RS Vfgh 2014/9/27 B113/2014 ua

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Veröffentlicht am 27.09.2014
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65/01 Allgemeines Pensionsrecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
BDG 1979 §15c, §237
PG 1965 §5 Abs2a, §53, §56 Abs3b, §97c Abs1
StGG Art5

Leitsatz

Keine Bedenken gegen die Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen für die Inanspruchnahme des "Pensionskorridors" durch Beamte mit Inkrafttreten des 2. StabilitätsG 2012 und die Erhöhung des Preises für den Nachkauf von Schul- und Studienzeiten; keine Verletzung des Vertrauensschutzes; Regelungen im Hinblick auf die angestrebte Konsolidierung des Staatshaushaltes und die Harmonisierung der Pensionssysteme im öffentlichen Interesse gelegen; kein verfassungswidriger intensiver Eingriff in erworbene Rechtspositionen

Rechtssatz

Aus der Sicht der vorliegenden Beschwerdefälle sind keine Bedenken hinsichtlich einer Verletzung des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes entstanden.

Die seitens der Beschwerdeführer ins Treffen geführten Bedenken richten sich einerseits gegen die Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen für die Inanspruchnahme des "Pensionskorridors" gemäß §15c iVm §237 BDG 1979 mit Inkrafttreten des 2. StabilitätsG 2012, BGBl I 35, (Anhebung der für die Inanspruchnahme erforderlichen ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit, die im Ergebnis ein Hinausschieben des Pensionsantrittes bewirken kann) und andererseits gegen die Erhöhung des Preises für den Nachkauf von Schul- und Studienzeiten gemäß §56 Abs3b PG 1965 mit Inkrafttreten des BudgetbegleitG 2011.

Besagte Bestimmungen haben zur Folge, dass Beamte des Geburtsjahrganges 1952 nach geltender Rechtslage die Pensionsantrittsvariante "Pensionskorridor" nach Vollendung des 62. Lebensjahres (im Jahr 2014) bei Vorliegen einer ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit von 38,5 Jahren (462 Monaten) in Anspruch nehmen können. Der mit dem BudgetbegleitG 2011 eingeführte zusätzliche Abschlag im Falle einer Ruhestandsversetzung nach §15c BDG 1979 (vgl §5 Abs2a PG 1965) ist allerdings gemäß der Übergangsbestimmung des §97c Abs1 PG 1965 auf die genannte Personengruppe nicht anzuwenden.

Die genannten Bestimmungen sind Teil bzw die Fortführung eines Regelungskomplexes, der insgesamt das Ziel verfolgt, angesichts der demographischen Entwicklung die langfristige Finanzierbarkeit des öffentlichen Pensionssystems sicherzustellen. Mit dem Ziel, "Strukturmaßnahmen zu setzen, die eine Entlastung des Staatshaushalts erreichen ('Konsolidierungspaket 2012 bis 2016')", brachte das 2. StabilitätsG 2012 insbesondere auch Maßnahmen und Regelungen mit sich, die "zur rascheren Harmonisierung des Beamten-Pensionssystems mit dem Allgemeinen Pensionssystem" führen sollten. Die Vereinheitlichung des Preises für den Nachkauf von Schul- oder Studienmonaten, die Anpassung desselben an das ASVG-Niveau bzw die Einführung eines Risikozuschlages für "Nicht-Harmonisierte" (dh Geburtsjahrgänge vor 1955) waren aus demselben Grund erfolgt.

Derartige Regelungen liegen grundsätzlich im öffentlichen Interesse.

Für Personen wie die Beschwerdeführer wurde durch das PensionsharmonisierungsG, in Kraft seit 01.01.2005, die Möglichkeit eines Pensionsantrittes mit Vollendung des 62. Lebensjahres und einer ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit von 450 Monaten (37,5 Jahren) geschaffen, die jedoch mit Abschlägen verbunden war. Mit Kundmachung des am 01.01.2013 in Kraft getretenen 2. StabilitätsG 2012 am 24.04.2012 erlangten die Beschwerdeführer Kenntnis davon, dass die ihrerseits geplante Inanspruchnahme der Pensionsantrittsvariante "Pensionskorridor" trotz der zu diesem Zwecke nachgekauften Studienzeiten nicht im Jahr 2014 erfolgen werde können, sondern sich ihr Pensionsantritt - im Falle der Abstandnahme von einem weiteren (zunächst ausgeschlossenen) Nachkauf - um zwei Jahre (bis zum Jahr 2016) hinausschieben werde (vgl §237 BDG 1979).

Auch wenn der hiedurch bewirkte Eingriff in erworbene Rechtspositionen als plötzlich zu qualifizieren wäre, ist er nicht derart intensiv, dass daraus die Verfassungswidrigkeit der Regelungen folgte: vgl die Ausführungen im Erkenntnis VfSlg 16923/2003.

Nichts anderes kann im vorliegenden Fall gelten, in dem die Beschwerdeführer zwei Jahre vor dem geplanten Pensionsantritt erfuhren, dass sich der Pensionsantritt - im Falle der Abstandnahme von einem weiteren Nachkauf - um zwei Jahre (bis zum Jahr 2016) hinausschieben werde, wobei die Erhöhung der für die Inanspruchnahme des "Pensionskorridors" erforderlichen ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit im Rahmen der Übergangsbestimmung des §237 BDG 1979 erfolgte (Erhöhung der geforderten Anzahl an Monaten - beginnend mit 456 Monaten ab einem Pensionsantritt mit 01.01.2013 - jährlich um sechs Monate bis zum Erreichen von 480 Monaten einheitlich ab 01.01.2017). Siehe auch die weitere Übergangsbestimmung des §97c Abs1 PG 1965, wonach der zusätzliche Abschlag gemäß §5 Abs2a PG 1965 idF des BudgetbegleitG 2011 auf vor dem 01.01.1954 geborene Beamte keine Anwendung findet.

Die seitens der Beschwerdeführer nachgekauften Zeiten bleiben auch nach Erreichen des nunmehr erhöhten Pensionsanfallsalters grundsätzlich anspruchs- bzw leistungswirksam; so wäre insbesondere ein Pensionsantritt vor Erreichen des Regelpensionsalters mit 65 Jahren, nämlich im Jahr 2016 nach Vollendung des 64. Lebensjahres, für die Beschwerdeführer weiterhin nur auf Grund des vorgenommenen Nachkaufs möglich. Vor diesem Hintergrund geht auch das Argument der Beschwerdeführer, wonach sie bei rechtzeitiger Kenntnis der nunmehr erfolgten Rechtsänderungen den ersten Nachkauf (der lediglich erfolgt sei, "um einen bestimmten Pensionierungszeitraum zu ermöglichen") vielleicht nicht getätigt hätten (womit freilich eine bloß hypothetische Alternative dargetan ist) aus folgenden Gründen ins Leere: Selbst wenn die ursprüngliche Erwartung der Beschwerdeführer über den Zeitpunkt des Pensionsantritts durch die nachfolgende Gesetzesänderung insoweit "enttäuscht" wurde, als ein solcher Vorteil zwar immer noch existiert, aber geringer ausfällt als ursprünglich erwartet, so liegt darin nicht die Verletzung verfassungsrechtlich geschützten Vertrauens.

Auch kein Verstoß gegen den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Schutz des Eigentums; behaupteter Eingriff nicht übermäßig.

Entscheidungstexte

  • B113/2014 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 27.09.2014 B113/2014 ua

Schlagworte

Dienstrecht, Ruhegenuss, Ruhestandsversetzung, Pensionsrecht, Pensionsalter, Vertrauensschutz, Übergangsbestimmung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2014:B113.2014

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2016
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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