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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §111;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Urtz, über die Beschwerde der R reg. Gen.m.b.H. in R, vertreten durch Dr. Arnold Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 19. Juni 1996, Zl. 82.571-8/94, betreffend Festsetzung einer Zwangsstrafe gemäß § 56 Abs. 2 FinStrG i. V.m. § 111 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Rechtshilfeersuchen vom 16. Mai 1994 ersuchte das Finanzamt Rosenheim (Deutschland) betreffend Reinhard K und Gerhard M, beide wohnhaft in Deutschland, bestimmte Ermittlungen bei dem beschwerdeführenden Kreditinstitut vorzunehmen. Das Rechtshilfeersuchen wurde durch Einleitungsvermerke nach § 397 Abs. 2 der deutschen Abgabenordnung (AO) belegt. Aus den Einleitungsverfügungen geht hervor, dass K und M jeweils im Verdacht der Hinterziehung und der Beihilfe zur Hinterziehung bestimmter näher bezeichneter Abgaben stehen. Es bestehe Grund zur Annahme, dass die Beschuldigten "schwarz" vereinnahmte Gelder auch auf (aus deutscher Sicht) Auslandskonten transferieren würden, um sie dem Zugriff der deutschen Steuerbehörden zu entziehen.
Am 15. Juni 1994 übermittelte das Finanzamt Rosenheim weiters per Telefax Unterlagen, welche die Bankverbindung der Beschuldigten zu dem beschwerdeführenden Kreditinstitut belegen sollten.
Ebenfalls übermittelt wurden die gegen beide Beschuldigte am 25. März 1994 ergangenen Hausdurchsuchungsbefehle des Amtsgerichtes Rosenheim (Fax vom 18. Juli 1994 bzw. 22. Juli 1994).
Mit Auskunftsersuchen vom 19. Juni 1994 wurde die Beschwerdeführerin vom "Finanzamt Reutte, Prüfungsabteilung Strafsachen", unter Hinweis auf die gegen K und M in Deutschland eingeleiteten Strafverfahren, aufgefordert,
"1. Auskunft zu erteilen, ob die Beschuldigten Reinhard K im Zeitraum 1991 bis heute und Gerhard M im Zeitraum 1988 bis heute Konten oder Depots auf eigenen Namen unterhielten bzw. die Verfügungsmacht für fremde Konten besaßen.
2. Die bei der (Name der Beschwerdeführerin) geführten oder geführt gewesenen Konten (Nummer angegeben) offen zu legen.
3. Auskunft darüber zu erteilen, ob die Beschuldigten vom genannten Kreditinstitut Entgelte für erbrachte Vermittlungsleistungen oder ähnliche Leistungen erhielten.
4. Das dem Schlüssel (Nummer angegeben) zugehörige Schließfach den erhebenden Beamten des Finanzamtes Innsbruck zugänglich zu machen und ihnen den Inhalt laut erteilter Vollmacht des Beschuldigten Gerhard M zu übergeben.
Darüber hinaus wird ersucht, den erhebenden Beamten der Prüfungsabteilung für Strafsachen des Finanzamtes Innsbruck in die entsprechenden Unterlagen (Kontoauszüge, Einzahlungsbelege, Zinskupons, Provisionsabrechnungen) Einsicht zu gewähren und Kopien auszuhändigen."
Mit Schreiben vom 11. Juli 1994 lehnte die Beschwerdeführerin die Erteilung der gewünschten Auskünfte ab, da die Voraussetzungen zur Aufhebung des Bankgeheimnisses im gegenständlichen Fall nicht eindeutig vorlägen. Bedenken bestünden insbesondere hinsichtlich der Frage, ob es sich bei dem in Deutschland anhängigen Verfahren um ein mit der österreichischen Rechtsordnung vergleichbares eingeleitetes Finanzstrafverfahren handle, bei dessen Vorliegen gemäß § 38 Abs. 2 Z. 1 Bankwesengesetz (BWG) die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses aufgehoben sei. Zudem sei das gegenständliche Auskunfts- und Einsichtnahmeersuchen von einer unzuständigen Behörde erlassen worden, da das Finanzamt Reutte als Prüfungsabteilung Strafsachen, somit als Erhebungsbehörde und nicht als Strafbehörde tätig geworden sei.
Am 18. Juli 1994 wurde ein gleich lautendes Auskunfts- und Einsichtnahmeersuchen gemäß § 99 Abs. 1 FinStrG der Beschwerdeführerin persönlich übergeben. Als ausfertigende Stelle war nunmehr das Finanzamt Innsbruck, Prüfungsabteilung Strafsachen, "im Auftrag des Finanzamtes Reutte als Finanzstrafbehörde I. Instanz" angeführt. Gleichzeitig erging auch eine Aufforderung zur Auskunftserteilung und zur Offenlegung von Konten, wobei für den Fall der Nichtbefolgung eine Zwangsstrafe in Höhe von S 20.000,-- angedroht wurde. Die Frist, dem Ersuchen Folge zu leisten, wurde - unter Hinweis auf das bereits am 23. Juni 1994 der Beschwerdeführerin übergebene Auskunftsersuchen und unter Hinweis auf die bereits vorgenommene Anfertigung der gewünschten Kopien - mit drei Stunden festgesetzt.
Die Beschwerdeführerin verweigerte aus den im Schreiben von 11. Juli 1994 dargelegten Gründen auch weiterhin die Herausgabe der geforderten Unterlagen.
Mit Bescheid vom 25. Juli 1994 setzte das Finanzamt Reutte als Finanzstrafbehörde I. Instanz die angedrohte Zwangsstrafe in Höhe von S 20.000,-- gemäß § 111 BAO fest.
In der dagegen erhobenen Administrativbeschwerde brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, der Verfassungsgerichtshof habe mit Erkenntnis vom 9. Juni 1988, B 92/1988, der Einleitung eines Finanzstrafverfahrens im Hinblick auf das Bankgeheimnis Bescheidcharakter zuerkannt. Es sei daher zu überprüfen, ob der Abgabepflichtige in Deutschland die Möglichkeit habe, bei Einleitung des Finanzstrafverfahrens gegen seine Person eine Beschwerde (bzw. ein vergleichbares Rechtsmittel) einzubringen. Sofern für die betroffene Person in der Bundesrepublik Deutschland keine Beschwerdemöglichkeit bestanden habe, liege ein Hinweis darauf vor, dass dieses ausländische Strafverfahren dem inländischen Strafverfahren nicht gleichgestellt werden könne. Werde die durch den Verfassungsgerichtshof vorgesehene Beschwerdemöglichkeit gegen die Einleitung eines Strafverfahrens wegen vorsätzlicher Finanzdelikte nicht berücksichtigt, so sei ein ausländischer Staatsangehöriger schlechter gestellt als ein österreichischer Staatsbürger, dem eine derartige Möglichkeit durch das oben angeführte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes eingeräumt sei. Da nach den Informationen der Beschwerdeführerin in der Bundesrepublik Deutschland gegen die Einleitung eines Strafverfahrens wegen vorsätzlicher Finanzdelikte eine derartige Beschwerdemöglichkeit nicht bestehe, sei das in der Bundesrepublik Deutschland eingeleitete Strafverfahren mit dem in Österreich eingeleiteten Strafverfahren nicht vergleichbar und stehe zudem die Anwendung der Transformationsregel einer positiven Erledigung des Rechtshilfeersuchens entgegen. Die in der Aufforderung zur Auskunftserteilung und zur Offenlegung von Konten angeführten Erkenntnisse könnten die aufgetretenen Zweifel nicht beseitigen. In beiden Fällen sei die oben angeführte konkrete Fragestellung nämlich nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen. Da die Bank in dem Verfahren, in dem auch vitale Interessen der Bank berührt wären, - denn sie sei, abgesehen von diversen Publizitätsauswirkungen, nach den Strafvorschriften bei Verletzung des Bankgeheimnisses betroffen - Parteistellung nur bei Festsetzung einer Zwangsstrafe erlangen könne, wäre eine allfällige Festsetzung einer Zwangsstrafe in objektiver Ermessensausübung mit dem niedrigstmöglichen Betrag vorzunehmen gewesen. Es werde daher der Antrag gestellt, den Bescheid über die Festsetzung einer Zwangsstrafe ersatzlos aufzuheben.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die Finanzlandesdirektion für Tirol als Finanzstrafbehörde II. Instanz der Beschwerde nur insoweit Folge als sie die Zwangsstrafe auf S 5.000,-- herabsetzte. Zuständig zur Erledigung des gegenständlichen Rechtshilfeersuchens sei gemäß § 58 Abs. 3 FinStrG das Finanzamt Reutte als Finanzstrafbehörde I. Instanz. Das Tätigwerden der Prüfungsabteilung Strafsachen sei - wie aus dem Auskunfts- und Einsichtnahmeersuchen vom 19. Juni 1994 klar hervorgehe - über Anforderung und namens des Finanzamtes Reutte erfolgt. Der Auftrag sei in Vertretung für den Vorstand des Finanzamtes Reutte gezeichnet. Der Zusatz "Prüfungsabteilung Strafsachen" in Verbindung mit dem Hinweis auf die Berechtigung zur Durchführung von Erhebungen gemäß § 99 Abs. 1 FinStrG lasse klar erkennen, dass die Prüfungsabteilung Strafsachen als Organ der Finanzstrafbehörde tätig geworden sei. Daher entspreche bereits der Erhebungsauftrag vom 19. Juni 1994 der Rechtslage; um den Bedenken der Beschwerdeführerin zu begegnen, sei im Erhebungsauftrag vom 18. Juli 1994 die ausfertigende Stelle noch genauer bezeichnet worden. Die gewünschten Auskünfte unterlägen zwar grundsätzlich dem "Bankgeheimnis" (§ 38 BWG), doch sei auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Oktober 1983, 82/17/0087, hinzuweisen, wonach das Bankgeheimnis der Finanzstrafbehörde gegenüber auch dann durchbrochen werde, wenn diese als Rechtshilfebehörde für eine deutsche Finanzstrafbehörde (in einem vergleichbaren Finanzstrafverfahren) einschreite. Dies sei gegenständlich im Hinblick auf die Einleitung von Strafverfahren wegen des Verdachtes der Hinterziehung von Einkommen-, Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuer der Fall. Der österreichischen Verwaltungspraxis vergleichbar dürfe die Einleitung eines Strafverfahrens gemäß § 397 AO nur bei Vorliegen eines konkreten Tatverdachtes erfolgen. Es müssten objektiv und subjektiv greifbare Anhaltspunkte für eine Steuerstraftat vorliegen. Eine Schlechterstellung würde der nach deutschem Recht Beschuldigte lediglich durch die fehlende Überprüfbarkeit im Rechtsmittelweg erfahren. Dieser Umstand bewirke nach Auffassung der belangten Behörde jedoch nicht, dass die materielle Gegenseitigkeit zwischen österreichischem und deutschem Finanzstrafverfahren beseitigt werde. Da die Ermittlungsbehörden in deutschen Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigkeitsverfahren einen uneingeschränkten Zugriff auf die Bankdaten besäßen, bestünde auch kein Anlass zur Ablehnung der Leistung von Rechtshilfe im Sinne des Art. 6 Abs. 2 des Rechtshilfevertrages.
Gemäß Art. 5 des Rechtshilfevertrages richte sich die Art und Weise der Erledigung nach den Gesetzen des ersuchten Staates. Dem ersuchten Staat stünden bei Erledigung eines Rechtshilfeersuchens somit die gleichen Befugnisse zu wie in Verfahren, die vor inländischen Behörden geführt würden. Sinn des Rechtshilfevertrages sei es, dass die Vertragsstaaten die ihnen zustehenden Hoheitsrechte in den vom Vertrag erfassten Verfahren auch zu Gunsten des Vertragspartners einsetzen. Die Frage, ob dem Rechtshilfeersuchen grundsätzlich entsprochen werden könne, sei der Frage nach der Art und Weise der Erledigung vorgelagert. Die von der Beschwerdeführerin eingewandte Ungleichheit eines nach deutschem bzw. österreichischem Recht eingeleiteten Strafverfahrens könne - insbesondere im Hinblick darauf, dass § 38 BWG, wie oben ausgeführt, nicht auf eine bescheidmäßige Verfahrenseinleitung abstelle - mit der Transformationsregel nicht beurteilt werden. Das Auskunftsverlangen sei daher zu Recht gestellt worden. In Anbetracht des bereits am 19. Juni 1994 erstmals ergangenen Ersuchens (zugestellt am 23. Juni 1994), der mit Schreiben der Beschwerdeführerin vom 11. Juli 1994 kundgemachten Bedenken unter Ankündigung eines leitenden Angestellten, dass dem Ersuchen keinesfalls entsprochen werde, erscheine die dreistündige Paritionsfrist ausreichend bemessen. Die Höhe der Zwangsstrafe habe die festsetzende Behörde unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände nach eigenem Ermessen zu bestimmen. Dabei seien im konkreten Fall entscheidungswesentlich die ausdrückliche Weigerung der Beschwerdeführerin dem Auskunftsersuchen nachzukommen und die Unmöglichkeit dem Rechtshilfeersuchen auf andere Weise zu entsprechen. Zu berücksichtigen seien allerdings die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Bedenken, sie verletze mit der Befolgung des Ersuchens eine ihr obliegende Geheimhaltungspflicht. Unter Abwägung der angeführten Umstände erscheine eine Strafhöhe von S 5.000,-- angemessen.
Die Beschwerdeführerin erhob gegen den Bescheid zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung mit Beschluss vom 9. Juni 1997, B 2426/96, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof über nachträglichen Antrag der Beschwerdeführerin zur Entscheidung abtrat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Festsetzung der Zwangsstrafe durch die belangte Behörde liegt ein Rechtshilfeersuchen des deutschen Finanzamtes Rosenheim zu Grunde. Dieses Ersuchen stützt sich erkennbar auf den "Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen" vom 4. Oktober 1954, BGBl. Nr. 249/1955 (in der Folge kurz:
Rechtshilfevertrag).
Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen dieses
Rechtshilfevertrages lauten:
"Art. 3: Beide Staaten verpflichten sich, in allen
Abgabensachen, im Ermittlungs-, Feststellungs- und
Rechtsmittelverfahren, im Sicherungs- und Vollstreckungsverfahren
sowie im Verwaltungsstrafverfahren einander auf der Grundlage der
Gegenseitigkeit nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen
Rechtshilfe zu leisten.
Art. 4: (1) Rechtshilfeersuchen werden von der ersuchenden Behörde an das örtlich zuständige Finanzamt des ersuchten Staates gerichtet. Ihre Übermittlung und Entgegennahme erfolgt vorbehaltlich des Absatzes 2 in der Bundesrepublik Deutschland durch die Oberfinanzdirektionen, in der Republik Österreich durch die Finanzlandesdirektionen.
(2) Die Finanzämter können Zustellungsersuchen, Mitteilungen über den Vollzug von Rechtshilfeersuchen und über ihre Rücknahme oder Einschränkung unmittelbar an das ersuchte Finanzamt übersenden. Entsprechendes gilt in dringenden Fällen auch für andere Rechtshilfeersuchen der Finanzämter.
Art. 5: (1) Das ersuchte Finanzamt ist vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels 6 verpflichtet, dem Ersuchen zu entsprechen. Die Art und Weise der Erledigung richtet sich nach den Gesetzen des ersuchten Staates; für das Verfahren sind die Vorschriften anzuwenden, die für die von dem Finanzamt verwalteten Abgaben gelten. Auf Antrag der ersuchenden Behörde ist jedoch nach einer besonderen Form zu verfahren, sofern diese der Gesetzgebung des ersuchten Staates nicht zuwiderläuft.
(2) Die Anwendung eines im Gebiet des ersuchten Staates zulässigen Zwangsmittels ist ausgeschlossen, soweit der ersuchende Staat im Falle eines entsprechenden Ersuchens nicht in der Lage wäre, ein gleichartiges Zwangsmittel anzuwenden.
(3) ...
Art. 6: (1) Rechtshilfe wird nicht geleistet, wenn der ersuchte Staat Grund für die Annahme hat, dass die Leistung der Rechtshilfe geeignet sein würde, wesentliche Interessen des ersuchten Staates zu gefährden.
(2) Der ersuchte Staat kann die Rechtshilfe ablehnen,
1. wenn Auskünfte oder Gutachten von Personen, die nicht als Abgabenpflichtige beteiligt sind, eingeholt werden sollen, soweit der ersuchende Staat nach seiner Gesetzgebung nicht in der Lage ist, entsprechende Auskünfte oder Gutachten zu verlangen;
2. soweit das Ersuchen auf Mitteilung tatsächlicher Verhältnisse oder rechtlicher Beziehungen gerichtet ist, und die Kenntnis dieser nur auf Grund von Auskunfts-, Anzeige- oder Gutachterpflichten gewonnen werden kann, die in dem Gebiete des ersuchenden Staates nicht bestehen.
...
Art. 14: Durchsuchungen, Beschlagnahmen, Verhaftungen und der Vollzug von Freiheitsstrafen sind von der Rechtshilfe ausgenommen".
Der Anwendungsbereich dieses Vertrages umfasst auf Grund des Wortlautes "Verwaltungsstrafverfahren" und der Aussagen in den Gesetzesmaterialien auch die Rechtshilfe im Bereich des verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahrens. So führt der Bericht des Finanz- und Budgetausschusses ausdrücklich aus, dass der Vertrag "... - allerdings in beschränktem Umfang - auch auf das verwaltungsbehördliche Strafverfahren in Abgabensachen" anwendbar sein soll. Mit dem "beschränkten Umfang" sind, wie aus den weiteren Ausführungen im Ausschussbericht hervorgeht, die Einschränkungen in Art. 14 des Rechtshilfevertrages angesprochen (AB 434 BlgNR VII. GP).
Gemäß Art. 5 des Rechtshilfevertrages sind für das Verfahren "die Vorschriften anzuwenden, die für die von dem Finanzamt verwalteten Abgaben gelten". Daraus ergibt sich, dass für die Durchführung des Rechtshilfeersuchens hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Vorschriften sowie der Vorschriften über die Zuständigkeit die Bestimmungen des Finanzstrafgesetzes anwendbar sind. Neben den im genannten Rechtshilfevertrag enthaltenen Einschränkungen und Grenzen der Rechtshilfe zwischen Österreich und Deutschland kommen damit auch die verfahrensrechtlichen Beschränkungen des Finanzstrafgesetzes zur Anwendung.
Gemäß § 99 Abs. 1 FinStrG ist die - zuständige - Finanzstrafbehörde berechtigt, von jedermann Auskunft für Zwecke des Finanzstrafverfahrens zu verlangen. Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung schließt die Verbindlichkeit in sich, Urkunden und andere Unterlagen, die für das Finanzstrafverfahren von Bedeutung sind, vorzulegen oder die Einsichtnahme in diese zu gestatten. Zur Durchsetzung dieser Verpflichtung kommt gemäß § 56 Abs. 2 FinStrG auch im Finanzstrafverfahren die Verhängung einer Zwangsstrafe gemäß § 111 BAO in Betracht.
Die Beschwerdeführerin - eine reg. Gen.mbH - bringt vor, einer juristischen Person gegenüber dürfe keine Zwangsstrafe festgesetzt werden, da gegen sie auch keine "Strafe" verhängt werden könne. Dieses Vorbringen verkennt, dass der Zweck der Zwangsstrafe nicht in der Bestrafung der Person, sondern darin liegt, die Abgabenbehörde bzw. Strafbehörde bei Erreichung ihrer Verfahrensziele zu unterstützen und die Partei zur Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten zu verhalten. Daraus folgt, dass Zwangsstrafen bei juristischen Personen, die gemäß §§ 80 ff eines gesetzlichen Vertreters bedürfen, auch gegen den Vertretenen festgesetzt werden dürfen (siehe Ritz, BAO-Kommentar2, § 111 Rz. 14 m. w.N.).
Der Beschwerdeeinwand, die Verhängung einer Zwangsstrafe setze ein entsprechendes ausdrückliches Ersuchen der deutschen Behörde voraus, lässt die Bestimmung des Art. 5 Abs. 1 des Rechtshilfevertrages außer Betracht, wonach sich die Art und Weise der Erledigung eines Rechtshilfeersuchens nach den Gesetzen des ersuchten Staates richtet. Die Berechtigung zur Androhung und Festsetzung einer Zwangsstrafe ergibt sich aus § 111 BAO (i.V.m. § 56 Abs. 2 FinStrG) und bedarf demnach keiner Antragstellung der ersuchenden Behörde.
Hingegen verhelfen die in der Beschwerde geäußerten Zuständigkeitsbedenken der Beschwerdeführerin zum Erfolg. Das Finanzamt Reutte ist als aufgrund des Rechtshilfevertrages ersuchtes Finanzamt grundsätzlich gemäß § 58 Abs. 3 FinStrG für die Stellung des Auskunftsersuchens und für die zur Durchsetzung dieses Ersuchens notwendige Androhung und Verhängung von Zwangsstrafen zuständig. Darüber hinaus kann auch das Finanzamt Innsbruck als zuständige Behörde angesehen werden, wenn es im Amtshilfeweg (§ 119 FinStrG) einschreitet. Die Aufforderung vom 18. Juli 1994 zur Auskunftserteilung und zur Offenlegung von Konten, mit der für den Fall der Nichtbefolgung eine Zwangsstrafe in Höhe von S 20.000,-- angedroht wurde, ist jedoch keiner dieser beiden Behörden - weder dem Finanzamt Innsbruck noch dem Finanzamt Reutte - eindeutig zurechenbar: Als ausfertigende Stelle scheint im Kopf der Aufforderung bzw. der Androhung einerseits das Finanzamt Innsbruck, Prüfungsabteilung Strafsachen, "im Auftrag des Finanzamtes Reutte als Finanzstrafbehörde I. Instanz" auf. Andererseits ist die Aufforderung bzw. die Androhung der Zwangsstrafe "i.V. für den Vorstand" des Finanzamtes Reutte unterfertigt. Die fehlende Zurechenbarkeit der Androhung der Zwangsstrafe gemäß § 56 Abs. 2 FinStrG i.V.m. § 111 BAO ist dem Fehlen einer Androhung gleichzuhalten. Indem die belangte Behörde im Instanzenzug eine Zwangsstrafe festgesetzt hat, ohne dass dieser Festsetzung eine wirksame Androhung vorausgegangen war, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 27. September 2000
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1997140112.X00Im RIS seit
11.07.2001