TE Vfgh Beschluss 2014/9/22 G103/2013

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Veröffentlicht am 22.09.2014
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Index

82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
TabakG §13a Abs2

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung von Nichtraucherschutzbestimmungen im Tabakgesetz wegen unzulässiger Abgrenzung des Anfechtungsumfanges

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Anlassverfahren, Antrag und Vorverfahren

1. Die erstantragstellende Gesellschaft betreibt drei Gastgewerbebetriebe mit Lokalen im 5. Wiener Gemeindebezirk. Die Lokale wurden früher als "Einraum"-Raucherlokale geführt, später wurde – um den gesetzlichen Vorgaben des Bundesgesetzes über das Herstellen und das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen sowie die Werbung für Tabakerzeugnisse und den Nichtraucherschutz (Tabakgesetz), BGBl 431/1995, in der Fassung BGBl I 120/2008, zu genügen – eine räumliche Trennung in einen Nichtraucher- und einen Raucherbereich vorgenommen. Um in den Nichtraucherbereich zu gelangen, muss der Raucherbereich durchquert werden.

1.1. Gestützt auf Art140 Abs1 B-VG begehren die erstantragstellende Gesellschaft und der Zweitantragsteller, die Wortfolge "wenn gewährleistet ist, dass der Tabakrauch nicht in die mit Rauchverbot belegten Räumlichkeiten dringt und das Rauchverbot dadurch nicht umgangen wird." sowie die Wortfolge "muss jedoch der für die Verabreichung von Speisen oder Getränken vorgesehene Hauptraum vom Rauchverbot umfasst sein, und es" in §13a Abs2 TabakG als verfassungswidrig aufzuheben.

1.2. Die erstantragstellende Gesellschaft ist als Franchisenehmerin handels- und gewerberechtliche Betreiberin dreier Lokale für das Gastgewerbe iSd §111 Abs1 Z2 GewO in Wien-Margareten, für die die erstantragstellende Gesellschaft die erforderlichen gewerberechtlichen Bewilligungen besitzt. Dementsprechend unterliegen diese Betriebe grundsätzlich §§13a ff. TabakG; sie fallen auf Grund ihrer räumlichen Größe jedoch allesamt nicht in den Anwendungsbereich von §13a Abs3 TabakG. Der Zweitantragsteller ist Mitgesellschafter und gewerberechtlicher Geschäftsführer der erstantragstellenden Gesellschaft.

2. Zur Zulässigkeit des Individualantrags führen die Antragsteller im Wesentlichen aus, dass sowohl die erstantragstellende Gesellschaft gemäß §13c Abs1 TabakG als Inhaberin der Betriebe als auch der Zweitantragsteller gemäß §14 Abs4 TabakG als gewerberechtlicher Geschäftsführer der Inhaberin durch die angefochtene Bestimmung unmittelbar in ihren Rechten betroffen seien. Das Gesetz sei ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung sowie ohne Erlassung eines Bescheides für die Antragsteller wirksam geworden. Das Gesetz sehe mangels Zuständigkeit einer Behörde aber auch keine Erlassung eines Bescheides vor: Zwar sei mit der Vollziehung des Bundesgesetzes die Bundesministerin für Gesundheit, Jugend und Familie (nunmehr der Bundesminister für Gesundheit) zuständig, die Zuständigkeit einer Behörde – etwa im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens – sei jedoch nicht geschaffen worden. Selbst für die Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des Nichtraucherschutzes in der Gastronomie gebe es keine zuständige Behörde. Den Verwaltungsstrafbehörden sei keine Überwachungsbefugnis eingeräumt und die Überwachungsverpflichtung der Bundesministerin für Gesundheit, Jugend und Familie (nunmehr des Bundesministers für Gesundheit) gemäß §9 TabakG sei auf die §§3 bis 7 TabakG sowie auf die auf dieser Grundlage erlassenen Verordnungen eingeschränkt. Die erstantragstellende Gesellschaft könne somit nicht die Erlassung eines Bescheides erwirken.

2.1. Somit komme als Bescheid lediglich ein solcher gegen den Zweitantragsteller im Rahmen eines Verwaltungsstrafverfahrens in Betracht. Tatsächlich sei gegen diesen von 15. Oktober 2013 bis 28. Februar 2014 beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 4./5. Bezirk unter dem Aktenzeichen MBA 04 – S 40664/13 ein Verwaltungsstrafverfahren wegen Verdachts der Übertretung des §14 Abs4 TabakG anhängig gewesen. Das Verfahren sei mittlerweile allerdings gemäß §45 Abs1 Z2 VStG eingestellt worden. Ein Verwaltungsstrafverfahren biete jedoch ohnehin keinen zumutbaren Weg, da es dem Zweitantragsteller nicht zumutbar sei, ein Verwaltungsstrafverfahren zu provozieren und in diesem die Verfassungswidrigkeit der übertretenen Norm einzuwenden.

2.2. Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmung erhoben die Antragsteller auf das Wesentliche zusammengefasst insoweit, als der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 18.896/2009 und der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 17. Juni 2013, 2012/11/0235, bezüglich der Auslegung des §13a Abs2 TabakG zu einem völlig unterschiedlichen Ergebnis gelangt seien. Diese Judikaturdivergenz untermauere den erheblichen Determinierungsmangel, an dem die angefochtene Bestimmung leide; sie verstoße deshalb gegen Art7 EMRK und sei als verfassungswidrig aufzuheben.

3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie im Kern darlegt, dass der Antragsumfang falsch abgegrenzt sei. Ein Gesetzesprüfungsantrag sei sowohl dann als unzulässig zurückzuweisen, wenn im Falle einer Aufhebung im begehrten Umfang der verbleibende Rest der Gesetzesvorschrift als inhaltsleerer und unanwendbarer Torso verbliebe, als auch dann, wenn durch die Aufhebung bloßer Teile einer Gesetzesvorschrift dieser ein völlig veränderter, dem Gesetzgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 14.895/1997 mwN). Der verbleibende Teil des §13a Abs2 TabakG erhielte durch die begehrte Aufhebung einen völlig veränderten, dem Gesetzgeber nicht mehr zusinnbaren Inhalt.

3.1. Voraussetzung für die Bezeichnung eines Raucherraumes wäre lediglich, dass er nicht mehr als die Hälfte der für die Verabreichung von Speisen oder Getränken vorgesehenen Verabreichungsplätze erfassen dürfe. Durch den Wegfall der angefochtenen Wortfolge im ersten Satz des §13a Abs2 TabakG müsste für die Zulässigkeit eines Raucherraumes weder gewährleistet sein, dass der Tabakrauch nicht in die mit Rauchverbot belegten Räumlichkeiten dringe, noch dass durch die Bezeichnung eines Raucherraumes das Rauchverbot nicht umgangen werde. Der Nichtraucherschutz in Räumen der Gastronomie wäre also wesentlich weniger streng als in (sonstigen) Räumen öffentlicher Orte; §13 Abs2 TabakG sehe nämlich diese Voraussetzungen für eine Ausnahme vom Rauchverbot weiterhin vor. Durch die Novelle BGBl I 120/2008 hätten die Räume der Gastronomie aber in den Nichtraucherschutz "einbezogen" werden und die Ausnahme vom Rauchverbot – von den besonderen Voraussetzungen des §13a Abs2 zweiter Satz TabakG abgesehen – "analog" jenen des §13 Abs2 TabakG für (sonstige) Räume öffentlicher Orte geregelt werden sollen (vgl. RV 610 BlgNR 23. GP 3, 6). Eine solche erweiterte Ausnahme vom Rauchverbot in Räumen der Gastronomie, wie sie durch die Aufhebung bewirkt würde, käme aber einem Akt der positiven Gesetzgebung gleich, der dem Verfassungsgerichtshof nicht zukomme (vgl. zuletzt VfGH 25.11.2013, G65/2013, wonach durch die begehrte Aufhebung bloß von Teilen des §135 Abs1 ASVG der Begriff der ärztlichen Hilfe im Rahmen der Krankenbehandlung erweitert würde).

3.2. Dasselbe gelte auch im Hinblick auf die beantragte Aufhebung im zweiten Satz des §13a Abs2 TabakG. Durch die Novelle BGBl I 120/2008 habe nämlich eine Ausnahme vom grundsätzlichen Rauchverbot in Räumen der Gastronomie nur insoweit ermöglicht werden sollen, als der "Hauptraum" vom Rauchverbot umfasst bliebe, worin sich eine Wertigkeit im Verhältnis zwischen Nichtraucher- und Raucherbereich im Sinne einer Über- und Unterordnung zeige. Diese Entscheidung des Gesetzgebers würde aber durch die beantragte Aufhebung geradezu in ihr Gegenteil verkehrt, weil auch der Hauptraum als Raucherraum bezeichnet werden könnte, solange er nicht mehr als die Hälfte der für die Verabreichung von Speisen oder Getränken vorgesehenen Verabreichungsplätze erfasste.

3.3. Den vorgebrachten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmung tritt die Bundesregierung mit näherer Begründung und mit Hinweis auf die authentische Interpretation der Bestimmung entgegen.

4. Die Antragsteller äußerten sich zum Vorbringen der Bundesregierung, der Antrag sei falsch abgegrenzt, wie folgt: Lege man dem nach der Aufhebung verbleibenden Normtext die Interpretation des Verfassungsgerichtshofs im Erkenntnis VfSlg 18.896/2009 zugrunde, so sei evident, dass es aus einem Raucherraum keine gesundheitsgefährdende Ingerenz durch Tabakrauch in einen Nichtraucherraum geben dürfe. Eine Divergenz zu §13 Abs2 TabakG (Räume öffentlicher Orte) bestünde nur insofern, als dort auch keine belästigende Ingerenz (VfSlg 18.895/2009) durch Tabakrauch erfolgen dürfe, was wegen der – vielfach bestehenden – Verpflichtung der Klienten, solche Räume zu betreten, nur konsequent sei. Eine solche Verpflichtung von Kunden bestehe jedoch in der Verabreichung von Speisen oder Getränken an Gäste dienenden Räumlichkeiten der Gastronomie nicht. Mit der Beseitigung des wenig aussagekräftigen Begriffs "Hauptraum" entstehe kein "völlig veränderter Inhalt", sondern es werde der Ansatzpunkt für Interpretationen getilgt, die dem Adressaten der Strafnorm die Erkenntnis darüber, was strafbar sei und was nicht, in besonderem Maße erschwere. Dass es dabei zu keinem Missbrauch komme, dafür sorge das an der Zahl der Verabreichungsplätze anknüpfende Kriterium des zweiten Satzes.

II. Rechtslage

Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar (die angefochtenen Wortfolgen sind hervorgehoben):

1. Die §§13, 13a, 13c und 14 des Bundesgesetzes über das Herstellen und das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen sowie die Werbung für Tabakerzeugnisse und den Nichtraucherschutz (Tabakgesetz), BGBl 431/1995 idF BGBl I 120/2008 lauten – auszugsweise – wie folgt:

"Nichtraucherschutz in Räumen öffentlicher Orte

§13. (1) Unbeschadet arbeitsrechtlicher Bestimmungen und der Regelung des §12 gilt, soweit Abs2 und §13a nicht anderes bestimmen, Rauchverbot in Räumen öffentlicher Orte.

(2) Als Ausnahme vom Verbot des Abs1 können in jenen von Abs1 umfassten Einrichtungen, die über eine ausreichende Anzahl von Räumlichkeiten verfügen, Räume bezeichnet werden, in denen das Rauchen gestattet ist, wenn gewährleistet ist, dass der Tabakrauch nicht in den mit Rauchverbot belegten Bereich dringt und das Rauchverbot dadurch nicht umgangen wird.

Nichtraucherschutz in Räumen der Gastronomie

§13a. (1) Unbeschadet arbeitsrechtlicher Bestimmungen und der §§12 und 13 gilt Rauchverbot in den der Verabreichung von Speisen oder Getränken an Gäste dienenden Räumen

1. der Betriebe des Gastgewerbes gemäß §111 Abs1 Z2 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl Nr 194/1994, in der geltenden Fassung,

2. der Betriebe des Gastgewerbes mit einer Berechtigung zur Beherbergung von Gästen gemäß §111 Abs1 Z1 oder Abs2 Z2 oder 4 der GewO,

3. der Betriebe gemäß §2 Abs9 oder §111 Abs2 Z3 oder 5 der GewO.

[…]

(2) Als Ausnahme vom Verbot des Abs1 können in Betrieben, die über mehr als eine für die Verabreichung von Speisen oder Getränken an Gäste geeignete Räumlichkeit verfügen, Räume bezeichnet werden, in denen das Rauchen gestattet ist, wenn gewährleistet ist, dass der Tabakrauch nicht in die mit Rauchverbot belegten Räumlichkeiten dringt und das Rauchverbot dadurch nicht umgangen wird. Es muss jedoch der für die Verabreichung von Speisen oder Getränken vorgesehene Hauptraum vom Rauchverbot umfasst sein, und es darf nicht mehr als die Hälfte der für die Verabreichung von Speisen oder Getränken vorgesehenen Verabreichungsplätze in Räumen gelegen sein, in denen das Rauchen gestattet wird.

[…]

Obliegenheiten betreffend den Nichtraucherschutz

§13c. (1) Die Inhaber von

1. […]

3. Betrieben gemäß §13a Abs1,

haben für die Einhaltung der Bestimmungen der §§12 bis 13b einschließlich einer gemäß §13b Abs4 erlassenen Verordnung Sorge zu tragen.

(2) Jeder Inhaber gemäß Abs1 hat insbesondere dafür Sorge zu tragen, dass

1. […]

4. in den Räumen der Betriebe gemäß §13a Abs1, soweit Rauchverbot besteht oder das Rauchen gemäß §13a Abs4 nicht gestattet werden darf, weil für den Betrieb ein Kollektivvertrag gemäß §13a Abs4 Z1 bis 4 nicht gilt, nicht geraucht wird;

5. in jenen Räumen der Betriebe gemäß §13a Abs1, in denen das Rauchverbot wegen Vorliegens einer der Voraussetzungen gemäß §13a Abs2 oder 3 nicht gilt, das Rauchen nur gestattet wird, wenn für den Betrieb ein Kollektivvertrag gemäß §13a Abs4 Z1 bis 4 gilt;

[…]

Strafbestimmungen

§14.

[1. - 3. …]

(4) Wer als Inhaber gemäß §13c Abs1 gegen eine der im §13c Abs2 festgelegten Obliegenheiten verstößt, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach einer anderen Verwaltungsstrafbestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 2000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 10 000 Euro zu bestrafen.

[…]"

2. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Juni 2013, 2012/11/0235, lautet – auszugsweise – wie folgt:

"5. Aus Anlass des Beschwerdefalls sieht sich der Verwaltungsgerichtshof im Übrigen zu folgender Klarstellung veranlasst:

5.1. Im angefochtenen Bescheid wird die Lage des als solchen bezeichneten 'Raucherraumes' im Betrieb nicht näher definiert. An Hand der Aktenlage (insb. des seitens der Beschwerdeführer vorgelegten Planes) ist aber davon auszugehen, dass der 'Raucherbereich' betreten werden muss, um in den 'Nichtraucherbereich' zu gelangen (vgl. die Feststellung der MA 59 im erstbehördlichen Verfahren, wonach der 'Raucherbereich' - neben dem Barbereich - auch den 'Empfang' umfasse; siehe dazu auch die im Akt liegende Anzeige vom 3. Oktober 2011, wonach ein 'Betreten des Nichtraucherraumes nur durch den stark verrauchten Raucherraum' möglich sei).

5.2. Eine derartige Konfiguration entspricht aber nicht den Anforderungen des §13a Abs2 TabakG.

5.2.1. Im gegebenen Zusammenhang ist zunächst festzuhalten, dass das Rauchverbot - in den Betrieben nach §13a Abs1 TabakG - die Regel, die Ermöglichung der Errichtung eines Raucherraums, in dem das Rauchen gestattet ist, die Ausnahme darstellt (vgl. §13a Abs2 TabakG: 'Als Ausnahme von Verbot des Abs1 …').

5.2.2. Festzuhalten ist weiter, dass Rauchverbot nicht nur (grundsätzlich) in den der Verabreichung von Speisen und Getränken an Gäste dienenden Räumen der in §13a Abs1 genannten Betriebe gilt, sondern auch in weiteren Räumen dieser Betriebe, die von einem nicht von vornherein beschränkten Personenkreis ständig oder zu bestimmten Zeiten betreten werden können (vgl. §1 Z11 TabakG), bei denen es sich also um 'Räume öffentlicher Orte' iSd §13 TabakG handelt.

Das folgt nicht nur aus der Systematik des TabakG, das ein grundsätzliches Rauchverbot in Räumen öffentlicher Orte normiert, zu denen definitionsgemäß (§1 Z11 TabakG) auch Räume der Gastronomie zählen, wobei die den Nichtraucherschutz in Räumen der Gastronomie regelnde Bestimmung des §13a TabakG (u.a.) den - allgemeinen - Nichtraucherschutz in Räumen öffentlicher Orte nach §13 'unbeschadet' lässt, sondern wird auch deutlich aus den Materialien zur Novelle 2008, BGBl I Nr 120/2008 (mit der der Nichtraucherschutz auf den 'Gastronomiebereich' (RV 610 BlgNR 23. GP, 1) ausgeweitet wurde): So halten die Erl. zu §13c - also der Regelung der 'Obliegenheiten betreffend den Nichtraucherschutz' - fest, dass 'nach Entfall der bisherigen Ausnahmen im bisherigen §13 Abs4 Z1 und 2 bzw. Einbeziehung der Gastronomie in den Nichtraucherschutz (§13a)' nunmehr 'eine große Zahl unterschiedlichster Einrichtungen von diesen Obliegenheiten erfasst' ist, wozu auch 'der künftig mit einbezogene Bereich der Gastronomie' gehöre.

5.2.3. Hinsichtlich der Anforderungen an den 'Raucherraum' innerhalb des Betriebs hält §13a Abs2 TabakG fest, dass 'gewährleistet (sein muss), dass der Tabakrauch nicht in die mit Rauchverbot belegten Räumlichkeiten dringt und das Rauchverbot dadurch nicht umgangen wird', wobei jedenfalls der 'Hauptraum' vom Rauchverbot umfasst sein muss und nicht mehr als die Hälfte der für die Verabreichung von Speisen oder Getränken vorgesehenen Verabreichungsplätze in Räumen gelegen sein darf, in denen das Rauchen gestattet wird. Daraus wird zunächst einmal deutlich, dass der 'Hauptraum' nicht bloß an Hand der Anzahl der Verabreichungsplätze zu bestimmen ist (vgl. dazu auch das zitierte Erkenntnis Zl. 2011/11/0032).

In der RV (610 BlgNR 23. GP, 6) wird zu §13a Abs2 Folgendes ausgeführt:

'Mit Abs2 wird die Einrichtung eines Raucherraums ermöglicht. Analog §13 Abs2 kann den Gästen unter der Voraussetzung, dass mindestens zwei für die Bewirtung von Gästen geeignete Räumlichkeiten vorhanden sind, ein Raum zur Verfügung gestellt werden, in dem geraucht werden darf. Jedoch muss im Falle der zur Verfügung Stellung von Räumen, in denen geraucht werden darf, der für die Gäste vorgesehene Nichtraucherbereich mindestens 50 % des insgesamt für die Gäste vorgesehenen Verabreichungsbereiches (zum Genuss von Speisen oder Getränken bestimmte Plätze) einnehmen und muss es sich dabei überdies um den Hauptraum handeln. Bei der Bestimmung des Hauptraumes sind immer die konkreten Verhältnisse vor Ort in die Gesamtbetrachtung mit einzubeziehen, wobei wichtige Kriterien die Flächengröße, die Lage und die Ausstattung der Räume bzw. deren Zugänglichkeit sind. Der Hauptraum muss in seiner Gesamtbetrachtung den anderen Räumlichkeiten als 'übergeordnet' eingestuft werden können. Zu berücksichtigen ist dabei auch der Schwerpunkt der gastronomischen Tätigkeit des Gastwirts.'

Die Anforderungen nach §13a Abs2 TabakG, es müsse 'gewährleistet' sein, dass der Tabakrauch nicht in dem übrigen Bereich dringt, das Rauchverbot dürfe 'dadurch nicht umgangen' werden, entsprechen insoweit denen nach §13 Abs2 TabakG.

5.2.4. Das dargestellte Regel-Ausnahme-Modell fand sich bereits in der Stammfassung des TabakG (BGBl Nr 431/1995):

Nach §13 Abs1 galt Rauchverbot in allgemein zugänglichen Räumen bestimmter, in Z1 bis Z4 näher genannter Einrichtungen, wobei Abs2 normierte, dass 'als Ausnahme vom Verbot des Abs1… in jenen von Abs1 umfaßten Einrichtungen, die über eine ausreichende Anzahl von Räumlichkeiten verfügen, Räume bezeichnet werden (können), in denen das Rauchen gestattet ist, wenn gewährleistet ist, daß der Tabakrauch nicht in den mit Rauchverbot belegten Bereich dringt und das Rauchverbot dadurch nicht umgangen wird'.

Rauchverbot galt danach also grundsätzlich für alle allgemein zugänglichen Räume der genannten Einrichtungen, wobei aber ein gesonderter Raucherraum bestimmt werden konnte.

Die Erläuterungen (RV 163 BlgNR 19. GP, 14) betonen, es sei 'geboten, den Nichtraucher in seinem Recht auf rauchfreie Luft möglichst weitgehend zu schützen', dem entspreche es, den Schutz vor den Gefährdungen durch Tabakrauch vor allem auch in den bislang 'rechtsfreien' Bereichen gesetzlich zu verankern. Während in den in §12 genannten Räumlichkeiten ein 'absolute(s) Rauchverbot' gelte, weil der Schutz vor Tabakrauch in bestimmten Zweckwidmungen unterliegenden Räumen besondere Bedeutung habe, beziehe sich das in §13 vorgesehene Rauchverbot nicht auf bestimmte einzelne Räume, sondern grundsätzlich auf allgemein zugängliche Räume bestimmter Einrichtungen. Um den Bedürfnissen der Raucher Rechnung zu tragen, ermögliche diesfalls der Abs2 als Ausnahme vom Verbot des Abs1 die Bezeichnung von Räumen, in denen das Rauchen gestattet ist. Dabei müsse allerdings gewährleistet sein, dass der Rauch aus diesen 'Raucherzimmern' nicht in den rauchfreien Bereich gelangt.

Hervorzuheben ist im gegebenen Zusammenhang, dass die in §13 (Stammfassung) genannten Einrichtungen (Amtsgebäude, Schul- und Hochschuleinrichtungen, Vorführungs- bzw. Ausstellungsräume) jedenfalls typischerweise nicht über eine Raucherzone bzw. einen Raucherbereich betreten werden. Wenn nun der Gesetzgeber explizit von 'Raucherzimmern' spricht, die in den einem grundsätzlichen Rauchverbot unterliegenden allgemein zugänglichen Räumen bestimmter Einrichtungen errichtet werden können, stand ihm offenbar vor Auge, dass es dem Inhaber der Einrichtung erlaubt ist, einen vom Nichtraucherbereich wegführenden Raucherraum festzulegen. Nichts aber deutet darauf hin, dass dieses 'Raucherzimmer' etwa derart festgelegt werden dürfte, dass die Einrichtung nur über das Raucherzimmer betreten werden kann.

5.2.5. Durch die Novelle 2004 (BGBl I Nr 167/2004) wurde - über den bisherigen §12 hinausgehend - ein grundsätzliches 'Rauchverbot in Räumen öffentlicher Orte' festgelegt (§13 Abs1), wobei die Ausnahmebestimmung nach Abs2 die frühere nach §13 Abs2 wörtlich übernimmt.

Die Erläuterungen zur RV (700 BlgNR 22. GP) halten - nach einer Darlegung der gesundheitlichen Gefahren auch des Passivrauchens - fest, dass der Nichtraucherschutz unabhängig von den bereits bestehenden Rauchverboten verstärkt werden solle und das Rauchverbot künftig generell auf Räume öffentlicher Orte ausgeweitet werden solle, wobei allerdings Betriebe des Gastgewerbes vom allgemeinen Verbot des §13 ausgenommen bleiben sollten.

5.2.6. Mit der Novelle 2008 (BGBl I Nr 120/2008) schließlich erhielt das TabakG die heute geltende Fassung, die - wie dargelegt - auch Betriebe des Gastgewerbes vom Nichtraucherschutz erfasst, wobei sich die Ausnahmebestimmung des §13a Abs2 an die bisherige Formulierung in §13 Abs2 anlehnt.

5.3. Vor dem dargestellten Hintergrund, insb. dem Regel-Ausnahme-Prinzip, das nunmehr auch in Betrieben des Gastgewerbes ein grundsätzliches Rauchverbot festlegt und Rauchen nur in gesonderten, vom übrigen Bereich abgetrennten 'Raucherzimmern' zulässt, muss davon ausgegangen werden, dass die Festlegung eines Raumes als Raucherzimmer, der - wie im Beschwerdefall - betreten werden muss, um in jenen Bereich zu gelangen, der rauchfrei zu halten ist, unzulässig ist.

Dies entspricht insoweit auch dem Verständnis des (nach §13a Abs2 zwingend rauchfrei zu haltenden) 'Hauptraums', bei dessen Festlegung als wichtige Kriterien nach den zitierten Erläuterungen nicht nur Flächengröße und Ausstattung, sondern auch Lage und Zugänglichkeit heranzuziehen sind, was nur bedeuten kann, dass der Raucherraum vom Nichtraucherbereich aus erschlossen werden soll, nicht aber umgekehrt der - grundsätzlich rauchfrei zu haltende - Bereich nur über den 'Raucherraum' zugänglich ist.

Letztlich legen dies auch die Regelungen der auf Basis von §13b Abs5 TabakG erlassenen Nichtraucherschutz-Kennzeichnungsverordnung, BGBl II Nr 424/2008 (NKV), nahe:

Danach ist jeweils vor Betreten des Lokals (§1 NKV) bzw. des einzelnen Gastraums (§2 NKV) durch entsprechende Hinweisschilder deutlich zu machen, ob im Lokal/im konkreten Gastraum geraucht werden darf. In den Fällen des §1 Abs1 Z2 NKV - also bei Vorhandensein mehrerer Gasträume, wobei in einem ('eigens dafür vorgesehenen') Gastraum geraucht werden darf - ist gemäß §1 Abs2 Z2 litb letzter Halbsatz NKV zusätzlich zum Symbol der schriftliche Hinweis 'Abgetrennter Raucherraum im Lokal' erforderlich. Dem liegt offenbar der Gedanke zu Grunde, dass der Gast, bevor er ein Lokal bzw. einen einzelnen Gastraum betritt, über die tatsächlichen Gegebenheiten im Lokal zu informieren ist, um sich darauf einstellen bzw. entscheiden zu können. Ein Gast, dem bloß ein 'Abgetrennter Raucherraum im Lokal' angekündigt wird, muss aber nicht damit rechnen, einen Raucherraum betreten zu müssen, um in den Bereich, den er aufsuchen möchte und in dem nicht geraucht werden darf, zu gelangen."

3. Das Bundesgesetz zur authentischen Interpretation des §13a Abs2 Tabakgesetzes 1995, BGBl Nr 431/1995, zuletzt geändert durch BGBl I Nr 120/2008, BGBl I 12/2014, lautet wie folgt:

"Artikel I

§13a Abs2 TabakG 1995, BGBl Nr 431/1995, zuletzt geändert durch BGBl I Nr 120/2008, wird gemäß §8 ABGB dahingehend authentisch ausgelegt, dass den Gästen auf dem Weg zum Hauptraum bzw. zu anderen rauchfreien Bereichen des Lokals wie sanitären Anlagen bzw. WC-Anlagen ein kurzes Durchqueren des Raucherraumes zumutbar ist.

Artikel II

Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist die Bundesregierung betraut.

ArtI ist im Sinne von §8 ABGB von den Behörden und Gerichten in allen laufenden und künftigen Verfahren anzuwenden."

III. Erwägungen

1. Der Individualantrag ist unzulässig.

1.1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie – im Fall seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 Z1 litc B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg 11.730/1988, 15.863/2000, 16.088/2001, 16.120/2001).

1.2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende
Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Dieser Grundposition folgend geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2002). Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Gesetzesbestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN).

1.3. Durch die Aufhebung der angefochtenen Wortfolgen würde der Sinn der Bestimmung verändert. Zwar könnte auch nach der Aufhebung die Pflicht der Lokalbetreiber, solche Räume als Nichtraucherräume auszuweisen, in denen mindestens die Hälfte der vorgesehenen Verabreichungsplätze gelegen sind, implizit erschlossen werden. Die (wesentlichen) Regelungsanliegen des Gesetzgebers, dass der Tabakrauch nicht in die mit Rauchverbot belegten Räumlichkeiten dringe, dass durch die Bezeichnung eines Raucherraumes das Rauchverbot nicht umgangen werde sowie dass im Hauptraum eines Lokals jedenfalls ein Rauchverbot zu verfügen sei, wären allerdings nicht mehr in der Regelung enthalten.

Die Aufhebung hätte überdies – worauf die Bundesregierung zutreffend hinweist – zur Folge, dass das Niveau des Schutzes vor Tabakrauch in Räumen der Gastronomie im Vergleich zu Räumen öffentlicher Orte empfindlich herabgesetzt wäre. Dies war aber gerade nicht die Absicht des Gesetzgebers (vgl. die Erläut. zur RV 610 BlgNR 23. GP 3, 6), sodass man im Falle der Aufhebung der angefochtenen Wortfolge zu einem Ergebnis käme, das einem unzulässigen Akt der positiven Gesetzgebung gleichkommen würde (vgl. VfGH 25.11.2013, G65/2013).

IV. Ergebnis

1. Der vorliegende Individualantrag ist daher schon aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Gesundheitswesen, Tabak, Nichtraucherschutz, VfGH / Prüfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2014:G103.2013

Zuletzt aktualisiert am

22.10.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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