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L10013 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht GemeindehaushaltNorm
AVG §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Sußner, über die Beschwerde des M G in W, vertreten durch Dr. Rainer Mutenthaler, Rechtsanwalt in 3370 Ybbs, Unterauerstraße 1, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 3. August 2012, Zlen. RU1-BR-1664/001-2012; RU1-BR-1372/005-2012; RU1-BR-1372/007- 2012; RU1-BR-1372/009-2012; RU1-BR-1372/010-2012, betreffend Bauangelegenheiten (mitbeteiligte Parteien: 1. Gemeinde U in U;
2. J B in U), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Anfechtung (soweit damit die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. Februar 2012, betreffend einen Bauauftrag, die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. Februar 2012, betreffend eine Zurückweisung einer Berufung des Beschwerdeführers, sowie die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. Februar 2012, betreffend Akteneinsicht, abgewiesen wurden) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Im gegenständlichen Fall geht es um eine Garage des Zweitmitbeteiligten. Diese ist lagemäßig derart an der Grundstücksgrenze zur Liegenschaft des Beschwerdeführers situiert, dass Baulichkeiten des Beschwerdeführers durch Wasserableitungen davon in Mitleidenschaft gezogen werden bzw. gezogen werden können.
Mit Bescheid vom 14. Februar 2012 erließ der im Devolutionsweg zuständig gewordene Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde an den Zweitmitbeteiligten einen Bescheid mit folgendem Spruch:
"SPRUCH
Der Gemeindevorstand der Gemeinde U hat als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde in seiner Sitzung am 13. Februar 2012 wie folgt entschieden:
Der Gemeindevorstand erteilt Ihnen als Liegenschaftseigentümer des Grundstückes Nr. 119, EZ. 39, in der Gemeinde U, gemäß § 33 Abs. 1 u. 2 der NÖ Bauordnung 1996, LGBL. 8200-20, den
baupolizeilichen Auftrag
zum Abbruch der nachstehend angeführten Baulichkeit bis
längstens 31.3.2012
An Verfahrenskosten ist ein Betrag von EUR 139,32 binnen acht Tagen nach Rechtskraft dieses Bescheides an die Gemeinde U mittels beiliegenden Zahlscheines zu entrichten."
In der Begründung dieses Bescheides wird das Einfamilienwohnhaus samt Garage des Zweitmitbeteiligten genannt und ausgeführt, dass er ohne baubehördliche Bewilligung insofern Änderungen vorgenommen habe, als er dem Flachdach der Garage die Konstruktion eines Pultdaches aufgesetzt habe.
Unter anderem die gegen diesen Bescheid gerichtete Vorstellung des Beschwerdeführers wurde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet abgewiesen.
Mit weiterem Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. Februar 2012 wurde die Berufung des Beschwerdeführers vom 15. Dezember 2011 gegen das Schreiben des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 7. Dezember 2011, mit dem eine baubehördliche Überprüfung an Ort und Stelle auf dem Grundstück Nr. 118, EZ. 639, KG U, für den 21. Dezember 2011 anberaumt worden war, als unzulässig zurückgewiesen.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde auch die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen.
Mit weiterem Bescheid des im Devolutionsweg zuständig gewordenen Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. Februar 2012 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 9. Februar 2011 auf Gewährung der Akteneinsicht im Zuge eines baubehördlichen Verfahrens zur Überprüfung des Zustandes des Bauwerkes (Garage) des Zweitmitbeteiligten als unzulässig zurückgewiesen.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde auch die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen.
(Anmerkung: Mit dem angefochtenen Bescheid wurden weiters - hier nicht gegenständlich - eine Vorstellung des Zweitmitbeteiligten abgewiesen und ebenso eine Vorstellung des Beschwerdeführers gegen einen Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde betreffend die Zurückweisung einer Berufung.)
Gegen den angefochtenen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 23. November 2012, B 1157/12, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzte der Beschwerdeführer auftragsgemäß die Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid, soweit er die in der Anfechtung genannten Punkte betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Beschwerdeführer replizierte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, die Baulichkeit des Zweitmitbeteiligten sei insgesamt konsenswidrig, da ein aliud. Außerdem liege ein gemeinsames Bauwerk im Miteigentum vor, da die Errichtung seinerzeit gemeinsam erfolgt sei. Der Bauauftrag des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. Dezember 2012 sei auch nicht ausreichend konkretisiert. Der Garagenraum des Zweitmitbeteiligten sei kein Bauwerk, und die Herstellung des konsensgemäßen Zustandes würde die Beseitigung des gesamten Grenzbaues mit der gemeinsamen Mittelmauer und nicht nur das Pultdach betreffen. Der Beschwerdeführer habe im Übrigen seinen Antrag auf Akteneinsicht vom 9. Februar 2011 und seine Berufung gegen das Schreiben des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 7. Dezember 2011 mit Schreiben vom 10. Februar 2012 zurückgezogen. Dieses Schreiben sei noch am 10. Dezember 2012 an die mitbeteiligte Gemeinde gefaxt und zusätzlich per Post abgeschickt worden. Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde habe den Erhalt telefonisch am 10. Februar 2012 bestätigt. Die Briefsendung sei nachweislich am 13. Februar 2012 im Gemeindeamt eingelangt. Die Entscheidungen des Gemeindevorstandes betreffend den Antrag auf Akteneinsicht und die Berufung gegen das Schreiben des Bürgermeisters vom 7. Dezember 2011 seien daher rechtswidrig, weil von einer unzuständigen Behörde ergangen.
Zunächst ist festzuhalten, dass gegen im Devolutionsweg ergangene Bescheide des Gemeindevorstandes aufgrund des § 60 Abs. 2 letzter Satz der Niederösterreichischen Gemeindeordnung 1973 keine Berufung zulässig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 2006, Zl. 2006/05/0038). Gegen derartige Bescheide steht daher die Vorstellung an die Aufsichtsbehörde zu.
Unbestritten ist im vorliegenden Fall, dass der Beschwerdeführer im Bauauftragsverfahren betreffend das Nachbarobjekt aufgrund des § 6 Abs. 1 und 2 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 angesichts der Beeinflussung der Trockenheit, allenfalls auch der Standsicherheit von seinen Baulichkeiten Parteistellung hat.
Dem Beschwerdeführer ist zuzustimmen, dass der Bauauftrag des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. Februar 2012 zu unbestimmt ist. Zwar mag das Argument der belangten Behörde zutreffen, dass Spruch und Begründung eine Einheit darstellen und die Begründung zur Interpretation des Spruches herangezogen werden kann. Spruchgemäß wurde aber der "Abbruch" der "nachstehend angeführten Baulichkeit" angeordnet. Im Spruch findet sich keine "nachstehende Anführung" einer Baulichkeit. In der Begründung werden die Garage, das Einfamilienwohnhaus und die Dachkonstruktion eines Pultdaches genannt. Schon im Hinblick darauf ist nicht ausreichend klar, welche Maßnahmen genau zu setzen sind, zumal diese Maßnahmen ja auch gewährleisten müssen, dass der Beschwerdeführer in seinen Nachbarrechten nicht mehr verletzt ist.
Indem die belangte Behörde diesen Mangel nicht aufgriff, belastete sie ihrerseits den angefochtenen Bescheid, insoweit er die Vorstellung gegen den Abbruchauftrag des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. Februar 2012 betraf, mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Im Übrigen ist es zutreffend, dass dann, wenn ein für eine Entscheidung notwendiger Antrag fehlt, keine behördliche Zuständigkeit zu einer Entscheidung über einen vermeintlichen "Antrag" gegeben ist. Dies bedeutet auch, dass keine Zuständigkeit zur Zurückweisung eines derartigen Antrages besteht, sondern gegebenenfalls ist ein erstinstanzlich in dieser Angelegenheit ergangener Bescheid ersatzlos aufzuheben (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 12. Dezember 1997, Zl. 96/19/3388, und vom 14. Juni 2012, Zl. 2008/10/0343). Auch die Vorstellungsbehörde muss die Zuständigkeit der Gemeindebehörde überprüfen und gegebenenfalls deren Unzuständigkeit von Amts wegen aufgreifen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, Zl. 96/05/0150). Die Verletzung der Behördenzuständigkeit ist auch ungeachtet einer Möglichkeit der Verletzung sonstiger subjektiv-öffentlicher Rechte von Amts wegen wahrzunehmen (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 1997, mwN).
Die belangte Behörde bringt in der Gegenschrift vor, dass in den ihr vorgelegten Gemeindeakten eine Zurückziehung des Antrages auf Akteneinsicht und der gegenständlichen Berufung des Beschwerdeführers nicht enthalten gewesen sei und der Beschwerdeführer eine Zurückziehung auch in der Vorstellung nicht geltend gemacht habe. Auch in den Gemeindevorstandsbescheiden sei eine Zurückziehung kein Thema gewesen.
Dem ist entgegenzuhalten, dass sich in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten das vom Beschwerdeführer genannte Schreiben vom 10. Februar 2012 zweimal findet (und zwar jeweils unter Anschluss einer Einladungskurrende zur Sitzung des Gemeinderates vom 3. Februar 2012), einmal als "Kopie" mit einem Faxaufdruck vom 10. Februar 2012, 9.53 bis 10.02 Uhr, und einmal mit einer Originalunterschrift, jeweils allerdings ohne Eingangsvermerk. Es kann dahinstehen, ob dieses Schreiben bei der mitbeteiligten Gemeinde rechtzeitig eingelangt ist und tatsächlich eine Unzuständigkeit des Gemeindevorstandes zu den gegenständlichen Entscheidungen gegeben war. Aufgrund des Schreibens hätte die belangte Behörde nämlich jedenfalls Ermittlungen im Hinblick auf die Zuständigkeit des Gemeindevorstandes durchführen müssen. Indem die belangte Behörde die Frage der Zuständigkeit des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde trotz des im Akt befindlichen Schreibens des Beschwerdeführers vom 10. Februar 2012 mit den gegenständlichen Zurückziehungen nicht geprüft hat, belastete sie ihren Bescheid auch insoweit mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang der Anfechtung spruchgemäß wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Bemerkt wird, dass auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 79 Abs. 11 VwGG und § 3 der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF Nr. 8/2014 in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass drei eigenständige Verwaltungssachen Gegenstand der Beschwerde und des angefochtenen Bescheides seien. Aufwandersatz sei daher dreifach zuzusprechen. Dem diesbezüglichen Begehren war jedoch nicht zu folgen, da die Kosten nur einmal gebühren, auch wenn in dem angefochtenen Bescheid mehrere Streitfälle, die angefochten wurden, enthalten sind (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, S. 707 ff zitierte hg. Rechtsprechung). Anders als in dem mit dem vom Beschwerdeführer zitierten hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2013, Zl. 2010/05/0195, entschiedenen Fall liegen hier nicht mehrere angefochtene Bescheide der belangten Behörde vor. Die vom Beschwerdeführer genannten hg. Erkenntnisse vom 17. September 1968, Zl. 414/68, und vom 27. Oktober 1971, Zl. 2067/70, betrafen hier nicht gegenständlichen Verhandlungsaufwand, und jenes vom 7. April 1975, Zlen. 761/74 und 848/74, hier nicht gegenständlichen Aufwandersatz an die belangte Behörde.
Wien, am 9. Oktober 2014
Schlagworte
Inhalt der Vorstellungsentscheidung Aufgaben und Befugnisse der VorstellungsbehördeInhalt der Berufungsentscheidung KassationWahrnehmung der Zuständigkeit von Amts wegenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:2013050014.X00Im RIS seit
27.11.2014Zuletzt aktualisiert am
23.12.2014