TE Vwgh Erkenntnis 2014/9/17 2012/04/0094

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Veröffentlicht am 17.09.2014
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Index

L72009 Beschaffung Vergabe Wien;

Norm

LVergRG Wr 2007 §31 Abs6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck, Hofrat Dr. Kleiser sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schweda, über die Beschwerde der ARGE M bestehend aus 1. der H GmbH, 2. der G Ges.m.b.H. und 3. der Ing. G P Ges.m.b.H., vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gauermanngasse 2, gegen den Bescheid des Vergabekontrollsenates des Landes Wien vom 15. März 2012, Zl. VKS - 13111/11, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (weitere Partei: Wiener Landesregierung; mitbeteiligte Parteien: 1. S, vertreten durch die Schwartz Huber-Medek & Partner Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Stubenring 2, 2. E GmbH in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid in seinen Spruchpunkten 1.), 2.) und 4.) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Hinsichtlich des Spruchpunktes 3.) des angefochtenen Bescheides wird die Beschwerde abgewiesen.

Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

2.1. Die erstmitbeteiligte Partei (im Folgenden: Auftraggeberin) führte als öffentliche Auftraggeberin ein offenes Verfahren im Oberschwellenbereich nach den Regeln des BVergG 2006 zur Vergabe von Rahmenverträgen für die Dauer von drei Jahren betreffend Maler-, Anstreicher- Bodenleger- und Reinigungsdienstleistungen für städtische Wohnhausobjekte durch. Die Ausschreibung war in 48 Lose (Gebietseinheiten=GE) gegliedert. Die Vergabe erfolgte nach dem Billigstbieterprinzip.

In einem ersten Verfahrensgang wurde das Angebot der zweitmitbeteiligten Partei nach Durchführung einer vertieften Prüfung ausgeschieden und als Zuschlagsempfängerin betreffend das Los KD 11/GE 2 und 3 die nunmehrige Beschwerdeführerin bekannt gegeben. Sowohl die Ausscheidungs- als auch die Zuschlagsentscheidung wurden von der zweitmitbeteiligten Partei erfolgreich angefochten und von der Vergabekontrollbehörde jeweils mit der Begründung für nichtig erklärt, die zweitmitbeteiligte Partei sei nicht ausreichend konkret im Sinne des gebotenen kontradiktorischen Vorhalteverfahrens mit den sie betreffenden Ergebnissen der vertieften Angebotsprüfung konfrontiert worden.

Im fortgesetzten Vergabeverfahren wurde die vertiefte Prüfung betreffend das Angebot der zweitmitbeteiligten Partei ergänzt. Mit 6. Dezember 2011 wurde die Zuschlagsentscheidung betreffend das Los KD 11/GE 2 und 3 zugunsten der zweitmitbeteiligten Partei bekannt gegeben.

2.2. Mit Nachprüfungsantrag vom 16. Dezember 2011 beantragte die Beschwerdeführerin, diese Zuschlagsentscheidung zugunsten der zweitmitbeteiligten Partei für nichtig zu erklären und mittels einstweiliger Verfügung die Erteilung der Zuschläge im Vergabeverfahren zu untersagen.

Antragsbegründend führte die Beschwerdeführerin zusammengefasst aus, die Auftraggeberin hätte das Angebot der zweitmitbeteiligten Partei auch nach der fortgesetzten Prüfung ausscheiden müssen, weil dieses unbehebbare Mängel aufweise, insbesondere sei die Kalkulation der zweitmitbeteiligten Partei hinsichtlich mehrerer - auch wesentlicher - Positionen nicht nachvollziehbar. So entspreche das von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin vorgelegte K3-Blatt nicht den Bestimmungen der ÖNORM B 2061, weil anzuführende Aufzahlungen für Mehrarbeit nicht angeführt seien. Der angesetzte Mittellohnpreis lasse sich in Hinblick auf die angebotenen linearen Preisnachlässe betriebswirtschaftlich nicht nachvollziehen. Die linearen Abschläge von jeweils 62,5 % in 21 von 29 Obergruppen auf die Preisanteile "Lohn" und "Sonstiges", die Unterschreitung der Kalkulationen der Mitbewerber um mehr als die Hälfte bei den Zeitansätze in der K7-Kalkulation bezogen auf 29 als wesentlich gekennzeichnete Positionen und Unterschreitungen von mehr als 50 % bei den Materialansätzen würden der Annahme eines plausiblen Angebotspreises widersprechen. Gestützt auf ein Sachverständigengutachten brachte die Beschwerdeführerin weiter vor, die von der Ausschreibung als wesentlich bezeichnete Position 53.501320 Cw "Linoleum" im Angebot der zweitmitbeteiligten Partei weise einen Unterpreis auf. In diesem Zusammenhang sei insbesondere der Preisanteil "Lohn" weder betriebswirtschaftlich noch hinsichtlich des Aufwandsansatzes nachvollziehbar. Die Zeitansätze für 29 von 45 als wesentlich bezeichneten Positionen seien nicht nachvollziehbar und würden eine Abweichung von rund 50 % vom vorgegebenen Wert der Basiskalkulation ergeben. Zudem habe die präsumtive Zuschlagsempfängerin zur Position 46.2402A kein konkretes Produkt angeboten, sondern nur einen Hersteller namhaft gemacht, was alleine die Ausscheidung rechtfertige. Ein Nachtragen des Produktnamens stelle eine unzulässige Nachbesserung dar.

Zudem habe die präsumtive Zuschlagsempfängerin mit anderen Mitbewerbern, mit welchen eine personelle Verflechtung bestehe, für die Auftraggeberin nachteilige, gegen die guten Sitten oder den Grundsatz des Wettbewerbs verstoßende Abreden getroffen.

2.3. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag auf Bestellung eines Sachverständigen (Spruchpunkt 1.) und der Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidungen betreffend das Los KD 11/GE 1 abgewiesen (Spruchpunkt 2.), die zunächst mit Beschluss vom 20. Dezember 2011 erlassene einstweilige Verfügung aufgehoben (Spruchpunkt 3.) und ferner ausgesprochen, die Beschwerdeführerin habe die von ihr entrichteten Pauschalgebühren selbst zu tragen (Spruchpunkt 4.).

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde zur Frage der Angebotsprüfung aus, die Auftraggeberin habe nach vorangegangener Rücknahme der Ausscheidungs- und Zuschlagsentscheidung die vertiefte Angebotsprüfung hinsichtlich des Angebotes der zweitmitbeteiligten Partei fortgesetzt. Auf Basis der von der zweitmitbeteiligten Partei in Beantwortung des ergänzenden Aufklärungsersuchens übersendeten Unterlagen habe der von der Auftraggeberin zugezogene externe Sachverständige ein ausführliches Gutachten erstattet, in welchem dieser zum Ergebnis gelange, dass nunmehr nachvollziehbare Erklärungen und entsprechende Belege, etwa in Form von Nachkalkulationen, beigebracht worden seien. Auf Grundlage dieser - bis dahin nicht zur Verfügung gestandenen - Aufklärungen habe der Sachverständige gefolgert, dass die von der Teilnahmeberechtigten in der Detailkalkulation enthaltenen Leistungs- und Mengenansätze nachvollzogen werden könnten. Ebenso habe die Teilnahmeberechtigte die marktpolitischen Nachweise z.B. hinsichtlich der Geräte nunmehr betriebswirtschaftlich ebenso erklärt wie die Preisbildung der Detailkalkulationen. Der Sachverständige sei zu dem zusammenfassenden Ergebnis gelangt, dass aus betriebswirtschaftlicher Sicht "die Preise der Angebote nachvollziehbar erklärt worden (seien) und … die außenwirksamen Kosten durch den Preis gedeckt" seien. Diese Schlussfolgerungen des Sachverständigen seien in seinem Gutachten nachvollziehbar dargestellt und würden sich mit dem ergänzenden Inhalt der Vergabeakten decken. Damit sei davon auszugehen, dass die Auftraggeberin im fortgesetzten Vergabeverfahren sehr wohl die vertiefte Angebotsprüfung fortgesetzt, die Ergebnisse dokumentiert und nach Erhalt der ergänzenden Aufklärung nachvollziehbar dargestellt habe. Es sei als erwiesen anzunehmen, dass die Angebote der Teilnahmeberechtigten (Anm.: hier der zweitmitbeteiligten Partei) hinsichtlich des gegenständlichen Loses eine plausible Kalkulation aufwiesen und mit den angebotenen Preisen die ausgabenwirksamen Kosten der Leistungserbringung gedeckt seien. Die belangte Behörde übernehme das gutachterliche Ergebnis des Sachverständigen als schlüssig und unbedenklich und lege es den eigenen Feststellungen zugrunde, sodass davon auszugehen sei, dass im fortgesetzten Vergabeverfahren betriebswirtschaftlich nachvollziehbare Kalkulationsgrundlagen im geforderten Ausmaß vorgelegen seien und der Gutachter der Auftraggeberin die Kostendeckung bestätigt habe.

Hinsichtlich der vom Nachprüfungsantrag monierten Position "Linoleum" stellte die belangte Behörde fest, die Teilnahmeberechtigte sei auch hinsichtlich dieser Position um Aufklärung ersucht worden, welche sie in für den Sachverständigen der Auftraggeberin schlüssiger Art erteilt habe. Der Sachverständige habe die Kalkulation auch in diesem Punkt für nachvollziehbar und unbedenklich befunden. Das Gutachten des Privatsachverständigen der Beschwerdeführerin sei hingegen nicht geeignet, das Ergebnis des Gutachters der Auftraggeberin in Zweifel zu ziehen.

Hinsichtlich der Bieterlücke betreffend "Innenbeschichtung mit Dispersionsfarben" (Position 23.4624) habe die zweitmitbeteiligte Partei die entsprechenden Produktdatenblätter mit genauer Bezeichnung des vorgesehenen Materials vorgelegt, dessen Eigenschaften den Ausschreibungsunterlagen entsprächen.

Hinsichtlich des von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Verstoßes gegen § 19 Abs. 1 iVm § 123 Abs. 2 Z 1 BVergG wegen unterlassener Prüfung des Ausscheidungstatbestandes des § 129 Abs. 1 Z 8 BVergG führte die belangte Behörde aus, die Auftraggeberin habe bereits im ersten Abschnitt des Vergabeverfahrens eine mögliche Problematik der personellen Verflechtung betreffen die zweitmitbeteiligte Partei und eines weiteren teilnahmeberechtigten Unternehmens erkannt und diesen Sachverhalt geprüft. Beide Unternehmen hätten schlüssig dargelegt, selbst kalkuliert zu haben. Es fänden sich in den Vergabeakten keine weiteren Anhaltspunkte für nachteilige, gegen die guten Sitten oder gegen den Grundsatz des Wettbewerbs verstoßende Abreden zwischen diesen. Insgesamt sei davon auszugehen, dass die Auftraggeberin die Frage des Vorliegens verpönten Bieterverhaltens geprüft habe, es jedoch keine Hinweise auf das Vorliegen eines solchen gäbe.

Es sei nicht von unzulässigen mehrfachen Mängelbehebungsversuchen seitens der Auftraggeberin auszugehen, weil sich deren Anfragen an die zweitmitbeteiligte Partei nicht jeweils auf die gleichen aufzuklärenden Umstände bezogen hätten, bzw. so allgemein gehalten gewesen seien, dass mit einer konkreten Beantwortung nicht zu rechnen gewesen sei.

3. Gegen diesen Bescheid in seinem gesamten Umfang richtet sich die verfahrensgegenständliche Beschwerde mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift - ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei - die Abweisung der Beschwerde.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der vorliegende Beschwerdefall gleicht in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht in den entscheidungswesentlichen Punkten jenem, der vom Verwaltungsgerichtshof mit heutigem Erkenntnis, Zl. 2012/04/0016, entschieden wurde. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses verwiesen. Auch im vorliegenden Beschwerdefall hat es die belangte Behörde unterlassen, darzulegen, aufgrund welcher eigenen - auf der Grundlage eines allfälligen ergänzenden Sachverständigengutachtens gestützten - Feststellungen zu den vorgebrachten Angebotsmängeln betreffend das Angebot der zweitmitbeteiligten Partei und darauf basierender eigener Schlussfolgerungen sie zu dem Ergebnis des Vorliegens eines plausiblen Angebotspreises gelange.

5. Der angefochtene Bescheid war daher bereits aus diesem Grund in dem im Spruch angeführten Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Hingegen war die Beschwerde, soweit sie die mit Spruchteil 3.) verfügte Aufhebung der einstweiligen Verfügung betrifft, im Hinblick auf § 31 Abs. 6 WVRG 2007 gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, weil die einstweilige Verfügung auch bei Wegfall des über den Nachprüfungsantrag absprechenden Bescheides nicht wieder auflebt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. November 2011, Zl. 2007/04/0201, mit Hinweisen auf die Vorjudikatur).

6. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 und 4 VwGG abgesehen werden, weil die Sache bereits Gegenstand einer Verhandlung bei der belangten Behörde (einem Tribunal im Sinne des Art. 6 EMRK; vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 2011, Zl. 2008/04/0082, mwN) war und in einem fortgesetzten Verfahren im Falle weiterer Erhebungen wieder sein wird müssen.

7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 17. September 2014

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2012040094.X00

Im RIS seit

13.11.2014

Zuletzt aktualisiert am

14.11.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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