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26/03 PatentrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 Z1 litcLeitsatz
Abweisung des Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen über die Beschränkung der Vertretungsbefugnis von Patentanwälten auf Verfahren vor dem Oberlandesgericht Wien; Einrichtung des Obersten Gerichtshofes als neue Rechtsmittelinstanz für dieses Rechtsgebiet infolge zwingender Neuordnung der Behörden auf Grund der Verwaltungsgerichtbarkeits-Novelle 2012; keine Gleichheitswidrigkeit der Beschränkung der Vertretungsbefugnis vor dem OGH auf Rechtsanwälte angesichts dessen besonderer Funktion; kein unverhältnismäßiger Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit; keine Bedenken im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip und das DeterminierungsgebotRechtssatz
Abweisung des Antrags, soweit er sich gegen die Wortfolge "vor dem Oberlandesgericht Wien" in §16 Abs1 und §23 Abs1 PatentanwaltsG, in §144 Satz 4 und §145 Abs2 PatentG 1970, in §43c Satz 4 und §43d Abs2 MusterschutzG 1990 sowie in §50b Satz 4 und §50c Abs2 GebrauchsmusterG, jeweils idF der Patent- und Markenrechts-Novelle 2014, BGBl I 126/2013, richtet.
Im Übrigen Zurückweisung des Antrags.
Zulässigkeit des Hauptantrags (a), der sich gegen die Beschränkung der Vertretungsbefugnis der Patentanwälte auf das OLG Wien richtet.
Die von den Antragstellern mit dem Hauptantrag angefochtenen Bestimmungen bewirken, dass ab dem 01.01.2014 ihre Vertretungsbefugnisse, die zu ihrem Berufsfeld gehören, neu geregelt werden.
Kein zumutbarer Umweg. Insbesondere ist der von der Bundesregierung aufgezeigte Weg, ein Rechtsmittel an den OGH "nur" von einem Patentanwalt unterschreiben zu lassen, den Antragstellern im Hinblick auf die Verpflichtungen gegenüber ihren Klienten nicht zuzumuten.
Unzulässigkeit des Antrags, soweit er sich gegen das Vergesellschaftungsverbot von Patentanwälten mit Rechtsanwälten richtet, wegen zumutbaren Umwegs.
Die Antragsteller können - gemeinsam mit Rechtsanwälten - um Eintragung einer solchen multidisziplinären Gesellschaft in die Liste der Rechtsanwalts-Gesellschaften gemäß §5 iVm §1a RAO ansuchen; im Falle der Verweigerung der Eintragung steht ihnen das Recht der Berufung an den OGH gem §5a RAO zu.
Unzulässigkeit auch des Antrag auf Aufhebung der gesamten Patent- und Markenrechtsnovelle 2014.
Die Anfechtung einer Novellierungsanordnung ist nur ausnahmsweise zulässig, etwa dann, wenn sich eine Gesetzesnovelle in der Aufhebung von Bestimmungen erschöpft und gegen diese Aufhebung verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Im vorliegenden Fall richten sich die Bedenken der Antragsteller jedoch nicht gegen die Auflösung des Obersten Patent- und Markensenates (OPM) und gegen den damit einhergehenden Verlust ihrer Vertretungsbefugnis vor dem OPM, sondern gegen die im Rahmen des neu geregelten Instanzenzuges an die ordentlichen Gerichte verliehenen neuen Vertretungsbefugnisse.
Die frühere Rechtslage und die neue Rechtslage sind nicht ohne weiteres miteinander vergleichbar.
Die Neuordnung der bundesverfassungsrechtlichen Bestimmungen über die Verwaltungsgerichtsbarkeit durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, hatte zwingend eine Neuordnung der Behörden zur Folge, wobei sich der Gesetzgeber entschloss, von der neugeschaffenen Möglichkeit des Art94 Abs2 B-VG Gebrauch zu machen und von der Verwaltungsbehörde einen neuen Instanzenzug an die ordentlichen Gerichte einzurichten, vor denen dementsprechend grundsätzlich die Verfahrensvorschriften der ZPO bzw des AußStrG gelten. Die Aufgaben des OPM sind dabei auf das OLG Wien übergegangen.
Mit dem OGH wurde für das in Rede stehende Rechtsgebiet eine neue Rechtsmittelinstanz eingerichtet, wie sie vorher nicht existierte.
Kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art7 B-VG.
Grundsätzlich liegt es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, welchen besonders qualifizierten Personen er Vertretungsbefugnisse vor Gerichten einräumt. Ihm ist nicht entgegenzutreten, wenn er die Vertretungen im Rechtsmittelverfahren vor den ordentlichen Gerichten auf Rechtsanwälte beschränkt.
Wenn der Gesetzgeber den Patentanwälten die Vertretung vor dem OGH nicht einräumt, kann er damit an Unterschiede im Tatsächlichen anknüpfen.
In Verfahren vor dem OGH geht es nicht mehr um die Klärung des Sachverhaltes und von Tatfragen, sondern um (häufig komplexe) Rechtsfragen, und zwar solche, denen hinsichtlich der Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt - der VfGH übersieht dabei nicht, dass die Unterscheidung zwischen Tatsachenfragen und Rechtsfragen sehr schwierig sein kann und teilweise ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen diesen besteht. Dazu kommt, dass dem OGH für den Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit eine besondere Leitfunktion zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung zukommt. Es kann dem Gesetzgeber daher nicht entgegengetreten werden, wenn er die Vertretungsbefugnis vor dem OGH auf Rechtsanwälte beschränkt. Daran vermögen die Hinweise der Antragsteller auf die Ausnahme betreffend die Vertretung durch Notare nichts zu ändern, weil diese im Außerstreitverfahren eine besondere Funktion haben.
Kein Verstoß gegen das Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit.
Die Beschränkung der Vertretungsbefugnis der Patentanwälte im Rechtsmittelverfahren auf Verfahren vor dem OLG Wien stellt keine den Zugang zum Beruf des Patentanwaltes beschränkende Regel, sondern bloß eine Ausübungsregel dar. Der VfGH hegt keinen Zweifel, dass die Beschränkung der Vertretungsbefugnis vor Gerichten, insbesondere höheren Instanzen, auf berufsmäßige Parteienvertreter grundsätzlich im öffentlichen Interesse liegt, weil dies einerseits einem zielgerichteten, effizienten und fairen Verfahren und andererseits den Interessen der rechtsschutzsuchenden Bevölkerung dient. Angesichts der besonderen Funktion des OGH greift eine Beschränkung der Vertretungsbefugnis dort auf Rechtsanwälte nicht unverhältnismäßig in das Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit ein.
Eine Beurteilung der angefochtenen Vertretungsregelung nach Art15 und Art16 GRC führte auf Grund des gleichen Schutzumfanges der genannten Rechte zu keinem anderen Ergebnis.
Keine rechtsstaatlichen Bedenken.
Aus Art6 EMRK lassen sich keine Garantien für Vertretungsbefugnisse einzelner Parteienvertreter ableiten, selbst wenn diese gerichtliche Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche betreffen.
Patentanwälte hatten bereits nach der Rechtslage vor dem 01.01.2014 keine Vertretungsbefugnis vor dem OGH. Aus dem Vertrauensgrundsatz ist daher keine schützenswerte Rechtsposition für die Antragsteller ableitbar. Im Übrigen garantiert der Vertrauensschutz auch nicht, dass bestehende Institutionen und Instanzen bzw Instanzenzüge beibehalten werden müssen.
Keine Verletzung des Bestimmtheitsgebotes nach Art18 B-VG im Hinblick auf das Fehlen von Übergangsbestimmungen hinsichtlich des Vertretungswechsels.
Gemäß §176b Abs1 Z2 PatentG idF BGBl I 126/2013 geht die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des 31.12.2013 beim OPM in dritter Instanz anhängigen Verfahren auf den OGH über. Vor dem OGH sind die Bestimmungen der ZPO bzw des AußStrG anzuwenden. Die ZPO sieht für den Fall des Wechsels in der Person des Vertreters in §160 vor, dass eine Unterbrechung des Verfahrens eintritt, bis ein anderer Rechtsanwalt von der Partei bestellt und von diesem Rechtsanwalt seine Bestellung unter gleichzeitiger Aufnahme des Verfahrens dem Gegner angezeigt wird.
In jenen Fällen, in denen bis zum Ablauf des 31.12.2013 kein Rechtsmittel erhoben wurde, muss ein solches nunmehr unter Beiziehung eines Rechtsanwaltes eingebracht werden. Die in patent- und markenrechtlichen Verfahren vorgesehene Frist von zwei Monaten ist ausreichend, um einen Rechtsanwalt zu bestellen und diesen mit der Einbringung des Rechtsmittels zu betrauen.
Auch die die Verfahrenshilfe betreffenden Regelungen - im konkreten §144 PatentG, §43c MusterschutzG sowie §50b GebrauchsmusterG - verletzen in Anbetracht des §67 2. Satz ZPO nicht das Bestimmtheitsgebot des Art18 B-VG.
Aus §141 Abs2 bzw §142 Abs3 PatentG, die die sinngemäße Anwendung der Bestimmungen der ZPO in patent-rechtlichen Verfahren vor dem OLG Wien anordnen, iVm §144 PatentG und §67 ZPO folgt, dass es der zu vertretenden Partei offensteht, bekannt zu geben, ob sie sich von einem Rechtsanwalt oder von einem Patentanwalt vertreten lassen will; es obliegt ihr auch, einen gewünschten Vertreter allenfalls namhaft zu machen. Den Wünschen der Partei ist dann nach Möglichkeit im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Vertreter zu entsprechen.
Schlagworte
Patentrecht, Patentanwälte, Rechtsanwälte, VfGH / Individualantrag, Novellierung, Erwerbsausübungsfreiheit, Rechtsstaatsprinzip, Rechtsschutz, fair trial, Vertrauensschutz, Determinierungsgebot, Zivilprozess, Verfahrenshilfe, InstanzenzugEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2014:G95.2013Zuletzt aktualisiert am
14.03.2016