RS Vfgh 2014/10/8 V53/2012

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 08.10.2014
beobachten
merken

Index

L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
Krnt GemeindeplanungsG 1970 §2 Abs1
Krnt RaumOG 1969 §2 Abs1 Z4
Flächenwidmungsplan 1977 der Landeshauptstadt Klagenfurt

Leitsatz

Abweisung eines Gerichtsantrags auf Aufhebung der Änderung des Flächenwidmungsplanes der Landeshauptstadt Klagenfurt 1977 hinsichtlich der Umwidmung von Grundstücken von "Wiese und Brachland" in "Bauland-gemischtes Baugebiet, Sonderwidmung gewerbliche Betriebe"; denkmögliche Anwendung des Flächenwidmungsplanes in dem bei Gericht anhängigen Amtshaftungsverfahren betreffend einen Arbeitsunfall im Jahr 2001; Baulandwidmungen nach dem Krnt GemeindeplanungG 1970 für - nicht von vornherein und abstrakt betrachtet für jegliche Bebauung ungeeignete - Grundflächen in Gefährdungslage nicht ausgeschlossen; Entscheidung über die konkrete Bebaubarkeit erst im Rahmen des jeweiligen behördlichen Bewilligungsverfahrens

Rechtssatz

Abweisung des Antrags des LG Klagenfurt auf Aufhebung (in eventu Feststellung der Gesetzwidrigkeit) der Änderung des Flächenwidmungsplanes der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 04.05.1977 (Flächenwidmungsplan 1977), hins der Widmungsänderung der (damaligen) Grundstücke Nr 403/4 und 404/1, KG Ehrental, von "Wiese und Brachland" in "Bauland-gemischtes Baugebiet, Sonderwidmung gewerbliche Betriebe".

Zulässigkeit des Antrags; keine Denkunmöglichkeit der Anwendung des Flächenwidmungsplans 1977 in dem bei dem antragstellenden Gericht anhängigen Amtshaftungsverfahren.

Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Klagenfurt erteilte mit Bescheid vom 02.09.1991 - als der Flächenwidmungsplan 1977 noch in Kraft war - die gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung für jene Anlage, in der sich 2001 der Arbeitsunfall ereignete. Vor diesem Hintergrund ist die Annahme des antragstellenden Gerichts, wonach diese Anlage nur errichtet und betrieben werden konnte, weil der Flächenwidmungsplan zum Zeitpunkt der Betriebsanlagengenehmigung die Widmung "Bauland - gemischtes Baugebiet, Sonderwidmung gewerbliche Betriebe" auswies und sich der Unfall im Jahr 2001 nicht ereignet hätte, wenn der Flächenwidmungsplan zum Zeitpunkt der Ansiedlung des gewerblichen Betriebs noch die Widmung "Wiese und Brachland" ausgewiesen hätte, nicht als offenkundig unrichtig zu erkennen. Es ist nämlich jedenfalls denkmöglich, dass bei Beibehaltung der Widmung "Wiese und Brachland" im Flächenwidmungsplan 1977 im Jahr 1991 keine Ansiedlung des gewerblichen Betriebs stattfinden hätte können und in der Folge der - nach der Sachverhaltsdarstellung des antragstellenden Gerichts mit der Betriebsanlagengenehmigung in Zusammenhang stehende - Sickerschacht, in dem sich 2001 der Arbeitsunfall ereignete, nicht errichtet und nicht in Betrieb hätte genommen werden können.

Auch die Annahme des antragstellenden Gerichts, ohne Widmung als Bauland im Flächenwidmungsplan wäre es nicht zur Ansiedlung des Gewerbebetriebs und zum Betrieb des Sickerschachts gekommen, ist jedenfalls denkmöglich. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Sickerschacht, in dem sich der Arbeitsunfall ereignete, vor Inkrafttreten des Krnt GemeindeplanungsG 1995 (auch) im Grünland errichtet und betrieben werden konnte.

Zum (ersten) Bedenken des antragstellenden Gerichts betr einen Widerspruch des Flächenwidmungsplans 1977 zu "§2 Abs1 Z4 Kärntner RaumordnungsG 1969" ist festzuhalten, dass diese Bestimmung erst mit der Novelle LGBl 42/1994 in das Krnt RaumordnungsG 1969 (K-ROG 1969) eingefügt und am 01.05.1994 in Kraft getreten ist (in der davor geltenden Fassung wies §2 Abs1 K-ROG 1969 keine Gliederung in Ziffern auf). Schon aus diesem Grund ist diese Bestimmung nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit der Umwidmung eines Grundstücks von Grünland in Bauland im Jahr 1977 aufzuzeigen. Es bestehen für den VfGH auch keine Anhaltspunkte dafür, dass mit §2 Abs1 Z4 K-ROG 1969 idF LGBl 42/1994 Widmungen eines bereits außer Kraft getretenen Flächenwidmungsplans rückwirkend für rechtswidrig erklärt werden sollten.

Auch das (zweite) Bedenken, der Flächenwidmungsplan 1977 widerspreche §2 Abs1 Krnt GemeindeplanungsG 1970 (K-GPlG 1970), erweist sich als nicht begründet.

Es ist im vorliegenden Fall nicht zu erkennen, dass §2 Abs1 K-GPlG 1970 idF LGBl 57/1972 einer Widmung der Grundstücke Nr 403/14 und 404/1, KG Ehrental, als Bauland grundsätzlich und in jedem Fall entgegenstünde.

§2 Abs1 K-GPlG 1970 steht einer Widmung als Bauland allerdings nur dann und insoweit entgegen, wenn bzw als eine Grundfläche auf Grund einer bestimmten Gefährdungslage - von vornherein und abstrakt betrachtet - in jedem Fall für jegliche Bebauung ungeeignet ist.

In diesem Zusammenhang ist das Zusammenspiel sowie der Sinn und Zweck der Raumordnungsvorschriften zu beachten: Sieht der Flächenwidmungsplan für ein Grundstück die Widmung "Bauland" vor, kann daraus alleine kein Recht auf jegliche Bebauung abgeleitet werden. Die konkrete Bebaubarkeit einer Grundfläche hängt - zum Beispiel abgesehen von etwaigen weiteren Festlegungen durch Verordnung (insbesondere durch einen Bebauungsplan) - noch von der bescheidmäßigen Entscheidung der zuständigen Behörde ab. Die Entscheidung über die Bebaubarkeit wird somit in der Regel erst auf der individuell-konkreten Ebene durch die zuständige Verwaltungsbehörde je nach der Eignung des Baugrundstücks und dem konkreten Projekt getroffen. Liegt somit hinsichtlich einer Grundfläche eine Gefährdungslage vor, der auf individuell-konkreter Ebene im Rahmen der Erteilung der - baurechtlichen, gewerberechtlichen, wasserrechtlichen oder sonstigen behördlichen - Bewilligung des konkreten Projekts begegnet werden kann, ist nicht davon auszugehen, dass eine Fläche von vornherein und in jedem Fall für die Bebauung ungeeignet iSd §2 Abs1 K-GPlG 1970 ist und damit die Widmung als Bauland ausgeschlossen ist.

Die Widmung einer Grundfläche als Bauland lässt auch nicht den Schluss zu, dass auf dieser Fläche jedenfalls und ohne weitere Prüfung im Einzelfall gefahrlos gebaut werden kann. Ob bei der Realisierung eines Bauprojekts bestimmte, aus der Beschaffenheit der Baufläche herrührende Gefahren schlagend werden können und wie diesen Gefahren allenfalls zu begegnen ist - sei es durch Nichterteilung der Bewilligung oder durch die Vorschreibung entsprechender Auflagen oder Bedingungen - ist Inhalt des jeweiligen Bewilligungsverfahrens und nicht auf Ebene der Flächenwidmung abschließend zu beurteilen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, VfGH / Präjudizialität

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2014:V53.2012

Zuletzt aktualisiert am

14.03.2016
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten