Index
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §45 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Urtz, über die Beschwerde des Kulturvereines K in S, vertreten durch den Obmann FP, dieser vertreten durch Mag. Georg Derntl, Rechtsanwalt in 4320 Perg, Herrengasse 9, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom 16. November 1998, RV-050.94/1-7/1994 und RV-136.95/1-7/1995, betreffend Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer für die Jahre 1990 bis 1993, Alkoholabgabe für die Jahre 1990 bis 1992, zuzüglich Verspätungszuschlägen, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Vorschreibung von Umsatzsteuer zuzüglich Verspätungszuschlägen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid liegt der Zweck des beschwerdeführenden Vereines in der Förderung von Kunst und Kultur sowie der Förderung zwischenmenschlicher Kommunikation; der Verein fördere "unterprivilegierte Gruppen" und biete Künstlern die Möglichkeit, an die Öffentlichkeit zu treten und das Kulturangebot in Österreich zu bereichern. Als ideelle Mittel zur Erreichung des Vereinszweckes sind in den Vereinsstatuten angeführt: Veranstaltung von Konzerten, Lesungen, Multimediashows, Theater- und Filmaufführungen, Kabaretts, Diskussionsabenden und Vorträgen; die Errichtung eines Kommunikationslokales; Ausschank bei Veranstaltungen, Straßentheater und Aktionen; Abhaltung von Seminaren. Die erforderlichen materiellen Mittel werden durch Mitgliedsbeiträge, Eintrittsgelder, Spenden, Zuwendungen von Förderern, Subventionen, Sponsoreinnahmen, etwaige Überschüsse aus dem Betrieb des Kommunikationslokals und Ausschank, Abhaltung von Flohmärkten und Kostenersätze von Seminarteilnehmern aufgebracht. Im Vereinslokal wurden 1990 insgesamt 66 Darbietungen von Einzelpersonen bzw. Gruppen abgehalten; mit der Bezahlung des Eintrittspreises werden Vereinsfremde als Tagesmitglieder anerkannt. Bei den übrigen Zusammenkünften können Vereinsfremde in Form einer Spende (üblicherweise S 5,--) die Tagesmitgliedschaft erwerben. Die Eintrittspreise der Veranstaltungen bewegen sich von S 20,-- bis S 120,--; die Anzahl der Besucher beläuft sich zwischen fünf und 100 Personen. Das Vereinslokal ist vorwiegend von Freitag bis Sonntag geöffnet. Der Besuch der Kantine ist jedermann gestattet, der die Tagesmitgliedschaft in Form einer Vereinsspende anerkennt. Es herrscht kein Konsumzwang und es gibt unregelmäßige, nach Bedarf ausgerichtete Öffnungszeiten, etwa bei Versammlungen und Treffen von sozialen Randgruppen. Der Besucherkreis des Kommunikationslokals rekrutiert sich aus den am Programm des Kulturvereines interessierten Personen sowie aus sozialen Randgruppen, die erfahrungsgemäß andere Lokalitäten meiden bzw. in solchen nicht gerne gesehen werden. Das Lokal bietet einen guten Rahmen, um mit Personen, die auf herkömmliche Beratungssituationen abweisend reagieren, in Kontakt zu treten. Die Preise werden auf Kostenersatz kalkuliert, wobei in Einzelfällen auf die meist sehr angespannte ökonomische Lage der Besucher Rücksicht genommen wird. Die Besucher werden in einfacher Weise mit Speis und Trank versorgt; es gibt eine Sorte Bier, zwei Sorten Wein, drei antialkoholische Getränke und wechselnde Sorten an hochgeistigen Getränken. An Speisen werden Toast und belegte Brote aufgewartet. Der Gebarungsüberschuss des Vereinslokals wird zur Abdeckung des Defizits des Konzertbetriebes verwendet. Die Mitglieder des Vereines erhalten keine Gewinnanteile und keine sonstigen Zuwendungen aus Mitteln des Vereines.
Strittig ist die Einordnung des Kommunikationslokals unter einen der Tatbestände des § 45 BAO.
Der Beschwerdeführer äußerte sich dahin, dass die Vereinskantine einen unentbehrlichen Bestandteil der Vereinstätigkeit darstelle, ohne den das Vereinsziel nicht erreichbar wäre. Für die Förderung zwischenmenschlicher Kommunikation insbesondere mit und zwischen unterprivilegierten Gruppen sei die Führung eines Kommunikationszentrums unumgänglich. Eine Konkurrenzierung mit abgabepflichtigen Betrieben derselben oder ähnlicher Art sei ausgeschlossen. Durch Schaffung einer anheimelnden und die Kommunikationsbereitschaft fördernden Atmosphäre innerhalb eines ständigen Ortes der Begegnung biete das Lokal für physisch und psychisch entwurzelte bzw. gefährdete Personen die Möglichkeit, Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen zu pflegen bzw. die Möglichkeit für hilfewillige Betreuer, mit diesen Personen außerhalb des "klinischen Apparates" in Kontakt zu kommen. Die Konsumation bzw. Bewirtung durch die Kantine des Kommunikationszentrums sei keinesfalls primärer Grund, das Zentrum aufzusuchen, sondern lediglich Mittel zum Zweck. Das Vereinslokal stelle somit einen unentbehrlichen Hilfsbetrieb im Sinn des § 45 Abs. 2 BAO dar.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gegen die Vorschreibung von Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer zuzüglich Verspätungszuschlägen nicht Folge. Nach Darlegung der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen führte die belangte Behörde begründend aus, sie könne sich der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers nicht anschließen, vielmehr sei in der Führung eines in den Vereinsstatuten verankerten Kommunikationszentrums (Vereinskantine) sehr wohl ein begünstigungsschädlicher Hilfsbetrieb im Sinn des § 45 Abs. 3 BAO zu sehen. Der Kulturverein gebe Speisen und Getränke an ordentliche Mitglieder, außerordentliche Mitglieder sowie vereinsfremde Personen aus; die diesbezüglichen Einnahmen würden zu den steuerpflichtigen Einnahmen des begünstigungsschädlichen Betriebes im Sinn des § 45 Abs. 3 BAO zählen. Nach der Verwaltungspraxis stellten Kantinen, Büfetts oder andere gastronomische Einrichtungen eines Rechtsträgers begünstigungsschädliche Betriebe dar, sofern sie nicht Teil eines unentbehrlichen oder entbehrlichen Hilfsbetriebes seien. Nach der Verwaltungspraxis stelle jede Abgabe von Speisen und Getränken, auch wenn diese nur an Mitglieder erfolge, grundsätzlich eine schädliche Tätigkeit dar. Im konkreten Fall liege nach Ansicht des Berufungssenates weder ein unentbehrlicher noch ein entbehrlicher Hilfsbetrieb vor; auf Grund dieser Feststellungen sei von einem begünstigungsschädlichen Hilfsbetrieb im Sinn des § 45 Abs. 3 BAO auszugehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid
erhobene Beschwerde erwogen:
§ 45 BAO lautet:
"(1) Unterhält eine Körperschaft, die die Voraussetzungen einer Begünstigung auf abgabenrechtlichem Gebiet im Übrigen erfüllt, einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 31), so ist sie nur hinsichtlich dieses Betriebes abgabepflichtig, wenn er sich als Mittel zur Erreichung der gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecke darstellt. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn durch den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb eine Abweichung von den im Gesetz, in der Satzung, im Stiftungsbrief oder in der sonstigen Rechtsgrundlage der Körperschaft festgelegten Zwecken nicht eintritt und die durch den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erzielten Überschüsse der Körperschaft zur Förderung ihrer gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecke dienen. Dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zugehöriges Vermögen gilt je nach der Art des Betriebs als Betriebsvermögen oder als land- und forstwirtschaftliches Vermögen, aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erzielte Einkünfte sind wie Einkünfte aus einem gleichartigen in Gewinnabsicht geführten Betrieb zu behandeln.
(2) Die Abgabepflicht hinsichtlich des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes entfällt, wenn dieser sich als ein zur Erreichung des begünstigten Zweckes unentbehrlicher Hilfsbetrieb darstellt. Dies trifft zu, wenn die folgenden drei Voraussetzungen erfüllt sind:
a) Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb muss in seiner Gesamtrichtung auf Erfüllung der gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecke eingestellt sein.
b) Die genannten Zwecke dürfen nicht anders als durch den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erreichbar sein.
c) Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb darf zu abgabepflichtigen Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb treten, als dies bei Erfüllung der Zwecke unvermeidbar ist.
(3) Unterhält eine Körperschaft einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, auf den weder die Voraussetzungen des Abs. 1 noch jene des Abs. 2 zutreffen, so findet § 44 Anwendung."
Mit dieser Bestimmung werden die wirtschaftlichen Tätigkeiten entsprechend der Intensität ihrer Entfaltung, der Erfolgsausgerichtetheit und der möglichen Konkurrenzwirkung typisiert und mit unterschiedlichen Steuerrechtsfolgen für die Trägerkörperschaften versehen. Ein Hilfsbetrieb ist eine organisatorische Zusammenfassung von Personal- und Sachmitteln, die eine wirtschaftliche Entfaltung in der Weise ermöglicht, dass nach außen das Erscheinungsbild eines selbständigen Betriebes, einer typischen "Geschäftstätigkeit" erfüllt ist (Stoll, BAO-Kommentar, 491). Ein unentbehrlicher Hilfsbetrieb im Sinn des § 45 Abs. 2 BAO ist nur dann anzunehmen, wenn die Tätigkeit für sich (und nicht die Erwirtschaftung von Überschüssen aus wirtschaftlichen Betätigungen) die unmittelbare Zweckerfüllung ist, wenn die (allenfalls betriebsähnliche) Tätigkeit also Teil des ideellen Zweckes ist, im Zweck gelegen ist, im Zweck aufgeht (Stoll, aaO). Der Zweck der Körperschaft muss sich mit dem Zweck der Unterhaltung des Geschäftsbetriebes decken und in ihm selbst unmittelbar seine Erfüllung finden. Es dürfen sich begünstigter Zweck und wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb voneinander nicht trennen lassen. Ein unentbehrlicher Hilfsbetrieb liegt vor, wenn der Zweck der Körperschaft nur durch den Geschäftsbetrieb verwirklicht werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. September 1982, Slg. 5704/F). Ausgehend von den Feststellungen im angefochtenen Bescheid über den gemeinnützigen Charakter des beschwerdeführenden Vereines ist zu beachten, dass die Verwirklichung seiner dargelegten Ziele nicht notwendig an den Betrieb des Lokals unter Abgabe von Speisen und Getränken gebunden ist, weshalb die Auffassung der belangten Behörde, es liege kein unentbehrlicher Hilfsbetrieb im Sinn des § 45 Abs. 2 BAO vor, nicht als rechtswidrig zu erkennen ist.
Demgegenüber sind entbehrliche Hilfsbetriebe im Sinn des § 45 Abs. 1 BAO solche, die in ihrer Gesamtheit auf die Förderung der begünstigten Ziele der Körperschaft eingestellt sind, wobei der ideelle Vereinszweck auch anders als durch diese betriebliche Tätigkeit erreicht werden kann. Sie dienen den begünstigten Zwecken, ohne vom ideellen Zweck mitumfasst zu sein. Betriebe dieser Art dürfen nicht zum bloßen Erwirtschaften von Einnahmen oder von sonstigen wirtschaftlichen Vorteilen um ihrer selbst willen geführt werden; der Betrieb muss solcherart den gemeinnützigen Bereich nicht nur materiell, sondern auch ideell unmittelbar einsichtig fördern (Stoll, aaO, 492).
Wie der Beschwerdeführer zu Recht aufzeigt, lässt der angefochtene Bescheid jegliche Begründung vermissen, warum der Geschäftsbetrieb des Beschwerdeführers nicht als entbehrlicher Hilfsbetrieb im Sinn des § 45 Abs. 1 BAO gewertet werden kann. In einer Bescheidbegründung ist in eindeutiger, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichender und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglicher Weise darzutun, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhalts unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete. Die rechtliche Beurteilung durch die belangte Behörde erschöpft sich diesbezüglich in wiederholten Hinweisen auf § 45 Abs. 3 BAO und auf die nicht weiter präzisierte Ausführung, es liege weder ein unentbehrlicher noch ein entbehrlicher Hilfsbetrieb vor. Einleitend führte die belangte Behörde in den Entscheidungsgründen aus, es sei strittig, ob das Kommunikationslokal "einen begünstigungsschädlichen Hilfsbetrieb i. S. d. § 45 Abs. 3 BAO darstellt oder ob bloß ein unentbehrlicher Hilfsbetrieb iSd Bestimmungen der Bundesabgabenordnung" vorliegt. Dies lässt im Zusammenhalt mit der weiteren Begründung darauf schließen, dass die belangte Behörde eine Beurteilung des Sachverhalts in Richtung des Tatbestandes des § 45 Abs. 1 BAO unterließ. Es kann allerdings ein Zusammenhang zwischen dem von der belangten Behörde angenommenen ideellen Zweck der sozial qualifizierten "Kommunikationsförderung" und dem dieser Kommunikation förderlichen Betrieb des Vereinslokals nicht ausgeschlossen werden. Dieses Lokal diene nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren für Versammlungen von sozialen Randgruppen und für die Kontaktaufnahme mit diesen zugehörigen Personen, wobei die Schaffung einer "anheimelnden" Atmosphäre für die Kontaktaufnahme wichtig sei. Es kann somit nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass der Betrieb des Vereinslokals einen entbehrlichen Hilfsbetrieb im Sinn des § 45 Abs. 1 BAO darstellt. Indem sich die belangte Behörde mit dieser Frage nicht weiter auseinander setzte, belastete sie den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Vorschreibung von USt zuzüglich von Verspätungszuschlägen mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Im fortzusetzenden Verfahren wird die belangte Behörde auch zu prüfen haben, ob der beschwerdeführende Verein nach der Satzung und seiner tatsächlichen Geschäftsführung (§ 34 Abs. 1 BAO) ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgt. Die Kommunikationsförderung könnte sich (ausnahmsweise nur) dann als ein gemeinnütziger Zweck iSd § 35 Abs. 2 BAO erweisen, wenn sie einem der dort angeführten Kriterien entspricht.
Im vorliegenden Fall wurden weder Körperschaftsteuer noch Gewerbesteuer vorgeschrieben, andererseits kommt für ideelle Vereine eine Begünstigung hinsichtlich Alkoholabgabe nicht in Betracht; insoweit wurde der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in keinen Rechten verletzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 27. September 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998140227.X00Im RIS seit
15.01.2001