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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
StVO 1960 §20 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Riedinger und die Hofräte Dr. Lehofer und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas-Hutchinson, über die Beschwerde des Dr. K, Rechtsanwalt in 9900 Lienz, Burghard-Breitner-Straße 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 23. Oktober 2013, Zl. KUVS-140/23/2013, betreffend Übertretung der StVO 1960 (weitere Partei: Kärntner Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Kärnten hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, als Lenker eines dem Kennzeichen nach näher bestimmten Kraftfahrzeuges am 13. September 2012 auf der Gailtal Straße B 111 bei Km 40,904 in Fahrtrichtung Kötschach-Mauthen die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h im Ortsgebiet laut Radarmessung abzüglich der Messtoleranz um 41 km/h überschritten und dadurch § 20 Abs 2 StVO verletzt zu haben. Über ihn wurde eine Geldstrafe von EUR 150,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) verhängt.
Die belangte Behörde führt hinsichtlich der nunmehr beschwerderelevanten Punkte aus, dass das Ortsgebiet von Jenig mit Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Hermagor zwischen Km 40,810 und Km 41,485 festgelegt worden sei, die Ortstafel tatsächlich aber bei Km 40,8139 aufgestellt worden sei. Daraus ergebe sich eine Differenz von 3,9 m. Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bestehe zwar grundsätzlich das Erfordernis einer möglichst genauen Anbringung der Verkehrszeichen an jener Stelle, wo der räumliche Geltungsbereich einer Verordnung nach § 43 StVO beginne und ende, es sei aber dem § 44 Abs 1 erster Satz StVO nicht zu entnehmen, dass sich daraus eine Verpflichtung zur zentimetergenauen Einhaltung des in einer derartigen Verordnung verfügten räumlichen Geltungsbereiches für die Aufstellung der entsprechenden Verkehrszeichen ergebe. Ein Kundmachungsmangel liege dann vor, wenn der Aufstellort vom Ort des Beginns des verordneten Geltungsbereichs einer Geschwindigkeitsbeschränkung 5 m abweiche. Diese Rechtsprechung sei auch auf das Hinweiszeichen "Ortstafel" anzuwenden. Ausgehend davon, dass bei einer Abweichung von 5 m keine ordnungsgemäße Kundmachung mehr vorliege, sei im Umkehrschluss eine Abweichung von 3,9 m gerade noch zu akzeptieren. Da somit auch eine ordnungsgemäße Kundmachung des verfahrensgegenständlichen Ortsgebiets vorliege, sei dem Beschwerdeführer die Geschwindigkeitsübertretung von 41 km/h anzulasten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Antrag, diesen wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 79 Abs 11 VwGG sind - soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl I Nr 33/2013, nicht anderes bestimmt ist - in den mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.
2. Gemäß § 2 Abs 1 Z 15 StVO gilt als Ortsgebiet im Sinne dieses Bundesgesetzes das Straßennetz innerhalb der Hinweiszeichen "Ortstafel" (§ 53 Z 17a) und "Ortsende" (§ 53 Z 17b).
Gemäß § 44 Abs 1 erster Satz StVO sind die im § 43 bezeichneten Verordnungen, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Gemäß § 44 Abs 1 dritter Satz leg. cit kommen als Straßenverkehrszeichen zur Kundmachung von im § 43 bezeichneten Verordnungen unter anderem die Hinweiszeichen "Ortstafel" und "Ortsende" in Betracht.
Nach § 48 Abs 1 StVO erster Satz sind die Straßenverkehrszeichen (§§ 50, 52 und 53 StVO) als Schilder aus festem Material unter Bedachtnahme auf die Art der Straße und unter Berücksichtigung der auf ihr üblichen Verkehrsverhältnisse, namentlich der darauf üblichen Geschwindigkeit von Fahrzeugen, in einer solchen Art und Größe anzubringen, dass sie von den Lenkern herannahender Fahrzeuge leicht und rechtzeitig erkannt werden können.
3. Unstrittig ist, dass die verfahrensgegenständliche Ortstafel nicht exakt an dem durch die Verordnung bezeichneten Ort aufgestellt wurde, sondern 3,9 m davon entfernt. Festzuhalten ist, dass der tatsächliche Aufstellungsort nicht zu einer Erweiterung des durch die Verordnung festgelegten Ortsgebietes geführt hat, sondern die - nach der Verordnung 675 m betragende - Distanz zwischen den Hinweiszeichen "Ortstafel" und "Ortsende" dadurch um 3,9 m verringert wurde.
Nach Ansicht des Beschwerdeführers sei die Ortstafel daher verordnungswidrig aufgestellt und nicht gehörig kundgemacht. In Anbetracht der Rechtsprechung liege eine ordnungsgemäße Kundmachung nur dann vor, wenn der Aufstellungsort nur geringfügig abweiche. Eine Abweichung von 3,9 m sei keinesfalls gering.
Mit dieser Ansicht ist der Beschwerdeführer nicht im Recht.
Der Vorschrift des § 44 Abs 1 StVO ist immanent, dass die bezüglichen Straßenverkehrszeichen dort angebracht sind, wo der räumliche Geltungsbereich der Verordnung beginnt und endet. Dieser Vorschrift wird daher nicht Genüge getan und es liegt ein Kundmachungsmangel vor, wenn der Aufstellort vom Ort des Beginns des verordneten Geltungsbereiches einer Geschwindigkeitsbeschränkung 5 m abweicht (vgl ua das hg Erkenntnis vom 3. Juli 1986, Zl 86/02/0038).
Aufgrund der für das Ortsgebiet gemäß § 20 Abs 2 erster Fall StVO geltenden Geschwindigkeitsbeschränkung sind diese Grundsätze auch auf das Hinweiszeichen "Ortstafel" anzuwenden (vgl das hg Erkenntnis vom 16. Februar 1999, Zl 98/02/0338).
So wurde etwa eine abweichende Aufstellung eines Straßenverkehrszeichens gemäß § 52 lit a Z 10a StVO über den Beginn einer Geschwindigkeitsbeschränkung um 12 m nach dem in der Verordnung festgelegten Beginn dieser Beschränkung bzw eines weiteren derartigen Verkehrszeichens um 5 m vor Beginn einer weiteren in der Verordnung festgehaltenen Geschwindigkeitsbeschränkung als nicht dem § 44 Abs 1 erster Satz StVO entsprechend beurteilt (vgl das bereits zitierte hg Erkenntnis vom 16. Februar 1999 unter Bezugnahme auf das hg Erkenntnis vom 3. Juli 1986, Zl 86/02/0038). Auch bei einer Abweichung des Aufstellungsortes des Verbotszeichens gemäß § 52 Z 11 StVO "Ende von Überholverboten und Geschwindigkeitsbeschränkungen" von mehr als 100 m von jenem Ort, der in der zu Grunde liegenden Verordnung normiert wurde, liegt keine ordnungsgemäße Kundmachung vor (vgl das hg Erkenntnis vom 21. November 2008, Zl 2008/02/0231).
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist demnach ein Abstand des tatsächlichen Aufstellungsortes von jenem, der durch die Verordnung festgelegt wurde, von 5 m oder mehr jedenfalls nicht mehr als ordnungsgemäße Kundmachung anzusehen.
Hingegen kann im vorliegenden Fall angesichts der Abweichung des tatsächlichen Standorts des Hinweiszeichens von dem durch die Verordnung festgelegten Standort von lediglich 3,9 m, wobei der tatsächliche Standort zudem innerhalb des in der Verordnung festgelegten Ortsgebietes liegt, auch im Verhältnis zur gesamten Strecke zwischen den Hinweiszeichen "Ortstafel" und "Ortsende" noch von einer bloß geringfügigen Differenz gesprochen werden, sodass diese Abweichung für sich allein nicht dazu führt, dass von einer nicht gehörigen Kundmachung auszugehen wäre.
4. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass der genaue Ort, an dem die Ortstafel aufgestellt wurde, zudem nicht den gesetzlichen Anforderungen entspreche. Aufgrund des "kritischen Kurvenradius" und bei Vorhandensein anderer Kraftfahrzeuge sei es ihm trotz entsprechender Aufmerksamkeit nicht möglich gewesen, rechtzeitig zu erkennen, dass die Geschwindigkeit deutlich zu vermindern ist. Der Beschwerdeführer erstattete ein derartiges Vorbringen bereits im Verwaltungsverfahren. Dennoch wurden von der belangten Behörde keine Feststellungen getroffen, aus denen sich ergeben würde, dass die Ortstafel - entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers und auch im Hinblick auf das, wenn auch geringfügige, Abweichen der Ortstafel vom räumlichen Geltungsbereich der Verordnung - in Entsprechung des § 48 Abs 1 StVO derart angebracht ist, dass sie leicht und rechtzeitig erkannt werden kann. Die gesetzmäßige Anbringung von Verkehrszeichen nach den Vorschriften der §§ 48 ff StVO gehört zur ordentlichen Kundmachung von Verordnungen (vgl das hg Erkenntnis vom 13. Februar 1985, Zl 85/18/0024) und die belangte Behörde wäre angesichts des Vorbringens des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren daher verpflichtet gewesen, dazu entsprechende Feststellungen zu treffen.
5. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455, welche gemäß § 3 Abs 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013 idF BGBl II Nr 8/2014 im Beschwerdefall weiterhin anzuwenden ist. Das den Ersatz der Umsatzsteuer und der Spesen für die Bareinzahlung (gemeint wohl: der Pauschalgebühr) betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, da die Umsatzsteuer im pauschalierten Schriftsatzaufwand bereits enthalten ist und das VwGG keine Grundlage für den Ersatz der Bareinzahlungsspesen enthält.
Wien, am 10. Oktober 2014
Schlagworte
Begründung BegründungsmangelBesondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:2013020276.X00Im RIS seit
20.11.2014Zuletzt aktualisiert am
24.11.2014