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19/05 Menschenrechte;Norm
MRK Art8 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des B, vertreten durch Mag. Stefan Lichtenegger, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Lerchenfelder Straße 39, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 12. Juni 2013, Zl. 164.411/2- III/4/13, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die Bundesministerin für Inneres (im Folgenden: Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers, eines mongolischen Staatsangehörigen, vom 20. Jänner 2012 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 41a Abs. 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Begründend führte die Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 8. Juli 2004 in das Bundesgebiet eingereist und habe "unter falscher Identität" einen Asylantrag gestellt. Dieser Antrag sei mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 6. August 2009 in Verbindung mit einer Ausweisung rechtskräftig abgewiesen worden, wobei der Asylgerichtshof bei seiner Entscheidung eine Interessenabwägung iSd Art. 8 EMRK durchgeführt habe.
Der Beschwerdeführer habe ein Sprachdiplom auf dem Niveau A2 sowie eine Einstellungszusage einer Änderungsschneiderei vorgelegt. Er sei gelernter Schneider und somit - nach seinen Angaben - "grundsätzlich selbsterhaltungsfähig". Weiters habe er vorgebracht, auf Grund seines Alters auf die Hilfe seiner Angehörigen - seiner Schwester und deren drei Kinder - angewiesen zu sein.
Die Behörde wies darauf hin, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit der rechtskräftigen Abweisung seines Asylantrages unrechtmäßig sei. Zuvor sei er lediglich vorübergehend rechtmäßig aufhältig gewesen, wobei ihm bewusst sein habe müssen, dass sein Aufenthalt nicht dauerhaft sein könne. Mit Ausnahme seiner Schwester seien keine engen Familienangehörigen in Österreich aufhältig, die Beziehungen zu seiner "angeblichen" Schwester und deren Kindern fielen nicht in den Schutzbereich des Familienlebens. Auf dem Arbeitsmarkt sei der Beschwerdeführer nicht stark integriert. Intensive familiäre oder berufliche Bindungen seien somit nicht festzustellen gewesen. Auf Grund dieser Tatsachen gelangte die Behörde zur Ansicht, dass den öffentlichen Interessen - nämlich der Einhaltung der fremdenrechtlichen Bestimmungen, der ein hoher Stellenwert zukomme - der Vorrang einzuräumen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass es sich beim vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall nicht um einen Übergangsfall nach dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, handelt und somit gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.
Die Beurteilung des gegenständlichen Falles richtet sich im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (13. Juni 2013) nach den Bestimmungen des NAG idF BGBl. I Nr. 68/2013.
Gemäß § 41a Abs. 9 NAG erfordert die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" u.a., dass dies gemäß § 11 Abs. 3 NAG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK geboten ist.
Der Beschwerdeführer moniert diesbezüglich insbesondere, dass die Behörde von seiner "angeblichen" Schwester gesprochen und somit das Vorliegen einer Familienbeziehung überhaupt in Frage gestellt habe. Die Zweifel der Behörde an einer tatsächlichen familiären Beziehung seien für den Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren aber nicht erkennbar gewesen.
Zutreffend ist, dass die Behörde im angefochtenen Bescheid zweimal von einer "angeblichen" Schwester des Beschwerdeführers und deren drei Kindern spricht, ohne darzulegen, inwiefern Zweifel an der Angehörigeneigenschaft der vom Beschwerdeführer als seine Schwester angegebenen Person bestehen. Daraus resultiert aber aus folgenden Gründen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides.
Ob außerhalb des Bereiches des insbesondere zwischen Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern ipso iure zu bejahenden Familienlebens iSd Art. 8 EMRK ein Familienleben vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) jeweils von den konkreten Umständen ab, wobei für die Prüfung einer hinreichend stark ausgeprägten persönlichen Nahebeziehung gegebenenfalls auch die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung sind. Familiäre Beziehungen unter Erwachsenen fallen dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2014, Zl. 2013/22/0037, mwN). Der Beschwerdeführer hat weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde dargelegt, dass eine derartige Abhängigkeit besteht. Soweit er darauf verweist, dass er von seinen Angehörigen im Alltagsleben unterstützt werde und altersbedingt auf Hilfe angewiesen sei, bleibt das Vorbringen unsubstantiiert. Weder wird damit eine über die üblichen Bindungen hinausgehende Nahebeziehung glaubhaft gemacht noch geht daraus hervor, weshalb der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides 51-jährige Beschwerdeführer "altersbedingt" auf fremde Hilfe angewiesen sei. Ausgehend davon ist es im Ergebnis aber nicht zu beanstanden, wenn die Behörde im Rahmen ihrer Beurteilung "intensive familiäre Bindungen" des Beschwerdeführers in Österreich verneint hat.
Der Beschwerdeführer verweist weiters auf seinen "seit mehr als 9 Jahren" bestehenden Aufenthalt in Österreich, seine sehr guten Deutschkenntnisse und auf die vorgelegte Einstellungszusage. Die Behörde hat bei ihrer Interessenabwägung auf die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers und auf die von ihm vorgelegte Einstellungszusage hinreichend Bedacht genommen. Es kann ihr auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie ihrer Entscheidung keine intensive berufliche Bindung des Beschwerdeführers in Österreich zugrunde gelegt hat.
Bei Beachtung der öffentlichen Interessen durfte die Behörde wiederum berücksichtigen, dass der Einhaltung fremdenrechtlicher Bestimmungen ein hoher Stellenwert zukommt und Fremde nach Abweisung ihrer Asylanträge grundsätzlich angehalten sind, den rechtmäßigen Zustand durch Ausreise aus dem Bundesgebiet wieder herzustellen. Diesem Erfordernis ist der Beschwerdeführer seit der rechtskräftigen Ausweisung vom August 2009 nicht nachgekommen. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Behörde bei ihrer Beurteilung miteinbezogen hat, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers nur vorübergehend - auf Grund eines letztlich unberechtigten Asylantrages - rechtmäßig war. Der Verwaltungsgerichtshof hat diesbezüglich wiederholt festgehalten, dass bei der Bewertung des persönlichen Interesses des Beschwerdeführers (an der Erteilung eines Aufenthaltstitels) iSd § 11 Abs. 3 Z 8 NAG zu berücksichtigen ist, dass der Beschwerdeführer auf der Grundlage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung, die ihm während des Asylverfahrens zugekommen ist, nicht damit rechnen durfte, dauerhaft in Österreich bleiben zu können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 2014, Zl. 2013/22/0192, mwN).
Ausgehend davon sind die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände insgesamt nicht von solchem Gewicht, dass ihm unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK ein Aufenthaltstitel hätte erteilt und akzeptiert werden müssen, dass er mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen. Es ist somit nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die Behörde das Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich nicht schwerer gewichtete als das gegenläufige öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen. Daran vermag fallbezogen auch die (zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung) bestehende Aufenthaltsdauer in Österreich von knapp neun Jahren nichts zu ändern (vgl. zu einem ebenfalls langen Inlandsaufenthalt das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2013, Zl. 2013/22/0002).
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG sowie § 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, iVm § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 9. September 2014
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:2013220246.X00Im RIS seit
13.11.2014Zuletzt aktualisiert am
14.11.2014