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66/01 Allgemeines SozialversicherungsgesetzNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch Nichtaufnahme der Arzneispezialität Osmolax in den grünen Bereich des Erstattungskodex mangels Wirtschaftlichkeit; keine Aufrückung von Generika durch Streichung des ReferenzarzneimittelsRechtssatz
Die angefochtenen Bescheide der Unabhängigen Heilmittelkommission wurden mündlich verkündet. Nach der Rechtsprechung des VwGH setzt eine wirksame mündliche Verkündung eines Bescheides jedoch voraus, dass nicht nur die Tatsache seiner Verkündung, sondern auch der Bescheidinhalt (zumindest der Spruch) in Form einer Niederschrift festgehalten wird, widrigenfalls von einer Bescheiderlassung nicht gesprochen werden kann. Eine Verweisung auf das (nicht parteienöffentliche) Beratungsprotokoll vermag die Protokollierung des Spruchs in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung nicht zu ersetzen. Die angefochtenen Bescheide wurden daher erst mit der Zustellung ihrer schriftlichen Ausfertigung erstmals erlassen.
Dem Grundsatz (Aufnahme in den Erstattungskodex bei medizinischem oder zumindest ökonomischem Zusatznutzen gegenüber anderen im Erstattungskodex angeführten Arzneispezialitäten) folgt für den Fall der Aufnahme eines wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukts ua auch §351c Abs10 Z1 ASVG, wonach der Hauptverband mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen bei Aufnahme des ersten Generikums zunächst eine Preisreduktion von 30 % für das Originalprodukt (Referenzarzneimittel) zu vereinbaren hat und der Preis des Generikums hingegen um 25,7 % unter dem abgesenkten Preis des Originalprodukts liegen muss. Alle weiteren Generika werden vom Hauptverband in den Erstattungskodex aufgenommen, wenn ein genügend großer Preisunterschied zum ersten Generikum besteht.
Es lässt sich in §351c Abs10 ASVG kein Hinweis dafür finden, dass nach Ausscheiden des Referenzarzneimittels aus dem Erstattungskodex an dessen Stelle ein Generikum als neues, nunmehr für die weitere Preisgestaltung maßstabsbildendes Element "aufrücken" sollte. Die Aufnahme von Arzneimitteln in den Erstattungskodex schafft auch keine "Rangfolge" in der Art, dass das "jeweils erstgereihte" für die Preisbildung der "nachgereihten" maßgeblich sein soll. Die zeitliche Reihenfolge der Aufnahme weiterer Generika ist vielmehr nur für die unterschiedlichen Auswirkungen auf die Preisgestaltung von Originalprodukt und neuem Generikum von Bedeutung, wie der Umstand zeigt, dass sich nach dem insoweit klaren Gesetzeswortlaut ein einmal in den Erstattungskodex aufgenommenes Generikum im Gegensatz zum Originalprodukt an weiteren Preissenkungen nicht beteiligen muss, um im Erstattungskodex zu verbleiben.
Ein Generikum verändert nicht dadurch seine Eigenschaft, dass das Referenzarzneimittel in der Folge aus dem Erstattungskodex gestrichen wird, etwa weil das vertriebsberechtigte Unternehmen sich weigert, nach der Aufnahme von Generika den Fabriks- bzw Depotabgabepreis etappenweise so zu senken, wie das in §351c Abs10 ASVG vorgesehen ist (vgl etwa den Fall in VfGH 11.03.2014, B1451/2011).
Für die Annahme eines "Aufrückens" des ersten (oder aber auch eines weiteren) Generikums in die Position eines neuen "Originalprodukts", wie dies die belangte Behörde annimmt, fehlt daher jede Rechtsgrundlage.
Die belangte Behörde hat daher §351c Abs10 ASVG grob unrichtig ausgelegt und dadurch Willkür geübt.
Im Übrigen Ablehnung der Beschwerde zu B 1459/2012 (betr Abweisung des Antrags auf Berichtigung eines Bescheides).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Sozialversicherung, Arzneimittel, Auslegung eines Gesetzes, Bescheiderlassung, Bescheid mündlicherEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2014:B1020.2012Zuletzt aktualisiert am
10.03.2016