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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
EMRK Art8Leitsatz
Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch Ausweisung einer seit mehr als sechs Jahren in Österreich lebenden armenischen Familie; verfassungswidrige Interessenabwägung im Hinblick auf die Ausweisung des minderjährigen Drittbeschwerdeführers infolge dessen überdurchschnittlicher Integration angesichts seines mehrjährigen erfolgreichen Schulbesuchs an einer höheren SchuleRechtssatz
Im Hinblick auf die Minderjährigkeit des Drittbeschwerdeführers und den daraus resultierenden Umstand, dass ihm sein nach der (rechtskräftigen) Ausweisung objektiv unrechtmäßiger Aufenthalt bzw die unberechtigte Folgeantragstellung subjektiv nicht im gleichen Ausmaß wie einem Erwachsenen zugerechnet werden kann, sowie auf dessen überdurchschnittliche Integration (jahrelanger erfolgreicher Schulbesuch in Österreich; im Entscheidungszeitpunkt in der 7. Klasse einer AHS) ist nicht nachvollziehbar, wie der AsylGH zu einem Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Ausweisung des Drittbeschwerdeführers gelangen konnte.
In einem derartigen Fall trifft insbesondere die Annahme des AsylGH nicht zu, der Schulbesuch sei "neutral" (also weder zu Gunsten noch zu Lasten des Drittbeschwerdeführers) zu bewerten: Vielmehr ist der mehrjährige erfolgreiche Besuch einer höheren Schule im Kontext der Integrationsleistung zu sehen. Einerseits sind die durchaus beachtlichen Schulleistungen des Drittbeschwerdeführers ohne erhebliche, eine Integration belegende Anstrengungen, insbesondere ein schnelles Erlernen der deutschen Sprache auf einem hohen Niveau, nicht vorstellbar. Andererseits hat der Drittbeschwerdeführer die Möglichkeit des Schulbesuchs auch über die Erbringung schulischer Leistungen hinaus zu einer starken sozialen Integration genutzt. Als Minderjähriger kann von ihm nicht im gleichen Ausmaß wie bei einem Erwachsenen das ständige Bewussthalten seines unsicheren Aufenthaltsstatus erwartet werden. Der AsylGH hat auch außer Acht gelassen, dass sich der Drittbeschwerdeführer nach den mehr als sechs Jahren seines Aufenthalts in Österreich nicht mehr im Alter zwischen sieben und elf Jahren befindet, in dem der VfGH im Einklang mit der Rechtsprechung des EGMR von einer grundsätzlichen Anpassungsfähigkeit im Fall der Rückkehr ins Heimatland ausgeht (vgl VfSlg 19357/2010).
Aus der fehlerhaften Beurteilung des durch die Ausweisung bewirkten Eingriffs in das Privatleben des Drittbeschwerdeführers folgt auch eine unrichtige Beurteilung des Eingriffs in das Familienleben sämtlicher Beschwerdeführer (vgl VfSlg 19612/2011).
Im Übrigen (hins der Zurückweisung der Folgeanträge) Ablehnung der Beschwerdebehandlung.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht, Ausweisung, Privat- und FamilienlebenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2014:U2459.2012Zuletzt aktualisiert am
05.11.2014