TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/27 95/14/0079

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Veröffentlicht am 27.09.2000
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §114;
BAO §115 Abs1;
EStG 1988 §4 Abs1;
EStG 1988 §4 Abs4;
EStG 1988 §6 Z2 lita;
EStG 1988 §6 Z3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Urtz, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Kärnten gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten (Berufungssenat) vom 15. Mai 1995, GZ B 26/1-4/91, betreffend Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 1987 und 1988, sowie Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Jänner 1989 und 1990 (mitbeteiligte Partei: V reg. Gen.mbH in S), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Bei der mitbeteiligten Kreditgenossenschaft fand im Jahr 1990 eine abgabenbehördliche Prüfung statt. Dabei stellte der Prüfer unter anderem fest, die Mitbeteiligte habe in den Jahren 1987 und 1988 von diversen Kreditunternehmen jenes Bankensektors, dem auch die Mitbeteiligte angehöre, Zuschüsse zur Beseitigung der Gefährdung der Haftkapitalausstattung bzw. zum teilweisen Ausgleich des Betriebsverlustes erhalten. Die unter dem Titel "Besserungsverpflichtung" empfangenen Zuschüsse in Höhe von insgesamt 14 100 000 S seien von der Mitbeteiligten in den betreffenden Jahren zu Unrecht als sonstige außerordentliche Erträge behandelt worden. Aus den vorliegenden Vereinbarungen gehe nämlich zweifelsfrei hervor, dass die zur Verfügung gestellten Kapitalmittel sowohl einer Verzinsung als auch einer genau geregelten Rückzahlungspflicht unterlägen. Demgemäß erscheine es erforderlich, die Zuschussgelder wie eine Kreditverpflichtung zu passivieren. Das von der Mitbeteiligten gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1988 ermittelte Betriebsvermögen sei daher insoweit nicht vermehrt worden. Folglich müssten die Gewinne und Gewerbeerträge der genannten Jahre entsprechend verringert werden, sowie die Rückzahlungsverpflichtungen als Verbindlichkeiten bei Ermittlung der Einheitswerte des Betriebsvermögens in Abzug gebracht werden.

Die wesentlichen Bestimmungen der drei von der Mitbeteiligten im Jahr 1987 geschlossenen "Besserungsverpflichtungen" (festgehalten jeweils in Schreiben vom 28. Dezember 1987) lauten :

     "... Sie haben uns zur Beseitigung einer Gefährdung unserer

Haftkapitalausstattung bzw. zum teilweisen Ausgleich unseres

Betriebsverlustes einen Zuschuss in Höhe von ... gewährt.

Sie haben sich bereit erklärt, eine Rückzahlung dieses Besserungszuschusses von uns nur insoweit zu verlangen, als die finanzielle Lage unserer Genossenschaft dies ohne Schäden gestattet.

Wir verpflichten uns, ab dem Zeitpunkt, ab dem wir einen, wie im Folgenden beschrieben, zu ermittelnden Gewinn erwirtschaften, auch ohne dass die gemäß § 12 KWG erforderliche Haftkapitalausstattung erreicht ist, vorab die vereinbarten Zinsen zu leisten. Sollte die Zinszahlung auf Grund der Ertragssituation in einem Jahr nicht oder nicht zur Gänze möglich sein, so ist diese in den Folgejahren aus dem jeweiligen Jahresgewinn nachzuholen.

Die Berechnung der Zinsen in Höhe von 2,88 Prozentpunkten unter der Sekundärmarktrendite für Bundesanleihen ... mit einer jährlichen Anpassung an die geänderte Sekundärmarktrendite zum 31.12. beginnt am 1.1.1988.

Wir verpflichten uns weiters, nach Erreichung des Haftkapitalerfordernisses gemäß § 12 KWG, zur Rückerstattung der Zuschussleistung aus dem bilanzmäßigen Jahresgewinn künftiger Geschäftsjahre vor Rückstellung der gewinnabhängigen Steuern und vor Inanspruchnahme der steuerlichen Investitionsbegünstigungen (...) jährlich 50 % des solcherart ermittelten Gewinnes, höchstens jedoch 30 % der gesamten Besserungsverpflichtung zu leisten.

Dieser Verpflichtung sind die Besserungsverpflichtungen gegenüber der (an dieser Stelle werden die zwei anderen zuschussgebenden Banken genannt) im Range gleichgestellt. Sollte der Jahresgewinn nicht ausreichen, diese Besserungsverpflichtung voll zu erfüllen, erfolgt eine aliquote Kürzung. Unsere Rückzahlungsverpflichtung endet jedenfalls dann, wenn 100 % des Besserungsgeldes zurückgezahlt und die vereinbarten Zinsen beglichen sind.

Unabhängig von der hierin vereinbarten Rückzahlungsregelung sind wir berechtigt, den erhaltenen Zuschuss auch vorzeitig, teilweise oder zur Gänze, zurückzuzahlen, sofern dies unsere Ertragssituation gestattet.

Die Überweisung der jeweils fälligen Zinsen sowie der rückzuerstattenden Beträge erfolgt spätestens 14 Tage nach Beschlussfassung unserer Generalversammlung über den jeweiligen Jahresabschluss ...

Wir verpflichten uns ferner, Sie über unsere Vermögensverhältnisse und unsere wirtschaftliche Entwicklung auf dem Laufenden zu halten und Ihnen daher unsere, nach ordnungsmäßigen kaufmännischen Grundsätzen erstellten Rechnungsabschlüsse, ..., unverzüglich nach der Beschlussfassung durch die Generalversammlung zu übergeben und über Verlangen zu erläutern.

...

Es herrscht zwischen Ihnen und uns Übereinstimmung, dass ihre Zusagen nur für die Dauer unserer Mitgliedschaft beim A-Genossenschaftsverband rechtswirksam sind und daher im Falle eines Ausscheidens unserer Genossenschaft aus dem Verband das gewährte Besserungsgeld zuzüglich Zinsen ... zur Gänze rückzahlbar ist.

..."

Die im Jahr 1988 von der Mitbeteiligten eingegangenen fünf weiteren Besserungsvereinbarungen sehen eine jährliche Rückzahlung von 20 % des bilanzmäßigen Jahresüberschusses (vor Steuern und Rücklagenbewegung, jedoch nach Dotierung der Haftrücklage) für den Fall vor, dass das gemäß § 12 KWG erforderliche Haftkapital erreicht und aufrechterhalten werden könne. Bis 31. Dezember 1993 wurden die 1988 erhaltenen Besserungsgelder unverzinslich zur Verfügung gestellt; ab dem 1. Jänner 1994 sollten die noch nicht rückgezahlten Beträge mit einem jährlich ansteigenden Satz verzinst werden. Auch in den Besserungsvereinbarungen des Jahres 1988 wurde vereinbart, dass die Rückzahlungsverpflichtung endet, sobald 100 % des Besserungsgeldes sowie die vereinbarten Zinsen beglichen seien. Weiters war der Mitbeteiligten das Recht der vorzeitigen Rückzahlung eingeräumt. Im Falle des Ausscheidens der Mitbeteiligten aus dem A-Verband war vereinbart, das gewährte Besserungsgeld zuzüglich Zinsen zur Gänze sofort zurückzuzahlen.

Die Prüferfeststellung führte insoweit zu geänderten Steuerbemessungsgrundlagen als die vorhandenen Verlustvorträge bzw. Fehlbeträge in einem entsprechend geringerem Ausmaß in Abzug zu bringen waren und sich die negativen Einheitswerte des Betriebsvermögens erhöhten.

Die Mitbeteiligte erhob gegen die im Sinne der Rechtsansicht des Prüfers geänderten Sachbescheide Berufung. Die strittigen Besserungsvereinbarungen seien vor ihrem historischen Hintergrund zu beurteilen. Not leidende Kreditgenossenschaften seien viele Jahrzehnte hindurch vom Gemeinschaftsfonds, welcher aus Beiträgen der Mitgliedsgenossenschaften dotiert worden sei, unterstützt worden. Auf Grund näher dargestellter Umstände, insbesondere verschärfter gesetzlicher Bestimmungen zur Eigenkapitalausstattung von Kreditunternehmen, sei es jedoch notwendig geworden, Sanierungszuschüsse direkt zwischen einzelnen Genossenschaftsbanken herbeizuführen. Im Zusammenhang mit den vielfältigen Sanierungsnotwendigkeiten habe der A-Verband laufenden Kontakt mit dem Bundesministerium für Finanzen gepflegt, um die steuerlichen Konsequenzen solcher Sanierungsunterstützungen abzuklären. Das Bundesministerium für Finanzen habe hiebei ausdrücklich festgestellt, dass nach der bisherigen Verwaltungspraxis Beiträge an Einrichtungen, die der Sanierung wirtschaftlich Not leidender Sektorbanken dienten, als Betriebsausgaben anzusehen seien. Darüber hinaus seien auch Besserungsscheinverpflichtungen, die zwischen Sektorbanken eingegangen würden, insoweit steuerlich anzuerkennen, als die Besserungsscheinverpflichtungen der Sanierung wirtschaftlich Not leidender Banken dienen würden. Dies sei den angeschlossenen Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen aus den Jahren 1985, 1987 und 1989 zu entnehmen. Auch werde in näher angeführter betriebswirtschaftlicher Literatur die Ansicht vertreten, dass Verpflichtungen, welche aus dem Gewinn zu bedienen seien, weder in der Bilanz als Verpflichtungen auszuweisen, noch unter dem Bilanzstrich als Eventualverpflichtungen auszuweisen seien. Ein Ausweis habe demnach erst zu erfolgen, wenn ein entsprechender Gewinn eintrete. Analog hiezu komme auch eine aktivseitige Bewertung einer solchen Besserungsscheinforderung nicht in Betracht. Im Hinblick auf die unsicheren Verpflichtungen der Zukunft werde nur eine Angabe im Geschäftsbericht empfohlen. Die Hereinnahme des Besserungsgeldes habe alleine dem Zweck gedient, einen Teil des Verlustes abzudecken, um den drohenden Konzessionsentzug durch Nichterreichung der Haftkapitalgrenzen zu vermeiden und die Mitbeteiligte in die Lage zu versetzen, längerfristig positive Ergebnisse zu erzielen. Jede andere Unterstützungsmaßnahme, etwa in Form eines Darlehens, hätte den Sanierungszweck nicht erfüllt. Eine fixe Rückzahlungsrate sei - da das gesetzliche Mindesthaftkapital nicht unterschritten werden dürfe - nicht vereinbart worden. Auch die Vereinbarung einer Verzinsung sei "in die Zukunft gerichtet" und hänge von der Erreichung der Haftkapitalerfordernisse ab.

Mit dem vom beschwerdeführenden Präsidenten angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung statt. Da die Hingabe der Besserungsgelder für die Geber nach dem früher praktizierten "Fondsmodell" keine Forderungen begründet habe, wäre es unverständlich, vergleichbare Kapitalhingaben der streitgegenständlichen Art anders zu beurteilen. Erwerben dementsprechend die Kapitalgeber keine diesbezügliche Forderungen, könne auch der Empfänger derselben (gleichsam spiegelbildlich) mit keinerlei Verbindlichkeiten belastet sein. Die belangte Behörde schließe sich daher der von der Mitbeteiligten vertretenen Rechtsansicht in Bezug auf Verpflichtungen, die aus dem Gewinn zu bedienen seien, an.

Über die vom Präsidenten der Finanzlandesdirektion dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde stützt ihre Ansicht, die streitgegenständlichen Besserungsverpflichtungen seien an den jeweiligen Bilanz- bzw. Bewertungsstichtagen nicht als Verbindlichkeit betriebsvermögensmindernd zu berücksichtigen, zunächst auf einen Vergleich mit den Beiträgen zum Gemeinschaftsfonds der gewerblichen Kreditgenossenschaften und deren steuerlichen Behandlung. Diese seien bei der leistenden Kreditgenossenschaft bereits zum Zeitpunkt ihrer Leistung gewinnmindernd zu berücksichtigen. Daraus folge, dass gleichsam spiegelbildlich die Empfänger der Besserungsgelder mit keinerlei Verbindlichkeiten belastet seien. Diese Begründung vermag den angefochtenen Bescheid schon deshalb nicht zu tragen, weil die belangte Behörde keine Feststellungen darüber getroffen hat, welche konkreten Vereinbarungen diesen so genannten Beiträgen zum Gemeinschaftsfonds zugrunde gelegen haben. Es kann daher weder beurteilt werden, ob die seinerzeitige steuerliche Behandlung der Rechtslage entsprochen hat, noch ob eine Vergleichbarkeit der unterschiedlichen rechtlichen Gestaltungen gegeben ist.

Die belangte Behörde hat sich des Weiteren der Ansicht der mitbeteiligten Partei angeschlossen, "aus dem Gewinn zu bedienende Verpflichtungen" seien erst dann betriebsvermögensmindernd zu berücksichtigen, wenn die Rückzahlungsverpflichtung infolge der eingetretenen "Besserung" schlagend geworden sei. Der beschwerdeführende Präsident hält dem entgegen, die diesbezüglichen Vereinbarungen regelten lediglich, wann das in Empfang genommene Kapital zur Rückzahlung bzw. Entrichtung fällig werde, nicht jedoch den Zeitpunkt der Schuldentstehung.

Im Beschwerdefall ist strittig, ob zu den jeweiligen Bilanzstichtagen gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1988 zu erfassende und gemäß § 6 Z. 2 lit. a leg. cit. zu bewertende Verbindlichkeiten vorgelegen haben. Die mitbeteiligte Partei verneint diese Frage, weil sich die Gläubigerbanken bereit erklärt hätten, eine Rückzahlung der Besserungsgelder nur insoweit zu verlangen, als die finanzielle Lage der Mitbeteiligten dies ohne Schäden gestatte. Die Mitbeteiligte lässt dabei außer Betracht, dass sie sich in sämtlichen Besserungsvereinbarungen vorbehalten hat, die erhaltenen Zuschüsse auch vorzeitig zurückzuzahlen. Die Vereinbarung einer möglichen Schuldtilgung vor Erreichen der Rückzahlungsverpflichtung impliziert, dass eine Schuld dem Grunde nach schon vor Eintritt der ausbedungenen Besserungskriterien besteht. Dafür spricht im Übrigen auch die Verzinslichkeit der "noch nicht rückgezahlten Beträge", die in den Besserungsvereinbarungen der Streitjahre zwar unterschiedlich, aber bei beiden Varianten unabhängig vom Eintritt der Rückzahlungsverpflichtung vorgesehen wurde.

Die gegenständlichen Besserungsverpflichtungen sind daher ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach viel eher gestundeten als aufschiebend bedingten betrieblichen Verbindlichkeiten gleichzuhalten. Eine entsprechende Passivpost ist - da die Schuld dem Grunde nach bereits entstanden ist - auch dann anzusetzen, wenn ein Rückzahlungsverlangen seitens der Gläubiger auf Grund der gemachten Zusagen rechtlich (noch) nicht durchgesetzt werden kann. Die belangte Behörde hat demnach, soweit sie von einer Passivierung deshalb abgesehen hat, weil die Mitbeteiligte zu den jeweiligen Bilanz- bzw. Bewertungsstichtagen zu einer Rückzahlung nicht verpflichtet war, die Rechtslage verkannt.

Zum Vorbringen der mitbeteiligten Partei in ihrer Gegenschrift, die Abgabenbehörde erster Instanz habe, indem sie sich der Rechtsansicht des Betriebsprüfers angeschlossen habe, gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1997, 93/13/0295) hinzuweisen. Danach kann eine aus dem Grundsatz von Treu und Glauben allenfalls (im Rahmen eines entsprechenden Vollzugsspielraumes) folgende Bindung an eine erteilte Auskunft immer nur diejenige Behörde treffen, die die entsprechenden Auskünfte und Zusagen erteilt hat. Von einer Bindung des Finanzamtes oder der belangten Behörde an die seitens des Bundesministeriums für Finanzen nicht gegenüber der mitbeteiligten Partei ergangene Anfragebeantwortung kann daher nicht ausgegangen werden.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 27. September 2000

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Treu und Glauben erworbene Rechte VwRallg6/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1995140079.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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