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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der S Gastgewerbe KEG in G, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 15. Juni 2000, Zl. 04-14/444-00/2, betreffend Zurückweisung einer Berufung i.A. gewerbliche Betriebsanlage, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 10. September 1999 wurden für die Betriebsanlage der Beschwerdeführerin am näher bezeichneten Standort gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 zusätzliche Auflagen vorgeschrieben.
Mit Schriftsatz vom 7. Dezember 1999 stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Zustellung dieses Bescheides, wobei ausgeführt wurde, dass dieser Bescheid nach einem (näher bezeichneten) Ladungsbescheid existiere, ohne dass dieser der Beschwerdeführerin zugestellt worden wäre.
In Entsprechung dieses Antrages wurde (mit Erledigung vom 16. Dezember 1999) eine Kopie des Bescheides vom 10. September 1999 "zur gefälligen Kenntnisnahme" übermittelt.
In der Berufung vom 21. Dezember 1999 wurde u.a. ausgeführt, wem der Bescheid (vom 10. September 1999) "wie und wann vorher zugestellt wurde, ist nicht bekannt. Es sei jedenfalls dieser Bescheid mit Schreiben vom 16. Dezember 1999 "erstmals zu Handen der Berufungswerberin" gegangen. Die Beschwerdeführerin habe mit einer natürlichen Person namens S nichts zu tun. S sei für die Beschwerdeführerin nicht empfangsberechtigt, was sich insbesondere auch aus dem offenen Firmenbuch ergebe. Dies bedeute, dass die Beschwerdeführerin berechtigt sei, jetzt eine Berufung zu erheben.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als verspätet zurückgewiesen.
In der Begründung heißt es im Wesentlichen, die Beschwerdeführerin habe in ihrem Antrag auf Zustellung des Bescheides vom 10. September 1999 selbst ausgeführt, sie sei seit 24. August 1999 Inhaberin des Gastgewerbes auf dem näher bezeichneten Standort. Der nunmehr bekämpfte Bescheid vom 10. September 1999 sei der Beschwerdeführerin am 17. September 1999 zugestellt worden, wobei die Zustellung durch Übernahme eines Arbeitnehmers erfolgt sei. Aus den (zitierten) gesetzlichen Bestimmungen ergebe sich, dass die Ersatzzustellung an den Arbeitnehmer einer nicht natürlichen Person zulässig sei. Es sei daher im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Zustellung des bekämpften Bescheides rechtswirksam mit 17. September 1999 erfolgt und daher auch der 17. September 1999 jener Tag sei, an welchem die Frist für die Erhebung der Berufung zu laufen begonnen habe. Der letzte Tag der Frist für die Einbringung der Berufung sei der 1. Oktober 1999 gewesen. Die gegenständliche Berufung sei bei der Behörde aber erst am 22. Dezember 1999 eingelangt und daher verspätet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde wird geltend gemacht, laut dem im Akt erliegenden Zustellschein solle ein Bescheid vom 10. September 1999 an die Beschwerdeführerin zugestellt worden sein. Dem Zustellschein selbst sei ein Name einer Person nicht zu entnehmen. Weder Geschäftsführer noch Angestellte der Beschwerdeführerin könnten diesen Zustellschein unterfertigt haben. "Wer, wann diesen Zustellschein und wo dieser Zustellschein unterfertigt wurde", sei unklar. Auch die Behörde könne nicht sagen, an wen eine "Zustellung" erfolgt sei. Die Behörde könne auch nicht sagen, an welchen Dienstnehmer allenfalls zugestellt worden sein solle. Die Behörde behaupte im angefochtenen Bescheid nur ganz einfach, es sei ein Angestellter gewesen. Einen Angestellten, der eine solche Unterschrift hätte leisten können, gebe es nicht und habe es auch nicht gegeben.
Der Verwaltungsgerichtshof ist der Auffassung, dass die Berufung der Beschwerdeführerin - nach ihrem objektiven Wortlaut - dahin zu verstehen ist, dass die Voraussetzungen der Ersatzzustellung ausdrücklich bestritten werden.
Da eine Ersatzzustellung nur unter den in § 16 Abs. 2 Zustellgesetz normierten Voraussetzungen zulässig ist, bedarf es zur Klärung der Frage der rechtswirksamen Zustellung eines Bescheides, wenn der Empfänger die Voraussetzungen der Ersatzzustellung ausdrücklich bestritten hat, noch entsprechender Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens und konkreter Feststellungen darüber, wer diesen Bescheid übernommen hat. Sollte eine Ersatzzustellung unzulässigerweise erfolgt sein, bedarf es auch ergänzender Erhebungen darüber, ob und bejahendenfalls wann und in welcher Form dem Empfänger dieser Bescheid tatsächlich zugekommen ist, um beurteilen zu können, ob allenfalls eine Heilung von Zustellmängel gemäß § 7 Zustellgesetz eingetreten ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. August 1996, Zl. 96/05/0055).
Nur der Vollständigkeit halber ist darauf zu verweisen, dass selbst dann, wenn in der Berufung die Voraussetzungen der Ersatzzustellung nicht ausdrücklich bestritten worden wären, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorläge. Geht nämlich die Berufungsbehörde aufgrund des Zustellnachweises von einer zulässigen Ersatzzustellung nach § 16 Abs. 1 Zustellgesetz aus, so hat sie dem Rechtsmittelwerber, der ein (- ausgehend von einer Zustellung am Tag der vorgenommenen Ersatzzustellung - objektiv) verspätetes Rechtsmittel einbringt, auch dann Parteiengehör zur Frage der Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels zu gewähren, wenn das Rechtsmittel keine Darlegungen zur Rechtzeitigkeit enthält und die in Betracht kommenden Verfahrensvorschriften nicht ausdrücklich (wie etwa § 28 Abs. 1 Z. 7 VwGG) entsprechende Ausführungen zur Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels vorschreiben; denn der Zustellnachweis ist zwar eine öffentliche Urkunde, die den Beweis dafür erbringt, dass die Zustellung vorschriftsgemäß erfolgt ist, doch ist der Gegenbeweis zulässig (vgl. zum Ganzen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Oktober 1989, Zl. 88/08/0264).
Nach dem oben Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 27. September 2000
Schlagworte
Parteiengehör Erhebungen ErmittlungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000040117.X00Im RIS seit
24.11.2000Zuletzt aktualisiert am
19.09.2011