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L8000 RaumordnungNorm
B-VG Art139 Abs1 Z3Leitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung eines überörtlichen Raumordnungsprogrammes über die Windkraftnutzung in Niederösterreich mangels unmittelbarer Betroffenheit der AntragstellerinSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Sachverhalt und Antragsvorbringen
1. Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z3 B-VG gestützten Antrag vom 22. September 2014 begehrt die Antragstellerin, der "Verfassungsgerichtshof wolle [...] die von der NÖ Landesregierung am 29.4.2014 aufgrund der Verordnungsermächtigung gemäß §§3 Abs1 und 19 Abs3b NÖ ROG 1976 erlassene 'Verordnung über ein sektorales Raumordnungsprogramm über die Windkraftnutzung in NÖ' hinsichtlich der gemäß Anlage 1 (Plan) zur Verordnung festgelegten Zone WE 07 wegen Verletzung des Gesetzes und wegen Verfassungswidrigkeit aufheben".
2. Aus dem Antragsvorbringen ergibt sich folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt: Die Antragstellerin ist grundbücherliche Miteigentümerin mehrerer Grundstücke in der zur Gemeinde Niederhollabrunn zählenden Katastralgemeinde Haselbach. Die Grundstücke Nr 528/1 und 528/2, KG Haselbach, werden landwirtschaftlich genutzt und befinden sich in unmittelbarer Nähe (155 m) der Zone WE 07. Die Grundstücke Nr 170, 171 und 172, KG Haselbach, sind gewidmetes Wohnbauland und liegen jedenfalls mehr als 1200 m von der Zone WE 07 entfernt.
3. Zur Zulässigkeit des Antrags wird ausgeführt, dass durch §3 Abs3 der angefochtenen Verordnung eine zukünftige Umwidmung der Grundstücke Nr 528/1 und 528/2, KG Haselbach, dauerhaft unmöglich gemacht werde. Dies stelle einen unmittelbaren Eingriff in die Rechtsposition der Antragstellerin und einen Eingriff in das Grundrecht der Eigentumsfreiheit dar. Darüber hinaus würden die "Liegenschaften nicht nur aufgrund ihrer nahen Lage zu präsumptiven Windkraftanlagen, sondern alleine durch das aus der gegenständlich angefochtenen Verordnung resultierende Umwidmungsverbot" entwertet. Als Eigentümerin der Grundstücke Nr 170, 171 und 172, KG Haselbach, sei sie unmittelbar betroffen, "weil durch die Nichteinhaltung schon der Bestimmungen der Verordnungsermächtigung, weiters durch Nichtbeachtung der Eigentümern von anlagen- und zonennahen Wohnliegenschaften gewährten Freiheitsrechte (§19 Abs3a Zif.2 NÖ ROG 1976) unmittelbar in ihre Rechtsposition eingegriffen" werde. Es drohe nicht nur durch Windkraftanlagen, sondern bereits durch die Zonenfestsetzung eine Entwertung der Grundstücke der Antragstellerin.
II. Rechtslage
1. §19 Abs3a und 3b NÖ Raumordnungsgesetz 1976, LGBl 8000-27, lauten:
"(3a) Bei der Widmung einer Fläche für Windkraftanlagen müssen
1. eine mittlere Leistungsdichte des Windes von mindestens 220 Watt/m² in 130 m Höhe über dem Grund vorliegen und
2. folgende Mindestabstände eingehalten werden:
? 1.200 m zu gewidmetem Wohnbauland und Bauland-Sondergebiet mit erhöhtem Schutzanspruch
? 750 m zu landwirtschaftlichen Wohngebäuden und erhaltenswerten Gebäuden im Grünland (Geb), Grünland Kleingärten und Grünland Campingplätzen
? 2.000 m zu gewidmetem Wohnbauland, welches nicht in der Standortgemeinde liegt. Wenn sich dieses Wohnbauland in einer Entfernung von weniger als 800 m zur Gemeindegrenze befindet, dann beträgt der Mindestabstand zur Gemeindegrenze 1.200 m. Mit Zustimmung der betroffenen Nachbargemeinde(n) kann der Mindestabstand von 2.000 m auf bis zu 1.200 m reduziert werden.
Bei der Widmung derartiger Flächen ist auf eine größtmögliche Konzentration von Windkraftanlagen hinzuwirken und die Widmung von Einzelstandorten nach Möglichkeit zu vermeiden.
(3b) Die Landesregierung hat durch die Erlassung eines Raumordnungsprogrammes Zonen festzulegen, auf denen die Widmung 'Grünland – Windkraftanlage' zulässig ist. Dabei ist insbesondere auf die im Abs3a festgelegten Abstandsregelungen, die Interessen des Naturschutzes, der ökologischen Wertigkeit des Gebietes, des Orts- und Landschaftsbildes, des Tourismus, des Schutzes des Alpenraumes, auf die vorhandenen und geplanten Transportkapazitäten der elektrischen Energie (Netzinfrastruktur) und auf Erweiterungsmöglichkeiten bestehender Windkraftanlagen (Windparks) Bedacht zu nehmen. Nach Möglichkeit ist eine regionale Ausgewogenheit anzustreben. Im Raumordnungsprogramm können weitere Festlegungen getroffen werden (z.B. Anzahl der Windkraftanlagen in einer Zone)."
2. §3 der Verordnung der Niederösterreichischen Landesregierung über ein Sektorales Raumordnungsprogramm über die Windkraftnutzung in NÖ, LGBl 8001/1-0, lautet:
"Rechtswirkungen
§3. (1) Die Widmungsart 'Grünland-Windkraftanlage' darf nur in den in den Anlagen 1 bis 4 dargestellten Zonen festgelegt werden. Die gesetzlichen Voraussetzungen des §19 Abs3a des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 sind zu beachten.
(2) Innerhalb der in den Anlagen 1 bis 4 festgelegten Zonen ist die Neuwidmung von Bauland-Wohngebiet, Bauland-Kerngebiet, Bauland-Agrargebiet, Bauland-Sondergebiet mit erhöhtem Schutzanspruch, Bauland-erhaltenswerte Ortsstruktur, Grünland-Kleingärten, Grünland-Campingplätze, Grünland-land- und forstwirtschaftliche Hofstellen sowie erhaltenswerten Gebäude im Grünland nicht zulässig.
(3) Außerhalb der festgelegten Zonen sind die im Abs2 angeführten Widmungsarten nur unter Einhaltung der in §19 Abs3a Z2 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 festgelegten Mindestabstände zulässig. Dies gilt nicht, wenn die Störungsfreiheit der im Abs2 angeführten Widmungsarten im Hinblick auf die künftige Widmung Grünland-Windkraftanlagen sichergestellt ist und gleichzeitig die Ausnutzbarkeit der Zonen nicht beeinträchtigt wird.
(4) Flächen mit der Widmungsart Grünland-Windkraftanlage außerhalb der in den Anlagen 1 bis 4 festgelegten Zonen werden von den Bestimmungen dieses Raumordnungsprogrammes nicht berührt."
III. Erwägungen
Der Antrag ist nicht zulässig.
3. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie – im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 Z3 B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg 8594/1979, 15.527/1999, 16.425/2002 und 16.426/2002).
4. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob die bekämpfte Verordnung selbst unmittelbar in die Rechtssphäre der Antragstellerin eingreift.
2.1. Mit der Frage der Wirkung überörtlicher Raumordnungsprogramme befasste sich der Verfassungsgerichtshof bereits in seinen Erkenntnissen VfSlg 10.350/1985, 12.719/1991, 14.881/1997, 14.962/1997 und 18.882/2009. Im Lichte dieser Rechtsprechung wird deutlich, dass auch die im vorliegenden Fall angefochtene Verordnung nicht unmittelbar in die Rechte der Antragstellerin einzugreifen vermag. Überörtliche Sachgebietsprogramme entfalten grundsätzlich keine unmittelbaren Rechtswirkungen für einzelne Grundstückseigentümer. Ihre Anordnungen richten sich lediglich an die Gemeinde. Die Rechte der Grundeigentümer werden erst durch den Flächenwidmungsplan gestaltet, der von der Gemeinde unter Beachtung der überörtlichen Planung zu erlassen ist (zur Zulässigkeit eines gegen die Widmung "Grünland-Windkraftanlagen" gerichteten Individualantrags vgl. VfGH 11.6.2014, V49/2012).
2.2. Selbst wenn wegen der in §3 Abs3 der angefochtenen Verordnung festgelegten Widmungsbeschränkungen eine zukünftige Umwidmung der in unmittelbarer Nähe der Zone WE 07 gelegenen landwirtschaftlich genutzten Grundstücke der Antragstellerin dauerhaft unmöglich werden sollte, würde dies auch keinen unmittelbaren Eingriff in ihre Rechtsposition bedeuten, da auf solche Umwidmungen kein Rechtsanspruch besteht (VfSlg 19.627/2012, 156; VwGH 16.9.1997, 97/05/0030; 20.12.2002, 2002/05/0593).
2.3. Hinsichtlich der im Antrag geltend gemachten wirtschaftlichen Auswirkungen der bekämpften Verordnung (beispielsweise Wertminderungen) ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei derartigen Auswirkungen nur um faktische Reflexwirkungen, nicht aber um Eingriffe in die Rechtssphäre der Antragstellerin handelt (vgl. zB VfSlg 10.346/1985, 14.962/1997).
5. Aus den dargelegten Gründen folgt, dass der Antragstellerin wegen fehlender unmittelbarer Betroffenheit iSd Art139 Abs1 Z3 B-VG die Legitimation zur Stellung des Individualantrages fehlt.
IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen
1. Da es der Antragstellerin an der Legitimation zur Stellung eines Individualantrages mangelt, ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen.
2. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Raumordnung, FlächenwidmungsplanEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2014:V92.2014Zuletzt aktualisiert am
17.12.2014