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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des SB in W, vertreten durch H - S, Rechtsanwälte in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 14. Juli 2000, Zl. IIa-53.007/8-00, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Nach dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides wurde dem Beschwerdeführer im Instanzenzug mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid die Gewerbeberechtigung für das Gewerbe "Holzakkordant, einschließlich des Betriebes von transportablen Materialseilbahnen" im näher bezeichneten Standort gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 i.V.m. § 13 Abs. 3 GewO 1994 entzogen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, mit Beschlüssen des Landesgerichtes Innsbruck vom 13. Oktober 1999 und vom 3. Novembr 1999, sei jeweils ein Antrag auf Konkurseröffnung mangels eines zur Deckung des Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen worden. Den vom Bezirksgericht Hopfgarten übermittelten Registerausdrucken sei zu entnehmen, dass seit dem Jahr 1998 insgesamt 63 Exekutionsanträge betreibender Gläubiger mit Forderungen in der Gesamthöhe von mehr als 1,6 Mio. s.A. gegen den Beschwerdeführer eingebracht worden seien. Auch beim Bezirksgericht Kufstein seien etliche Exekutionsanträge mit einer Forderungshöhe von insgesamt mehr als S 150.000,-- gegen den Beschwerdeführer eingebracht worden. Weiters habe die Tiroler Gebietskrankenkasse mit Schreiben vom 27. April 2000 mitgeteilt, dass auf dem Beitragskonto des Beschwerdeführers derzeit die Beiträge für die Monate Dezember 1998, Jänner 1999 sowie April bis Juni 1999 in der Höhe von S 68.205,57 offen aushafteten, eine Ratenvereinbarung nicht bestehe und aus der Sicht der Tiroler Gebietskrankenkasse kein Interesse an einer weiteren Gewerbeausübung vorliege. Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft habe mit Schreiben vom 3. Mai 2000 mitgeteilt, dass auf dem Beitragskonto des Beschwerdeführers derzeit ein Beitragsrückstand in der Höhe von S 187.067,78 zuzüglich 7,92 % Verzugszinsen ab 3. Mai 2000 aus S 175.714,84 Kapital für den Zeitraum vom 1. September 1998 bis 30. Juni 2000 aufscheine, ein Ratenansuchen vom Beschwerdeführer bisher nicht eingebracht worden sei und eine weitere Gewerbeausübung durch den Beschwerdeführer nicht im Interesse der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft liege. Das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens sei dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreter zur Kenntnis gebracht und ihm Gelegenheit gegeben worden, dazu eine Stellungnahme abzugeben und allfällige Beweismittel, die ein Absehen von der Entziehung der Gewerbeberechtigung rechtfertigen könnten, insbesondere eine Aufstellung sämtlicher Forderungen und Verbindlichkeiten, allfällige Zahlungs- und Stundungsvereinbarungen sowie eine Aufstellung der laufenden Einnahmen und Ausgaben sowie der allenfalls vorhandenen liquiden Mittel, vorzulegen. Hievon habe der Beschwerdeführer jedoch trotz Verlängerung der Stellungnahmefrist keinen Gebrauch gemacht. Auf Grund der Ergebnisse des von der Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens könne insgesamt nicht davon ausgegangen werden, dass die weitere Gewerbeausübung durch den Beschwerdeführer vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen sei. Um im vorliegenden Fall von der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 87 Abs. 2 GewO 1994 ausgehen zu können, hätte es des Nachweises bedurft, dass der Beschwerdeführer über so viele liquide Mittel verfüge, dass er alle gegen ihn offenen Forderungen bei Fälligkeit, also gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung getroffener Zahlungsvereinbarungen, erfüllen könne. Diesen Nachweis habe der Beschwerdeführer jedoch nicht erbracht, sondern habe die entscheidende Behörde vielmehr erhoben, dass insbesondere gegenüber den Gläubigern Tiroler Gebietskrankenkasse und Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft keine Zahlung erfolgt sei und auch keine Ratenzahlungsvereinbarung abgeschlossen worden sei. Auch hinsichtlich der zahlreichen Gläubiger, die ihre Forderungen bereits auf exekutivem Weg betrieben, seien keinerlei Zahlungsnachweise oder Zahlungsvereinbarungen erbracht worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, er habe seine persönliche Einvernahme angeboten, um seine Gesamtsituation zusammenhängend darzustellen und untermauern zu können, dass er in unmittelbar bevorstehender Zeit im Rahmen der Ausübung seines Gewerbes als freier Mitarbeiter einer näher bezeichneten Firma (im Folgenden: K) ein regelmäßiges Einkommen in entsprechender Höhe haben würde, um die aus der Vergangenheit bestehenden Verbindlichkeiten bezahlen bzw. mit den Gläubigern einen akzeptablen Vergleich schließen zu können; in Hinkunft mit der Ausübung seines Gewerbes keine erheblichen bzw. seine finanziellen Möglichkeiten übersteigenden Kosten verbunden sein würden, nachdem eine Beschäftigung auf Werkvertragsbasis und unter ausschließlicher Nutzung der betrieblichen Infrastruktur der Firma K vereinbart worden sei (und in der Zwischenzeit auch tatsächlich ausgeübt werde). Der ehemalige Betrieb des Beschwerdeführers in Hopfgarten, in dem auch mehrere Arbeitnehmer beschäftigt gewesen seien, sei - wie auch seitens der Behörde unschwer zu erheben gewesen wäre und vom Beschwerdeführer ohnehin dargetan worden sei - längstens still gelegt. Entsprechende Maschinen seien nicht mehr vorhanden. Es fielen weder Lohn- noch Lohnnebenkosten an, auch keine Mieten, Anschaffungskosten für Maschinen, Wartungs- oder Betriebskosten. Der Beschwerdeführer hätte im Rahmen seiner Einvernahme Gelegenheit gehabt, darzulegen, dass eine Beschäftigung bei seinem Auftraggeber, der Firma K , lediglich auf Werkvertragsbasis überhaupt möglich sei und damit zur Voraussetzung habe, dass er eine entsprechende Gewerbeberechtigung besitze. Er hätte auch glaubhaft machen können, dass das daraus resultierende erhebliche Einkommen ausschließlich für den notwendigen eigenen Lebensbedarf sowie die Abdeckung der Verbindlichkeiten aus der Vergangenheit benötigt würde. Angesichts der Berufungsausführungen wäre seitens der Behörde unschwer - insbesondere auch durch Einvernahme des Beschwerdeführers - zu erheben gewesen, dass neuerliche Verbindlichkeiten auf Grund der Art und Weise der künftigen Ausübung des Gewerbes durch den Beschwerdeführer nicht zu erwarten und dass die aus der Vergangenheit bestehenden Verbindlichkeiten überschaubar binnen angemessener Zeit zu regulieren seien. Die entscheidende Behörde habe offensichtlich mit dem Gläubiger Tiroler Gebietskrankenkasse Kontakt aufgenommen und verweise darauf, dass eine Ratenvereinbarung nicht bestehe. Die Behörde nehme jedoch nicht Bezug auf den Umstand, dass die Forderung der Gebietskrankenkasse bis 30. Juni 2000 gestundet worden sei. Die Behörde habe dem Beschwerdeführer aufgetragen, allfällige Zahlungs- und Stundungsvereinbarungen sowie eine Aufstellung der laufenden Einnahmen und Ausgaben sowie der allenfalls liquiden Mittel vorzulegen, obwohl der Beschwerdeführer ausgeführt habe, dass er umfassende Verhandlungen mit den Gläubigern erst nach Aufnahme seiner Tätigkeit bei der Firma K aufnehmen könne. Er hätte jedoch im Rahmen seiner Einvernahme zumindest dartun können, wie hoch sein Einkommen ab Juni 2000 erwartungsgemäß im Durchschnitt sein werde und welchen Regulierungsvorschlag er auf Basis dieses Einkommens an die Gläubiger zu unterbreiten in der Lage sein werde. Die damit im Zusammenhang stehenden Erwägungen betreffend das Einkommen des Beschwerdeführers hätten seitens der Behörde auch unschwer direkt beim Auftraggeber durchgeführt werden können. Der Beschwerdeführer habe im Rahmen seiner Berufungsausführungen dargetan, dass - soweit seine Verbindlichkeiten nicht ohnehin schon durch den Verkauf seines Hauses getilgt worden seien - er im Rahmen seiner Tätigkeit als ständiger Auftragsnehmer der Firma K beabsichtige, ehestmöglich nach Aufnahme dieser Tätigkeit (frühestens im Mai 2000) eine Regulierung seiner restlichen Verbindlichkeiten herbeizuführen und dass bereits ein konkreter Auftrag an seinen Rechtsvertreter bestehe, die diesbezüglich erforderlichen Schritte zu unternehmen. Andererseits sei es auf Grund der Art und Weise der beabsichtigten Ausübung des Gewerbes für die belangte Behörde offensichtlich, dass im Zusammenhang mit der weiteren Gewerbeausübung die Entstehung relevanter Verbindlichkeiten, vom persönlichen Lebensbedarf des Beschwerdeführers abgesehen, nicht zu erwarten seien und sich damit die Frage der entsprechenden liquiden Mittel nicht stelle. Damit lägen aber die Voraussetzungen der Anwendung des § 87 Abs. 2 GewO 1994 vor, und zwar auch dann, wenn seitens der Gebietskrankenkasse bzw. der Sozialversicherung ein Interesse an der Ausübung des Gewerbes durch den Beschwerdeführer nicht bekundet worden sei.
Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 ist von der Behörde die Gewerbeberechtigung zu entziehen, wenn einer der im § 13 Abs. 3 und 5 angeführten Umstände, die den Gewerbeausschluss bewirken, vorliegt.
Nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle kann die Behörde von der im Abs. 1 Z. 2 vorgeschriebenen Entziehung der Gewerbeberechtigung wegen Eröffnung des Konkurses oder Abweisung eines Antrages auf Konkurseröffnung mangels eines zur Deckung des Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens absehen, wenn die Gewerbeausübung vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen ist.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht das Vorliegen eines Entziehungsgrundes im Sinne des § 87 Abs. 1 Z. 2 i.V.m. § 13 Abs. 3 GewO 1994; er meint lediglich, es seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 87 Abs. 2 leg. cit. für das Absehen von der Entziehung gegeben.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, ist - ausgehend vom normativen Gehalt der zitierten Bestimmung - die Gewerbeausübung nur dann "vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen", wenn auf Grund der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage erwartet werden kann, dass der Gewerbetreibende auch den mit der Ausübung des den Gegenstand der ausgesprochenen Entziehung bildenden Gewerbes verbundenen Zahlungspflichten nachkommen wird, was jedenfalls voraussetzt, dass die erforderlichen liquiden Mittel zur Abdeckung der diesbezüglichen Verbindlichkeiten vorhanden sind. Hingegen ist es nicht schon allein entscheidungsrelevant, dass das entzogene Gewerbe ausgeübt wird, damit die vorhandenen Forderungen berichtigt werden (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. September 1997, Zl. 97/04/0147, und die dort angegebene Vorjudikatur). Soweit also in der Beschwerde gerade auf Letzteres abgestellt wird, so kann dies nach der Rechtsprechung, von der abzugehen der Verwaltungsgerichtshof keinen Anlass findet, die Beschwerde nicht zum Erfolg führen. Im Übrigen lässt auch das Beschwerdevorbringen erkennen, dass der Beschwerdeführer derzeit nicht über die entsprechenden liquiden Mittel verfügt, alle vorhandenen und fälligen (d.h. nicht durch eine Zahlungsvereinbarung regulierten) Schulden zu tilgen (vgl. nochmals das vorzitierten Erkenntnis vom 30. September 1997). Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher in der Annahme der belangten Behörde, es seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 87 Abs. 2 GewO 1994 nicht erfüllt, eine Rechtswidrigkeit nicht zu erblicken.
Daran ändert auch nichts, wenn der Beschwerdeführer im Hinblick auf die besondere Art der beabsichtigten zukünftigen Gewerbeausübung ins Treffen führt, eine Schädigung weiterer Gläubiger könne nicht eintreten und er sich dabei auf die hg. Rechtsprechung beruft, wonach auch zu berücksichtigen sei, dass die mit einer weiteren Gewerbeausübung zu erwartenden Verbindlichkeiten durch liquide Mittel beglichen werden können (müssen), um nicht eine Schädigung weiterer Gläubiger eintreten zu lassen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 28. Mai 1991, Zl. 90/04/0349). Der Beschwerdeführer übersieht dabei, dass der Gewerbeberechtigte an seine Erklärung über die von ihm ins Auge gefasste besondere Art der Gewerbeausübung nicht gebunden ist, er vielmehr im gesetzlichen Rahmen die Art der Gewerbeausübung frei gestalten kann und insofern eine Schädigung weiterer Gläubiger nicht ausgeschlossen werden kann.
Vor diesem Hintergrund zeigt der Beschwerdeführer in seinen Verfahrensrügen auch nicht die Wesentlichkeit eines allenfalls vorliegenden Verfahrensmangels auf; davon abgesehen, besteht auch kein subjektives Recht darauf, vor der Behörde mündlich gehört zu werden (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1992, Zl. 91/02/0147).
Da somit schon das Vorbringen in der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis hatte ein Abspruch des Berichters über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde zu unterbleiben.
Wien, am 27. September 2000
Schlagworte
Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Diverses VwRallg10/1/3Parteiengehör Unmittelbarkeit Teilnahme an BeweisaufnahmenSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel ParteienvernehmungBeweismittelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000040151.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
10.06.2009