TE Vwgh Erkenntnis 2014/10/8 2013/10/0018

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Veröffentlicht am 08.10.2014
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Index

L92002 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Kärnten;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

MSG Krnt 2007 §79 Abs3;
MSG Krnt 2007 §79 Abs5;
MSG Krnt 2007 §79 Abs9 litb;
VwGG §42 Abs3a;
VwGG §48 Abs1 Z2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des Landes Salzburg als Sozialhilfeträger in 5010 Salzburg, Chiemseehof, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 27. November 2012, Zl. 04-SH-758/4-2012, betreffend Kostenersatz für Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 42 Abs. 3a VwGG wird der angefochtene Bescheid dahin geändert, dass sein Spruch lautet:

'Dem Antrag des Landes Salzburg auf Ersatz der mit Bescheiden des Bürgermeisters der Stadt Salzburg vom 3. August 2010 und vom 6. September 2010 für die Mindestsicherung aufgewendeten Kosten wird gemäß Art. IV Abs. 4 des Gesetzes LGBl. Nr. 16/2012 iVm § 79 Abs. 1 und 5 Kärntner Mindestsicherungsgesetz, LGBl. Nr. 15/2007 idF LGBl. Nr. 97/2010 (K-MSG), Folge gegeben. Das Land Kärnten hat dem Land Salzburg als Träger der Mindestsicherung Kosten in Höhe von EUR 1.022,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.'

Das Kostenbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Schreiben vom 17. August 2010 teilte das Land Salzburg als Träger der Mindestsicherung der belangten Behörde mit, dass Herrn W.S. (im Folgenden: Hilfesuchender) seit 1. August 2010 Sozialhilfe gewährt werde, für welche das Land Kärnten gemäß Art. 3 der Vereinbarung über den Kostenersatz in den Angelegenheiten der Sozialhilfe (Ländervereinbarung) erstattungspflichtig sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 27. November 2012 wurde der Antrag des Landes Salzburg auf Ersatz der mit Bescheid (des Bürgermeisters der Stadt Salzburg) vom 3. August 2010 gewährten einmaligen Geldleistung und der mit weiterem Bescheid vom 6. September 2010 zuerkannten einmaligen Geldleistung (an den Hilfesuchenden) gemäß Art. IV Abs. 4 der Novelle LGBl. Nr. 16/2012 iVm § 79 Abs. 3, 5 und 9 lit b Kärntner Mindestsicherungsgesetz (K-MSG), LGBl. Nr. 15/2007 idF vor Inkrafttreten des Art II Z 31, als unbegründet abgewiesen.

Die belangte Behörde legte dieser Entscheidung im Wesentlichen folgende Feststellungen zu Grunde:

Der 1960 in Spittal an der Drau (Ktn.) geborene Hilfesuchende habe sich in der Zeit von 11. Juni 2008 bis 9. Juni 2010 in der JVA Landsberg in Deutschland in Haft befunden. Davor habe er ungefähr 20 Jahre in Deutschland gelebt. Der Hilfesuchende sei (nach seiner Haftentlassung) in der Zeit von 15. Juni 2010 bis 19. Juli 2010 in Kärnten gemeldet gewesen und habe bereits in Kärnten eine Mindestsicherung zum Lebensunterhalt in der Höhe von EUR 632,50 erhalten. Ab dem 19. Juli 2010 habe der Hilfesuchende seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Salzburg gehabt und sei ihm mit Bescheiden des Bürgermeisters der Stadt Salzburg vom 3. August 2010 und vom 6. September 2010 jeweils eine einmalige Geldleistung in der Höhe von EUR 464,50 bzw. EUR 558,00 zuerkannt worden.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass das Land Kärnten zu dem vom Land Salzburg begehrten Kostenersatz nicht verpflichtet sei, weil sich der Hilfesuchende - auf Grund seiner erst am 9. Juni 2010 erfolgten Entlassung aus einer Haftanstalt in Deutschland - nicht im Sinne des § 79 Abs. 3 K-MSG während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Hilfe mindestens fünf Monate in Kärnten aufgehalten habe. Die Anwendung der subsidiären Bestimmung des § 79 Abs. 5 leg. cit. komme nicht in Frage, weil der - unstrittig in Kärnten geborene - Hilfesuchende nicht unmittelbar aus dem Ausland nach Salzburg gezogen, sondern zuerst in Kärnten aufhältig gewesen sei. Darüber hinaus handle es sich bei den beiden gewährten Einmalleistungen jeweils um Kosten für Aufwendungen im Einzelfall, welche jeweils die Höhe des Mindeststandards für nicht in Haushaltsgemeinschaft lebende Personen nicht überschritten hätten und für welche daher gemäß § 79 Abs. 9 lit. b leg. cit. kein Kostenersatz vorgesehen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass im vorliegenden Fall gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG anzuwenden sind.

Gemäß Artikel IV Abs. 4 K-MSG, LGBl. Nr. 15/2007 idF LGBl. Nr. 16/2012, ist (der gemäß Art. II Z. 31 aufgehobene) § 79 leg. cit. in der Fassung LGBl. Nr. 97/2010 auf bis zum Ablauf des 31. Dezember 2011 entstehende Kosten weiterhin anzuwenden.

§ 79 K-MSG, LGBl. Nr. 15/2007 idF LGBl. Nr. 97/2010, lautete auszugsweise:

"§ 79

Kostenersatz an andere Länder

(1) Das Land hat den Trägern der Mindestsicherung anderer Bundesländer die für die Mindestsicherung aufgewendeten Kosten bei Gegenseitigkeit nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu ersetzen.

(2) Zu den Kosten der Mindestsicherung gehören die Kosten, die einem Träger für einen Hilfe Suchenden

a) nach den landesrechtlichen Vorschriften über die Mindestsicherung (Sozialhilfe) oder

b) ...

erwachsen.

(3) Soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, ist das Land Kärnten zum Kostenersatz verpflichtet, wenn sich der Hilfe Suchende während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Hilfe mindestens fünf Monate lang in Kärnten aufgehalten hat und wenn das Land Kärnten nach den geltenden landesrechtlichen Vorschriften die Kosten für Leistungen, wie sie dem Kostenanspruch zugrunde liegen, zu tragen hat.

(4) Bei der Berechnung der Fristen nach Abs. 3 haben außer Betracht zu bleiben:

a)

ein Aufenthalt im Ausland bis zur Dauer von zwei Jahren;

b)

der Aufenthalt in einer Anstalt oder in einem Heim, das nicht in erster Linie Wohnzwecken dient;

c)

...

d)

die Zeit, während welcher Mindestsicherung, öffentliche Jugendwohlfahrtspflege oder Behindertenhilfe gewährt wird, sofern eine derartige Maßnahme einen den örtlich bedingten Zuständigkeitsbereich eine Trägers überschreitenden Aufenthaltswechsel bedingt hat;

              e)              ...

(5) Wenn sich auf diese Weise für einen aus dem Ausland kommenden Hilfe Suchenden nach Abs. 3 und 4 ein zum Kostenersatz verpflichteter Träger nicht ermitteln lässt, so obliegt die Verpflichtung zum Kostenersatz dem Land Kärnten, wenn der Hilfe Suchende in Kärnten geboren ist. ...

...

(7) Die Verpflichtung zum Kostenersatz dauert, solange der Hilfe Suchende Anspruch auf Hilfe hat oder Hilfe empfängt, ohne Rücksicht auf einen nach dem Einsatz der Hilfe erfolgten Aufenthaltswechsel. Die Verpflichtung zum Kostenersatz endet, wenn mindestens drei Monate keine Hilfeleistung erbracht wurde.

...

(9) Nicht zu ersetzen sind:

...

b) die Kosten für Aufwendungen im Einzelfall, die insgesamt die Höhe des Mindeststandards für Personen, die nicht in Haushaltsgemeinschaft leben, nicht übersteigen;

..."

Die Vereinbarung der Länder über den Kostenersatz in den Angelegenheiten der Sozialhilfe vom 13./14./17. Dezember 1973 (im Folgenden: Ländervereinbarung) lautet auszugsweise:

"Artikel 3

Zuständigkeit

(1) Soweit in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist, ist jener Träger zum Kostenersatz verpflichtet, in dessen Bereich sich der Hilfesuchende während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Hilfe mindestens durch fünf Monate aufgehalten hat und der nach den für ihn geltenden landesrechtlichen Vorschriften die Kosten für Leistungen, wie sich dem Kostenanspruch zugrunde liegen, zu tragen hat.

(2) Bei der Berechnung der Fristen nach Abs. 1 haben außer Betracht zu bleiben:

a)

ein Aufenthalt im Ausland bis zur Dauer von zwei Jahren;

b)

der Aufenthalt in einer Anstalt oder in einem Heim, das nicht in erster Linie Wohnzwecken dient;

c)

...

d)

die Zeit, während der Sozialhilfe, öffentliche Jugendwohlfahrtspflege oder Behindertenhilfe gewährt wird, sofern eine derartige Maßnahme einen den örtlich bedingten Zuständigkeitsbereich eine Trägers überschreitenden Aufenthaltswechsel bedingt hat;

              e)              ...

(3) Wenn sich für einen aus dem Ausland kommenden Hilfesuchenden nach Abs. 1 und 2 ein zum Kostenersatz verpflichteter Träger nicht ermitteln lässt, so obliegt die Verpflichtung zum Kostenersatz jenem Träger, in dessen Bereich der Hilfesuchende geboren ist. Wurde der Hilfesuchende im Ausland geboren, so ist der Geburtsort des Vaters, bei unehelichen Kindern und bei Hilfesuchenden, deren Vater im Ausland geboren wurde, der Geburtsort der Mutter maßgebend.

..."

Die Beschwerde bringt zusammengefasst im Wesentlichen vor:

Unstrittig sei, dass der Hilfesuchende nach seiner Rückkehr aus Deutschland nur etwas mehr als einen Monat (vom 15. Juni bis 19. Juli 2010) in Kärnten gelebt habe, bevor er nach Salzburg umgezogen sei, weshalb § 79 Abs. 3 K-MSG nicht zur Anwendung gelangen könne. Da auch § 79 Abs. 4 leg. cit. nicht einschlägig sei, gelange die subsidiäre Bestimmung des § 79 Abs. 5 leg. cit. zur Anwendung, wonach das Land Kärnten für den in Kärnten geborenen Hilfesuchenden ersatzpflichtig sei. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde sei es für den Kostenersatz nach dieser Bestimmung nicht notwendig, dass der Hilfesuchende "unmittelbar" aus dem Ausland komme; die Regelung gelange vielmehr zur Anwendung, wenn sich ein zum Kostenersatz verpflichteter Träger aufgrund der Bestimmungen der § 79 Abs. 3 und 4 K-MSG nicht ermitteln lasse, weshalb gerade nicht auf eine unmittelbare Rückkehr aus dem Ausland abgestellt werde.

Die belangte Behörde lege die Bestimmung des § 79 Abs. 9 lit. b K-MSG zu weit aus, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - zwei gewährte Einmalleistungen nicht wie Dauerleistungen behandle. Die Regelung normiere eindeutig, dass die angefallenen Kosten "insgesamt" die Höhe des Mindeststandards für Personen, die nicht in Haushaltsgemeinschaft leben würden, nicht übersteigen dürften.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

Zwar kommt im vorliegenden Fall - wie die Beschwerde selbst einräumt - eine Ersatzpflicht des Landes Kärnten nach § 79 Abs. 3 und 4 K-MSG nicht in Betracht.

Der geltend gemachte Kostenersatzanspruch findet allerdings in dem - die Bestimmung des Art. 3 Abs. 3 der Ländervereinbarung ausführenden - Abs. 5 leg. cit. eine Grundlage, weil danach der Geburtsort des Hilfesuchenden in Kärnten als Kostenersatzkriterium heranzuziehen ist, wenn kein anderer Anknüpfungspunkt (insbesondere jener des fünfmonatigen Aufenthaltes in Kärnten im letzten halben Jahr vor Gewährung der Hilfe im Sinne des § 79 Abs. 3 K-MSG) gegeben ist. Diese Regelung kommt - lege non distinguente - auch in einem Fall wie dem vorliegenden zum Tragen, in dem sich der aus dem Ausland kommende Hilfesuchende nach seiner Einreise in das Bundesgebiet zunächst weniger als fünf Monate in Kärnten aufgehalten und sich dann in ein anderes Bundesland begeben hat, in dem er Leistungen der Mindestsicherung bezogen hat.

Soweit die belangte Behörde den Kostenersatzanspruch mit dem Argument verneint, dass es sich bei den vom Land Salzburg gewährten (beiden) Geldleistungen um Kosten für Aufwendungen im Einzelfall handle, welche nach § 79 Abs. 9 lit. b) K-MSG nicht ersatzfähig seien, ist dem entgegen zu halten, dass nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung, die Ersatzfähigkeit nur für den Fall ausgeschlossen ist, dass die Kosten "insgesamt" die Höhe des Mindeststandards für Personen, die nicht in Haushaltsgemeinschaft leben, nicht übersteigen. Maßgeblich ist daher der Gesamtbetrag der gewährten Geldleistungen; dieser übersteigt im Beschwerdefall (EUR 1.022,50) unstrittig die genannte Höhe.

Der angefochtene Bescheid wäre daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben gewesen.

Gemäß § 42 Abs. 3a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof jedoch in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt. Dies ist im vorliegenden Beschwerdefall gegeben.

Das Kostenbegehren war abzuweisen, weil für die nicht durch einen Rechtsanwalt eingebrachte Beschwerde gemäß § 48 Abs. 1 Z 2 VwGG kein Schriftsatzaufwand gebührt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. November 2012, Zl. 2011/10/0115).

Wien, am 8. Oktober 2014

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2013100018.X00

Im RIS seit

21.11.2014

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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