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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des AM in W, vertreten durch S & Partner, Rechtsanwälte in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 19. Jänner 2000, Zl. UVS-04/G/33/361/2000/2, betreffend Übertretung der GewO 1994, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Strafverfügung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 13./14. Bezirk vom 30. November 1999 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, vom 28. Mai bis zum 2. Juli 1999 an einem näher bezeichneten Standort in Wien das Gewerbe Kleinhandel mit Obst und Gemüse ausgeübt zu haben, ohne die hiefür erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben, indem er Obst (Marillen, Erdbeeren, etc.) und Gemüse (Zwiebeln, Kartoffeln, Paprika etc.) auf einem aus Holz bestehenden Verkaufspult zum Verkauf angeboten habe. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 begangen, weshalb nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle über ihn eine Geldstrafe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag, 12 Stunden) verhängt wurde.
In dem dagegen erhobenen Einspruch bekämpfte der Beschwerdeführer nur die Höhe der über ihn verhängten Strafe. Mit dem daraufhin ergangenen erstbehördlichen Straferkenntnis vom 21. Dezember 1999 wurde der Beschwerdeführer neuerlich wegen dieser Tat schuldig erkannt und über ihn die gleiche Strafe verhängt.
Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung hat folgenden Wortlaut:
"Ich habe im MA 63 Wipplingerstraße 8 um eine Gewerbeberechtigung angesucht, die nicht anerkannt wurde.
Den Bescheid haben wir im August erhalten. Unser Gewerbe war bis September in Betrieb, bis die Saison zu Ende war.
Seitdem arbeite ich nicht und warte auf andere Arbeit.
Aus diesem Grund bitte ich Sie, dass Sie die Strafe mildern, da ich kein Geld habe.
Ich danke für Ihre Hilfe und verbleibe ..."
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 19. Jänner 2000 wurde gemäß § 66 Abs. 4 das erstbehördliche Straferkenntnis hinsichtlich der Schuldfrage behoben; hinsichtlich des Straf- und Kostenausspruches wurde der Berufung insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe von S 3.000,-- auf S 2.000,-- und die für den Falle der Uneinbringlichkeit verhängte Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag und 12 Stunden auf 1 Tag herabgesetzt wurde. Zur Begründung führte der Unabhängige Verwaltungssenat nach Darstellung des Verfahrensganges aus, der Beschwerdeführer habe gegen die erstbehördliche Strafverfügung vom 30. November 1999 einen Einspruch eingebracht, der sich gemäß § 49 Abs. 2 VStG nur gegen die Strafhöhe gerichtet habe. Der Schuldspruch der Strafverfügung sei daher rechtskräftig geworden, weshalb die Erstbehörde über die Schuldfrage nicht nocheinmal hätte absprechen dürfen. Es sei daher das Straferkenntnis hinsichtlich der Schuldfrage zu beheben gewesen. Zur Strafbemessung führte der Unabhängige Verwaltungssenat unter Bezugnahme auf die Bestimmungen des § 19 VStG und des § 366 Abs. 1 GewO 1994 aus, durch die angelastete Verwaltungsübertretung sei das durch die Strafdrohung als schutzwürdig erkannte Interesse am Ausschluss hiefür nicht berechtigter Personen von der Ausübung gewerblicher Tätigkeiten geschädigt worden. Trotz des Fehlens sonstiger nachteiliger Folgen habe daher der objektive Unrechtsgehalt der Tat nicht als unbedeutend angesehen werden können. Dass die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder dass die Übertretung aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können, sei weder hervorgekommen noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen, weshalb auch das Verschulden des Beschwerdeführers nicht als geringfügig angesehen werden könne. Bei der Strafbemessung sei auf die vom Beschwerdeführer angegebenen finanziellen Verhältnisse, die als sehr ungünstig zu werten seien, Bedacht genommen worden. Die nach der Aktenlage zur Tatzeit anzunehmende verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers sei als mildernd gewertet worden; erschwerend sei kein Umstand gewesen. Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe, das Verschulden des Beschwerdeführers und den bis S 50.000,-- reichenden Strafrahmen erscheine daher die nunmehr herabgesetzte Geldstrafe durchaus angemessen.
Gegen diesen Bescheid, inhaltlich jedoch nur gegen seinen die Höhe der verhängten Strafe betreffenden Teil, richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht auf gesetzmäßige Handhabung des der Behörde bei der Strafbemessung eingeräumten Ermessens verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes macht er (zusammengefasst) geltend, er sei seit drei Jahren in Österreich und habe eine gültige Aufenthaltsbewilligung und eine Arbeitserlaubnis als Saisonarbeitskraft. Er sei als Aushilfsgärtner tätig und verdiene ca. S 6.000,-- bis S 7.000,-- monatlich, wenn er Arbeit habe. Er spreche nur gebrochen Deutsch und sei des Schreibens nicht mächtig. Aus den Einsprüchen im Verfahren sehe man bereits klar, dass er nicht einmal seinen eigenen Namen richtig schreiben könne. Der Einspruch gegen die erstbehördliche Strafverfügung sei von der Behörde selbst für ihn getippt worden. Die als Einspruch bezeichnete Berufung sei ebenso für ihn geschrieben worden. Vernommen worden sei er weder in erster Instanz noch vom Unabhängigen Verwaltungssenat. Der Beschwerdeführer habe sich nach bestem Wissen alle Mühe gegeben, ordnungsgemäß seinen Obst- und Gemüseverkauf genehmigen zu lassen. Er habe am 27. Mai 1999 bei der MA 63 die Nachsicht des Erfordernisses der Inländereigenschaft zur Erlangung einer Gewerbeberechtigung für den Kleinhandel mit Obst und Gemüse (= Gleichstellungsantrag) beantragt. Offensichtlich sei er der Ansicht gewesen, dieser Antrag sei der Anmeldung eines Gewerbes gemäß § 5 Abs. 1 GewO 1994 gleichzuhalten, sodass er sofort mit dem Obstverkauf beginnen habe dürfen. Aus der Anzeige des Marktamtes gehe hervor, dass er den Beamten, die ihn am 24. Juni 1999 aufgesucht hätten, freiwillig erklärt habe, dass er das Gewerbe seit dem 28. Mai 1999 ausübe. Befrage man ihn, so erzähle er, dass man ihm beim Marktamt erklärt habe, dass er nach Antragstellung mit der Gewerbeausübung seines Obst- und Gemüsehandels hätte beginnen können und in ca. 4 Wochen den Bescheid erhalten werde. Für einen österreichischen Staatsbürger wäre dies auch richtig und entspreche der Rechtslage. Der Beschwerdeführer sei jedoch nicht Österreicher und ein Gleichstellungsansuchen sei kein Antrag auf Erteilung einer Gewerbeberechtigung. Der Beschwerdeführer habe die Belehrung entweder unrichtig verstanden oder die Belehrung sei unvollständig gewesen. Das Gleichstellungsansuchen sei bis heute nicht erledigt. Im August 1999 habe er schriftlich die Mitteilung erhalten, dass er die Gleichstellung nicht erlangen könne, weil er nur als Saisonarbeiter arbeiten dürfe. Er habe dies als eine Abweisung seines Ansuchens angesehen und sein Geschäft aufgegeben. Tatsächlich hätte er nur um eine Erweiterung seiner Arbeitserlaubnis ansuchen müssen. Die ganzen Bewilligungen und Vorgänge seien für den Beschwerdeführer, einen einfachen Mann aus Mazedonien, weder sachlich (mangels Rechtskenntnis) aber vor allem auch sprachlich nicht verständlich. Er habe sich sehr wohl bemüht und erkundigt, habe aber leider wegen Sprachschwierigkeiten und mangelnder Anleitung den Weg durch die Behörden, die zu seinen Gunsten entschieden hätten, "nicht gefunden". Einerseits seien daher die Milderungsgründe des § 19 VStG i.V.m. § 34 Z. 11 und Z. 12 StGB gegeben. Der Schuldausschließungsgrund des § 34 Z. 11 StGB sei gegeben, weil der Beschwerdeführer sprachlich nicht verstanden habe, dass er eine Erweiterung seiner Arbeitsbewilligung benötige. Er habe sogar die Mitteilung des Ermittlungsergebnisses fälschlich als Abweisung seines Begehrens verstanden. Ein die Schuld ausschließender Rechtsirrtum im Sinne des § 34 Z. 12 StGB liege vor, weil der Beschwerdeführer nicht verstanden habe, dass nur Inländer nach Anmeldung des Gewerbes gemäß § 5 Abs. 1 GewO 1994 mit der Gewerbeausübung beginnen dürfen, dies jedoch nicht für einen Gleichstellungsantrag gelte. Der Obst- und Gemüseverkauf sei während der Sommermonate 1999 das Mindesteinkommen für den Beschwerdeführer gewesen, sodass auch der Abverkauf seiner Waren bis Saisonende verständlich sei. Dem Beschwerdeführer könne daher gemäß § 19 VStG i.V.m. § 34 Z. 10 StGB kein Vorwurf gemacht werden, wenn er nicht sofort das Gewerbe eingestellt habe, da er sich damit um seine Existenz gebracht hätte. Dies alles hätte die belangte Behörde herausfinden können, wenn sie eine mündliche Verhandlung anberaumt hätte. Auch wenn gemäß § 51e Abs. 3 Z. 2 VStG im Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden könne, wenn sich die Berufung nur gegen die Strafhöhe richte, so sei eine solche doch durchzuführen, wenn im Verfahren weitere Erhebungen erforderlich seien. Es ergebe sich bereits aus der Anzeige des Marktamtes, dass der Beschwerdeführer einen Antrag auf Gleichstellung eingebracht habe. Aus der Begründung seiner Berufung ergebe sich, dass er der Meinung gewesen sei, um eine Gewerbeberechtigung angesucht zu haben. Es lägen somit eindeutige Anhaltspunkte für einen Rechtsirrtum vor, der weiter zu prüfen gewesen wäre. Gemäß § 51a VStG hätte der Beschwerdeführer bereits für das Berufungsverfahren die Möglichkeit gehabt, die Beigabe eines Verfahrenshilfevertreters zu beantragen. Das erstbehördliche Straferkenntnis enthalte aber keine entsprechende Belehrung. Die Erstbehörde habe mit dem Beschwerdeführer unmittelbar Kontakt gehabt, da sie selbst den Einspruch gegen ihre Strafverfügung getippt habe. Es sei daher bekannt gewesen, dass er nur gebrochen Deutsch spreche. Auch aus den Unterschriften unter den Einsprüchen sehe man, dass der Beschwerdeführer Mühe habe, seinen eigenen Namen richtig zu schreiben und auch die lateinische Schrift nicht beherrsche. Es gebe keine Zweifel, dass der Beschwerdeführer zur effektiven Wahrnehmung seiner Verteidigungsrechte eines Beistandes bedurft hätte. Die offenkundige Mangelhaftigkeit der Berufung des Beschwerdeführers hätte daher zu einer Rückstellung zur Verbesserung führen müssen, wobei er zur Stellung eines Verfahrenshilfeantrages anzuleiten gewesen wäre. Erst dadurch wäre sein effektiver Rechtsschutz sichergestellt worden. Denn jeder Vertreter hätte einen begründeten Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wie auch ein entsprechendes Sachvorbringen erstattet.
Dieser letzteren Argumentation vermag sich der Verwaltungsgerichtshof schon deshalb nicht anzuschließen, weil der Umstand, dass eine Person nur gebrochen Deutsch spricht und auch Mühe hat, ihren eigenen Namen richtig zu schreiben, keineswegs die Notwendigkeit aufzeigt, dass sie in einem behördlichen Verfahren des Beistandes eines Rechtsanwaltes bedarf. Es lässt sich daraus vielmehr lediglich die Notwendigkeit der Beiziehung einer Person ableiten, die sie sprachlich versteht und die bereit ist, für sie schriftliche Eingaben an die Behörde zu verfassen. Dass im vorliegenden Fall dem Beschwerdeführer eine solche Person zur Verfügung stand, ergibt sich aus den im Verwaltungsstrafverfahren vom Beschwerdeführer erstatteten Eingaben (Einspruch gegen die erstbehördliche Strafverfügung und Berufung gegen das erstbehördliche Straferkenntnis) und wird auch in der Beschwerde nicht bestritten. Es bestand daher schon aus diesem Grund für die belangte Behörde keine Veranlassung, den Beschwerdeführer zu einem Antrag auf Verfahrenshilfe anzuleiten.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich aber auch nicht der in der Beschwerde geäußerten Ansicht anzuschließen, die belangte Behörde hätte aus dem (oben wiedergegebenen) Inhalt der Berufung gegen das erstbehördliche Straferkenntnis Anhaltspunkte für einen Rechtsirrtum des Beschwerdeführers gewinnen müssen, die sie zu weiteren Erhebungen hätte veranlassen müssen. Denn auch wenn dem Beschwerdeführer der Unterschied zwischen einem Antrag auf Gleichstellung und der Anmeldung eines Gewerbes nicht geläufig gewesen sein sollte, so lässt sich aus seiner Berufung gegen das erstbehördliche Straferkenntnis kein Anhaltspunkt dafür gewinnen, dass er über die Rechtswidrigkeit der Ausübung des in Rede stehenden Gewerbes in einem Irrtum befangen gewesen wäre. Allein der Umstand, dass sich sein Einspruch gegen die erstbehördliche Strafverfügung und konsequenterweise auch seine Berufung gegen das erstbehördliche Straferkenntnis lediglich gegen die Strafhöhe richteten, berechtigt vielmehr zu dem Schluss, dass ihm die Rechtswidrigkeit seines Tuns bekannt war.
Es bildet daher auch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, wenn die belangte Behörde in Anwendung der Bestimmung des § 51e Abs. 3 Z. 2 VStG von einer mündlichen Berufungsverhandlung abgesehen hat.
Ausgehend von dem somit in einem als nicht rechtswidrig erkennbaren Verfahren gewonnenen, der belangten Behörde vorliegenden Sachverhalt ist aber - wie auch in der Beschwerde nicht bestritten wird - nicht erkennbar, dass die belangte Behörde mit der über den Beschwerdeführer verhängten Strafe das ihr bei der Strafzumessung eingeräumte Ermessen überschritten hätte. Wie auch in der Beschwerde nicht verkannt wird, konnte der Verwaltungsgerichtshof bei dieser Beurteilung wegen des gemäß § 41 Abs. 1 VStG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes auf die in der Beschwerde erstmals aufgezeigten Strafzumessungsgründe nicht Bedacht nehmen.
Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 27. September 2000
Schlagworte
VerfahrenshilfeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000040088.X00Im RIS seit
05.12.2000