TE Vfgh Beschluss 2014/11/20 G9/2014

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Veröffentlicht am 20.11.2014
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Index

22/02 Zivilprozeßordnung

Norm

B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
ZPO §41 Abs1
VfGG §62 Abs4

Leitsatz

Zurückweisung eines Gerichtsantrags auf Aufhebung einer Bestimmung der ZPO betreffend den Prozesskostenersatz an einen Nebenintervenienten mangels Präjudizialität infolge Zurückziehung des Kostenrekurses

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. 1. Das Landesgericht Salzburg beantragt – gestützt auf Art89 Abs2 iVm Art140 Abs1 Z1 lita B-VG – aus Anlass eines Kostenrekurses zweier Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei die Aufhebung der Wortfolge "sowie dem diesem beigetretenen Nebenintervenienten" in §41 Abs1 erster Satz der Zivilprozessordnung – ZPO, RGBl. 113/1895, idF StGBl. 95/1919 als verfassungswidrig.

Dieser Kostenrekurs richtet sich gegen einen Beschluss des Bezirksgerichtes Salzburg, mit dem der beklagten Partei in einem Rechtsstreit wegen € 702.442,37 s.A. die Prozesskosten auferlegt werden, und zwar sowohl die Kosten der klagenden Partei als auch die Kosten von vier der fünf Nebenintervenienten, mit der Behauptung, dass die den beiden Rekurswerbern zugesprochenen Kosten zu gering bemessen worden seien.

Die Rekursgegnerin (beklagte Partei) erstattete eine Rekursbeantwortung, in der sie begehrt, dem Rekurs keine Folge zu geben und den beiden Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei die Kosten des Rekursverfahrens aufzuerlegen.

2. Nach Einleitung des Vorverfahrens legte das Landesgericht Salzburg dem Verfassungsgerichtshof den Schriftsatz vom 27. Februar 2014, mit dem die beiden Nebenintervenienten ihren Rekurs zurückgezogen haben, sowie den daraufhin von der beklagten Partei (Rekursgegnerin) eingebrachten Kostenbestimmungsantrag vor.

3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie nicht zuletzt in Ansehung der mittlerweile erfolgten Zurückziehung des Rekurses primär die Zurück-, in eventu die Abweisung des Antrages begehrt.

II. 1. Die Frage des Prozesskostenersatzes ist im Fünften, mit "Prozesskosten." überschriebenen Titel der ZPO (§§40 bis 55) allgemein geregelt. Darüber hinaus finden sich zahlreiche weitere Einzelvorschriften über den Kostenersatz, die jeweils auf bereits im Kostenersatzrecht (ieS) enthaltene Grundsätze zurückgehen oder diese konkretisieren. §40 Abs2 ZPO legt einerseits fest, dass die Frage des Kostenersatzes zwischen den Prozessparteien nach dem Fünften Titel der ZPO, also den §§41 ff., zu beurteilen ist, andererseits wird bestimmt, dass diesen Vorschriften besondere in diesem Gesetz enthaltene Anordnungen vorzugehen haben. Eine solche "besondere Anordnung" findet sich in §484 Abs2 ZPO.

2. §41 ZPO – die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben – lautet wie folgt:

"§. 41.

(1) Die in dem Rechtsstreite vollständig unterliegende Partei hat ihrem Gegner, sowie dem diesem beigetretenen Nebenintervenienten alle durch die Processführung verursachten, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsvertheidigung nothwendigen Kosten zu ersetzen. Welche Kosten als nothwendig anzusehen sind, hat das Gericht bei Feststellung des Kostenbetrages ohne Zulassung eines Beweisverfahrens nach seinem von sorgfältiger Würdigung aller Umstände geleiteten Ermessen zu bestimmen.

(2) Soweit das Maß der Entlohnung des Rechtsanwalts oder sonst die Höhe der Kosten durch Tarife geregelt ist, hat die Feststellung des Kostenbetrages nach diesen Tarifen zu geschehen.

(3) Die Vorschriften des ersten Absatzes gelten insbesondere auch hinsichtlich der Kosten, welche durch die Zuziehung eines nicht am Sitze des Processgerichtes oder des ersuchten Richters wohnenden Rechtsanwalts entstanden sind. Die Kosten, welche dadurch verursacht wurden, dass für die nämliche Partei mehrere Rechtsanwälte beigezogen wurden, sind jedenfalls nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten der Beiziehung eines Rechtsanwalts nicht übersteigen, oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste."

Im Sinne des §40 Abs2 ZPO legt §484 Abs2 leg.cit. fest, dass die Kostenersatzpflicht denjenigen treffen soll, der eine Berufung zurücknimmt. Dies gilt auch für den Rekurs (vgl. zB OGH 16.7.1998, 6 Ob 182/98b; 25.9.2001, 10 ObS 276/01p).

§484 ZPO lautet:

"(1) Die Zurücknahme der Berufung ist bis zum Schlusse der mündlichen Berufungsverhandlung zulässig. Sie kann bei der mündlichen Verhandlung erklärt werden oder mittels Überreichung eines Schriftsatzes beim Berufungsgerichte erfolgen. Wird der Schriftsatz noch vor Beginn der mündlichen Berufungsverhandlung überreicht, so kann der Vorsitzende des Senates als Einzelrichter anordnen, daß es von der anberaumten Tagsatzung abzukommen habe.

(2) Die Zurücknahme hat nebst dem Verluste des Rechtsmittels auch die Verpflichtung zur Folge, die durch das Rechtsmittel entstandenen und insbesondere auch alle hiedurch dem Gegner verursachten Kosten zu tragen.

(3) Über die Verpflichtung zum Kostenersatze ist vom Berufungsgerichte, wenn aber der Vorsitzende des Senates angeordnet hat, daß es von der anberaumten Tagsatzung abzukommen habe (Absatz 1), vom Vorsitzenden als Einzelrichter durch Beschluß zu entscheiden. Im ersten Falle kann die Festsetzung des Kostenbetrages einem Senatsmitgliede übertragen werden. Der Antrag ist bei sonstigem Ausschluß bei der mündlichen Berufungsverhandlung, wenn aber eine solche nicht abgehalten worden ist, binnen einer Notfrist von vier Wochen nach Verständigung des Berufungsgegners von der Zurücknahme der Berufung durch das Gericht zu stellen."

III. Der Antrag erweist sich als unzulässig:

1.              Der Verfassungsgerichtshof ist zwar nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf jedoch ein Antrag im Sinn des Art140 B-VG dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (zB VfSlg 9811/1983, 16.136/2001, 16.925/2003, 18.593/2008 und VfGH 12.12.2013, G60/2013).

2.              Dies ist hier nach Zurückziehung des Kostenrekurses der Fall.

Der Verfassungsgerichtshof vermag dem antragstellenden Gericht nicht entgegenzutreten, wenn es meint, dass es bei Entscheidung eines von Nebenintervenienten erhobenen Kostenrekurses die zur Aufhebung beantragte Wortfolge anzuwenden hätte; wird dieser Rekurs – wie im vorliegenden Fall – jedoch zurückgezogen, kann denkmöglich nicht mehr davon ausgegangen werden, dass diese Bestimmung (weiterhin) eine Voraussetzung für die Entscheidung des Rekursgerichtes bildet.

Das Landesgericht Salzburg hat daher (die angefochtene Wortfolge in) §41 Abs1 erster Satz ZPO im Sinne des §62 Abs4 VfGG nicht mehr anzuwenden. Da eine Zurückziehung des Antrages nicht erfolgte, ist dieser mangels der auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes noch erforderlichen Präjudizialität der zur Aufhebung begehrten Norm als unzulässig zurückzuweisen (vgl. VfSlg 16.136/2001, 18.593/2008).

3.              Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, Zivilprozess, Prozesskosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2014:G9.2014

Zuletzt aktualisiert am

16.12.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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