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66/01 Allgemeines SozialversicherungsgesetzNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Abweisung des Antrags auf Änderung des Regeltextes für die Verschreibung der Arzneispezialität Azilect mangels zusätzlichen therapeutischen Nutzens im Vergleich zu frei verschreibbaren, pharmakologisch verwandten ArzneimittelnSpruch
I. Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
II. Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Die von der beschwerdeführenden Partei vertriebene Arzneispezialität "Azilect 1 mg Tabletten" enthält nach den behördlichen Feststellungen den Wirkstoff "Rasagilin" aus der Wirkstoffgruppe der selektiven Monoaminoxidase-B-Hemmer (ATC-Code N04BD02: Nervensystem > Antiparkinsonmittel > Dopaminerge Mittel > Monoaminoxidase-B-Hemmer > Rasagilin) und ist im gelben Bereich des Erstattungskodex gelistet.
Der derzeitige Regeltext für die Verschreibung lautet:
"Bei M. Parkinson als Zusatztherapie zu Levodopa, wenn Entacapon nicht vertragen wird oder als Alternative zu Entacapon, wenn trotz eines Dosissplittings von Levodopa Wirkungsfluktuationen auftreten."
1.1. Die beschwerdeführende Partei stellte am 23. März 2010 einen Antrag auf Änderung dieses Regeltextes, den sie – nach Aufhebung der im ersten Rechtsgang erlassenen Entscheidung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger (im Folgenden: Hauptverband) durch die Unabhängige Heilmittelkommission – im zweiten Rechtsgang am 23. August 2011 wie folgt modifizierte, wobei die Änderung abweichend vom Original hervorgehoben ist:
"Bei Morbus Parkinson, wenn die Diagnose von einem Facharzt für Neurologie oder Neurologie und Psychiatrie oder Psychiatrie und Neurologie gestellt wird als Initialtherapie und als Zusatztherapie zu Levodopa, wenn Entacapon nicht vertragen wird oder als Alternative zu Entacapon, wenn trotz eines Dosissplittings von Levodopa Wirkungsfluktuationen auftreten."
1.2. Im Verfahren war strittig, ob "Azilect" für die Monotherapie in der Frühphase des Morbus Parkinson gegenüber selegilinhaltigen Arzneispezialitäten, die im grünen Bereich des Erstattungskodex als frei verschreibbar gelistet sind, einen therapeutischen Vorteil bietet. Der Hauptverband verneinte dies mit näherer Begründung, wobei er den Empfehlungen der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission (im Folgenden: HEK) gefolgt ist.
1.3. Mit der im zweiten Rechtsgang ergangenen Entscheidung vom 10. November 2011 wies der Hauptverband den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf die oben wiedergegebene Verwendungsänderung ab. Im Rahmen der pharmakologischen sowie der medizinisch-therapeutischen Evaluation kam der Hauptverband wie auch schon im ersten Rechtsgang zu dem Ergebnis, dass für die Monotherapie in der Frühphase des Morbus Parkinson kein Vorteil gegenüber selegilinhaltigen Arzneispezialitäten bestehe, die im grünen Bereich des Erstattungskodex als frei verschreibbar gelistet sind. Die nunmehr beantragte Verschreibungsregel enthalte ferner keine nachvollziehbaren Kriterien für die Identifikation von Patienten, bei denen Rasagilin zweckmäßiger sei als Selegilin.
2. Die beschwerdeführende Partei bekämpfte diese Entscheidung mit Beschwerde bei der Unabhängigen Heilmittelkommission. Diese wies die Beschwerde mit Entscheidung vom 23. Februar 2012 als unbegründet ab.
2.1. Dabei ging die Unabhängige Heilmittelkommission davon aus, dass "Xilopar", eines von mehreren vom Hauptverband herangezogenen Vergleichsmedikamenten, von dem in der Beschwerde behauptet wurde, es sei ihm die Zulassung entzogen worden, nach wie vor zugelassen sei. Auch habe sich der Hauptverband mit den von der beschwerdeführenden Partei vorgelegten Studien ausführlich auseinandergesetzt, ebenso mit einer von der beschwerdeführenden Partei nachgereichten "Metaanalyse". Der Nachweis eines Zusatznutzens von "Rasagilin" gegenüber "Selegilin" ergebe sich aus alledem nicht. Der Hauptverband habe die Metaanalyse mit Recht nicht für begründungstauglich gehalten, wie die Unabhängige Heilmittelkommission wie folgt näher begründete:
"Das insoweit zentrale Argument des Hauptverbandes, die Autoren [ergänze: dieser Analyse] verlangen einerseits für die Annahme der klinischen Relevanz derartiger Analysen einen Unterschied in der Effektgröße 'Unified Parkinson Disease Rating Scale (UPDRS)-Gesamtscore' von mindestens 4.1 bis 4.5 Punkten, kommen aber andererseits zu dem Ergebnis, dass die gegenständliche Analyse bloß einen UPDRS-Score-Unterschied von 2.0 Punkten ausweise, gründet auf aktenkonformer Basis und ist nach den Gesetzen logischen Denkens sowie grundlegenden Erfahrungssätzen einwandfrei geeignet, die Ablehnung der klinischen Relevanz zu tragen."
3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung gestützte Beschwerde, in der eine Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie eine Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet und angeregt wird, ein Vorabentscheidungsverfahren beim Gerichtshof der Europäischen Union einzuleiten.
4. Die Unabhängige Heilmittelkommission legte die Verwaltungsakten vor; der Hauptverband erstattete eine Äußerung, in der er die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Rechtslage
1. Die im Beschwerdefall in Betracht zu ziehenden Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes – ASVG, BGBl 189/1955 in der hier maßgeblichen Fassung, lauten auszugsweise:
1.1. Gemäß §31 Abs3 Z12 ASVG gehört zu den Aufgaben des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger:
"12. die Herausgabe eines Erstattungskodex der Sozialversicherung für die Abgabe von Arzneispezialitäten auf Rechnung eines Sozialversicherungsträgers im niedergelassenen Bereich; in dieses Verzeichnis sind jene für Österreich zugelassenen, erstattungsfähigen und gesichert lieferbaren Arzneispezialitäten aufzunehmen, die nach den Erfahrungen im In- und Ausland und nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine therapeutische Wirkung und einen Nutzen für Patienten und Patientinnen im Sinne der Ziele der Krankenbehandlung (§133 Abs2) annehmen lassen. Die Arzneispezialitäten sind nach dem anatomisch-therapeutisch-chemischen Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation (ATC-Code) zu ordnen. Sie sind im Erstattungskodex jeweils einem der folgenden Bereiche zuzuordnen:
a) Roter Bereich (red box): Dieser Bereich beinhaltet zeitlich befristet jene Arzneispezialitäten, die erstmalig am österreichischen Markt lieferbar sind und für deren Aufnahme in den Erstattungskodex ein Antrag nach §351c Abs1 gestellt wurde. Sie unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger nach Maßgabe der Richtlinie nach §31 Abs5 Z13. Zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit darf einem Sozialversicherungsträger für eine Arzneispezialität dieses Bereiches der ermittelte EU-Durchschnittspreis verrechnet werden.
b) Gelber Bereich (yellow box): Dieser Bereich beinhaltet jene Arzneispezialitäten, die einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für Patienten und Patientinnen aufweisen und die aus medizinischen oder gesundheitsökonomischen Gründen nicht in den grünen Bereich aufgenommen werden. Arzneispezialitäten dieses Bereiches unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger nach Maßgabe der Richtlinie nach §31 Abs5 Z13. Bezieht sich die Aufnahme von Arzneispezialitäten in diesen Bereich auch auf bestimmte Verwendungen (zB Gruppen von Krankheiten, ärztliche Fachgruppen, Altersstufen von Patient(inn)en, Mengenbegrenzung oder Darreichungsform), kann die ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes durch eine nachfolgende Kontrolle der Einhaltung der bestimmten Verwendung ersetzt werden. Zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit darf einem Sozialversicherungsträger für eine Arzneispezialität dieses Bereiches höchstens der ermittelte EU-Durchschnittspreis verrechnet werden.
c) Grüner Bereich (green box): Dieser Bereich beinhaltet jene Arzneispezialitäten, deren Abgabe ohne ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger auf Grund ärztlicher Verschreibung medizinisch und gesundheitsökonomisch sinnvoll und vertretbar ist. Die Aufnahme von Arzneispezialitäten in diesem Bereich kann sich auch auf bestimmte Verwendungen (zB Gruppen von Krankheiten, ärztliche Fachgruppen, Altersstufen von Patient(inn)en oder Darreichungsform) beziehen.
d) Die Stoffe für magistrale Zubereitungen gelten als Teil des grünen Bereiches, es sei denn, sie werden auf Grund einer Empfehlung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission ausdrücklich im gelben Bereich angeführt.
Arzneispezialitäten und Stoffe für magistrale Zubereitungen können nur dann als Leistung der Krankenbehandlung auf Rechnung eines Sozialversicherungsträgers abgegeben werden, wenn sie im Erstattungskodex angeführt sind (§350). In begründeten Einzelfällen ist die Erstattungsfähigkeit auch dann gegeben, wenn die Arzneispezialität nicht im Erstattungskodex angeführt ist, aber die Behandlung aus zwingenden therapeutische Gründen notwendig ist und damit die Verschreibung in diesen Einzelfällen nicht mit Arzneispezialitäten aus dem Erstattungskodex durchgeführt werden kann. Diese unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes. Die nähere Organisation und das Verfahren zur Herausgabe des Erstattungskodex regelt der Hauptverband in der Verordnung nach §351g. Er hat dazu als beratendes Gremium eine Heilmittel-Evaluierungs-Kommission einzurichten."
1.2. Die §§351c ff. ASVG lauten auszugsweise:
"Erstattungskodex
Aufnahme von Arzneispezialitäten in den Erstattungskodex
§351c. (1) Das vertriebsberechtigte Unternehmen beantragt beim Hauptverband die Aufnahme einer Arzneispezialität in den gelben oder den grünen Bereich des Erstattungskodex. Mit Einlangen des Antrages, mit dem zumindest die Zulassungsnummer und ein Preis bekannt gegeben wird und dem eine Bestätigung der Lieferfähigkeit und eine Bestätigung über die Dauer der Patentlaufzeit angeschlossen ist, wird die Arzneispezialität zeitlich befristet in den roten Bereich aufgenommen. Stellt der Hauptverband innerhalb von 90 Tagen (wird auch über den Preis entschieden, innerhalb von 180 Tagen) nach Einlangen des Antrages fest, dass die Arzneispezialität nicht in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex aufzunehmen ist, so ist sie aus dem roten Bereich des Erstattungskodex zu streichen. Der Hauptverband hat die Änderungen des Erstattungskodex monatlich im Internet kundzumachen.
(2) – (6) […]
(7) Sonderbestimmungen für den roten Bereich (red box) des Erstattungskodex:
1. Der Preis der Arzneispezialität darf den EU Durchschnittspreis nicht überschreiten.
2. So lange ein EU-Durchschnittspreis nicht festgestellt werden kann, ist vorläufig der vom vertriebsberechtigten Unternehmen gemeldete Preis heranzuziehen. Die Preiskommission hat spätestens alle sechs Monate eine Preisevaluierung durchzuführen. Wird dabei festgestellt, dass der vorläufige österreichische Erstattungspreis über dem ermittelten EU Durchschnittspreis liegt, so hat das vertriebsberechtigte Unternehmen den Differenzbetrag innerhalb von sechs Monaten ab begründeter Aufforderung an die Sozialversicherungsträger zurückzuzahlen.
(8) Sonderbestimmungen für den gelben Bereich (yellow box) des Erstattungskodex: Eine Arzneispezialität kann in den gelben Bereich aufgenommen werden, wenn die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission (§351g) eine wesentliche therapeutische Innovation festgestellt hat.
(9) Sonderbestimmungen für den grünen Bereich (green box) des Erstattungskodex:
1. Eine Arzneispezialität wird dann in den grünen Bereich aufgenommen, wenn die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission in ihrer Empfehlung eine gleiche oder ähnliche therapeutische Wirkung im Vergleich zu bereits im grünen Bereich vorhandenen Arzneispezialitäten festgestellt hat, und ein ausreichend großer Preisunterschied zu diesen Produkten vereinbart werden kann.
2. Wird für die beantragte Arzneispezialität ein höherer Preis, als der für die in diesem Bereich angeführten Vergleichspräparate geltende Preis angestrebt, so muss die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission in ihrer Empfehlung einen therapeutischen Mehrwert im Vergleich zu Arzneispezialitäten im grünen Bereich feststellen.
(10) Liegt für eine Arzneispezialität ein wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt (Generikum) vor, so gilt zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit Folgendes:
1. Der Hauptverband hat mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen des Originalprodukts eine Preisreduktion von 30% zu vereinbaren, womit die Arzneispezialität weiter im Erstattungskodex bleibt. Für die Aufnahme des Generikums in den Erstattungskodex vereinbart der Hauptverband mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen einen Preis, der um 25,7% unter dem abgesenkten Preis des Originalprodukts liegt. Alle weiteren Generika werden vom Hauptverband in den Erstattungskodex aufgenommen, wenn ein genügend großer Preisunterschied zum ersten Generikum besteht. Sobald durch ein Generikum eine dritte Preisreduktion erfolgt ist, kann der Hauptverband mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen des Originalprodukts eine neuerliche Preisreduktion vereinbaren. Kann eine Einigung nicht erzielt werden, so ist die Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zu streichen.
2. Der Hauptverband kann bei ausgewählten Indikationsgruppen zur Förderung der Verfügbarkeit eines Generikums abweichende Regelungen zur Anwendung bringen.
3. Ist abzusehen, dass bei einer Arzneispezialität trotz rechtlicher Möglichkeit in Österreich kein Generikum vorliegen wird und der Hauptverband mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen ab diesem Zeitpunkt keine Preisreduktion vereinbaren kann, so kann der Hauptverband ein Jahr davor den Wirkstoff oder die Wirkstoffklasse auf Empfehlung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission ausschreiben.
Entscheidung des Hauptverbandes
§351d. (1) Der Hauptverband hat über den Antrag auf Aufnahme in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex innerhalb von 90 Tagen (wird auch über den Preis entschieden, innerhalb von 180 Tagen) ab Antragstellung auf Grundlage der Empfehlung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission zu entscheiden. Der Fristenlauf wird gehemmt, wenn die vom vertriebsberechtigten Unternehmen vorzulegenden Unterlagen (zB Studien, Gutachten usw.) nicht, nicht vollständig oder nicht in der aktuellen Fassung vorgelegt werden. Bei der Entscheidung über die Aufnahme in den Erstattungskodex sind für alle Arzneispezialitäten dieselben Prüfmaßstäbe anzulegen.
(2) Der Hauptverband hat seine Entscheidung nur dann zu begründen, wenn dem Antrag nicht stattgegeben wird. Der Antragsteller ist über die Möglichkeit der Beschwerde an die Unabhängige Heilmittelkommission sowie über die Rechtsmittelfristen nach §351i Abs3 zu belehren.
(3) Ist ein Verfahren abgeschlossen, so ist der Hauptverband zur Entscheidung über einen neuerlichen Antrag hinsichtlich ein und derselben Arzneispezialität erst dann verpflichtet, wenn das vertriebsberechtigte Unternehmen dem Hauptverband das Vorliegen wesentlicher neuer Erkenntnisse nachweist."
"Streichung aus dem Erstattungskodex
§351f. (1) Der Hauptverband hat den Erstattungskodex regelmäßig daraufhin zu überprüfen, ob die angeführten Arzneispezialitäten den Prüfmaßstäben nach den §§31 Abs3 Z12 und 351c entsprechen. Er hat eine Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zu streichen, in einen anderen Bereich zu übernehmen oder die Anführung auf bestimmte Verwendungen einzuschränken, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme nicht oder nur mehr für bestimmte Verwendungen erfüllt sind, insbesondere weil neue pharmakologische oder medizinisch-therapeutische oder gesundheitsökonomische Umstände eingetreten sind. Der Hauptverband hat vor der Entscheidung, eine Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zu streichen oder in einen anderen Bereich zu übernehmen, dem vertriebsberechtigten Unternehmen Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 30 Tagen zu geben. Das vertriebsberechtigte Unternehmen legt dem Hauptverband auf Verlangen binnen 60 Tagen jene Unterlagen vor, die geeignet sind, die Zweifel aus pharmakologischer oder medizinisch-therapeutischer oder gesundheitsökonomischer Sicht auszuräumen. Allfällige Kosten für die Erstellung diesbezüglicher Gutachten oder Studien trägt das vertriebsberechtigte Unternehmen.
(2) Das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen hat jede Aufhebung der Zulassung einer Arzneispezialität dem Hauptverband mitzuteilen. Die Arzneispezialität ist unverzüglich aus dem Erstattungskodex zu streichen.
Verordnungsermächtigung, Werbeverbot
§351g. (1) Die nähere Organisation zur Aufnahme einer Arzneispezialität und das Verfahren zur Herausgabe des Erstattungskodex regelt der Hauptverband durch Verordnung, die der Genehmigung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen bedarf. Vor Genehmigung hat eine Anhörung der Wirtschaftskammer Österreich zu erfolgen. Diese Verfahrensordnung hat insbesondere Zahl, Qualität und Form der vorzulegenden Unterlagen festzulegen und Regeln darüber zu enthalten, in welchen Fällen weiterführende Studien notwendig sind. Die Verordnung ist vom Hauptverband im Internet kundzumachen.
(2) In der Verordnung nach Abs1 wird das Verfahren der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission geregelt. Dieser Kommission sind alle Anträge auf Aufnahme (einschließlich aller Änderungen) einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex vorzulegen. Diese Kommission ist auch anzuhören, wenn der Hauptverband von sich aus eine Veränderung im Erstattungskodex beabsichtigt. Die Kommission hat dem Hauptverband insbesondere zu empfehlen,
1. ob und für welche Indikationen und Gruppen von Patienten und Patientinnen ein wesentlicher zusätzlicher therapeutischer Nutzen einer Arzneispezialität vorliegt und wie dieser ökonomisch bewertet werden kann, damit die Arzneispezialität in den gelben Bereich aufgenommen werden oder dort verbleiben kann,
2. ob und welcher therapeutische Mehrwert (Zusatznutzen für Patienten und Patientinnen) einer Arzneispezialität vorliegt und wie dieser ökonomisch bewertet werden kann, damit die Arzneispezialität in den grünen Bereich aufgenommen werden oder dort verbleiben kann,
3. ob im Sinne einer sicheren und wirtschaftlichen Versorgung der Patienten und Patientinnen ein Vergabeverfahren für Wirkstoffe oder Wirkstoffgruppen eingeleitet werden sollte, um günstigere Bedingungen für die Heilmittelerstattung zu erreichen (zB wenn das Preisband zu breit oder keine Nachfolge durch ein Generikum möglich ist) und
4. bei welchen medizinischen Bedürfnissen und epidemiologischen Notwendigkeiten die ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger angewendet werden sollte.
Die Empfehlungen der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission haben den Kriterien der Wissenschaft, der Transparenz und der gesundheitsökonomischen Bewertungen zu entsprechen.
(3) Der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission gehören zehn Vertreter der Sozialversicherung, drei unabhängige Vertreter der Wissenschaft aus einschlägigen Fachrichtungen (Pharmakologen und Mediziner von Universitätsinstituten), je zwei Vertreter der Wirtschaftskammer Österreich, der Bundesarbeitskammer und der Österreichischen Ärztekammer sowie ein Vertreter der Österreichischen Apothekerkammer an. Weiters gehört der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission eine Vertreterin/ein Vertreter der Bundesländer an, mit der/dem Empfehlungen, ob neue Arzneispezialitäten intra- und/oder extramural verabreicht werden können, abzustimmen sind, ohne dass sich die Mehrheitsverhältnisse in der Kommission dadurch ändern.
(4) Der Hauptverband hat durch Verordnung pauschalierte Kostenersätze für die Kosten der Verfahren nach den §§351c Abs1 und 351e festzusetzen. Die Höhe der pauschalierten Kostenersätze hat sich nach den Kosten eines durchschnittlichen Verfahrens zu richten, wobei jedenfalls zwischen Verfahren zur Aufnahme einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex und Verfahren zur Änderung der Verschreibbarkeit oder zur Preiserhöhung der im Erstattungskodex angeführten Arzneispezialitäten zu unterscheiden ist. Die Antragsteller/Antragstellerinnen haben die Kostenersätze gleichzeitig mit der Antragstellung an den Hauptverband zu entrichten, anderenfalls der Antrag als unvollständig gilt. Die Verordnung ist im Internet zu veröffentlichen.
(5) Für die im Erstattungskodex angeführten Arzneispezialitäten, insbesondere für rezeptfreie Produkte, ist jegliche Werbung, die für die Verbraucher/innen bestimmt ist, zu unterlassen; ausgenommen von diesem Werbeverbot sind rezeptfreie Arzneispezialitäten, die vom Hauptverband von sich aus (§351c Abs5) gegen den Willen des vertriebsberechtigten Unternehmens in den Erstattungskodex aufgenommen wurden.
Einrichtung und Zusammensetzung der Unabhängigen Heilmittelkommission
§351h. (1) Zur Überprüfung der Entscheidungen des Hauptverbandes über die Aufnahme von Arzneispezialitäten in den Erstattungskodex ist beim Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen eine Unabhängige Heilmittelkommission einzurichten.
(2) Die Unabhängige Heilmittelkommission besteht aus einem Richter (einer Richterin) des Obersten Gerichtshofes oder eines Oberlandesgerichtes als Vorsitzendem (als Vorsitzender) und sieben BeisitzerInnen. Die Mitglieder werden jeweils für eine Amtsdauer von fünf Jahren bestellt. Sachverhalte, die ein Naheverhältnis zur Sozial- oder Privatversicherung oder zu Pharmaunternehmen begründen könnten, sind vor der Bestellung sowie nach ihrem Eintreten gegenüber dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen und den nach Abs3 vorschlagsberechtigten Stellen offen zu legen. Wer befangen ist, hat sich im konkreten Verfahren jeglicher Tätigkeit zu enthalten.
(3) Der (die) Vorsitzende der Unabhängigen Heilmittelkommission wird vom Bundesminister für Justiz bestellt. Als Beisitzer(innen) gehören der Unabhängigen Heilmittelkommission jeweils ein(e) von den nachfolgenden Organisationen vorgeschlagene(r) Vertreter(in) an:
1. Österreichische Pharmakologische Gesellschaft,
2. Österreichische Ärztekammer,
3. Österreichische Apothekerkammer,
4. Wirtschaftskammer Österreich,
5. Gesundheit Österreich GmbH,
6. Bundesarbeitskammer,
7. Hauptverband.
Die Beisitzer(innen) sowie jeweils ein(e) Stellvertreter(in) werden von der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen bestellt und haben über die erforderlichen Zeitressourcen zur Ausübung ihres Amtes zu verfügen.
(4) Für den (die) Vorsitzende(n) und die BeisitzerInnen sind gleichzeitig mit ihrer Bestellung und auf dieselbe Weise Stellvertreter(innen) zu bestellen. Der (die) jeweilige Stellvertreter(in) hat das Mitglied der Unabhängigen Heilmittelkommission, zu dessen Vertretung er (sie) bestellt wurde, zu vertreten, wenn dieses an der Ausübung seiner Funktion in der Unabhängigen Heilmittelkommission verhindert ist.
(5) Die Mitglieder der Unabhängigen Heilmittelkommission und ihre Stellvertreter(innen) sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig und weisungsfrei; sie sind zur Amtsverschwiegenheit verpflichtet. Entscheidungen der Unabhängigen Heilmittelkommission unterliegen weder der Aufhebung noch der Änderung im Verwaltungsweg. Der Bundesminister für Gesundheit hat das Recht, sich über alle Gegenstände der Geschäftsführung zu unterrichten.
(6) Ein Mitglied der Unabhängigen Heilmittelkommission ist vom bestellenden Bundesminister seines Amtes zu entheben, wenn die Bestellungsvoraussetzungen nach Abs2 nicht mehr vorliegen oder wenn das Mitglied
1. dies beantragt oder
2. seine Pflichten nicht erfüllt oder nicht in der Lage ist, seine Pflichten zu erfüllen.
Aufgaben der Unabhängigen Heilmittelkommission
§351i. (1) Die Unabhängige Heilmittelkommission entscheidet
1. über Beschwerden des Antragstellers,
a) dessen Antrag auf Aufnahme einer Arzneispezialität in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex (teilweise) abgelehnt wurde oder
b) über dessen Antrag nicht fristgerecht (§351d Abs1) entschieden wurde;
2. über Beschwerden des vertriebsberechtigten Unternehmens, dessen Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex gestrichen werden soll.
(2) Die Unabhängige Heilmittelkommission entscheidet auch über Beschwerden des vertriebsberechtigten Unternehmens gegen Entscheidungen des Hauptverbandes, mit denen Forderungen nach einer Änderung der Verschreibbarkeit oder nach einer Preiserhöhung von Arzneispezialitäten abgelehnt wurden, oder wenn über diese Forderungen nicht fristgerecht (§351d Abs1) entschieden wurde.
(3) […]
(4) Die Unabhängige Heilmittelkommission hat die Entscheidung des Hauptverbandes, mit der
1. der Antrag auf Aufnahme in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex (teilweise) abgelehnt wurde oder
2. eine Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex gestrichen werden soll oder
3. die Verschreibbarkeit einer Arzneispezialität geändert werden soll,
aufzuheben, wenn der Hauptverband im Verfahren sein Ermessen überschritten oder nicht nachvollziehbar ausgeübt hat; dabei sind alle in der Beschwerde vorgebrachten Argumente zu würdigen. Der Hauptverband hat sodann innerhalb von 120 Tagen nach Zustellung der Aufhebungsentscheidung neu zu entscheiden, widrigenfalls der Antrag als angenommen gilt oder die Arzneispezialität wieder in den Erstattungskodex aufzunehmen ist oder die Einschränkung der Verschreibbarkeit aufzuheben ist. Für die Zeit der Einholung eines Gutachtens eines/einer unabhängigen Experten/Expertin auf Betreiben des antragstellenden vertriebsberechtigten Unternehmens nach Maßgabe der Verordnung nach §351g wird der Lauf der Frist von 120 Tagen gehemmt. Wird jedoch eine Entscheidung des Hauptverbandes auf Grund mangelnder Erstattungsfähigkeit (§351c Abs2 und 4) einer Arzneispezialität nach §351c Abs1 aufgehoben, beginnt mit dem Tag der Zustellung der Aufhebungsentscheidung an den Hauptverband die Frist nach §351c Abs1 neu zu laufen. Der Hauptverband ist bei seiner neuerlichen Entscheidung an die in der Aufhebungsentscheidung geäußerte Auffassung der Unabhängigen Heilmittelkommission gebunden.
(5) [...]
(6) Die Unabhängige Heilmittelkommission ist beschlussfähig, wenn der (die) Vorsitzende und mindestens vier andere Mitglieder anwesend sind. Sie trifft ihre Entscheidungen mit einfacher Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des (der) Vorsitzenden oder seines (ihres) Stellvertreters (ihrer/seiner Stellvertreterin) den Ausschlag."
2. Die hier maßgeblichen Vorschriften der vom Hauptverband erlassenen Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex nach §351g ASVG (VO-EKO), Verlautbarung 47/2004 idF 106/2008, lauten auszugsweise folgendermaßen:
"Pharmakologische Evaluation
§23. (1) Ziel der pharmakologischen Evaluation ist:
1. Die Zuordnung und Bewertung der beantragten Arzneispezialität aus pharmakologischer Sicht im Kontext der verfügbaren therapeutischen Alternativen,
2. Die Festlegung der therapeutischen Alternativen und deren Dosierung als Grundlage für die medizinisch-therapeutische Evaluation. Soweit zweckmäßig sind dabei therapeutische Alternativen mit der gleichen oder praktisch gleichen Darreichungsform auf Basis der vierten Ebene des ATC-Codes festzulegen.
(2) Der Innovationsgrad der beantragten Arzneispezialität ist dabei wie folgt festzulegen:
1. Die beantragte Arzneispezialität hat den gleichen Wirkstoff, die gleiche Wirkstoffstärke und die gleiche oder praktisch gleiche Darreichungsform wie bereits eine oder mehrere im Erstattungskodex angeführte Arzneispezialitäten (wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt).
2. Die beantragte Arzneispezialität hat den gleichen Wirkstoff, die gleiche oder praktisch gleiche Darreichungsform wie bereits eine oder mehrere im Erstattungskodex angeführte Arzneispezialitäten, jedoch eine neue Wirkstoffstärke.
3. Die beantragte Arzneispezialität hat eine neue Kombination von Wirkstoffen, die bereits im Erstattungskodex angeführt sind.
4. Bei der beantragten Arzneispezialität handelt es sich um eine neue Darreichungsform eines im Erstattungskodex angeführten Wirkstoffes oder einer im Erstattungskodex angeführten Wirkstoffkombination.
5. Die beantragte Arzneispezialität hat einen neuen Wirkstoff einer im Erstattungskodex angeführten Wirkstoffgruppe mit einheitlich definiertem Wirkprinzip.
6. Die beantragte Arzneispezialität hat einen neuen Wirkstoff mit einem neuen Wirkprinzip zur Behandlung einer Erkrankung, zu deren Behandlung bereits Arzneispezialitäten im Erstattungskodex angeführt sind.
7. Mit der beantragten Arzneispezialität ist die erstmalige medikamentöse Behandlung einer Erkrankung möglich, welche bisher nichtmedikamentös behandelt wurde.
8. Mit der beantragten Arzneispezialität ist die erstmalige Behandlung einer Erkrankung möglich.
Medizinisch-therapeutische Evaluation
§24. (1) Ziel der medizinisch-therapeutischen Evaluation ist:
1. Die Festlegung und Quantifizierung der Gruppen von Patienten/Patientinnen, die für die Behandlung mit der beantragten Arzneispezialität in Frage kommt,
2. Die Festlegung und Quantifizierung des Nutzens für Patienten/Patientinnen durch die Behandlung mit der beantragten Arzneispezialität im Vergleich zu den therapeutischen Alternativen (§23 Abs1),
3. Die Überprüfung und Festlegung der Validität der medizinisch-therapeutischen Angaben bei vorgelegten pharmakoökonomischen Studien.
(2) Die beantragte Arzneispezialität ist dabei im Rahmen einer Gesamtbetrachtung einer der folgenden Gruppen zuzuordnen:
1. Die beantragte Arzneispezialität hat keinen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für Patienten/Patientinnen im Vergleich zu den im Rahmen der pharmakologischen Evaluation festgelegten Arzneispezialitäten (§23 Abs1), weil es sich um ein wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt gemäß §23 Abs2 Z1 handelt.
2. Die beantragte Arzneispezialität ist eine weitere Therapieoption mit gleichem oder ähnlichem therapeutischen Nutzen für Patienten/Patientinnen im Vergleich zu den im Rahmen der pharmakologischen Evaluation festgelegten Arzneispezialitäten (§23 Abs1).
3. Die beantragte Arzneispezialität hat einen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für eine Untergruppe von Patienten/Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen (§23 Abs1).
4. Die beantragte Arzneispezialität hat einen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für die Mehrzahl der Patienten/Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen (§23 Abs1).
5. Die beantragte Arzneispezialität hat einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für eine Untergruppe von Patienten/Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen (§23 Abs1).
6. Die beantragte Arzneispezialität hat einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für die Mehrzahl der Patienten/Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen (§23 Abs1).
(3) Bei der medizinisch-therapeutischen Evaluation ist auf die interne und externe Validität der Evidenz, welche den therapeutischen Nutzen für Patienten/Patientinnen belegen soll, Bedacht zu nehmen. [...]
Gesundheitsökonomische Evaluation
§25. (1) Ziel der gesundheitsökonomischen Evaluation ist die Beurteilung der beantragten Arzneispezialität im Hinblick auf eine ökonomische Krankenbehandlung im Kontext der verfügbaren therapeutischen Alternativen. Diese Evaluation basiert auf dem Ergebnis der medizinisch-therapeutischen Evaluation (§24). Dabei ist zu berücksichtigen, ob das Kosten-/Nutzenverhältnis der beantragten Arzneispezialität in Österreich gesundheitsökonomisch nachvollziehbar und vertretbar ist. Bei der Evaluation des Kosten-/Nutzenverhältnisses sind die direkten Kosten der Pflichtleistungen der Sozialversicherungsträger der Krankenbehandlung (Ärztliche Hilfe, Heilmittel, Heilbehelfe), der Anstaltspflege (auf Basis der LKF-Punkte) sowie der medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation auf Basis der tatsächlich verrechneten Preise anzusetzen, allfällige Kostenbeteiligungen der Patienten/Patientinnen (insbesondere Selbstbehalte, Rezeptgebühr oder Behandlungsbeitrag) sind außer Ansatz zu lassen.
(2) Für die Aufnahme in den Grünen Bereich des Erstattungskodex ist wie folgt von der Wirtschaftlichkeit auszugehen:
1. Bei der Fallgruppe nach §24 Abs2 Z1 ist von der Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn die Voraussetzungen nach §351c Abs10 Z1 ASVG iVm §609 Abs20 ASVG gegeben sind. Maßgeblich für die Feststellung der Reihenfolge ist der Zeitpunkt der Aufnahme in den Grünen Bereich; dabei sind die Anträge nach Möglichkeit in der Reihenfolge ihrer Vollständigkeit zu erledigen.
a) Die Wirtschaftlichkeit des ersten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes ist somit gegeben, wenn der Preis im Jahr 2004 um mindestens 44,0 %, im Jahr 2005 um mindestens 46,0 %, ab dem Jahr 2006 um mindestens 48,0 % unter dem Preis des im Grünen Bereich angeführten Originalproduktes liegt. Die Wirtschaftlichkeit des zweiten und jedes weiteren wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes ist somit gegeben, wenn ein genügend großer Preisunterschied zum jeweils zuletzt aufgenommenen Nachfolgeprodukt gegeben ist.
b) Die Wirtschaftlichkeit des im Grünen Bereich angeführten Originalproduktes ist dann gegeben, wenn der Preis spätestens drei Monate nach der Aufnahme des ersten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes um mindestens 30,0 % gesenkt wird. Spätestens drei Monate nach Aufnahme des dritten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes, ist der Preis des im Grünen Bereich angeführten Originalproduktes neuerlich zu senken, damit die Wirtschaftlichkeit gegeben ist. Kann eine Einigung nicht erzielt werden, so ist die Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zu streichen.
c) Gemäß §351c Abs10 Z2 ASVG kann der Hauptverband zur Förderung der Verfügbarkeit von wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukten auf Empfehlung der HEK für bestimmte Wirkstoffe abweichende Regelungen anwenden, um das finanzielle Gleichgewicht der sozialen Krankenversicherungsträger zu gewährleisten.
2. Bei der Fallgruppe nach §24 Abs2 Z2 ist von der Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn die Behandlungskosten mit der beantragten Arzneispezialität ausreichend unter den vergleichbaren Behandlungskosten mit dem im Grünen Bereich angeführten günstigsten vergleichbaren Arzneispezialität liegen (§351c Abs9 Z1 ASVG).
3. Bei der Fallgruppe nach §24 Abs2 Z3 ist von der Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn die Behandlungskosten mit der beantragten Arzneispezialität im geringen Ausmaß über den vergleichbaren Behandlungskosten mit der im Grünen Bereich angeführten günstigsten vergleichbaren Arzneispezialität liegen (§351c Abs9 Z2 ASVG).
4. Bei der Fallgruppe nach §24 Abs2 Z4 ist von der Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn die Behandlungskosten mit der beantragten Arzneispezialität angemessen über den vergleichbaren Behandlungskosten mit der im Grünen Bereich angeführten günstigsten vergleichbaren Arzneispezialität liegen (§351c Abs9 Z2 ASVG).
5. Bei der Fallgruppe nach §24 Abs2 Z5 und 6 ist von der Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn deren Abgabe ohne ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger gesundheitsökonomisch sinnvoll und vertretbar ist, insbesondere im Hinblick auf das zu erwartende Kosten/Nutzenverhältnis für die definierte Gruppe von Patienten/Patientinnen (§351c Abs9 Z2 ASVG). Dies ist vom antragstellenden Unternehmen anhand einer pharmakoökonomischen Studie nachzuweisen. Der Hauptverband kann bei Offensichtlichkeit auf die Vorlage der pharmakoökonomischen Studie durch das antragstellende Unternehmen vorläufig verzichten.
(3) - (6) [...]"
"Einleitung des Verfahrens zur Änderung der Verschreibbarkeit und Streichung auf Antrag des vertriebsberechtigten Unternehmens
§28. (1) Das Verfahren nach diesem Abschnitt umfasst Folgendes:
1. Änderung der Verwendung (z.B. Einschränkung auf Gruppen von Krankheiten, auf ärztliche Fachgruppen, auf Altersstufen von Patienten, auf Mengenbegrenzungen),
2. Änderung der Packungsgröße (z.B. Austausch von Packungsgrößen, Aufnahme einer weiteren Packungsgröße, Streichung einer von mehreren Packungsgrößen) bei identer Zulassungsnummer,
3. Streichung aus dem Erstattungskodex.
(2) Das Verfahren richtet sich sinngemäß nach den Vorschriften des IV. Abschnittes, soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist. Das Verfahren kann nur vom vertriebsberechtigten Unternehmen eingeleitet werden.
(3) - (4) […]"
"Änderung der Verwendung
§30. Voraussetzung für die Zustimmung des Hauptverbandes zum Antrag auf Änderung der Verwendung ist, dass das vertriebsberechtigte Unternehmen den Preis der beantragten Arzneispezialität in Relation zu einer allfälligen dadurch erwarteten Ausweitung des Marktvolumens senkt."
III. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:
1. Die beschwerdeführende Partei behauptet zunächst die Verfassungswidrigkeit des §351i Abs4 1. Satz ASVG wegen Verstoßes gegen den Grundsatz effektiven Rechtsschutzes im Sinne des Art6 EMRK und des Art47 GRC. Die Entscheidungsbefugnis der Unabhängigen Heilmittelkommission reiche – gemessen an den Anforderungen an ein "effektives Rechtsmittel" – nicht aus. Die Befugnisse der Unabhängigen Heilmittelkommission (Prüfung, ob der Hauptverband "sein Ermessen überschritten oder nicht nachvollziehbar ausgeübt hat") würden keine ausreichende Kontrolldichte gewährleisten, da die Unabhängige Heilmittelkommission nicht selbst Ermessen üben dürfe. Dem vermag der Verfassungsgerichtshof nicht zu folgen:
1.1. Die vom Hauptverband für die Aufnahme von Arzneimitteln in den Erstattungskodex zu beachtenden Kriterien geben einen ausreichend determinierenden Rahmen für eine Abwägungsentscheidung des Hauptverbandes. Die Unabhängige Heilmittelkommission ist berechtigt, die Entscheidung des Hauptverbandes in jeder Hinsicht zu überprüfen, d.h. sowohl die Verletzung der gesetzlichen Grenzen der Ermessensübung als auch eine dieser Prüfung entgegenstehende, unzureichende (d.h. auch widersprüchliche, unschlüssige oder fehlende) Begründung als zur Aufhebung der Entscheidung des Hauptverbandes führende Rechtswidrigkeit aufzugreifen. Der Umstand, dass die Unabhängige Heilmittelkommission eine bloß kassatorische Entscheidungsbefugnis hat, reicht angesichts der gesetzlichen Bindungswirkung ihrer Entscheidungen nach dem genannten Maßstab aus (vgl. vor allem VfSlg 17.686/2005 sowie VfGH 28.11.2013, B1415/2011 und 11.3.2014, B1451/2011).
1.2. Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der anzuwendenden Rechtsvorschriften sind auch im Übrigen nicht hervorgekommen.
2. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften sowie des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, würde ein Fehler bei der Beurteilung dieser Fragen nur dann in die Verfassungssphäre reichen und könnte mit Erfolg vor dem Verfassungsgerichtshof gerügt werden, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).
Ein solcher Fehler ist der Unabhängigen Heilmittelkommission hier aber nicht anzulasten:
2.1. Der eingangs wiedergegebene Antrag der beschwerdeführenden Partei strebt über die bisherige beschränkte Erstattungsfähigkeit von "Azilect" für die Spätphase des Morbus Parkinson (gelber Bereich des Erstattungskodex) hinaus auch die Erstattungsfähigkeit für die Frühphase dieser Krankheit an, und zwar mit einer Verschreibungsbeschränkung auf Fachärzte für "Neurologie oder Neurologie und Psychiatrie oder Psychiatrie und Neurologie". Gemäß §28 Abs1 Z1 iVm Abs2 VO-EKO richtet sich das Verfahren zur Änderung der Verwendung einer Arzneispezialität sinngemäß nach den Vorschriften des IV. Abschnittes der VO-EKO. Der Hauptverband hatte daher eine pharmakologische Einstufung vorzunehmen, dazu im Erstattungskodex befindliche Vergleichspräparate festzulegen sowie eine medizinisch-therapeutische Beurteilung durchzuführen.
2.2. Im Zentrum der Beschwerdeausführungen steht die Rüge, dass der Hauptverband seine Entscheidung auf einen Vergleich von "Azilect" mit dem nicht mehr zugelassenen Präparat "Xilopar" gestützt habe.
Es kann offen bleiben, ob diese Vorgangsweise der belangten Behörde rechtmäßig war, denn selbst wenn das Beschwerdevorbringen insoweit begründet wäre, läge darin jedenfalls keine in die Verfassungssphäre reichende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Denn wie sich aus der Aktenlage und aus der Entscheidung der Unabhängigen Heilmittelkommission ergibt, wurden als pharmakologisch verwandte Arzneispezialitäten insgesamt vier Präparate (darunter "Xilopar") zum Vergleich im Zuge der medizinisch-therapeutischen Evaluation herangezogen. Die Beurteilung des Hauptverbandes hat sich – wie auch aus seiner Bescheidbegründung hervorgeht und von der Unabhängigen Heilmittelkommission gebilligt wurde – keineswegs tragend auf einen Vergleich mit "Xilopar" gestützt. Insoweit gehen die weitwendigen Ausführungen der beschwerdeführenden Partei zu dieser Frage am Problem vorbei: Die beschwerdeführende Partei behauptet nämlich weder, dass die anderen Vergleichspräparate nicht herangezogen hätten werden dürfen, noch zeigt sie auf, auf Grund welcher Umstände der Hauptverband im Vergleich mit den anderen drei im grünen Bereich frei verschreibbaren Arzneimittel einen wesentlichen therapeutischen Zusatznutzen von "Azilect" hätte annehmen müssen. Nur unter dieser Voraussetzung wäre aber die Einbeziehung von "Xilopar" in die medizinisch-therapeutische Evaluation unter dem Gesichtspunkt des Beschwerdevorbringens überhaupt von rechtlicher Relevanz.
Soweit die Unabhängige Heilmittelkommission im Zuge der medizinisch-therapeutischen Evaluation keinen zusätzlichen therapeutischen Nutzen von "Azilect" im Vergleich zu den im grünen Bereich gelisteten Arzneispezialiäten feststellen konnte, ist ihr ebensowenig ein in die Verfassungssphäre reichender Fehler anzulasten: Wenn der Hauptverband (und ihm folgend auch die Unabhängige Heilmittelkommission) zur Beurteilung der von der beschwerdeführenden Partei vorgelegten Metaanalyse unter Zugrundelegung der von den Autoren dieser Studie selbst vorgegebenen Maßstäbe zum Ergebnis gelangt ist, dass das Ergebnis der Studie nicht nachvollziehbar ist, weil die statistisch quantifizierbare (geringe) Nutzendifferenz die in der Studie selbst aufgezeigte deutlich höhere Schwelle der klinischen Relevanz nicht erreicht hat, wie die oben wiedergegebene Begründung der belangten Behörde zu diesem Thema zeigt, so ist dem aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegen zu treten.
Auch die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Verletzung des Parteiengehörs, welche von ihr darin erblickt wird, dass ihr die Stellungnahme der HEK nach der Vorlage der Metaanalyse nicht zur Äußerung vorgehalten worden sei, liegt deshalb nicht vor, weil die beschwerdeführende Partei Gelegenheit hatte, zu jedem Begründungselement des erstinstanzlichen Bescheides, dem die Stellungnahme der HEK zugrunde lag, in ihrer Beschwerde an die Unabhängige Heilmittelkommission Stellung zu nehmen und auf diesem Weg ihre rechtlichen Interessen geltend zu machen. Daher kann die Entscheidung der Unabhängigen Heilmittelkommission nicht mehr mit der Begründung bekämpft werden, dass der Hauptverband das Parteiengehör nicht in ausreichendem Maße gewährt hätte.
2.3. Es stellt daher unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit der Bezugnahme auf "Xilopar" kein gehäuftes Verkennen der Rechtslage dar, wenn der Hauptverband und ihm folgend die Unabhängige Heilmittelkommission zum Ergebnis gelangt sind, dass die Voraussetzungen für eine Erweiterung der Erstattungsfähigkeit im beantragten Umfang mit Blick auf die Ergebnisse der medizinisch-therapeutischen Evaluation nicht vorliegen.
3. Die behaupteten Rechtsverletzungen liegen sohin nicht vor. Ob die ange-fochtene Entscheidung in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde – wie hier – gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag richtet, die gemäß dem (im vorliegenden Fall weiterhin anzuwendenden) Art133 Z4 B-VG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung nicht mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden kann (zB VfSlg 9541/1982 mwN).
IV. Ergebnis
1. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die beschwerdeführende Partei in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wäre. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
2. Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Sozialversicherung, Arzneimittel, Rechtsschutz, Ermessen, Determinierungsgebot, ParteiengehörEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2014:B828.2012Zuletzt aktualisiert am
31.10.2014