TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/27 2000/04/0107

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Veröffentlicht am 27.09.2000
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §77;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde 1.) der Mag. C K,

2.) des J R und 3.) der M S, alle in G, alle vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 20. April 2000, Zl. 319.868/5-III/A/9/00, betreffend Verfahren gemäß § 77 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: S Gesellschaft mbH in G, vertreten durch Dr. A und Dr. K, Rechtsanwälte in G),

Spruch

1. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde der Drittbeschwerdeführerin wird zurückgewiesen.

Die Drittbeschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. zu Recht erkannt:

Auf Grund der Beschwerde der Erst- und Zweitbeschwerdeführer wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Erst- und Zweitbeschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 23. Juni 1997 wurde der mitbeteiligten Partei die gewerbebehördliche Genehmigung zur Errichtung einer Betriebsanlage bestehend aus einer Einstell- und Lagerhalle, einer Werkstätte mit Lager, Sozial- und Büroräumen, Sandlagerboxen, einer Haustankstelle, eines Personalgebäudes sowie Nebengebäudes nach Maßgabe näher bezeichneter Pläne und des technischen Berichtes vom 20. Februar 1996 unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen gemäß §§ 74, 77 und 333 GewO 1994 erteilt. Die Auflagen Punkt 1 und 2 haben folgenden Wortlaut:

"1. In der Zeit von 5.00 Uhr bis 6.00 Uhr morgens dürfen nur max. fünf Lkw gleichzeitig warmlaufen. Die Lkw sind hiebei in Richtung Lagerhalle abzustellen.

2. Der Lärmschutzdamm ist vom Westende der Lagerhalle bis zur Grundstücksecke mit einer Kronenhöhe von 399 zu verlängern."

Auf Grund der dagegen unter anderem von den Beschwerdeführern erhobenen Berufung spezifizierte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten mit Bescheid vom 11. Mai 1998 die Betriebsbeschreibung wie folgt:

"Die Betriebszeiten haben zu lauten:

Montag bis Freitag von 5.00 Uhr bis 20.00 Uhr,

Samstag von 5.00 Uhr bis 18.00 Uhr.

Der gesamte Bereich der für Kfz-Fahrten vorgesehenen Flächen wird asphaltiert. Die Asphaltierung wird - abgesehen von für das Ablaufen von Regenwasser erforderlichen geringfügigen Krümmungen - plan ausgeführt und auch nur mit schwachen Krümmungen und kantenfrei im Bereich der Zu- und Abfahrt an die Befestigung der Bezirksstraße angeschlossen. Waschvorgänge in der mit "Service" bezeichneten Halle werden nur bei vollständig geschlossenen Ein- und Ausfahrtstoren durchgeführt.

Des weiteren wird festgehalten, dass die Betriebsanlage - unter anderem - dem Abstellen von 20 Lkw-Zügen und 10 Baumaschinen dient."

Gegen diesen Bescheid erhoben die nunmehrigen Erst- und Zweitbeschwerdeführer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der daraufhin mit Erkenntnis vom 3. März 1999, Zl. 98/04/0144, den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 11. Mai 1998 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufhob.

Der Spruch des als Ersatzbescheid für den Bescheid vom 11. Mai 1998 ergangenen Bescheides des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 20. April 2000 (nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtener Bescheid) lautet wie folgt:

"Gemäß § 77 GewO 1994 wird die Betriebsbeschreibung folgendermaßen spezifiziert:

'Die Betriebszeiten haben zu lauten:

Montag bis Freitag von 6.00 Uhr bis 20.00 Uhr

Samstag von 6.00 Uhr bis 18.00 Uhr.'

Der gesamte Bereich der für Kfz-Fahrten vorgesehenen Flächen wird asphaltiert. Die Asphaltierung wird - abgesehen von für das Ablaufen von Regenwasser erforderlichen geringfügigen Krümmungen - plan ausgeführt und auch nur mit schwachen Krümmungen und kantenfrei im Bereich der Zu- und Abfahrt an die Befestigung der Bezirksstraße angeschlossen. Waschvorgänge in der mit "Service" bezeichneten Halle werden nur bei vollständig geschlossenen Ein- und Ausfahrtstoren durchgeführt.

Das Freilager für Baumaterialien und Schotter gelangt nicht zur Ausführung.

Des weiteren wird festgehalten, dass die Betriebsanlage - unter anderem - dem Abstellen von 20 Lkw-Zügen und 10 Baumaschinen dient."

In der Begründung wiederholt der Bundesminister zunächst die bereits im Bescheid vom 11. Mai 1998 enthalten gewesenen und im hg. Erkenntnis vom 3. März 1999, Zl. 98/04/0114, wiedergegebenen Ausführungen der beigezogenen Sachverständigen. Im Anschluss daran werden in der Begründung des angefochtenen Bescheides die ergänzenden Gutachten des gewerbetechnischen und des medizinischen Amtsachverständigen wiedergegeben, die in dem nach Aufhebung des Bescheides vom 11. Mai 1998 durch den Verwaltungsgerichtshof fortgesetzten Verfahren eingeholt wurden. Daraus ergibt sich, dass der gewerbetechnische Amtsachverständige nunmehr die auf der Liegenschaft der Erstbeschwerdeführerin zu erwartenden, von der Betriebsliegenschaft ausgehenden Lärmimmissionen im Wege der Berechnung und Abschätzung ermittelte. Im Zusammenhalt mit dessen schon im ersten Rechtsgang getroffenen Aussagen lässt sich daraus entnehmen, dass die von ihm gewonnenen, weitgehend durch die Abschirmwirkung der Servicehalle beeinflussten Immissionswerte nur für den Fall gelten, dass die Bauteile der Halle dicht aneinander gefügt sind und jeder Bauteil für sich ein mittleres Schalldämmmaß von mindestens 24 dB aufweist. Darüber hinaus müsse die Halle dicht an den Boden angeschlossen und es müssten die Tore der Servicehalle geschlossen sein. Im Rahmen seiner rechtlichen Erwägungen legte der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit zunächst den Inhalt der Bestimmungen der §§ 74 und 77 Abs. 1 GewO 1994 dar und führte sodann aus, der Bescheid stütze sich auf die eindeutigen, klaren und schlüssigen Aussagen sowohl des gewerbetechnischen als auch des medizinischen Amtsachverständigen. Hieraus ergebe sich, dass eine Beeinträchtigung der Nachbarn durch Lärm infolge der Abschirmwirkung der geplanten Schutzwand und der Asphaltierung der zum Befahren vorgesehenen Flächen nicht zu erwarten sei. Auch der medizinische Sachverständige habe festgestellt, dass sich die betriebskausalen Lärmimmissionen im Rahmen des ortsüblichen Umgebungsgeräuschniveaus bewegten. Der medizinische Sachverständige habe insbesondere festgestellt, dass die frühere Aussage, wonach für die Liegenschaf der Erstbeschwerdeführerin keine Beeinträchtigung des Wohlbefindens eines gesunden, normal empfindenden Erwachsenen oder Kindes bzw. Gefährdung der Gesundheit durch tagsüber (6.00 Uhr bis 22.00 Uhr) gegebene betriebskausale Lärmimmissionen zu erwarten sei, bestätigt werden könne. Es ergebe sich daher, dass nunmehr mit der spruchgemäßen Einschränkung der Betriebszeiten (Betriebsbeginn 6.00 Uhr früh) sowie durch den Umstand, dass das geplante Freilager für Baumaterialien nunmehr nicht zur Ausführung gelange, mit einer Beeinträchtigung der Nachbarn in keiner Weise zu rechnen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift mit einem gleichlautenden Antrag.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer im Recht auf Parteiengehör sowie im Recht, durch die Genehmigung der Betriebsanlage keine Belästigungen und Beeinträchtigungen durch Lärm, Staub, Geruch, Abgase, welche auf Grund des zu befürchtenden Ausmaßes der Emmissionen nicht zumutbar seien, dulden zu müssen, verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes rügen sie zunächst die durchgeführten Lärmmessungen als nicht repräsentativ, weil dabei nicht berücksichtigt worden sei, dass während des Tages das Umgebungsgeräuschniveau gegenüber den Messzeitpunkten erheblich absinke. Es seien bei den Messungen auch nur jene Lärmimmissionen festgestellt worden, die durch Fahrbewegungen mit Lkw entstanden seien, nicht aber solche, die beim Betrieb von schweren Baumaschinenfahrzeugen entstünden. Auch sei der energieäquivalente Dauerschallpegel der gesamten von der geplanten Betriebsanlage ausgehenden Lärmimmissionen nicht ermittelt worden. Des weiteren würden die betriebskausalen Immissionen bei der Liegenschaft der Erstbeschwerdeführerin lediglich abgeschätzt. Ferner werde dabei von einer Schutzmauer zwischen der Lagerhalle und der Servicehalle ausgegangen. Eine solche Mauer sei aber aus den eingereichten Unterlagen nicht ersichtlich. Ferner werden in den gutachterlichen Stellungnahmen immer wieder für die Gültigkeit der Abschätzung von Voraussetzungen ausgegangen - wie z.B. Tore der Servicehalle sind geschlossen; die Servicehalle hat ein mittleres Schaltdämmmaß von mindestens 24 dB, Höhe der Schallschutzwand zwischen Lagerhalle und Servicehalle mit Kote 399,20; Schalldämmmaß der Schallschutzwand mindestens 21 dB; Schalldämmmaß der Tore der Servicehalle mindestens 20 dB mit dichter Ausführung der Tore -, ohne dass für die Einhaltung dieser Voraussetzungen entsprechende Vorkehrungen getroffen worden seien. Die bereits erfolgte Umwidmung in Bauland-Industriegebiet, direkt anschließend an gewidmetes allgemeines Wohngebiet widerspreche den Grundsätzen der Raumordnung und Raumplanung und sei daher rechtswidrig. Für die geplante Schutzmauer liege keine baurechtliche Bewilligung vor. Auch habe der Landeshauptmann diverse Auflagen für bauliche Veränderungen erteilt. Diese Vorgangsweise bedeute eine Kompetenzüberschreitung, weil es sich bei derartigen Veränderung in Wahrheit um eine Projektsänderung handle, wofür die mitbeteiligte Partei um keine Baubewilligung angesucht habe. Für derartige bauliche Veränderungen bzw. Maßnahmen sei die Baubehörde, also die Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zuständig. Der Gewerbebehörde mangle es an der rechtlichen Kompetenz zur Erteilung solcher Auflagen. Schließlich bringen die Beschwerdeführer vor, aus dem bisherigen (im Einzelnen dargestellten) Verhalten der mitbeteiligten Partei ergebe sich die Befürchtung, dass es sich auch in Hinkunft nicht an die nunmehr festgesetzten Betriebszeiten halten werde.

Zu 1.)

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. NF Nr. 10.317/A, ausgeführt hat, kann eine Partei mit beschränktem Mitspracherecht (wie dies auf den Nachbarn im Betriebsanlagenverfahren zutrifft), die einen Bescheid, mit dem ihre Berufung abgewiesen wurde (und mit dem daher über seine subjektiv-öffentlichen Rechte abschließend abgesprochen worden ist), unangefochten lässt, einen späteren Berufungsbescheid, der als Ersatzbescheid nach Aufhebung des ersten Berufungsbescheides über Beschwerde anderer Nachbarn in Verfolgung deren Rechte erging, nur mehr bekämpfen, wenn darin eine Änderung zu ihrem Nachteil erfolgte. Ansonsten fehlt ihr die Beschwerdelegitimation.

Aus der einleitend gegebenen Darstellung des Verfahrensganges ergibt sich nun, dass die Drittbeschwerdeführerin den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 11. Mai 1998 nicht mit Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof angefochten hat, ihn also unangefochten ließ. Bei Gegenüberstellung des Inhaltes dieses Bescheides mit jenem des nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides ergibt sich ferner, dass mit letzterem Bescheid keine Änderung der Rechtslage zu ihren Lasten gegenüber dem Bescheid vom 11. Mai 1998 erfolgt ist.

Entsprechend den soeben dargelegten Voraussetzungen zur Zulässigkeit einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof fehlt es der Drittbeschwerdeführerin somit an der Beschwerdelegitimation, weshalb ihre Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen war.

Die in diesem Zusammenhang getroffene Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Zu 2.)

Der Wortlaut des Spruches des angefochtenen Bescheides lässt erkennen, dass der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit mit dem angefochtenen Bescheid den Spruch des Bescheides des Landeshauptmannes von Burgenland vom 23. Juli 1997 übernommen und damit zum Inhalt seines Bescheides erhoben hat. Er hat diesen lediglich durch die Beigebung einer Betriebsbeschreibung ergänzt. In dieser Form ist aber der Bescheid insofern unklar, als sich einerseits aus der Auflage Punkt 1 ergibt, dass in der Zeit zwischen 5.00 Uhr bis 6.00 Uhr maximal 5 Lkw gleichzeitig warmlaufen dürfen, während andererseits die Betriebszeit generell täglich erst um 6.00 Uhr beginnt. Unklar bleibt dabei, ob die Ausführungen in der Betriebsbeschreibung (wie es wahrscheinlich vom Bundesminister beabsichtigt wurde, dem Spruch aber nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit entnehmbar ist) einen inhaltlichen Widerruf der Auflage Punkt 1 darstellen, oder ob ungeachtet des sonstigen Betriebsbeginnes ein Warmlaufen von Lkw's in der Zeit von 5.00 Uhr bis 6.00 Uhr gestattet sein soll.

Schon wegen dieses Mangels seines Spruches musste der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Für das fortgesetzte Verfahren sieht sich der Verwaltungsgerichtshof noch zu der Bemerkung veranlasst, dass der von der belangten Behörde beigezogene gewerbetechnische Amtsachverständige seine Aussagen über die auf den Nachbarliegenschaften zu erwartenden - von der Betriebsliegenschaft ausgehenden - Lärmimmissionen (die ihrerseits wieder die Grundlage für die Aussage des medizinischen Amtsachverständigen über den Ausschluss einer Gefährdung der Gesundheit und unzumutbarer Belästigungen der Nachbarn) von einer das Lärmdämmmaß betreffenden bestimmten Ausführung der auf der Liegenschaft errichteten Baulichkeiten und von einem ständigen Geschlossenhalten der Tore der Servicehalle abhängig gemacht hat, ohne dass im angefochtenen Bescheid, sei es im Wege der Betriebsbeschreibung, sei es im Wege von Auflagen Vorsorge dafür getroffen wurde, dass diese Voraussetzungen bei Errichtung der Betriebsanlage geschaffen bzw. beim Betrieb der Betriebsanlage eingehalten werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. September 2000

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000040107.X00

Im RIS seit

02.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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