit der bekämpften VereinigungenSpruch
I. Der Antrag wird insoweit abgewiesen, als er sich gegen §3 Abs11 Z1 des Gesetzes vom 17. Dezember 2013 über die Neugliederung der Gemeinden des Landes Steiermark (Steiermärkisches Gemeindestrukturreformgesetz – StGsrG), LGBl für die Steiermark Nr 31/2014 (berichtigt durch LGBl für die Steiermark Nr 36/2014), richtet.
II. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag und Vorverfahren
1. Gestützt auf Art140 B-VG begehrt die antragstellende Gemeinde Preßguts, das Stmk. Gemeindestrukturreformgesetz (StGsrG), LGBl 31/2014 (berichtigt durch LGBl 36/2014), zur Gänze, in eventu §3 Abs11 Z1 leg. cit., sowie §8 Abs4 der Stmk. Gemeindeordnung 1967 (GemO), LGBl 115, idF LGBl 87/2013, als verfassungswidrig aufzuheben.
Zur Zulässigkeit des Antrages wird unter anderem Folgendes ausgeführt:
"3. Antragslegitimation
[…]
3.1. Individuelle Betroffenheit der Antragstellerin
3.1.1. Das Gesetz muss tatsächlich in rechtlich geschützte Interessen des Antragstellers eingreifen. Eine solche Rechtssphäre kommt auch der Gemeinde als Gebietskörperschaft zu (Art116 Abs1 B-VG).[…] Der Gemeinde ist verfassungsgesetzlich das Recht gewährleistet, die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches[…] in eigener Verantwortung frei von Weisungen und unter Ausschluss eines Rechtsmittels an Verwaltungsorgane außerhalb der Gemeinde zu besorgen (Art118 Abs4 B-VG unter Vorbehalt des Art119a Abs5b B-VG).
3.1.2. Die Selbstverwaltung ist nach ständiger Rechtsprechung des VfGH ein subjektives öffentliches Recht der Gemeinde.[…] Es entspricht dem Kerngedanken der Selbstverwaltung, dass die mit wichtigen Entscheidungsbefugnissen ausgestatteten Selbstverwaltungsorgane aus der Mitte der Verbandsangehörigen durch demokratische Wahlen zu bestellen sind.[…]
3.1.3. Durch das bekämpfte StGsrG wird die Gemeinde als selbstständiges Rechtssubjekt aufgelöst und mit ihren Nachbargemeinden vereinigt. Das Gesetz stellt somit einen direkten Eingriff in das Recht auf Selbstverwaltung als geschützte Rechtssphäre der Antragstellerin [dar]. Mit Inkrafttreten des StGsrG geht die Gemeinde unter; die belastenden Rechtswirkungen des Gesetzes treffen die Antragstellerin ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder Erlassung eines Bescheides. Auch die Rechtsnachfolgeregelung des §8 Abs4 GemO ist direkt – ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder Erlassung eines Bescheides – anwendbar; die Gemeinde ist ein selbstständiger Wirtschaftskörper (Art116 Abs2 B-VG) und ist demnach berechtigt, auch (privatrechtlich) am Wirtschaftsleben teilzunehmen. §8 Abs4 GemO greift in dieses Recht ein und bewirkt den Übergang der Rechte und Pflichten der Antragstellerin auf die neu vereinigte Gemeinde.
3.1.4. Der Eingriff erfolgt somit unmittelbar durch die bekämpften Gesetze und diese sind hinreichend bestimmt, um auf den Normadressaten – dies sind im StGsrG ausschließlich und namentlich genannt die Antragstellerin und deren Nachbargemeinde – angewendet werden zu können; als Gemeinde unterliegt die Antragstellerin unmittelbar der GemO, sodass auch deren §8 Abs4 hinreichend bestimmt ist. Eine niederrangige generelle Rechtsvorschrift oder ein sonstiger Akt der Vollziehung ist nicht erforderlich.
[…]
3.1.8. Gemäß §8 Abs4 GemO hat die Vereinigung den vollständigen Übergang der Rechte und Pflichten der betroffenen Gemeinden auf die neue Gemeinde zur Folge. Dies verpflichtet die Antragstellerin bereits jetzt, ihre privatrechtlichen Verpflichtungen aus Vertragsbeziehungen udgl zu regeln, bevor sie als Rechtssubjekt untergeht und auch diese Maßnahmen erfordern einen erhöhten Personalaufwand.[…]
3.1.9. Da die Antragstellerin verpflichtet ist, umfangreiche und kostenintensive Maßnahmen zu setzen, die unmittelbar auf die bekämpften Gesetze zurückzuführen sind[,] und dieses bereits jetzt Auswirkungen auf die örtliche Raumordnung, die Personalpolitik und die Haushaltsführung der Antragstellerin entfaltet, ist eine individuelle Betroffenheit der Antragstellerin gegeben."
Ihre Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der bekämpften Bestimmungen legt die antragstellende Gemeinde im Wesentlichen wie folgt dar:
"4. Darlegung der Bedenken gegen das StGsrG
[…]
4.1. Bestandsgarantie der Institution Gemeinde
[…]
4.1.3. Nach Rechtsprechung des VfGH enthält das B-VG […] eine Bestandsgarantie für die Gemeinde als Institution[;] somit ist es dem Landesgesetzgeber verwehrt, anstelle der Gemeinde eine andere Art von (kleinster) Organisationsstruktur zu schaffen.
4.1.4. Durch die umfassenden Gemeindezusammenlegungen aufgrund des StGsrG und die Reduzierung der Anzahl der Gemeinden um rund 47 % wird im Ergebnis ein völlig anderes Bundesland Steiermark geschaffen. Denn eben diese kleinste Organisationsstruktur der Ortsgemeinde wird weitgehend aufgehoben und durch den (weiteren) Regelfall der 'Großgemeinde' ersetzt. Auch wenn der […] Landesgesetzgeber die Begrifflichkeiten der GemO und des B-VG beibehält, ändert dies nichts daran, dass die Institution / das Prinzip der Ortsgemeinde verfälscht wird. Durch das StGsrG wird die Rechtsnatur der 'Gemeinde' flächendeckend geändert und der Verband mehrerer ehemals selbstständiger Ortschaften – wenn auch unter dem Legalbegriff 'Gemeinde' – wird zum Regelfall. Dass der […] Landesgesetzgeber einen umfassenden Eingriff in die Institution der Gemeinde beabsichtigt, zeigte sich bereits anhand der – im thematischen Zusammenhang mit der Gemeindestrukturreform erfolgten – Novelle zur GemO 2012[…], mit der die Bestimmung der Bestellung eines Ortsteilbürgermeisters neu in die GemO eingefügt wurde. […] Werden diese […] flächendeckend anstelle der bisherigen Bürgermeister eingesetzt, stellt sich die Gemeindeorganisation in der Steiermark faktisch so dar, dass auf unterster Ebene (anstelle der verfassungsrechtlich vorgesehenen Ortsgemeinde) eine ehemals selbstständige Ortsgemeinde als Ortsverwaltungsteil mit eigenem Ortsteilbürgermeister besteht, die der 'Großgemeinde' als nächsthöhere Verwaltungseinheit untergeordnet ist. [… D]ie vorgesehenen 'Großgemeinden' [entsprechen] nicht dem verfassungsrechtlich vorgesehene[n] Regelfall der Ortsgemeinde und nähern sich dem Konzept des Art120 B-VG an.
4.1.5. Folgt man der Rechtsansicht des […] Landesgesetzgebers[,] könnte – überspitzt formuliert – auch dann eine Ortsgemeinde iSd Art115 B-VG vorliegen, wenn sämtliche Gemeinden der Steiermark (mit Ausnahme der Statu[t]arstadt Graz) in einer einzigen Gemeinde vereinigt werden würden (die 'Gemeinde Steiermark'), wenn es lediglich darauf ankommt, dass der Formalbegriff der Gemeinde weiterverwendet wird. Für die ehemaligen Gemeinden könnten zur Herstellung einer engeren Verbindung zwischen der Bevölkerung und den Organen und Einrichtungen der Gemeinde Ortsteilbürgermeister im Sinne des §48 GemO bestellt werden, die finanziellen Ersparnisse aufgrund von Personalabbau und Reduzierung des Verwaltungsaufwandes wären (vermutlich) enorm. Ein[…] sich diesem Extrem annähender Fall ist aber bereits durch das StGsrG gegeben, da der […] Landesgesetzgeber in das Wesen der Institution Gemeinde eingreift.
4.1.6. Darüber hinaus wird durch die beinahe durchgehende Gliederung der Steiermark in Großgemeinden eine Struktur geschaffen, welche die Strukturierung durch Gebietsgemeinden iSd Art120 B-VG durch den Bundesgesetzgeber vorwegnimmt. Die Neugliederung der Steiermark ist demnach ein verfassungsgesetzlich verbotener Vorgriff auf das Verfassungsprogramm der Bildung von Gebietsgemeinden, welches dem Bundesgesetzgeber vorbehalten bleibt.
4.1.7. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass durch das bekämpfte Gesetz in Wahrheit keine Gemeindereform im Sinne von reinen Gemeindevereinigungen herbeigeführt wird, sondern auch – unzulässigerweise – eine Reform der politischen Struktur der Steiermark erfolgt. Gemäß Art117 Abs2 B-VG wird der Gemeinderat auf Grund des gleichen, unmittelbaren, persönlichen, freien und geheimen Wahlrechtes der männlichen und weiblichen Staatsbürger, die in der Gemeinde ihren Hauptwohnsitz haben, nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Die politische Zugehörigkeit der Gemeinde ist also Ausdruck des aktiven Wahlrechts der Gemeindebevölkerung.
4.1.8. Der […] Landesgesetzgeber bewirkt mit seiner umfassenden Neuordnung des Bundeslandes Steiermark einen umfassenden Eingriff in das ausgeübte Wahlrecht der Bevölkerung sämtlicher (zwangsweise) zusammengelegter Gemeinden. Durch die Reduzierung der Anzahl der Gemeinden um rund 47 % wird im Ergebnis – auch politisch – ein völlig anderes Bundesland Steiermark geschaffen, da das Ergebnis der letzten Gemeinderatswahl konterkariert wird. Eine auf rein sachlichen Gründen beruhende, umfassend flächendeckende Gemeindevereinigungsreform würde zwangsläufig die politische Landkarte ändern, da alle Gemeinden gleich zu bewerten wären und es die Auswahl sachlicher Kriterien faktisch unmöglich machen würde, exakt dieselbe politische Struktur wie vor der Reform erneut hervorzubringen.
Andererseits ist ein Abstellen auf politische Gegebenheiten – und eine Beibehaltung der politischen Verhältnisse auch nach der durchgeführten Gemeindereform – nicht mit der Auswahl sachlicher Kriterien für die Anordnung der Gemeindevereinigungen in Einklang zu bringen und verstößt somit gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Folgt man der Vorgehensweise der […] Landesregierung[,] könnte jeder Landesgesetzgeber ein politisch ungewolltes Ergebnis einer Gemeinderatswahl 'beseitigen', indem er Gemeinden so zusammenlegt, dass eine politisch gewollte Gemeindelandschaft entsteht.
4.1.9. Dass politische Beweggründe für die gegenständlichen Gemeindevereinigungen eine maßgebliche Rolle gespielt haben – und der […] Landesgesetzgeber das Ziel verfolgt hat, die politischen Verhältnisse in der Steiermark möglichst unverändert beizubehalten –, lässt sich klar daran erkennen, dass eine nach außen hin nahezu willkürli[ch] erscheinende Wahl getroffen wurde, welche Gemeinden vereinigt wurden und welche nicht. […]
4.2. Verletzung des Gleichheitssatzes
4.2.1. Verletzung des Sachlichkeitsgebots
[…]
4.2.1.1.4. In §1 Abs1 und 2 StGsrG werden die Ziele des StGsrG angeführt. […]
[…]
4.2.1.2. Verbesserung der Gemeindestruktur
[…]
4.2.1.2.2. Wenngleich der […] Landesgesetzgeber [in den Erläuternden Bemerkungen zum StGsrG] auf eine Abwägung der Vor- und Nachteile hinweist, gab er – auch gegenüber den betroffenen Gemeinden – keine Informationen preis, die eine nachvollziehbare Überprüfung möglich machen würde[n]. Auch hinsichtlich des entwickelten Leitbildes gibt es keine konkreten Informationen darüber, inwiefern dieses auf die Antragstellerin angewendet wurde und zu der Entscheidung über die Gemeindevereinigung geführt hat.
4.2.1.2.3. Die im Leitbild angeführten Entscheidungskriterien (räumliche Situation, Bevölkerungsentwicklung, finanzielle Situation, Gemeinde-Infrastruktur), die dazu führen, dass jeweils nur 'zentrale Orte' gestärkt werden ('Lebensrealitäten – Zentrale-Orte-Konzept'[…]), [sind] aber bereits dem Grundgedanken nach unsachlich. Folgt man der Ansicht des […] Landesgesetzgebers, dass es auf eine Stärkung des Funktionszentrums der neuen Gemeinde ankomme, wird klar, dass die Interessen des 'Nebenortes' gar nicht adäquat berücksichtigt werden und eine Verbesserung der Gesamtsituation in der 'aufnehmenden Gemeinde' auf Kosten einer Verschlechterung der Gesamtsituation in der 'eintretenden Gemeinde' bewusst in Kauf genommen wird.
4.2.1.2.4. Auch die im Leitbild angeführten Kriterien treffen auf den Einzelfall der Antragstellerin nicht zu:
- Räumliche Situation: Die Ortskerne der beiden Gemeinden sind ca. 5 Kilometer voneinander entfernt. Einzelne Ortsteile der Antragstellerin (Schirnitz) sind bis zu 9 Kilometer vom Ortskern der Gemeinde Ilztal im Ortsteil Prebensdorf entfernt; eine durchgehende Siedlungsstruktur besteht nicht. […]
- Bevölkerungsentwicklung: Die Bevölkerung der Antragstellerin ist in den letzten Jahrzehnten um 6,6 % gestiegen und die Antragstellerin hat raumordnungsrechtliche Maßnahmen gesetzt, um für einen weiteren Anstieg der Bevölkerungszahl zu sorgen. Nach aktueller Bevölkerungsprognose werden diese dazu führen, dass sich die Bevölkerungszahl der Antragstellerin bis 2030 um weitere 12,2 % erhöhen wird. […]
- Finanzielle Situation: Die Antragstellerin kann einen Verschuldungsgrad von 0 % und eine kosteneffiziente Finanzgebarung aufweisen. Der […] Landesgesetzgeber erkennt eine ausgeglichene Haushaltsführung. […]
- Gemeinde-Infrastruktur: Dem Leitbild nach wurde die Gemeinde-Infrastruktur mit einem Punktesystem bewertet[.] […] Diese Bewertungsmethode ist jedoch höchst unschlüssig und willkürlich und sie ist nicht geeignet, als sachliches Kriterium für die Zulässigkeit der Gemeindevereinigung zu dienen. So werden etwa für ein Pfarramt 10 Punkte […] vergeben, obwohl eine Gemeindevereinigung für den Pfarrsprengel keine Auswirkungen entfaltet. Freizeit-, Sport- und Kultureinrichtungen werden überhaupt nicht bewertet, obwohl gerade diese maßgeblich dafür sind, wo sich die Gemeindebevölkerung in ihrer Freizeit aufhält. Für die Rettung findet eine Punktevergabe statt, nicht jedoch für die Feuerwehr (oder Polizei). Wesentliche Infrastruktur wie Abwasser- und Abfallwirtschaft oder Tankstellen werden gänzlich außer Acht gelassen. […]
4.2.1.2.5. Das Leitbild ist folglich nicht geeignet, als Grundlage für die Beurteilung der Gemeindevereinigung zu dienen. Stattdessen muss jeweils im Einzelfall, konkret auf die betroffenen Gemeinden bezogen, eine Abwägung der zu erwartenden Vorteile und Nachteile vorgenommen werden und müsste nachvollziehbar dargelegt werden, welche volkswirtschaftlichen und kommunalwirtschaftlichen Vorteile sich konkret für die Bevölkerung der Antragstellerin durch eine Zusammenlegung ergeben würden. Es wäre weiters da[r]zulegen, warum eine Zusammenlegung der Antragstellerin mit der Gemeinde Ilztal die einzig sinnhafte Form einer gesicherten kommunalen Entwicklung sein kann.
4.2.1.3. Vom […] Landesgesetzgeber festgelegte Kriterien der Gemeindezusammenlegung
(i) Allgemeine Grundsätze
Oberstes Ziel der Gemeindestrukturreform ist die Stärkung der zukünftigen Leistungsfähigkeit der Gemeinden zur sachgerechten und qualitätsvollen Erfüllung der eigenen und übertragenen Aufgaben und Funktionen zum Wohle der Bevölkerung.
Dieses oberste Ziel ist bereits erreicht und die Gemeindevereinigung führt zu keiner Verbesserung. Die Antragstellerin konnte bereits bisher den oben erwähnten Bedürfnissen der Bevölkerung bestens nachkommen und es bestehen keine Anzeichen und insbesondere keine konkreten Angaben darüber, dass die angestrebte Großgemeinde diese Aufgaben besser erfüllen können wird. Demgegenüber stehen erhebliche Nachteile, die der Antragstellerin und ihrer Gemeindebevölkerung durch die Gemeindevereinigung drohen.
(ii) Wirtschaftliche und leistungsfähige Gemeinden
(1) Kosten und Einsparungen
Auf Basis des Gesetzes und der Erläuternden Bemerkungen ist nicht ersichtlich, dass durch die Gemeindevereinigung Kosten vermieden und Einsparungen vorgenommen werden können. Der […] Landesgesetzgeber verweist auf allgemeine Überlegungen, ohne konkrete Zahlen zu nennen. Diese wären aber notwendig gewesen, um eine nachvollziehbare Prognose über finanzielle Vorteile anstellen zu können.
Zu den finanziellen Auswirkungen hat auch der Rechnungshof in seinem Bericht vom 29.10.2013 […] wie folgt ausgesprochen:
'Zusammenfassend hält der RH fest, dass eine zumindest näherungsweise numerische Darstellung der finanziellen Auswirkungen geboten und wohl auch möglich gewesen wäre. Dies umso mehr, als die Erläuterungen auf Seite 6 anführen, dass während der Verhandlungsphase des Reformprozesses die relevanten Tätigkeitsbereiche der Gemeinden analysiert, u.a. Finanzanalysen vorgenommen und die Auswirkungen der Gemeindevereinigungen aufgezeigt worden wären. Dazu fehlen aber jegliche Berechnungen, es finden sich in den Erläuterungen nicht einmal jene Annahmen bzw. Parameter, auf die diese Aussagen aufbauen.
Die Erläuterungen zu den finanziellen Auswirkungen entsprechen daher insofern nicht den Anforderungen des §18 Abs3 GeoLT 2005, weshalb eine abschließende Beurteilung der vorgeschlagenen Maßnahmen insbesondere in finanzieller Hinsicht nicht möglich ist' […].
Darüber hinaus hat der VfGH ausgesprochen, dass – selbst wenn ein solches gegeben wäre – das alleinige Bewirken einer Erhöhung der Finanzkraft nicht geeignet ist, eine Gemeindevereinigung sachlich zu rechtfertigen[.]
[…]
(2) Finanzsituation der Antragstellerin
[…]
Wie der […] Landesgesetzgeber [in den Erläuternden Bemerkungen zum StGsrG] selbst zugibt, stellt sich die finanzielle Lage der Antragstellerin bestens dar. Sie war trotz der Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008, die – neben Auswirkungen beim Bund und beim Land Steiermark selbst – auch Auswirkungen auf die Antragstellerin entfaltete, der Erhöhung der Sozialausgaben für die Gemeinden durch das Land Steiermark, de[s] Auftreten[s] von Katastrophenereignissen (Unwettern), die auch die Antragstellerin betrafen, sowie der Nicht-Auszahlung der Ertragsteile des Bundes im Jahr 2010 stets in der Lage, ihren Haushalt vorbildlich zu führen und eine 'freie Finanzspitze' zu erwirtschaften. Somit stellte sie erfolgreich unter Beweis, dass selbst für die im Betrachtungszeitraum herangezogenen Jahre, die von besonderen, außergewöhnlichen Umständen negativ beeinflusst waren, die nicht von der Antragstellerin beeinflusst oder abgewendet werden konnten, aufgrund der besonderen Sorgfalt und Kompetenz der Antragstellerin ein positiver Finanzabschluss erzielt werden konnte.
Im Jahr 2008 wurden umfangreiche Kanalumbauarbeiten durchgeführt, für die die Antragstellerin einen Kredit aufnehmen musste, seitdem gab es aber keine größeren Ausgaben. Dementsprechend betrug der Verschuldungsgrad der Antragstellerin in den letzten Jahren 0 %; im Haushalt wurden keine Abgänge verzeichnet.
Bei der Entwicklung der Gesamtschulden der Gemeinde wird im interkommunalen Vergleich die positive Finanzgebarung der Antragstellerin deutlich.
[…]
Daraus folgt, dass auch der Gesamtschuldenstand unter dem Durchschnitt vergleichbarer Gemeinden liegt. Die Finanzsituation der Antragstellerin ist somit über den gesamten Betrachtungszeitraum von einer positiven Entwicklung gekennzeichnet. Somit ist auch aus finanzieller Sicht keine Notwendigkeit einer Gemeindevereinigung gegeben und eine solche würde zu keiner Besserung der Finanzsituation beitragen. Aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten erweist sich eine Gemeindevereinigung der Antragstellerin mit ihren Nachbargemeinden daher als unsachlich.
(3) Personalaufwand der Antragstellerin / Aufwand für Gemeindemandatare
[…]
Auch in diesem Fall gehen die Erläuterungen des […] Landesgesetzgebers über Allgemeinfeststellungen nicht hinaus; sämtliche konkreten Ermittlungen fehlen und die annähernd wortgleichen Ausführungen zu den Kosteneinsparungen finden sich bei sämtlichen anderen Gemeinden wieder. Es gibt keine Informationen, welche eine kurz-, mittel- oder langfristige Einsparung erkennen lassen. Auch auf die Frage hin, welche Aufwendungen welche Kosten verursachen, gibt es keinerlei nachvollziehbar[e] Zahlen.
Der Personalaufwand der Antragstellerin ist sowohl im Innendienst als auch im Außendienst äußerst gering gehalten. Im Innendienst ist bei über 400 Einwohnern lediglich 1 Dienstposten vorgesehen; 2 Dienstnehmer sind geringfügig beschäftigt. Darüber hinaus werden zahlreiche Tätigkeiten ehrenamtlich durchgeführt, hierfür fallen somit keine Kosten an. Bei einer Auflösung der Antragstellerin gegen den Willen der Gemeindebevölkerung wird diese ehrenamtliche Tätigkeit eingestellt werden, sodass in diesem Fall erhöhte Kosten bei der Großgemeinde anfallen würden.
Mit dem Personal der Antragstellerin werden neben den Pflichtaufgaben zahlreiche Serviceleistungen für die Gemeindebürgerinnen und Gemeindebürger angeboten und erledigt. Gerade ältere Menschen sind wegen fehlendem Internetzugang bzw fehlenden Kenntnissen auf die Serviceleistung im Gemeindeamt angewiesen und es besteht eine hohe Zufriedenheit der Bevölkerung mit dem Personal der Antragstellerin.
Bei der Anzahl der Gemeindebediensteten und den Personalausgaben pro Einwohner werden im interkommunalen Vergleich die geringen Personalkosten der Antragstellerin deutlich.
[…]
Die Antragstellerin ist somit in der Lage, mit dem von ihr beschäftigten Personal, sämtliche übertragenen Aufgaben sowie außerordentliche Mehraufgaben zur vollsten Zufriedenheit der Bevölkerung bei äußerst geringen Personalkosten zu erfüllen. Auch das Land Steiermark kann keinerlei Beanstandungen vorweisen.
Darüber hinaus soll im Gemeindeamt der Gemeinde Ilztal ein neuer Arbeitsplatz geschaffen werden, wodurch bereits vorab klar gestellt wird, dass es zu keiner Einsparung von Personalausgaben kommen wird.
Neben den dargestellten Personalkosten sind auch hinsichtlich der Gemeindemandatare keine Kosteneinsparungen aufgrund einer Gemeindevereinigung zu erwarten. Bei größeren Gemeindeeinheiten fällt die Aufwandsentschädigung der jeweiligen Mandatare in eine wesentlich höhere Besoldungsklasse. Zudem wurde vom […] Landesgesetzgeber beschlossen, mit 1.1.2014 die Bezüge der Steirischen Mandatare zu erhöhen. Nach §6 Steiermärkisches Gemeinde-Bezügegesetz[…] gebührt Bürgermeistern ein festgelegter Prozentsatz eines Ausgangsbetrages, der nach Gemeindegröße gestaffelt ist. Mit Wirksamkeit vom 1.1.2014 wurde der Ausgangsbetrag auf EUR 8.506,25 erhöht, mit 1.1.2015 sollen die aufgezwungenen Gemeindevereinigungen erfolgen. Dies bedeutet im Ergebnis, dass es weniger Bürgermeister gibt, diese jedoch höhere Bezüge lukrieren werden; mit anderen Worten: statt dass Mehrere wenig erhalten, erhalten Wenige mehr.
Darüber hinaus wurde durch die Novelle zur GemO 2012 die Möglichkeit eröffnet, für Gemeinden, die von Gemeindevereinigungen betroffen sind, Ortsteilbürgermeister zu bestellen. Diese sollen als politische Ansprechpartner erhalten bleiben und sollen für ihre Tätigkeit auch eine Aufwandsentschädigung erhalten. Diese Aufwandsentschädigung muss von einer allfälligen Kostenersparnis durch die Reduktion der Gemeindemandatare in Abzug gebracht werden.
Dies alles lässt erkennen, dass es dem […] Landesgesetzgeber nicht (nur) darauf ankommt, durch eine Senkung der Kosten der Gemeindemandatare wesentliche Einsparungen vorzunehmen.
Da durch die Gemeindevereinigung keine wesentlichen Einsparungen erzielt werden können und die Antragstellerin äußerst geringe Personalkosten aufweisen kann, ist eine Gemeindevereinigung auch aus diesem Grund unsachlich.
(4) Finanzausgleich und Stabilitätspakt
[…]
Der […] Landesgesetzgeber übersieht […], dass die Fusionsprämie nur der neuen Gemeinde zusteht, welche über den neu zu wählenden Gemeinderat über die neu gebildete Gemeinde verteilt wird. Dadurch ist aber keinesfalls sichergestellt, dass die Bevölkerung der Antragstellerin davon profitieren würde, steht es doch gerade im Sinne des […] Landesgesetzgebers, lediglich den 'Zentral-Ort' Ilztal zu stärken.
Darüber hinaus ist auch eine Berufung auf das Finanzausgleichgesetz 2008[…] und den darin festgelegten abgestuften Bevölkerungsschlüssel ungeeignet, als Begründung für eine Gemeindevereinigung zu dienen. Der VfGH hat bereits ausgesprochen, dass eine andere Verteilung der den Gemeinden zukommenden Ertragsteile keine sachliche Rechtfertigung einer Gemeindevereinigung darstellt.[…] Ein höherer Ertragsanteil nach dem FAG führt auch zwangsläufig dazu, dass höhere Beitragspflichten (etwa Sozialhilfeumlage) anfallen. Zudem tritt das Finanzausgleichsgesetz 2008 gemäß §25 Abs1 FAG 2008 mit 31.12.2014 außer Kraft. Demzufolge wird das Land Steiermark in der kommenden Finanzausgleichsverhandlung mit dem Bund die Möglichkeit haben, andere Berechnungsmodelle als bisher für die Aufteilung der Ertragsteile auf die Gemeinden auszuverhandeln. Als Bemessungsgrundlage könnten etwa die Einwohnerzahlen der Kleinregionen herangezogen werden.
(5) Mangelnde Grundlagenforschung zur Auswirkung der Rechtsnachfolge
Gemäß §8 Abs4 GemO gehen die Rechte und Pflichten der Antragstellerin mit 1.1.2015 vollständig auf die Gemeinde Ilztal über. Dies bedeutet – sofern diese Bestimmung nicht vom VfGH als verfassungswidrig aufgehoben wird –, dass die Gemeinde Ilztal ex lege in Verträge der Antragstellerin mit Dritten eintreten würde.
In diesem Fall können mit den bisherigen Vertragspartnern der Gemeinden beispielhaft Change-of-Control-Klauseln schlagend werden, die bewirken würden, dass Verträge aufgelöst werden können, wenn sich wesentliche Umstände in der Person des Vertragspartners – der Gemeinde – ändern. Ein solcher Fall liegt vor, da der Vertragspartner als Rechtsperson durch die neu geschaffene Gemeinde ersetzt wird.
Dies geschieht flächendeckend bei sämtlichen zusammengelegten Gemeinden, sodass der […] Landesgesetzgeber angehalten gewesen wäre, zu untersuchen, welche finanziellen Auswirkungen durch den Wegfall bereits bestehender Vertragsverhältnisse und durch die erforderliche Neuverhandlung dieser Verträge zu erwarten sind.
Auch aus vergaberechtlicher Sicht können finanzielle Belastungen hinzutreten, da ein Wechsel in der Person des Auftraggebers nach der Judikatur während des Vergabeverfahrens (also aus zivilrechtlicher Sicht im sogenannten 'vorvertraglichen Stadium') nur dann zulässig ist, sofern die Zustimmung aller Bieter vorliegt.[…] Dies kann die Folge nach sich ziehen, dass Vergabeverfahren neu auszuschreiben sind, wodurch ein finanzieller Mehraufwand erforderlich ist.
Dass der […] Landesgesetzgeber diese Überlegungen offenbar völlig außer Acht gelassen hat, zeigt erneut, dass nur eine mangelhafte Grundlagenforschung stattgefunden hat, die überdies nicht einmal auf sämtliche rechtlichen Gegebenheiten Bezug genommen hat. Hätte der […] Landesgesetzgeber eine Untersuchung betreffend die Rechtsnachfolge angestellt, hätte er erkennen müssen, dass diese finanzielle Auswirkungen entfaltet, die bewirken, dass die Gemeindevereinigung auch aus diesem Grunde unsachlich ist.
(iii) Infrastruktur und Demografische Entwicklung
(1) Infrastruktur
[…]
Die Infrastruktur der Antragstellerin wird bereits derzeit effizient genutzt und wurde in den letzten Jahren ohne Verschuldung auf neuesten Stand gebracht:
- Das gut funktionierende Gemeindeamt und der angeschlossene Bauhof wurden im Jahr 1950 errichtet und werden laufend saniert.
- Die Volksschule wurde im Jahr 1990 errichtet und wird laufend saniert. Im laufenden Schuljahr 2013/2014 besuchen 47 Kinder die Volksschule. Die Schüleranzahl ist auch für die nächsten Jahre gesichert und wird ständig über 30 Schüler betragen.
- Das Feuerwehrhaus wurde 1978 errichtet und wird laufend saniert. Auch die Ausstattung der Fahrzeuge und Gerätschaften befindet sich auf dem neuesten Stand.
- Alle Freizeiteinrichtungen, zB Sportplatz, Stocksportplatz (mit Überdachung) wurden 2009 errichtet, werden laufend saniert und befinden sich in hochwertigem Zustand.
- Für das Kulturleben steht die Veranstaltungshalle den Gemeindebewohner[n] und allen Vereinen und auch der Feuerwehr zur Verfügung.
- Das Altstoffsammelzentrum wurde im Jahr 2000 erbaut.
- Die Wasserversorgung der Bevölkerung erfolgt über die Gemeinde selbst.
In allen oben erwähnten Bereichen ist eine sehr gute Auslastung der Infrastruktur gegeben. Aufgrund der Neuwertigkeit der Infrastruktur ist auch kurz- und mittelfristig mit keinen besonderen finanziellen Aufwendungen in diesen Bereichen zu rechnen.
Insofern ist auch keine Effizienzsteigerung durch die Gemeindevereinigung gegeben, da die Auslastung der bisherigen, gut ausgestatteten Infrastruktur äußerst positiv ist. Der Zustand der Infrastruktureinrichtungen ist auf neuestem Stand, sodass lediglich die Betriebskosten anfallen. Bei einer Stilllegung im Falle einer Gemeindevereinigung würde der große Wertbestand nicht mehr seinem Errichtungszweck zugeführt werden können und es müssten verschiedene Infrastruktureinrichtungen im neuen Zentralort angepasst und erweitert werden (Bsp. Schule, Gemeindezentrum), wodurch erneute Kosten verursacht werden würden. Andererseits besteht aufgrund der weitreichenden Versorgung der Gemeindebevölkerung der Antragstellerin und der uneinheitlichen Siedlungsstruktur der Gemeinde Ilztal auch keine Veranlassung oder Möglichkeit, mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand Versorgungseinrichtungen (Wasser, Kanal, Fernwärme) zwischen den beiden Gemeinden herzustellen.
Bei infrastruktureller Betrachtung der Gemeindevereinigung erweist sich diese somit als unsachlich.
(2) Gemeindegröße und Demografische Entwicklung
[…]
Die Bevölkerungsentwicklung der Antragstellerin ist in den letzten Jahrzehnten überaus positiv verlaufen und es konnte ein Bevölkerungsanstieg um 6,6 % verzeichnet werden. Die Prognose der […] Landesregierung geht von einem Bevölkerungsanstieg von 12,2 % bis 2030 aus. Seit der Erhebung der […] Landesregierung ist die Bevölkerungsanzahl weiter gestiegen und liegt derzeit (Stand: 14.4.2014) bei 425 Einwohnern […]. Zudem hat die Antragstellerin durch weitere Baulandwidmungen und die Errichtung von Geschoßwohnbauten Maßnahmen gesetzt, um für eine weitere positive Bevölkerungsentwicklung zu sorgen.
Ausgehend von dieser positiven Bevölkerungsentwicklung bestehen keine Gründe zu der Annahme, dass die Antragstellerin aufgrund ihrer Bevölkerungszahl nicht mehr in der Lage sein wird, ein funktionierendes Gemeindewesen zu erhalten. Das Gemeindewesen in der Antragstellerin war bisher und wird in weiterer Zukunft unverändert gegeben sein. Dies zeigt sich auch an der Mehrheit der Gemeindebevölkerung, die sich in der Gemeindevolksbefragung für die Eigenständigkeit der Antragstellerin ausgesprochen hat […].
Daniel Kettiger, Rechtsanwalt, Berater und Leiter des Kompetenzzentrums für Public Management der Universität Bern (KPM)[,] führt in seinem Artikel 'Die richtige Größe einer Gemeinde', Untertitel 'Die Gemeindegröße allein ist kein Fusionskriterium' wie folgt aus:
'Soziodemografische Sicht
Eine Gemeinde ist nicht nur ein Betrieb[,] sondern ein gesellschaftliches [Subs]ystem – ein lebender Organismus mit einer bestimmten Geschichte und Kultur. Auf diesem Hintergrund stellt sich die Frage der optimalen Gemeindegröße anders. Maßgeblich ist, ob das System Gemeinde nachhaltig aus sich heraus funktionieren kann. Dies bedingt, dass die Bevölkerungsstruktur mittelfristig in etwa erhalten bleibt, dies sowohl zahlenmäßig wie auch bezüglich der Altersstruktur. Probleme stellen diesbezüglich hohe Abwanderungsraten ebenso wie zu hohe Zuwachsraten [dar]. Ein Problem kann auch darin bestehen, die notwendigen ehrenamtlichen Gemeindebehörden nicht mehr besetzen zu können; ein Problem, das sich zwar zunehmend in kleinen Gemeinden, aber nicht nur dort zeigt. Das Funktionieren einer Gemeinde bedingt ein relativ homogenes Kulturverständnis der gesamten Bevölkerung. Dies betrifft auch die politische Kultur. Es nützt beispielsweise wenig, wenn eine Gemeinde aus betrieblicher Sicht eine optimale Größe aufweist, wenn die notwendigen Führungsentscheide nicht rechtzeitig gefällt werden können, weil sich in der Exekutive Ortsteilvertretungen ständig gegenseitig blockieren. Aus sozi[o]demografischer Sicht gilt es weiter zu bedenken, dass nicht in allen Gemeinden in gleichem Maße soziale und interkulturelle Integrationsaufgaben anfallen' […].
Eine demographische Entwicklung ist für sich allein gesehen kein hinreichender Grund für eine Gemeindezusammenlegung, wenn andere Faktoren, wie die politische Kultur[,] außer Acht gelassen werden. Dass sich eine solche positiv entwickeln wird, ist aufgrund der Ablehnung der Gemeindevereinigung durch die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung der Antragstellerin nicht zu erwarten […]. Darüber hinaus zeigt sich, dass aufgrund der steigenden Einwohnerzahl sämtliche Aufgaben der Gemeinde erfüllt werden können […].
Aus diesem Grund ist eine Gemeindevereinigung aus demographischer Sicht nicht geboten und erweist sich auch aus diesem Grunde als unsachlich.
(iv) Raumplanung und Siedlungsverflechtungen
(1) Raumplanung
[…]
[… Die Erläuterungen] beschränken sich […] auf Allgemeinaussagen. Folgt man den Ausführungen des […] Landesgesetzgebers[,] müssten sämtliche Gemeinden vereinigt werden, wenn ausschließlich durch diese Maßnahme eine koordinierte Standortentwicklung erreicht werden könnte. Dass eine größere Verwaltungseinheit besser in der Lage ist, eine strategische und räumlich abgestimmte Standortentwicklung zu gewährleisten[,] ist nicht zwangsläufig gegeben. Zudem kann auch im Bereich der Raumplanung ein abgestimmtes Vorgehen zwischen Nachbargemeinden vereinbart werden oder es kann einem Gemeindeverband die Kompetenz zur Erstellung eines gemeinsamen örtlichen Entwicklungskonzepts übertragen werden.[…]
Aufgrund der topographischen Lage würde die Gemeindevereinigung zudem zur völligen Aushöhlung der Siedlungsstruktur in der Antragstellerin führen und die vom […] Landesgesetzgeber befürchtete Ausdünnung und Schwächung des ländlichen Raumes geradezu erst bewirken:
Die zwei Hauptverkehrsachsen im Umfeld der Antragstellerin und der Gemeinde Ilztal sind die L 360, die von Sinabelkirchen Richtung Weiz das Ilztal entlang verläuft, und die B54, die von Gleisdorf kommend das Ilztal quert und über Pischelsdorf Richtung Hartberg verläuft. Im Kreuzungsbereich der L 360 mit der B54 im Gemeindegebiet der Gemeinde Ilztal befindet sich ein (kleines) regionales Gewerbegebiet.
Die Beendigung des Selbstverwaltungsrechts der Antragstellerin und der damit einhergehenden Möglichkeit zur Baulandwidmung würde dazu führen, dass die Widmung neuer Baugründe nicht mehr in der Antragstellerin, sondern im 'Zentral-Ort' Ilztal entlang oder in der Nähe der interkommunalen Landesstraßen L 360 und B54 erfolgen würde. Bereits bestehende Baulandwidmungen in der Antragstellerin würden zurückgenommen werden, um eine Bevölkerungszentralisierung im 'Zentral-Ort' Ilztal herbeizuführen. Sollte eine Rückführung in Freilandflächen erfolgen, würde der Quadratmeterpreis lediglich rund EUR 2,50 betragen. Die Widmungsflächen für Bauland würden auf Grund des Zentralisierungsgedankens und der im Gesetz vorgesehenen Stärkung der Gemeinde Ilztal (auf Kosten der Bevölkerung der Antragstellerin) auf ein Minimum zurückgeführt werden.
Damit würde sich die prognostizierte Bevölkerungsentwicklung – die bei einer Eigenständigkeit der Antragstellerin zu erzielen wäre – mit großer Wahrscheinlichkeit nicht verwirklichen und es könnte vielmehr zu einem 'Aussterben' des Ortes Preßguts kommen.
Dies alles macht es erforderlich, gerade zum Schutz des ländlichen Raumes vor Ausdünnung, die Kompetenz der Raumplanung nicht an die Nachbargemeinde Ilztal zu übertragen.
Die Raumordnung konnte von der Antragstellerin stets erfolgreich gehandhabt werden. Eine Verbesserung durch die Gemeindezusammenlegung ist nicht gegeben.
(2) Siedlungsverflechtungen
[…]
Der […] Landesgesetzgeber lässt (auch) in Hinblick auf besondere Siedlungsverflechtungen Ausführungen, die über Allgemeinaussagen hinausgehen, vermissen.
Daneben übersieht der […] Landesgesetzgeber in seinen Erläuterungen, dass im Gemeindegebiet der Antragstellerin selbst Dienstleistungsunternehmen tätig sind, die eine Ausrichtung der Bevölkerung der Antragstellerin in Richtung Ilztal unnötig machen. Diese können Bedürfnisse des täglichen Lebens abdecken; darunter fallen: Bauernmarkt, KFZ-Werkstätte, Baggerunternehmen, Druckerei, Obst u. Gemüse, Lammspezialitäten, Schaubackofen, etc.
Darüber hinausgehende Dienstleistungen werden – wie der […] Landesgesetzgeber völlig außer Acht lässt – in Gleisdorf oder Weiz bezogen, die sich in ca. 9 und 13 Kilometer[n] Entfernung vom Ortszentrum der Antragstellerin befinden. Der überwiegende Teil der berufstätigen Gemeindebevölkerung pendelt nach Weiz, Gleisdorf oder Graz aus. Die in diese Orte führenden Verkehrsverbindungen führen aber nicht über das Gemeindegebiet der Gemeinde Ilztal. Weiz ist über die L 360 nach Norden entlang des Ilztales zu erreichen – die Gemeinde Ilztal befindet sich hingegen im Süd-Osten der Antragstellerin. Gleisdorf und von dort Graz sind über Prebuch (südlich der Antragstellerin) und die B54 zu erreichen – eine Fahrt entlang der Hauptverkehrswege und das Gemeindegebiet der Gemeinde Ilztal würde ein[e] 2 Kilometer längere Wegstrecke bedeuten und wird dementsprechend selten von der Bevölkerung der Antragstellerin gewählt.
Da die Gemeindebevölkerung entlang ihrer Pendlerrouten eine große Anzahl an Dienstleistungsunternehmen vorfindet, ist sie nicht gezwungen, diese in der Gemeinde Ilztal – die auch ein weitaus geringeres Angebot aufweisen kann als Gleisdorf oder Weiz – zu beziehen. Der Gemeinde Ilztal kommt somit keine wesentliche Bedeutung hinsichtlich des Bezuges von Dienstleistungen zu. Dies gibt der […] Landesgesetzgeber selbst dadurch zu erkennen, indem er die Gemeinde Ilztal etwa nicht als 'Teilregionales Versorgungszentrum' ausgewiesen hat oder auch indem er bei größenmäßig mit der Gemeinde Ilztal vergleichbaren Gemeinden (zB Gemeinde Nestelbach im Ilztal, Gemeinde Altenmarkt bei Fürstenfeld) eine Gemeindevereinigung mit größeren Nachbarortschaften mit dem Verweis auf eine Unterversorgung an Dienstleistungen angeordnet hat.
Somit bestehen keine besonderen Siedlungsverflechtungen zwischen der Antragstellerin und der Gemeinde Ilztal, die eine Gemeindevereinigung rechtfertigen würden. In Hinblick auf etwaige Siedlungsverflechtungen aufgrund von Dienstleistungen führt eine Gemeindevereinigung zu keiner Verbesserung für die Gemeindebevölkerung, da es für die Gemeindebevölkerung als Konsumenten dieser Dienstleistungen unerheblich ist, ob diese in der eigenen Gemeinde oder einer Nachbargemeinde bezogen werden; denn ob ein Supermarkt, eine Drogerie, eine Bank, etc aufgrund einer Gemeindevereinigung im 'eigenen' Ort ist oder im vormaligen Nachbarort bleibt, hat naturgemäß keine Auswirkung auf die Qualität der Dienstleistung oder die Entfernung von Wohnadresse und Dienstleistungsadresse. Dass Wohnung und Supermarkt im selben Ort sind, ändert nichts an deren Entfernung zueinander und es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass etwa die Bevölkerung eines Nachbarorts bei Bezug der Dienstleistung anders behandelt wird[…] als die Bevölkerung des Dienstleistungsorts. Bestehende zentrale Einrichtungen eines Ortes können auch von der Bevölkerung des Nachbarortes genutzt werden, gleichgültig, ob die Gemeinden selbstständig sind oder nicht. Ein Vorteil für die Gemeindebevölkerung wird nach Rechtsprechung des VfGH dadurch nicht herbeigeführt.[…]
Damit scheidet der Bezug von Dienstleistung aber als Begründung für eine Gemeindezusammenlegung aus, wenn man – wie der VfGH – eine Verbesserung für die Gemeindestruktur als Zulässigkeitskriterium heranzieht.
(v) Kulturelle Faktoren
Daneben sollen auch die örtlichen Zusammenhänge, insbesondere naturräumliche und kulturelle Verhältnisse, wie auch historische Verbundenheiten sowie lokales Handeln für das Gemeinwohl und Ausüben von Ehrenämtern berücksichtigt werden.
Der […] Landesgesetzgeber enthält sich jeglicher Aussagen darüber, inwiefern dieser Punkt bei der gegenständlichen Gemeindevereinigung berücksichtigt wurde.
Die Antragstellerin kann ein umfangreiches kulturelles Programm aufweisen, das in der Gemeinde angeboten wird. Die Vereine und Organisationen sind die Träger des Gemeinschaftslebens in der Gemeinde Preßguts. Zahlreiche Veranstaltungen werden von den verschiedenen Vereinen in der Gemeinde in ehrenamtlicher Tätigkeit unter großer Beteiligung der Gemeindebevölkerung organisiert[.]
[…]
Die kulturelle Eigenständigkeit der Antragstellerin wurde vom […] Landesgesetzgeber gänzlich ignoriert. Hätte der […] Landesgesetzgeber sein Konzept der 'Lebensrealitäten' umgesetzt, hätte er auch kulturelle Einrichtungen und Freizeiteinrichtungen berücksichtigen müssen, da gerade diese entscheidend dafür sind, wo die Gemeindebevölkerung ihre Freizeit verbringt und folglich den 'Lebensmittelpunkt' setzt. Da die Antragstellerin ein umfangreiches Vereinsleben vorweisen kann und der Bevölkerung ein großes Angebot an Freizeiteinrichtungen zur Verfügung stellen kann, sind auch keine kulturellen Faktoren gegeben, die für eine Gemeindevereinigung sprechen würden.
Kulturelle örtliche Zusammenhänge mit der Gemeinde Ilztal bestehen ebensowenig wie historische Verbundenheiten.
Hätte der […] Landesgesetzgeber die von ihm aufgestellten Kriterien der Berücksichtigung von kulturellen und historischen Bedingungen befolgt, hätte er eine Gemeindevereinigung nicht aussprechen dürfen, da sich diese auch aus kultureller und historischer Sicht als unsachlich erweist.
4.2.1.4. Weitere Kriterien der Sachlichkeit
4.2.1.4.1. Distanz
Das Gemeindeamt der Antragstellerin ist ca. 5 Kilometer vom Gemeindeamt der Gemeinde Ilztal im Ort Prebensdorf entfernt. Ein in sich geschlossenes Siedlungsgebiet zwischen den beiden Gemeinden besteht nicht. Vielmehr besteht die Antragstellerin aus dem einheitlichen Ortskern Preßguts und dem bis zu weitere 4 Kilometer entfernten Ortsteil Schirnitz. Die Bewohner dieses Ortsteils müssen somit eine Strecke von etwa 9 Kilometern zurücklegen, um das Gemeindezentrum von Ilztal zu erreichen. Die Gemeinde Ilztal ist selbst in die Orte Neudorf, Großpesendorf und Prebensdorf aufgeteilt. Der […] Landesgesetzgeber nimmt auf periphere Ortsteile jedoch keinerlei Rücksicht. Auch wenn es – folgend der bisherigen Rechtsprechung des VfGH zu Gemeindevereinigungen – eine steigende Mobilität der Bevölkerung geben sollte, werden die Nachteile für jenen Teil der Bevölkerung mit schlechterer Mobilität verstärkt. Gerade für den älteren Teil der Bevölkerung ist die Zurücklegung größerer Wegstrecken schwieriger. Wenn der […] Landesgesetzgeber eine Überalterung der Gesellschaft als Begründung der Gemeindevereinigungen anführt, ist ihm entgegenzuhalten, dass gerade für diese Bevölkerungsgruppe die negativen Auswirkungen der Gemeindevereinigungen besonders stark ausfallen.
Der […] Landesgesetzgeber nennt im Zuge der Gemeindevereinigung der Gemeinde Saifen-Boden ua mit der Marktgemeinde Pöllau gemäß §3 Abs4 Z7 StGsrG eine Entfernung von 5 Kilometern bei guter Verkehrsanbindung als zumutbar.[…] Daraus muss im Umkehrschluss geschlossen werden, dass er – zu Recht – eine Entfernung von 9 Kilometern – bei fehlender Verkehrsverbindung – als unzumutbar ansieht.
Somit kann durch eine Gemeindevereinigung keine Verbesserung für die Gemeindebevölkerung erwartet werden.
4.2.1.4.2. Zugehörigkeitsgefühl zur vereinigten Gemeinde
Nachdem die Pläne der […] Landesregierung zur Vereinigung der Antragstellerin mit der Gemeinde Ilztal publik wurden, bildete sich zunehmender Widerstand gegen das gegenständliche Gesetz in der Gemeindebevölkerung der Antragstellerin.
Daraufhin führte die Antragstellerin am 20.1.2013 eine Volksbefragung durch, um die Gemeindebürger als unmittelbar Betroffene der Gemeindevereinigung darüber abstimmen zu lassen, in welcher Gemeinde sie leben möchten. Bei einer Wahlbeteiligung von 64,3 % stimmten 65,2 % der Wahlberechtigten gegen die vom […] Landesgesetzgeber oktroyierte Gemeindevereinigung. An der ablehnenden Haltung der Bevölkerung hat sich seit der Volksbefragung nichts geändert und die Einbringung des gegenständlichen Individualantrages ist deutlichstes Zeichen für den allgemeinen, anhaltenden Widerstand gegen die Gemeindevereinigung.
[…]
Neben diesem demokratiepolitischen Mangel kann, ausgehend vom Ergebnis der Volksbefragung (im Sinne einer Prognoseentscheidung), nicht davon ausgegangen werden, dass ein Zugehörigkeitsgefühl der Bevölkerung zu der vereinigten Gemeinde entstehen wird. […]
Die Gemeindebevölkerung hat sich deutlich gegen die Gemeindevereinigung ausgesprochen und die Gemeindevereinigung ist auch aus dem Grund des fehlenden Zugehörigkeitsgefühls der Bevölkerung unsachlich.
4.2.1.4.3. Zahlreiche schwere Begründungsmängel
Insgesamt wird in den Erläuternden Bemerkungen nicht nachvollziehbar dargelegt, auf welchen Informationen und Daten die Gemeindevereinigung der Antragstellerin mit ihrer Nachbargemeinde beruht.
Zur Beurteilung der Sachlichkeit hätte der […] Landesgesetzgeber jedoch ausführen müssen, welche Vorteile konkret durch die Gemeindevereinigung herbeigeführt werden können[,] und er hätte diese mit überprüfbaren Zahlen belegen müssen.
Die Erläuternden Bemerkungen beschränken sich großteils auf Allgemeinfeststellungen und das pauschale Zitieren von 'Stehsätzen', ohne dass auf den Einzelfall der Antragstellerin hinreichend Bezug genommen wird. Somit kann für die konkrete Gemeinde keine spezifische Notwendigkeit für eine Gemeindevereinigung abgeleitet werden. Auch nach Prüfung der vom […] Landesgesetzgeber aufgestellten Ziele der Reform wird ersichtlich, dass diese entweder bereits gegeben sind, oder dass durch die Gemeindevereinigung keine Verbesserung der Ist-Situation in Bezug auf ebendiese Ziele erreicht werden kann.
Dies wiegt umso mehr, als dass sich die Antragstellerin in den Jahren seit erstmaliger Bekanntmachung der Absicht zur Gemeindevereinigung bis zur Gesetzeskundmachung intensiv darum bemüht hat, die Gründe der Vereinigung in Erfahrung zu bringen[.]
[…]
Da die Erläuterungen zum Gesetz, wie ausführlich dargelegt, jedoch selbst mangelhaft sind und sich jeglicher konkreter Begründung enthalten, bleibt das Gesetz unbegründet und ist auch aus diesem Grunde unsachlich und damit verfassungswidrig.
4.2.2. Ungleichbehandlung vergleichbarer Gemeinden
4.2.2.1. Über die bisher angeführten Gründe hinaus hat es der […] Landesgesetzgeber, in offenkundiger Verletzung des Gleichheitsgebots, unterlassen, aufgrund der in §1 StGsrG angeführten Ziele, weitere Gemeindevereinigungen anzuordnen.
4.2.2.2. Der […] Landesgesetzgeber führt in den Erläuterungen zu sämtlichen Gemeindevereinigungen im Wesentlichen die gleichen Gründe an, die sich überwiegend auf Infrastruktur/Dienstleistungen ('Unterversorgung'), Demographie und finanzielle Auswirkungen beschränken. Die dabei angestellten Überlegungen lassen sich aber auf eine große Anzahl an weiteren Gemeinden umlegen, die aber aus politischen Gründen, welche nicht öffentlich gemacht wurden, von einer zwangsweisen Gemeindevereinigung verschont wurden.
Die[se] Gemeinden weisen teils eine mit der Antragstellerin vergleichbare, teils eine wesentlich schwächere Gemeindestruktur auf, was die Bevölkerungsanzahl sowie das Angebot an Infrastruktur und Dienstleistungen betrifft; dennoch ordnete der […] Landesgesetzgeber keine Gemeindevereinigung an[.]
[…]
Bezüglich sämtlicher dieser nicht zusammengelegten Gemeinden könnten die gleichen allgemeinen Gründe für eine Gemeindevereinigung angeführt werden, wie jene, die zur angeordneten Vereinigung der Antragstellerin mit der Gemeinde Ilztal geführt haben. Dass der […] Landesgesetzgeber eine Zwangsvereinigung [dieser] Gemeinden nicht angeordnet hat, lässt erkennen, dass es andere, politische Gründe gibt, aus denen die[se] Gemeinden vor einer Zwangsvereinigung verschont wurden. Da die im Gesetz angeführten Kriterien für die Bewertung der Zusammenlegungen durch (weitere) unsachliche, ungeschriebene, politische Kriterien erweitert werden, ist das bekämpfte Gesetz schon aus diesem Grunde gleichheits- und damit verfassungswidrig.
4.2.3. Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
4.2.3.1. Wahl des schonendsten Mittels
[…]
4.2.3.1.2. Auch aufgrund der Verletzung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ist das StGsrG zur Gänze, und §3 Abs11 Z1 StGsrG im Besonderen, verfassungswidrig, da eine Gemeindevereinigung nicht das schonendste Mittel ist, um die in §1 StGsrG dargestellten Ziele zu erreichen. […]
Die Auflösung von Gemeinden ist die schwerwiegendste in die Rechte der betroffenen Gemeinden eingreifende Maßnahme. Die Wahl des schärfsten Mittels (Auflösung der Selbstbestimmungs- und Selbstverwaltungseinheit) bei Vorhandensein von gelinderen Mitteln entspricht nicht dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Gemeindezusammenlegungen, welche nicht auf freiwilliger Basis[,] sondern vielmehr unter Zwang erfolgen, sind als nicht zeitgemäß zu betrachten.
4.2.3.2. Gemeindeverbände / Kleinregionen
4.2.3.2.1. Die Ziele der Gemeindestrukturreform – sofern diese in Bezug auf die Antragstellerin nicht ohnehin bereits erfüllt sind – können auch mit anderen Mitteln, etwa mit der Bildung von Gemeindeverbänden oder dem Konzept der Kleinregionen erreicht werden, ohne dass es entgegen den Willen der betroffenen Bevölkerung zur Auflösung von Gemeinden kommt.
Wie in den Erläuternden Bemerkungen festgehalten, bestehen Kooperationen als Teil des Standesamts- und Staatsbürgerschaftsverbandes 'Pischelsdorf in der Steiermark', darüber hinaus ist die Gemeinde im Reinhalteverband 'Ilztal' organisiert.[…]
Darüber hinaus bestehen Zugehörigkeiten zur Leader Region 'Oststeirisches Kernland', dem Abfallwirtschaftsverband Weiz, eine Kooperation mit den Gemeinden Puch bei Weiz und Etzersdorf-Rollsdorf betreffend die Kanalisation sowie eine Zugehörigkeit zur Kleinregion Kulmland (Reichendorf, Pischelsdorf, Hirnsdorf, Gersdorf a.d. Feistritz, Oberrettenbach, Ilztal, Preßguts, Kulm b. Weiz), aufgrund derer es vor Bekanntmachung der Gemeindevereinigungen zahlreiche Zusammenkünfte gegeben hatte. Seit der Anordnung zwangsweiser Gemeindevereinigungen durch den […] Landesgesetzgeber haben sich die Tätigkeiten der Kleinregion auf ein Minimum reduziert; gleiches gilt für die Entwicklung eines Kleinregionalen Entwicklungskonzepts. Dies zeigt, dass es bereits eine umfangreiche interkommunale Zusammenarbeit gibt, die auch die Basis bildet, über das Konzept der Gemeindeverbände / Kleinregionen Effizienzsteigerungen und Kostenersparnisse herbeizuführen. Durch die gesetzlich angeordneten Gemeindevereinigungen wurden diese Bemühungen zwangsweise beendet.
Von der positiven Entwicklung der Gemeindekooperationen ausgehend, kann es auch nicht dem Willen des Bundesgesetzgebers entsprechen, dass das Konzept der Gemeindeverbände, das erst mit der B-VG-Novelle zur Stärkung der Gemeinden[…] 2011 umfassend verbessert wurde, bereits nach kurzer Zeit durch den […] Landesgesetzgeber ausgehöhlt wird. Dieser hat es vielmehr unterlassen, nachvollziehbare Gründe darzustellen, weswegen eine Gemeindeverbandslösung nicht weiter verfolgt wurde.
4.2.3.2.2. In den Erläuternden Bemerkungen[…] wird zu den Gründen, die gegen die Verbandslösung sprechen, angeführt, dass 'Gemeindevereinbarungen im Falle der Besorgung von Angelegenheiten der Hoheitsverwaltung die Funktion der beteiligten Gemeinden als Selbstverwaltungskörper nicht gefährden' dürfen (Art116a Abs1 Z1 B-VG). Damit verbiete das B-VG eine 'zu verdichtete' Gemeindekooperation, die Gemeinden müssten Selbstverwaltungskörper bleiben. Einer einem Gemeindezusammenschluss vergleichbaren Struktur seien schon damit Grenzen gesetzt.
Worin in der unveränderlichen Konzeption der Gemeinden als Selbstverwaltungskörper ein Nachteil zu sehen sein soll, wird vom […] Landesgesetzgeber nicht ausgeführt.
4.2.3.2.3. Weiters könne 'die finanzielle Leistungskraft durch Gemeindekooperationen zwar gestärkt werden', nicht gesichert sei aber 'die Nachhaltigkeit dieser Stärkung'. Insbesondere könnten die einem Gemeindeverband beigetretenen Gemeinden diesen wieder verlassen. Eine 'Kündigung' einer rechtswirksamen Gemeindevereinigung sei hingegen nicht möglich. […]
Der […] Landesgesetzgeber erkennt somit an, dass Gemeindeverbände eine gleichartige finanzielle Stärkung der Gemeinden zur Folge haben können. Dies entspricht dem obersten Ziel des StGsrG, der Stärkung der Leistungsfähigkeiten der Gemeinden. Wenn die Kündigung des Gemeindeverbandes als wesentlicher Grund für die Ablehnung der Verbandslösung angeführt wird, ist dem entgegenzuhalten, dass der […] Landesgesetzgeber durch eine einfache Änderung der GemO Vorkehrungen schaffen könnte; etwa durch die Regelung, dass die Mitgliedschaft in Gemeindeverbänden nur aus einem wichtigen (taxativ aufgezählten) Grund beendet werden kann. Eine solche Regelung kann auch schon derzeit im Zuge der Errichtung des Gemeindeverbands vertraglich einvernehmlich von den Parteien festgelegt werden (etwa samt Vereinbarung einer Pönale). Dadurch lässt [sich] der Verbleib im Verband und damit die Nachhaltigkeit der Stärkung der Leistungskraft der Gemeinden sicherstellen, ohne dass Selbstbestimmungs- und Selbstverwaltungseinheit beendet werden.
4.2.3.2.4. Weiters könnten 'Gemeinden in verschiedenen Angelegenheiten mit jeweils anderen Körperschaften unterschiedliche Kooperationen bilden'. Dadurch könne sich ein 'nach Angelegenheiten differenziertes, heterogenes 'Kooperationsnetz' entwickeln, was insbesondere die zentralörtliche Raumplanung erheblich erschweren' könne. Auch unter dem Gesichtspunkt einer effektiven Gemeindeaufsicht könne sich ein unstrukturiert entwickeltes Kooperationsnetz nachteilig auswirken.
Der […] Landesgesetzgeber lässt hierbei außer Acht, dass gerade das von ihm angeführte Beispiel der Raumplanung im Bereich der örtlichen Raumplanung Sache im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden ist und daher von diesen autonom geregelt werden kann. Eine örtliche Raumplanung wird eine zentralörtliche Raumplanung zu berücksichtigen haben, unabhängig davon, welche Flächengröße eine Gemeinde aufweist und ob sie aus mehreren 'vereinigten Gemeinden' besteht oder nicht. Darüber hinaus kann auch eine 'vereinigte Gemeinde' Kooperationen mit anderen Gemeinden bilden, sodass dieses Ziel des […] Landesgesetzgebers auch durch Gemeindevereinigungen nicht erreicht werden kann.
Der […] Landesgesetzgeber könnte seine Befürchtung hinsichtlich eines unstrukturiert entwickelten Kooperationsnetzes somit nur dadurch entkräften, indem der Gemeindeverband als solches oder die Zuständigkeiten der Gemeinden abgeändert werden würden; dies liegt jedoch im Zuständigkeitsbereich des Bundesgesetzgebers. Eine Gemeindevereinigung hat auf die Bildung von Kooperationsnetzen keine Auswirkungen.
4.2.3.2.5. Zuletzt würde durch eine Verbandslösung der 'generelle Arbeits- und Verwaltungsaufwand erhöht', da eine zusätzliche Verwaltungsebene über den Gemeinden geschaffen wird. Damit könne den Erwartungen in eine funktionierende, kostengünstige Verwaltung in vielen Bereichen nicht entsprochen werden.
Der Aufwand der einzelnen Gemeinden bewegt sich auf einem ausgesprochen niedrigen Niveau.
4.2.3.2.6. Auch in dem von der […] Landesregierung herausgegebenen Leitbild 'Stärkere Gemeinden – Größere Chancen'[…] wird auf das Projekt 'Regionext', durch das die Steiermark in sieben Regionen und rund 90 Kleinregionen gegliedert wurde[,] Bezug genommen. Das Konzept der Kleinregionen ermöglichte es, 'viele, gut funktionierende Kooperationen […] in den letzten Jahren [aufzubauen]'. Der Weg der thematischen Kooperation solle auch weiterhin in der Steiermark bestritten werden. Einzig die Nachhaltigkeit wird angezweifelt; diese kann aber – wie soeben ausgeführt – durch begleitende Maßnahmen sichergestellt werden.
4.2.3.2.7. Aufgrund der Tatsachen, dass die Gemeindeverbände erst 2011 mit einer Erweiterung ihrer Befugnisse ausgestattet wurden, dass die Gründe, die der […] Landesgesetzgeber bei der Ablehnung der Verbandslösung anführt, nicht zutreffend sind und dass die Ziele des StGsrG auch mit der Bildung von Gemeindeverbänden erreicht werden könnten, widerspricht die angeordnete Gemeindevereinigung dem Verhältnismäßigkeitsprinzip und ist damit verfassungswidrig.
4.2.3.2.8. Darüber hinaus ist auch über das Konzept der Kleinregionen gemäß §38a GemO, in denen mehrere Gemeinden Verwaltungsgemeinschaften bilden, welche zentrale, gemeinschaftlich genutzte Stellen zur Besorgung von behördlichen und privatwirtschaftlichen Angelegenheiten erledigen, durch die Novellierung der GemO[…] eine Möglichkeit geschaffen worden, Einsparungen vorzunehmen. Hierzu hätte der […] Landesgesetzgeber auszuführen gehabt, aus welchen Gründen eine Kleinregionenlösung abgelehnt wurde.
4.3. Unzulässigkeit der Gemeindevereinigung
Im Ergebnis verstößt die vom […] Landesgesetzgeber angeordnete zwangsweise Gemeindevereinigung der Antragstellerin mit ihrer Nachbargemeinde, der Gemeinde Ilztal, gemäß §3 Abs11 Z1 StGsrG gegen die Bestandsgarantie der Institution Gemeinde, das Sachlichkeitsgebot und das Verhältnismäßigkeitsprinzip und ist damit verfassungswidrig.
5. Darlegung der Bedenken gegen §8 Abs4 GemO
5.1. Verstoß gegen den Gleichheitssatz – Unsachlichkeit des §8 Abs4 GemO
§8 Abs4 GemO ist ungeeignet, um im Zusammenhang mit dem StGsrG und der beabsichtigten flächendeckenden Umstrukturierung der Gemeinden des Landes Steiermark eine sachliche Grundlage für die Rechtsüberleitungen zu sorgen. Gemeindevereinigungen können immer nur eine ultima ratio sein. Wenn sie – wie hier – flächendeckend angeordnet werden, werden aufgrund von §8 Abs4 GemO auch flächendeckend neue Vertragsverhältnisse geschaffen. Dies führt dazu, dass ein Vertragspartner einer Altgemeinde, der eine Vertragsbeziehung – im Sinne der Privatautonomie – eingegangen ist, einen neuen Vertragspartner zur Seite gestellt bekommt, der etwa auch durchaus finanziell schlechter gestellt sein kann[…] als der vorherige Vertragspartner. Gerade bei Verträgen mit (kleineren) Gemeinden spielen persönliche Motive beim Vertragsschluss eine übergeordnete Rolle. Gemeindebürger wollen einen Beitrag zu 'ihrer' Gemeinde leisten und der Allgemeinheit einen Dienst erweisen, indem sie dieser – in Gestalt der Gemeinde – zB Liegenschaften vermieten / verpachten. Dies zeigt sich etwa auch anhand der zahlreichen ehrenamtlichen Tätigkeiten, die zugunsten der Antragstellerin durchgeführt werden.
Durch §8 Abs4 GemO werden sämtliche dieser vertraglichen Beziehungen einer neuen Vertragspartnerin übergeleitet, zu der keine persönlichen Naheverhältnisse bestehen und die im Gegensatz dazu, aufgrund der vom […] Landesgesetzgeber angeordneten zwangsweisen Gemeindevereinigung, – überspitzt formuliert – vielmehr vielfach als ungewünschter 'Eindringling' gesehen werden wird.
Das Gesetz sieht für den Dritten keinerlei Widerspruchsrecht oder Kündigungsrecht vor und trägt diesem somit auf, die vom […] Landesgesetzgeber geschaffene neue Privatrechtslage hinzunehmen. Um eine dem Sachlichkeitsgebot entsprechende Rechtslage zu schaffen, hätte aber zumindest eine Regelung in das Gesetz aufgenommen werden müssen, die – ähnlich dem §38 Abs2 UG