RS Vfgh 2014/10/7 G27/2014 ua

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Veröffentlicht am 07.10.2014
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Index

22/03 Außerstreitverfahren
27/02 Notare

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
AußStrG §167 Abs2, §170
GerichtskommissionstarifG §3, §5, §12

Leitsatz

Keine Gleichheitswidrigkeit des Anknüpfens an eine Regelung des AußerstreitG über die Bewertung unbeweglicher Sachen mit dem dreifachen Einheitswert bei der Ermittlung der Gerichtskommissionsgebühren; Abweisung des - zulässigen - Gerichtsantrags auf Aufhebung dieser der Inventarerrichtung im Verlassenschaftsverfahren dienenden Bewertungsvorschrift

Rechtssatz

Zulässigkeit des Antrags des Landesgerichts St Pölten auf Aufhebung des §167 Abs2 AußStrG.

Mit §3 GerichtskommissionstarifG (GKTG) wird - entgegen der Ansicht der Bundesregierung - lediglich die Grundlage für die Gebührenbemessung festgestellt, nicht aber eine Regelung darüber getroffen, wie der Gegenstand zu bewerten ist.

Vor diesem Hintergrund kann es nicht als denkunmöglich angesehen werden, wenn die zur Festsetzung der im Rahmen eines Verlassenschaftsverfahrens anfallenden Gerichtskommissionsgebühren berufenen Verlassenschaftsgerichte auf die im AußStrG für die Inventarisierung der Verlassenschaft aufgestellten Regeln rekurrieren, zumal §12 Abs1 GKTG für Amtshandlungen in Verlassenschaftssachen, die ein Unternehmen oder einen Gesellschaftsteil betreffen, ausdrücklich anordnet, dass für die Gebührenbemessung iSd §3 Abs1 GKTG der Wert nicht gesondert zu ermitteln, sondern vom Inventar oder von der Vermögenserklärung auszugehen ist, sofern diese die im §3 Abs1 GKTG geforderten Grundlagen enthalten.

Die Vorschrift des §3 Abs1 GKTG steht mit der im AußStrG für das Inventar in Bezug auf unbewegliche Sachen aufgestellten Bewertungsvorschrift des §167 Abs2 AußStrG nicht in einem derart engen Zusammenhang, dass von einer normativen Einheit der beiden Regelungskomplexe auszugehen wäre.

Im Falle der Aufhebung des Abs2 des §167 AußStrG entfiele lediglich die Regelung über die Bewertung von Liegenschaften, nicht aber auch die in den Abs1 und Abs3 enthaltenen Bewertungsregeln für bewegliche Sachen bzw für Schulden. Davon abgesehen schadet ein allfälliges Ins-Leere-Gehen einer Bestimmung zufolge Aufhebung einer anderen nicht (vgl zB VfSlg 14802/1997, 15935/2000).

Das antragstellende Gericht hat grundsätzlich all jene Normen anzufechten, die für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen, soweit die Präjudizialität für den gesamten Antrag gegeben ist, nicht zur Gänze unzulässig, sondern führt im Falle der Aufhebung nur eines Teils der angefochtenen Bestimmungen zu seiner teilweisen Abweisung. Es ist Sache des VfGH, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit - wäre das Bedenken des antragstellenden Gerichtes berechtigt - beseitigt werden kann.

Keine Bedenken gegen das System der Einheitsbewertung von Liegenschaften an sich (vgl VfSlg 18093/2007, 19487/2011, 19701/2012, 19705/2012); ein Anknüpfen an Einheitswerte kann aus verwaltungsökonomischen Gründen gerechtfertigt sein (vgl insbesondere VfSlg 18419/2008).

Entgegen der Ansicht des antragstellenden Gerichtes widerspricht das Anknüpfen an §167 Abs2 AußStrG bei Bestimmung der Gerichtskommissionsgebühr nicht dem Gleichheitsgrundsatz: Auf Grund der notorisch hohen Zahl von Verlassenschaftsverfahren sind bei der Beurteilung dieser Gebühren insbesondere auch verwaltungsökonomische Überlegungen mit in Betracht zu ziehen. Gerichtskommissionsgebühren sind tarifierte Entgelte, die Notare für ihr Tätigwerden als Gerichtskommissäre beanspruchen können. Durch das Abstellen auf den dreifachen Einheitswert wird zum einen die regelmäßig kostenintensive gerichtliche Schätzung unbeweglicher Güter allein zum Zweck der Gebührenbemessung vermieden. Angesichts dessen sowie mit Blick auf den relativ geringen Aufwand, der mit der abzugeltenden Amtshandlung durchschnittlich verbunden ist, können unterschiedliche Ergebnisse in der Gebührenbemessung des Gerichtskommissärs mit dem Ziel der Verwaltungs-vereinfachung gerechtfertigt werden. Zum anderen sehen die in §13 ff GKTG geregelten Tarife eine relativ moderate stufenweise Erhöhung unter Einziehung einer Maximalgrenze vor. §5 GKTG räumt zur Abgeltung besonders aufwendiger Amtshandlungen zudem die Möglichkeit einer Erhöhung bis zum Doppelten der tarifmäßig festgesetzten Gebühr ein, weshalb den mit dem Anknüpfen an das Einheitswertesystem einhergehenden Rechtsfolgen im Ergebnis lediglich geringes Gewicht zukommt.

Entscheidungstexte

  • G27/2014 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 07.10.2014 G27/2014 ua

Schlagworte

Zivilprozess, Gerichtskommissäre, Notare, Gebühr, Einheitsbewertung, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2014:G27.2014

Zuletzt aktualisiert am

14.03.2016
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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