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L8000 RaumordnungNorm
B-VG Art139 Abs1 Z3Leitsatz
Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung der Festlegung eines Steinschlaggebietes in einem Flächenwidmungsplan mangels Darlegung der aktuellen Beeinträchtigung der Rechtssphäre des AntragstellersSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
1. Mit dem auf Art139 Abs1 Z3 B-VG gestützten (Individual-)Antrag begehrt der Antragsteller "die Verordnung der Stadtgemeinde Kufstein vom 29.01.2003 hinsichtlich der Festlegung des Steinschlaggebietes für Teile der GSt. 373, KG 83008 Kufstein, als gesetzwidrig aufzuheben sowie weiters die darauf aufbauende Festlegung als Steinschlaggebiet im ÖROK der Stadtgemeinde Kufstein, Verordnung vom 20.11.2013, aufzuheben; in eventu; den gesamten Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Kufstein, Verordnung vom 29.01.2003, als gesetzwidrig aufzuheben sowie das gesamte Örtliche Raumordnungskonzept der Stadtgemeinde Kufstein, Verordnung vom 20.11.2013, als gesetzwidrig aufzuheben".
2. Zur Antragslegitimation bringt der Antragsteller vor, er sei Alleineigentümer des Grundstücks Nr 373, EZ218, KG 83008 Kufstein. Dabei handle es sich um eine landwirtschaftlich genutzte Fläche am südlichen Stadtrand von Kufstein mit einem Flächenausmaß von ca. 10.000 m². An der östlichen Grundstücksgrenze schließe der sogenannte Stadtberg an, welcher mit Schutzwald bewachsen sei. Aus dem "derzeit gültigen Flächenwidmungsplan" gehe die teilweise Widmung des Grundstücks Nr 373 als Sondergebiet Naherholungsgebiet sowie die restliche Widmung als Freiland hervor. Das im östlichen Grenzbereich gelegene Grundstück Nr 1044/2 sei ebenfalls als Freiland gewidmet. Auf diesem Grundstück stehe ein ganzjährig bewohntes Wohnhaus, dessen Zubau erst 2011 baurechtlich bewilligt worden sei. Aus dem Örtlichen Raumordnungskonzept (ab hier: ÖROK) sei ersichtlich, dass der Großteil des Grundstücks Nr 373 mit dem Zähler "FE" versehen sei; dies bedeute nach der Verordnungsfestlegung des ÖROK "Erholungsraum - Naherholungsgebiet Stadtberg". Aus dem "Flächenwidmungsplan 2003" gehe hervor, dass sowohl ein Teil des Grundstücks Nr 373 als auch das gesamte Grundstück Nr 1044/2 und weitere Grundstücke entlang der Waldgrenze als Steinschlaggebiet ausgewiesen seien. Im "derzeit gültigen Flächenwidmungsplan" sei das Grundstück Nr 373 weiterhin als Steinschlaggebiet ausgewiesen, das Grundstück Nr 1044/2 jedoch nicht mehr.
Sowohl der "Flächenwidmungsplan 2003" als auch das "ÖROK 2013" seien für den Antragsteller ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden. Die "angefochtene Festlegung im Flächenwidmungsplan und die damit im Zusammenhang stehende Festlegung im ÖROK" verletzten den Antragsteller direkt in seinen Rechten; "die Festlegung" greife unmittelbar und aktuell in seine Rechtssphäre ein.
Der Antragsteller betreibe eine Landwirtschaft. Bei dem Grundstück Nr 373 handle es sich um eine Futterfläche. Gemäß dem Tiroler Raumordnungsgesetz 2011 (ab hier: TROG 2011) dürften auch im Freiland iSd §41 TROG 2011 "ortsübliche Stadl in Holzbauweise zur Lagerung landwirtschaftlicher Produkte sowie Bienenhäuser und Jagd- und Fischereihütten bis zu gewissen Größen errichtet werden". Die Errichtung eines solchen "Stadls" sei für den Antragsteller nicht mehr möglich, "wenn er weiß, dass es sich um ein Steinschlaggebiet handelt". Weiters sei es für den Antragsteller nicht mehr möglich, das Grundstück Nr 373 in seinem "betroffenen Bereich" als Futterfläche für sein Vieh zu benutzen, weil hier eine "haftungsrechtliche Problematik" aufgeworfen werde, die ihn "im Falle eines Unglückes sowohl den Schutz von entsprechender Versicherungsdeckung kosten würde als auch Probleme mit der AMA-Förderungsstelle aufwerfen kann". Dadurch sei der Antragsteller in der Nutzung seines Alleineigentums "ganz erheblich" eingeschränkt und schlage sich diese Einschränkung auch auf den Wert seines Eigentums nieder.
Ein weiterer erheblicher Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers bestehe darin, dass "er im Gegensatz zu im Sachverhalt identen Problemen ungleich behandelt wird und diese Ungleichbehandlung dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht". Auf dem Grundstück Nr 1044/2 sei ein Wohnhaus errichtet, für das eine aufrechte Baubewilligung sowie eine baupolizeiliche Benützungsbewilligung vorliege und das "im angefochtenen Flächenwidmungsplan noch als Steinschlaggebiet" ausgewiesen gewesen sei.
3. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.
Nicht jedem Normadressaten kommt aber die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).
Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 Z3 B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. VfSlg 16.426/2002).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Tiroler Raumordnungsrecht muss der Antragsteller zur Darlegung der aktuellen Betroffenheit durch einen Flächenwidmungsplan konkrete Bauabsichten auf einem von diesem erfassten Grundstück dartun, denen die Widmung entgegensteht (VfSlg 19.654/2012 mwH). Um dieser Anforderung gerecht zu werden, muss das Bauprojekt im Individualantrag zumindest so konkret umrissen sein, dass beurteilt werden kann, ob die durch den Flächenwidmungsplan verfügte Widmung der geplanten Bebauung tatsächlich entgegensteht (VfSlg 19.560/2011 uva). Der bloße Hinweis auf eine Beeinträchtigung der künftigen Bebaubarkeit bewirkt mangels aktueller Betroffenheit hingegen keine Antragslegitimation (VfSlg 18.823/2009 mwH).
3.1. Der Antragsteller hat in seinem Antrag an den Verfassungsgerichtshof seine konkreten Bauabsichten nicht hinreichend dargelegt. Der Antragsteller führt bloß hypothetisch aus, welche Gebäude gemäß §41 TROG 2011 im Freiland errichtet werden können und zieht daraus die Schlussfolgerung, dass die "Errichtung eines solchen Stadls für den Antragsteller nicht mehr möglich" sei, "wenn er weiß, dass es sich um ein Steinschlaggebiet handelt". Der Antragsteller behauptet jedoch weder, dass er die Errichtung eines der in §41 TROG 2011 genannten Gebäude konkret beabsichtige, noch, dass der Genehmigung eines solchen Bauvorhabens die Ausweisung als Steinschlaggebiet in den von ihm genannten Verordnungen entgegenstehe. Wenn der Antragsteller aus dem bloßen Wissen, "dass es sich um ein Steinschlaggebiet handelt", von einer möglicherweise bestehenden Bauabsicht absieht, bewirkt dies keine aktuelle Betroffenheit des Antragstellers iSd Art139 Abs1 Z3 B-VG.
3.2. Vor diesem Hintergrund kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei der vom Antragsteller behaupteten Kennzeichnung als Steinschlaggebiet in den von ihm genannten Verordnungen tatsächlich um eine Widmungskategorie mit rechtlich konstitutiver Wirkung nach dem Tiroler Raumordnungsgesetz 2011 oder um einen bloß faktischen Ausweis handelt.
3.3. Soweit der Antragsteller seine Antragslegitimation darüber hinaus damit begründet, dass durch die Kennzeichnung als Steinschlaggebiet in den angefochtenen Verordnungen eine "haftungsrechtliche Problematik" entstehe und sich auch "Probleme mit der AMA-Förderungsstelle" stellen könnten, macht er keine rechtliche Betroffenheit, sondern bloß wirtschaftliche Interessen geltend (vgl. VfSlg 17.080/2003).
4. Da sich somit aus dem Antrag nicht ausreichend eine aktuelle Beeinträchtigung der Rechtssphäre des Antragstellers ergibt, ist der Antrag zurückzuweisen.
5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Baurecht, Raumordnung, FlächenwidmungsplanEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2014:V70.2014Zuletzt aktualisiert am
29.10.2014