TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/27 98/04/0093

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Veröffentlicht am 27.09.2000
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §13 Abs1;
AVG §13 Abs3;
AVG §37;
AVG §56;
AVG §59 Abs1;
AVG §68 Abs1;
GewO 1994 §79c;
GewO 1994 §81 Abs1;
GewO 1994 §81;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der A-GmbH in W, vertreten durch Dr. M, Dr. J und Dr. E, Rechtsanwälte in W, gegen den Bescheid des Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten (nunmehr Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) vom 27. März 1998, Zl. 319.944/1-III/A/2a/97, betreffend Verfahren gemäß § 81 GewO 1994 (mitbeteiligte Parteien: 1. GL und 2. ML, beide in L, beide vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von S 12.960,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 18. August 1993 wurde der Beschwerdeführerin die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Treibstofftankstelle an einem näher bezeichneten Standort unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen erteilt. Die Auflage Nr. 99 hatte folgenden Wortlaut:

"99. Für die Tankstellenanlage gelten folgende Betriebszeiten:

a) für die Tankstelle selbst (Treibstoffabgabe und Shop):

täglich von 5.00 Uhr bis 22.00 Uhr

b) für die Freiwaschplätze und Waschbox:

täglich von 7.00 Uhr bis 19.00 Uhr

c) für die Servicehalle:

Montag bis Freitag von 7.00 Uhr bis 19.00 Uhr, Samstag von 7.00 Uhr bis 13.00 Uhr,

Sonntag und Feiertag kein Betrieb."

Mit Schreiben vom 21. April 1994 stellte die Beschwerdeführerin bei der Gewerbebehörde erster Instanz folgenden

Antrag:

"Laut der Genehmigung der Betriebsanlage (mit der Kennzahl V/1-T-376/2) auf o.a. Standort wurden unter Punkt 99 folgende

Betriebszeiten fixiert:

1.

Tankstelle und Shop täglich von 5.00 Uhr bis 22.00 Uhr

2.

Freiwaschplätze und Waschbox täglich von 7.00 Uhr bis 19.00 Uhr.

Die A. GesmbH ersucht höflichst um Verlängerung der Öffnungszeiten wie folgt:

1.

Tankstelle und Shop täglich von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr

2.

Waschbox täglich von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr"

Mit einem weiteren Schreiben vom 26. Juli 1994 stellte die Beschwerdeführerin an dieselbe Behörde folgenden Antrag:

"Bezugnehmend auf unser Ansuchen vom 21. April 1994 erlauben wir uns nun die Verlängerung der Öffnungszeiten wie folgt zu präzisieren:

1.

Tankstelle und Shop täglich von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr

2.

Freiwaschplätze und Staubsauger täglich von 5.00 Uhr bis 22.00 Uhr

              3.              Waschstraße und Servicehalle täglich von 5.00 Uhr bis 24.00 Uhr

Zu diesem Zweck wollen wir ein lärmtechnischen Gutachten der NÖ Umweltschutzanstalt vom 15. Juli 1994 nachreichen."

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 24. Juli 1997 wurde über "Ansuchen" der Beschwerdeführerin dieser im Spruchpunkt I dieses Bescheides die Genehmigung für die Änderung der Treibstofftankstelle an einem näher bezeichneten Standort entsprechend nachstehender Beschreibung erteilt:

"Die Öffnungszeiten der Betriebsanlage sollen wie folgt erweitert werden:

Tankstelle und Verkaufsraum: täglich von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr

Freiwaschplatz und Staubsauger: täglich von 6.00 Uhr bis 20.00 Uhr

Waschstraße und Servicehalle: täglich von 5.00 Uhr bis 24.00 Uhr."

Mit dem selben Bescheid verfügte der Landeshauptmann von Niederösterreich im Spruchpunkt II gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994, dass näher bezeichnete zusätzliche Auflagen zum Schutz der gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen einzuhalten sind.

Mit Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 27. März 1998 wurde über die von den mitbeteiligten Parteien gegen diesen Bescheid erhobene Berufung dahingehend abgesprochen, dass dieser "in seinem Spruchteil I gemäß § 81 GewO 1994 in Verbindung mit § 68 Abs. 1 AVG ersatzlos behoben und das Ansuchen der Beschwerdeführerin um Verlängerung der Betriebszeiten vom 21. April 1994, modifiziert mit Schreiben vom 26. Juli 1994, als unzulässig zurückgewiesen" wird. Nach Darstellung des Verfahrensganges und Wiedergabe der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, § 81 GewO 1973 (gemeint wohl: GewO 1994) enthalte keine gesetzliche Ermächtigung, nachträglich die Abstandnahme von der Herstellung des dem Genehmigungsbescheid entsprechenden Zustandes zu bewilligen. Diese Gesetzesstelle ermächtige somit nicht, die erteilte Genehmigung abzuändern oder zu beheben und insofern die bestehende bescheidmäßige Regelung einer Reform zu unterziehen, sondern lediglich die bisher bescheidmäßig nicht geregelte Sache - nämlich die nach § 81 GewO 1973 genehmigungspflichtige Änderung - einer solchen Regelung erstmals zu unterziehen. Die in einem früheren Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen könnten somit nicht mit einem allein auf Beseitigung oder Abänderung der selben gestützten Antrag nach § 81 GewO 1973 erfolgreich beseitigt oder abgeändert werden. Vorausgeschickt werde, dass sich die Berufung der mitbeteiligten Parteien ausschließlich gegen den trennbaren Spruchteil I richte und daher Spruchteil II mangels Berufung in Rechtskraft erwachsen sei. Das Ansuchen der Beschwerdeführerin auf bloße Änderung der rechtskräftig mittels Auflage festgelegten Betriebszeiten sei daher unter Berücksichtigung der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (mit der offenbar eine "Salami-Taktik" verhindert werden solle) als unzulässig zurückzuweisen und der Spruchteil I des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben gewesen. Daran ändere auch die durch die Gewerberechtsnovelle 1997 neu eingeführte Bestimmung des § 79c GewO 1994 nichts, da die Berufungsbehörde nicht befugt sei, während des Berufungsverfahrens in ein gänzlich anders strukturiertes Verfahren zu wechseln.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihren "durch die Gewerbeordnung 1994, BGBl. 1994/194 idF BGBl. I 1997/115 gewährleisteten Rechten, insbesondere in ihrem Recht bei einer emissionsändernden Änderung der Betriebsweise und des Umfanges der Anlage auch die damit im Zusammenhang stehende Auflage hinsichtlich der Betriebszeiten zu ändern; in ihren durch das allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz gewährleisteten Rechten, insbesondere in ihrem durch § 68 AVG gewährleisteten Recht, eine Zurückweisung ihres Antrags nur unter den im Gesetz dafür vorgesehenen Voraussetzungen hinnehmen zu müssen; in ihrem nach § 79 Gewerbeordnung 1994 gewährleisteten Recht, Auflagen nur unter den im Gesetz selbst vorgesehenen Voraussetzungen vorgeschrieben zu bekommen, und schließlich in ihrem Recht auf Durchführung eines dem Gesetz entsprechenden Verfahrens" verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes trägt die Beschwerdeführerin vor, sie habe ihren Antrag nicht allein auf die Änderung der Betriebszeiten gerichtet. Gerade dem präzisierenden Ansuchen vom 26. Juli 1994 sei zu entnehmen, dass die damals rechtlich unvertretene Beschwerdeführerin die Vorlage eines lärmtechnischen Gutachtens der Niederösterreichischen Umweltschutzanstalt vom 15. Juli 1994 angekündigt habe. Mit diesem lärmtechnischen Gutachten seien die Emissionsänderungen, welche die Änderungen der Betriebsweise der Tankstellenanlage bewirkten, der Erstbehörde dargetan worden. Auf Grund dieser geänderten Lärmemissionen sei auch die Bewilligung geänderter Betriebszeiten rechtlich möglich. Das Vorbringen und der Antrag der Beschwerdeführerin hätten also nicht allein auf die Änderung der Betriebszeiten gezielt, sondern auf eine Genehmigung der emissionsändernden Änderungen der Betriebsweisen. Gerade in einem solchen Verfahren könne aber die Betriebszeit sehr wohl erfolgreich abgeändert werden, wenn sich wie hier die Voraussetzungen - nämlich das Ausmaß der Emissionen - geändert hätten. Die erstinstanzliche Behörde habe von Amtswegen auch ein entsprechendes Verfahren durchgeführt und ihrer Entscheidung die notwendigen Gutachten über die zu erwartenden Lärmemissionen samt Ergänzungen zu Grunde gelegt. Diese Gutachten hätten tatsächlich geänderte Emissionswerte ergeben. Die Betriebslärmspitzen seien mit 54 dB festgestellt worden, während nach dem ursprünglichen Genehmigungsbescheid noch allein für die Staubsaugeranlagen 76 dB vorgesehen gewesen seien. Auf Grund dieser festgestellten Emissionsänderungen, die auf Grund der geänderten Betriebsweise der Anlage erzielt würden, sei es auch rechtlich möglich, die Betriebszeiten zu ändern. Die Erstbehörde verweise ausdrücklich darauf, dass sich die Voraussetzungen für die im Bewilligungsbescheid unter Punkt 99 normierte Auflage eingeschränkter Betriebszeiten geändert hätten, weshalb auch eine Änderung dieser Auflage vorzusehen gewesen sei. Einziger "Rechtsirrtum" der Erstbehörde sei gewesen, dass sie in ihrem Bescheid unter Punkt I zuerst die Änderung der Betriebszeiten genehmigt und erst unter Punkt II die emissionsändernden Änderungen der Betriebsweise genehmigt habe. Dies hätte die belangte Behörde aber erkennen müssen und folglich den Bescheid nicht ersatzlos beheben dürfen. Dies um so mehr, als § 79c GewO 1994 ausdrücklich vorsehe, dass vorgeschriebene Auflagen auf Antrag mit Bescheid abzuändern seien, wenn und soweit die Voraussetzungen für ihre Vorschreibung nicht mehr vorlägen. Gerade durch den Einbau der elektromechanischen Steuerung der Falttore in der Waschhalle und bei den Gehtüren, durch die Schaltuhren für Münzstaubsauger, Waschmaschine und Waschplätze, durch die Verpflichtung, die Kunden zu geräuscharmen Verhalten zu veranlassen, entsprechende Hinweisschilder aufzustellen und die Domschachtabdeckungen nachweislich zu kontrollieren, seien die Voraussetzungen zur Abänderung der mit Auflage vorgeschriebenen Betriebszeiten gegeben. Dies deshalb, weil die Voraussetzungen, unter welchen seinerzeit die Betriebszeiten auferlegt worden seien, auf Grund der geänderten Betriebsweise nun andere seien. Die Ansicht der belangten Behörde, § 79c GewO 1994 könne nicht angewendet werden, weil die Berufungsbehörde nicht in ein ganz anderes Verfahren wechseln könne, sei nicht nachvollziehbar. Wenn sich die belangte Behörde gemäß § 68 Abs. 1 AVG für berechtigt halte, den erstinstanzlichen Bescheid in seinem Punkt I ersatzlos zu beheben, dann wechsle die Behörde selbst unter völliger Außerachtlassung der Verfahrensergebnisse in ein gesetzlich überhaupt nicht vorgesehenes, weil von § 68 AVG nicht gedecktes, Verfahren. Der angefochtene Bescheid könne sich somit nicht auf § 68 Abs. 1 AVG stützen. Der angefochtene Bescheid unterstelle ohne jede Begründung, dass hier ein allein auf Änderung der Betriebszeiten gestützter Antrag der Beschwerdeführerin vorläge und lasse das tatsächliche Vorbringen der Beschwerdeführerin und das von der Erstbehörde durchgeführte Ermittlungsverfahren über das Ausmaß der Emissionsänderungen, die durch die geänderte Betriebsweise bewirkt würden, gänzlich außer Betracht. Eine weitere inhaltliche Rechtswidrigkeit sei darin zu erblicken, dass der angefochtene Bescheid Punkt I des erstinstanzlichen Bescheides, in welchem die geänderten Betriebszeiten genehmigt worden seien, ersatzlos behebe. Der angefochtene Bescheid belasse aber zugleich Punkt II des erstinstanzlichen Bescheides unverändert. Dort seien die emissionsändernden Änderungen der Betriebsweise der Anlage im Einzelnen genannt und die der Beschwerdeführerin auferlegten Verhaltensmaßregeln. So habe die Beschwerdeführer dafür zu sorgen, dass die Kunden keinerlei Lärm verursachten, sie habe widersetzliche Kunden von der Tankstelle zu weisen, regelmäßige Kontrollen der Domschachtabdeckungen durchzuführen und diverse Schilder aufzustellen. Wenn aber Punkt I des erstinstanzlichen Bescheides wegfallen solle, so könnten die in Punkt II des angefochtenen Bescheides unverändert vorgesehenen Maßnahmen nicht allein bestehen bleiben, weil für sie jedwede Rechtsgrundlage fehle. Diese Maßnahmen stünden in untrennbarem Zusammenhang mit der Änderung der Betriebszeiten, sodass für die Vorschreibung solcher Maßnahmen jedwede Rechtsgrundlage fehle, weil diese Maßnahmen nicht für sich allein vorgesehen werden könnten. Es fehlten dazu im erstinstanzlichen Bescheid jegliche Feststellungen, die das Vorschreiben der Maßnahmen unter Punkt II dieses Bescheides für sich allein rechtlich tragen würden. Der angefochtene Bescheid komme zu dem Ergebnis, dass keine Änderung der genehmigten Betriebsanlage im Sinne des § 81 GewO vorliege. Diese Annahme sei offenkundig aktenwidrig, denn die Änderung der genehmigten Betriebsanlage gehe gerade aus dem erstinstanzlichen Bescheid ganz deutlich hervor. Im Gegensatz zu der ursprünglich genehmigten Anlage habe die Tankstellenanlage nämlich nunmehr eine im erstinstanzlichen Bescheid beschriebene andere Ausstattung erhalten. Durch diese Neuerungen sei eine Änderung der Betriebsweise der ursprünglich genehmigten Anlage bewirkt worden. In diesen von der Erstbehörde vorgeschriebenen Auflagen liege der wesentliche Inhalt der Betriebsänderung im Sinne des § 81 GewO. Bei der Darstellung des erstinstanzlichen Verfahrens im angefochtenen Bescheid übernehme die belangte Behörde diesen wesentlichen Akteninhalt irrtümlich nicht. Damit sei der belangten Behörde ein aus dem Akt erkennbarer und behebbarer Irrtum bei der Darstellung der Beweisergebnisse unterlaufen. Hätte die belangte Behörde das erstinstanzliche Verfahren und dessen Ergebnisse richtig dargestellt, so wäre sie zu dem Ergebnis gekommen, dass sehr wohl eine Änderung der Betriebsanlage vorliege, welche eine Änderung der Auflagen, insbesondere eine Verlängerung der Betriebszeiten, rechtfertige. Denn durch die vorgesehene Änderung der Betriebsanlage werde der Tankstellenbetrieb wesentlich geräuschärmer, sodass sich die Voraussetzungen für die im ursprünglichen Bewilligungsbescheid unter Punkt 99 normierte Auflage geändert hätten. Weiters sei die belangte Behörde ihrer Pflicht, den Sachverhalt vollständig zu erheben, nicht nachgekommen. Der angefochtene Bescheid beschränke sich darauf, einen Antrag der Beschwerdeführerin zu behaupten, der allein auf Änderung der Betriebszeiten gerichtet sei, ohne das Vorbringen der Beschwerdeführerin zur Gänze zu berücksichtigen und ohne das von der erstinstanzlichen Behörde durchgeführte Verfahren richtig und vollständig zu würdigen. Offenbar habe die belangte Behörde überhaupt keine Erhebungen über den Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens durchgeführt. Hätte sie diese Erhebungen durchgeführt, so wäre der angefochtene Bescheid überhaupt nicht zu erlassen gewesen, weil die belangte Behörde die emissionsändernden Änderungen der Betriebsanlage, welche die Verlängerung der Betriebszeiten rechtfertigen würde, festgestellt hätte.

Gemäß § 79c GewO 1994 sind die nach § 77, § 79 oder § 79b vorgeschriebenen Auflagen auf Antrag mit Bescheid aufzuheben oder abzuändern, wenn und soweit die Voraussetzungen für ihre Vorschreibung nicht mehr vorliegen.

Nach § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage so weit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Diese die Unabänderlichkeit einer entschiedenen Verwaltungssache anordnende Gesetzesbestimmung verhindert - abgesehen von hier nicht beachtlichen Sonderfällen - eine neuerliche Entscheidung in der selben Sache.

§ 81 GewO 1994 enthält keine gesetzliche Ermächtigung, nachträglich die Abstandnahme von der Herstellung des dem Genehmigungsbescheid entsprechenden Zustandes oder von für den Betrieb erteilten Auflagen zu bewilligen. Diese Gesetzesstelle ermächtigt somit nicht, die erteilte Genehmigung abzuändern oder zu beheben und insofern die bestehende bescheidmäßige Regelung einer Reform zu unterziehen, sondern lediglich die bisher bescheidmäßig nicht geregelte Sache - nämlich die nach § 81 GewO 1994 genehmigungspflichtige "Änderung" - einer solchen Regelung (erstmals) zu unterziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. März 1996, Zl. 95/04/0115).

Die in einem früheren Genehmigungsbescheid in einer Auflage festgesetzte Betriebszeit kann somit nicht mit einem allein auf Beseitigung oder Änderung der selben gestützten Antrag nach § 81 GewO 1994 erfolgreich beseitigt oder abgeändert werden. Vielmehr kann diese im Rahmen eines Verfahrens nach § 81 GewO 1994 nur dann erfolgreich abgeändert werden, wenn damit eine Änderung der Anlage, etwa in Ansehung ihres Umfangs oder ihrer Betriebsweise angestrebt wird, durch die eine Änderung des vorhandenen Emissionsausmaßes bewirkt werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1995, Zl. 93/04/0171).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten unzulässig, entgegen dem erklärten Willen der Partei ihrem Begehren eine Deutung zu geben, die aus dem Wortlaut des Begehrens nicht unmittelbar geschlossen werden kann, mag auch das Begehren, so wie es gestellt worden ist, von vornherein aussichtslos oder gar unzulässig sein. Die Behörde darf nämlich nur über die durch Antrag umschriebene Angelegenheit (§ 59 Abs. 1 AVG) entscheiden, nur darauf bezieht sich die Rechtskraft ihres Bescheides (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 1997, Zl. 95/21/0515).

Insoweit die Beschwerdeführerin vorbringt, ihre Anträge vom 21. April 1994 sowie vom 26. Juli 1994 hätten sich nicht allein auf eine Änderung der mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 18. August 1993 rechtskräftig vorgeschriebenen Auflage über die Betriebszeit gerichtet, sondern hätten auch eine emissionsändernde Änderung der Betriebsweise der gegenständlichen Betriebsanlage umfasst, ist sie auf den oben wiedergegebenen, bei der Auslegung eines schriftlichen Antrages maßgeblichen Wortlaut ihrer Anträge zu verweisen, aus denen sich zweifelfrei ergibt, dass mit ihnen lediglich eine Änderung der Betriebszeiten angestrebt wurde. Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten hat die Beschwerdeführerin ihre Anträge vom 21. April 1994 sowie vom 26. Juli 1994 im Verwaltungsverfahren auch nicht dahingehend geändert, dass durch diese Änderung gleichzeitig eine Änderung der Anlage selbst, etwa in Ansehung ihres Umfanges oder ihrer Betriebsweise bewirkt worden wäre. Insbesondere kann auch - entgegen dem Beschwerdevorbringen - die bloße Vorlage eines Gutachtens schon deshalb nicht als eine derartige Änderung aufgefasst werden, weil ein solches nicht als Willensäußerung der Partei qualifiziert werden kann, sondern dazu dient, Tatsachen zu erheben und aus diesen Tatsachen tatsächliche Schlussfolgerungen zu ziehen. Mit dem Beschwerdevorbringen, durch die Vorschreibung näher bezeichneter Auflagen im Spruchteil II des Bescheides des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 24. Juli 1997 sei eine Änderung der Betriebsanlage im Sinne des § 81 GewO 1994 genehmigt worden, weshalb die belangte Behörde zu Unrecht das Ansuchen der Beschwerdeführerin zurückgewiesen habe, ist die sie darauf zu verweisen, dass sich der Spruchteil II des erstinstanzlichen Bescheides auf die Bestimmung des § 79 Abs. 1 GewO 1994 stützt. Davon abgesehen wäre es der Behörde verwehrt gewesen, mangels Vorliegens eines diesbezüglichen Antrages die im Spruchteil II des erstinstanzlichen Bescheides vorgeschriebenen Auflagen in Vollziehung der Bestimmung des § 81 GewO 1994 festzulegen. Vor diesem Hintergrund vermag auch das weitere Vorbringen der Beschwerdeführerin, nach Aufhebung des Spruchteiles I des erstinstanzlichen Bescheides fehle es an einer Rechtsgrundlage für die Vorschreibung der Auflagen in Spruchteil II, der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Unter Berufung auf § 79c GewO 1994 vertritt die Beschwerdeführerin die Auffassung, es seien die Voraussetzungen nach dieser Bestimmung zur Abänderung der mit Auflage vorgeschriebenen Betriebszeiten gegeben, weshalb die belangte Behörde den Spruchteil I des erstinstanzlichen Bescheides nicht ersatzlos beheben hätte dürfen. Mit diesem Vorbringen übersieht die Beschwerdeführerin, dass diese Regelung nach dem diesbezüglich eindeutigen Wortlaut des Gesetzes keine Durchbrechung der Rechtskraft des die fragliche Auflage vorschreibenden Genehmigungsbescheides bildet. Sie gibt vielmehr lediglich der Behörde die Möglichkeit, nachträglichen Änderungen des Sachverhaltes in Form des Wegfalles jener Tatsachen, die nach dem Inhalt des Genehmigungsbescheides die Voraussetzungen für die Vorschreibung der Auflage gebildet haben, Rechnung zu tragen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. November 1999, Zl. 99/04/0121). Da es sich bei einem Bescheid nach § 79c GewO 1994 - wie sich schon aus dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung ergibt - um einen antragsbedürftigen Verwaltungsakt handelt, die Beschwerdeführerin jedoch ihren Antrag nicht im Hinblick auf derartige Änderungen des Sachverhaltes gestellt hat, kam eine Anwendung dieser Bestimmung durch die belangte Behörde nicht in Betracht.

Mit der Behauptung der Verletzung von Verfahrensvorschriften vermag die Beschwerdeführerin schon deshalb eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun, weil, wie sich aus § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG ergibt, nicht jeder der belangten Behörde unterlaufene Verfahrensverstoß zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof zu führen hat, sondern nur ein solcher, bei dessen Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Diese Relevanz dazustellen ist, soweit dies nicht offenkundig ist, Sache des Beschwerdeführers. Auf Grund der oben dargestellten Rechtslage ist eine derartige Relevanz im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Da die Beschwerdeführerin mit ihrem Ansuchen ausschließlich eine Änderung der im Genehmigungsbescheid auflagenmäßig vorgeschriebenen Betriebszeitbeschränkung ohne einen damit verbundenen Änderungsantrag gemäß § 81 GewO 1994 im oben aufgezeigten Sinn beantragt hat, vermag sie eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. September 2000

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete Gesetzesbestimmung Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der Rechtskraft Pflichten bei Erteilung des Verbesserungsauftrages Erforschung des Parteiwillens Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998040093.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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