TE Vfgh Erkenntnis 2014/9/27 V67/2014 ua

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Veröffentlicht am 27.09.2014
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Index

L6930 Wasserversorgung
L3715 Anliegerbeitrag, Kanalabgabe, Umweltabgabe

Norm

FAG 2005, FAG 2008 §15 Abs3 Z4
WasserleitungsgebührenO 2005 der Gemeinde Reith bei Kitzbühel §5
KanalgebührenO 2005 der Gemeinde Reith bei Kitzbühel §5
B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art139 Abs3, Abs4

Leitsatz

Aufhebung von Bestimmungen der Wasserleitungs- und der Kanalgebührenordnung 2005 der Gemeinde Reith bei Kitzbühel betreffend Mindestgebühren wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz

Spruch

I.              1. §5 Abs2 und 3 der Gemeindewasserleitungsgebührenordnung der Gemeinde Reith bei Kitzbühel, Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde Reith bei Kitzbühel vom 7. November 2005, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 9. bis 25. November 2005,

2. §5 Abs2 und 3 der Gemeindewasserleitungsgebührenordnung der Gemeinde Reith bei Kitzbühel, Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde Reith bei Kitzbühel vom 7. November 2005, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 9. bis 25. November 2005, in der Fassung der Verordnung der Gemeinde Reith bei Kitzbühel, mit der näher bezeichnete Gemeindeabgaben (Steuern, Beiträge und Gebühren) ausgeschrieben werden, Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde Reith bei Kitzbühel vom 12. November 2007, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 15. bis 30. November 2007,

3. §5 der Kanalgebührenordnung der Gemeinde Reith bei Kitzbühel, Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde Reith bei Kitzbühel vom 7. November 2005, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 9. bis 25. November 2005, in der Fassung der Verordnung der Gemeinde Reith bei Kitzbühel, mit der für das Jahr 2007 die Einhebung näher bezeichneter Steuern, Gebühren und Abgaben normiert wird, Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde Reith bei Kitzbühel vom 6. November 2006, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 8. bis 23. November 2006, und

4. §5 der Kanalgebührenordnung der Gemeinde Reith bei Kitzbühel, Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde Reith bei Kitzbühel vom 7. November 2005, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 9. bis 25. November 2005, in der Fassung der Verordnung der Gemeinde Reith bei Kitzbühel, mit der näher bezeichnete Gemeindeabgaben (Steuern, Beiträge und Gebühren) ausgeschrieben werden, Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde Reith bei Kitzbühel vom 12. November 2007, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 15. bis 30. November 2007,

werden als gesetzwidrig aufgehoben.

II.              Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt für Tirol verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl B1201/2012 eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

Mit vier im Instanzenzug ergangenen Bescheiden schrieb der Gemeindevorstand der Gemeinde Reith bei Kitzbühel dem Beschwerdeführer als Eigentümer einer näher bezeichneten Liegenschaft für die Zeiträume 1. Oktober 2007 bis 30. September 2008, 1. Oktober 2008 bis 30. September 2009, 1. Oktober 2009 bis 30. September 2010 und 1. Oktober 2010 bis 30. September 2011 jeweils sowohl Wasser- als auch Kanalbenützungsgebühren in bestimmter Höhe vor. Die dagegen erhobene Vorstellung wurde mit Bescheid der Tiroler Landesregierung insoweit als unbegründet abgewiesen, als sie sich auf die drei Bescheide des Gemeindevorstandes betreffend die Zeiträume 1. Oktober 2007 bis 30. September 2008, 1. Oktober 2009 bis 30. September 2010 und 1. Oktober 2010 bis 30. September 2011 bezog (Spruchpunkt 1). Soweit sich die Vorstellung auf den Bescheid des Gemeindevorstandes betreffend den Zeitraum 1. Oktober 2008 bis 30. September 2009 bezog, wurde dieser behoben und die Angelegenheit insoweit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand der Gemeinde Reith bei Kitzbühel verwiesen (Spruchpunkt 2).

2. Bei der Behandlung der gegen Spruchpunkt 1 dieses Bescheides gerichteten Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des §5 Abs2 und 3 der Gemeindewasserleitungsgebührenordnung der Gemeinde Reith bei Kitzbühel, Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde Reith bei Kitzbühel vom 7. November 2005, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 9. bis 25. November 2005, (in der Folge: Wasserleitungsgebührenordnung 2005) des §5 Abs2 und 3 der Wasserleitungsgebührenordnung 2005 in der Fassung der Verordnung der Gemeinde Reith bei Kitzbühel, mit der näher bezeichnete Gemeindeabgaben (Steuern, Beiträge und Gebühren) ausgeschrieben werden, Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde Reith bei Kitzbühel vom 12. November 2007, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 15. bis 30. November 2007, (in der Folge: Ausschreibungsordnung 2007) des §5 der Kanalgebührenordnung der Gemeinde Reith bei Kitzbühel, Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde Reith bei Kitzbühel vom 7. November 2005, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 9. bis 25. November 2005, (in der Folge: Kanalgebührenordnung 2005) in der Fassung der Verordnung der Gemeinde Reith bei Kitzbühel, mit der für das Jahr 2007 die Einhebung näher bezeichneter Steuern, Gebühren und Abgaben normiert wird, Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde Reith bei Kitzbühel vom 6. November 2006, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 8. bis 23. November 2006, (in der Folge: Einhebungsordnung 2006) und des §5 der Kanalgebührenordnung 2005 in der Fassung der Ausschreibungsordnung 2007 entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 13. Juni 2014 beschlossen, diese Verordnungsbestimmungen von Amts wegen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.

3. Der Verfassungsgerichtshof fasste – nach der auf sein Erkenntnis VfSlg 16.456/2002 Bezug nehmenden Darstellung der sich aus dem Gleichheitssatz ergebenden Anforderungen an solche Verordnungen – seine Bedenken, die ihn zur Einleitung der Verordnungsprüfungsverfahren bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt zusammen:

"[...] Aus den dem Verfassungsgerichtshof zur Verfügung stehenden Unterlagen betreffend das Zustandekommen der Wasserleitungsgebührenordnung 2005, der Kanalgebührenordnung 2005, der Einhebungsordnung 2006 und der Ausschreibungsordnung 2007 scheint sich zu ergeben, dass deren Erlassung keine derartigen Erhebungen zugrunde gelegt worden sein dürften. Für den Verfassungsgerichtshof erscheint es daher vorerst nicht nachprüfbar, ob die darin festgelegten Jahresmindestgebühren für die Wasserbenützung von € 85,- für bis zu 170 m3 Wasserverbrauch (vgl. §5 Abs2 und 3 der Wasserleitungsgebührenordnung 2005 und die Zeile 'Wasserbenützungsgebühr' in der Anlage zu §1 der Ausschreibungsordnung 2007) und für die Kanalbenützung von € 235,20 bzw. € 246,40 für bis zu 160 m3 Abwasserentsorgung (vgl. §5 der Kanalgebührenordnung 2005, die Erhöhung der Kanalbenützungsgebühr in der Einhebungsordnung 2006 und die Zeile 'Kanalbenützungsgebühr für ungeklärte Abwässer […]' in der Anlage zu §1 der Ausschreibungsordnung 2007) den sich aus dem Gleichheitssatz ergebenden, oben dargelegten Anforderungen an solche Verordnungen genügen. Es ist für den Verfassungsgerichtshof vorläufig nicht ersichtlich, dass sowohl der Mittelwert als auch der Medianwert vor Erlassung der genannten Verordnungen mindestens 170 m3 für den Wasserverbrauch und mindestens 160 m3 für die Abwasserentsorgung betragen haben."

4. Die Tiroler Landesregierung teilte mit, dass von der Erstattung einer inhaltlichen Stellungnahme Abstand genommen werde und verwies auf die Ausführungen im Anlassverfahren B1201/2012.

Im genannten Verfahren trat sie den Beschwerdebehauptungen auf das für die Verordnungsprüfungsverfahren Wesentliche zusammengefasst folgendermaßen entgegen:

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes sei die Vorschreibung von Mindestmengen bei Benützungsgebühren grundsätzlich zulässig. Eine solche dürfe allerdings in der Regel nicht über der durchschnittlichen Verbrauchsmenge liegen, also nicht über dem arithmetischen Mittel aller einzelnen Wasserverbrauchsmengen. Wenn sich die Verbrauchsmengen stark ungleich verteilen würden, dürfe die Mindestmenge auch nicht über der Medianmenge (das sei der Wert in der Mitte der nach ihrer Größe geordneten Reihe der einzelnen Verbrauchswerte) liegen. Zudem erachte es der Gerichtshof möglicherweise für zulässig, bei der durchschnittlichen bzw. der Medianmenge nur auf die ständigen Bewohner abzustellen (vgl. VfSlg 16.456/2002).

Im vorliegenden Fall liege der Medianwert nach Berechnungen der Gemeinde Reith bei Kitzbühel für Wasser bei 132 m3 und für Abwasser bei 130 m3. Bei der Ermittlung der Mindestabnahmegebühren sei besonders auf "ständige Bewohner" abgestellt worden. Die in Rede stehenden Verordnungen würden sich somit an den von der Judikatur in Bezug auf mögliche sachliche Differenzierungen bei der Festlegung von Mindestmengen herausgearbeiteten Kriterien orientieren, sodass die Tiroler Landesregierung in diesem Zusammenhang keine Gleichheitswidrigkeit derselben zu erkennen vermöge. Wie im angefochtenen Bescheid werde darauf hingewiesen, dass im Berufungsbescheid der Berechnung der Wasser- und Kanalbenützungsgebühren für den Zeitraum 1. Oktober 2007 bis 30. September 2008 eine Mindestabnahmemenge iHv jeweils 130 m3 – und nicht 170 m3 bzw. 160 m3 – zugrunde gelegt worden sei. Auch für die weiteren Zeiträume 1. Oktober 2008 bis 30. September 2009, 1. Oktober 2009 bis 30. September 2010 und 1. Oktober 2010 bis 30. September 2011 sei die Vorschreibung der Wasser- und Kanalbenützungsgebühren jeweils zum Mindestwasserverbrauch iHv 130 m3 erfolgt, sodass für diese Gebührenvorschreibungen der von der Gemeinde Reith bei Kitzbühel errechnete Medianwert herangezogen worden sei. Im Ergebnis sei von der Vorstellungsbehörde somit keine Rechtsverletzung durch die Gebührenvorschreibung aufzugreifen gewesen. Eine verfassungswidrige Rechtsgrundlage, auf die sich die Gebührenvorschreibung gestützt habe, liege im konkreten Fall nicht vor, sodass der Abgabenpflichtige durch die Anwendung der in Rede stehenden Verordnungen nicht in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden sei.

5. Weder der Gemeinderat der Gemeinde Reith bei Kitzbühel als verordnungserlassende Behörde noch andere an den Verordnungsprüfungsverfahren beteiligte Parteien erstatteten eine Äußerung.

II. Rechtslage

Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar (die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen sind hervorgehoben):

1. §15 Abs3 Z4 Finanzausgleichsgesetz 2005 und 2008 lautet(e):

"D. Gemeindeabgaben auf Grund freien Beschlussrechtes

§15. […]

(3) Die Gemeinden werden ferner ermächtigt, durch Beschluss der Gemeindevertretung folgende Abgaben vorbehaltlich weiter gehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung auszuschreiben:

[…]

4. Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, mit Ausnahme von Weg- und Brückenmauten, bis zu einem Ausmaß, bei dem der mutmaßliche Jahresertrag der Gebühren das doppelte Jahreserfordernis für die Erhaltung und den Betrieb der Einrichtung oder Anlage sowie für die Verzinsung und Tilgung der Errichtungskosten unter Berücksichtigung einer der Art der Einrichtung oder Anlage entsprechenden Lebensdauer nicht übersteigt.

[…]"

2. Die Wasserleitungsgebührenordnung 2005 lautete auszugsweise:

"§1 – Einteilung der Gebühren

Zur Deckung des Aufwandes der Gemeindewasserversorgungsanlage Reith bei Kitzbühel erhebt die Gemeinde Gebühren in Form von

a) einer Anschlussgebühr und

b) einer Benützungsgebühr (Wasserzins)

[…]

§3 – Wasserzins

Die Gemeinde erhebt zur Deckung der Kosten des Betriebes und der Erhaltung der Wasserversorgungsanlage für den laufenden Wasserbezug eine laufende Gebühr (Wasserzins). Diese Gebühr ist vom Gemeinderat alljährlich nach dem durchschnittlichen Jahreserfordernis der Anlage, das sind der laufende Betriebsaufwand, der Erhaltungsaufwand, der Schulden- und Zinsendienst, sowie die Bildung einer Erneuerungsrücklage, festzusetzen.

Als erforderliche Angleichungsmaßnahme des sich ständig nach oben bewegenden Verbraucher-Indexes hat der Gemeinderat der Gemeinde Reith bei Kitzbühel in seiner Sitzung am 04.11.2002 die Wasserbenützungsgebühren beschlossen und in seiner Sitzung am 07.11.2005 beschlossen, die Wasseranschlussgebühren zu erhöhen und wie in der Folge angeführt festzusetzen.

[…]

Gebühren, gültig ab 01.01.2006

§5 – Wasserbenützungsgebühren (Wasserzins)

1) Bemessungsgrundlage ist der durch Wassermesser (Zähler) gemessene Wasserbezug bzw. Wasserverbrauch

2) Der Wasserzins beträgt bis zu einem Jahreswasserverbrauch von 170 m3

(einheitliche Jahresmindestgebühr)                             85,00 €

3) für jeden über 170 m3 hinaus verbrauchten m3 Wasser               0,50 €

4) Von Neubauten, bei denen während der Bauzeit Gemeindewasser ohne

Zähler verwendet wird, beträgt die Bauwassergebühr pro m3 umbauten

Raum (lt. Bauaktangabe)                             0,22 €

5) Für den von der Gemeinde beigestellten Wasserzähler ist eine Jahres-

miete zu leisten von                             9,00 €

Großzähler                             15,00 €

Diese angeführten Benützungsgebühren verstehen sich alle inklusive der jeweils

geltenden Mehrwertsteuer.

[…]

§7 – Gebührenschuldner

Zur Entrichtung der Gebühren sind die Eigentümer der an die Gemeindewasserleitung angeschlossenen Grundstücke, Objekte und Betriebe verpflichtet. Die Nutznießer haften anteilmäßig für die richtige und rechtzeitige Entrichtung der Gebühren.

[…]"

3. Die Kanalgebührenordnung 2005 lautete auszugsweise:

"§1 – Ein[t]ei[l]ung der Gebühren

Zur Deckung der Kosten der Gemeindekanalanlage erhebt die Gemeinde Gebühren in Form

a) einer einmaligen Anschlussgebühr in zwei Teilen

b) einer laufenden Kanal-Benützungsgebühr

c) einer laufenden Gebühr für eingeleitete Dachabwässer

[…]

§3 – Kanalbenützungsgebühr

1) Die Kanalbenützungsgebühr dient zur Deckung der Kosten für die Instandhaltung und den laufenden Betrieb der Kanalanlage. Die Kanalbenützungsgebühr wird vom Gemeinderat alljährlich nach dem durchschnittlichen Jahreserfordernis der Anlage festgesetzt.

2) Die Gebührenentrichtungspflicht für die Kanalbenützungsgebühr entsteht ab vollendetem Objektanschluss, bzw. ab dem Anschlussfestlegungsdatum im Anschlussbescheid. Die Gebühr ist halbjährlich zu entrichten, wobei im 1. Halbjahr die Hälfte der Gebühr vom Vorjahr eingehoben wird[,] und die Abrechnung für das 2. Halbjahr erfolgt nach dem tatsächlichen Wasserverbrauch.

[…]

§5 – Berechnung der Kanalbenützungsgebühr ab 01.01.2006

1) Die Kanal- Mindestbenützungsgebühr beträgt pro Jahr, bis zu einem

Jahreswasserverbrauch vo[n] 160 m3                             235,20 €

2) Für jeden, über 160 m3 hinaus verbrauchten m3 Wasser laut Wasser-

zähler beträgt die Gebühr                             1,47 €

[…]

§7 – Gebührenschuldner

Zur Entrichtung der Gebühren ist der Grundstücks- bzw. Objektbesitzer verpflichtet.

Nutznießer und Pächter haften mit den Eigentümern für die richtige und rechtzeitige Zahlung der Gebühr zu[r] ungeteilten Hand.

[…]

§9 – Inkrafttreten

Diese Gebührenordnung tritt mit 01.01.2006 in Kraft. Mit diesem Datum tritt die vorhergehende Gebührenordnung außer Kraft."

4. Mit der Einhebungsordnung 2006 wurde §5 der Kanalgebührenordnung 2005 wie folgt geändert:

"Erhöhung der Kanalbenützungsgebühr von € 1,47 auf € 1,54 pro m3 Wasser und der Jahresmindestgebühr von € 235,20 auf € 246,40 ab der Zählerablesung September 2007."

5. Mit der Ausschreibungsordnung 2007 wurden §5 Abs2 und 3 der Wasserleitungsgebührenordnung 2005 sowie §5 der Kanalgebührenordnung 2005 wie folgt geändert:

"§1. (1) Aufgrund der in der Rubrik 'Nähere Ausführungen/Rechtsgrundlagen' (Anlage zu §1) näher bezeichneten Normen werden nachstehende Gemeindeabgaben (Steuern, Beiträge und Gebühren) ausgeschrieben.

[…]

§2. Diese Verordnung tritt am 1. Jänner 2008 in Kraft und gilt bis auf weiteres.

Abgabenart

Beträge in EUR

Nähere Ausführung - Rechtsgrundlagen

[…]

[…]

[…]

Wasserbenüt-zungsgebühr

85,00

0,50

[…]

Jahresmindestgebühr (inkl. 10 % USt)

pro m3 Wasserverbrauch für jeden über

170 m3 hinausgehenden m3 (inkl. 10 % USt)

[…]

[…]

[…]

[…]

Kanalbenüt-zungsgebühr für

ungeklärte

Abwässer

[…]

246,40

1,54

[…]

Jahresmindestgebühr (inkl. 10 % USt)

pro m3 Wasserverbrauch für jeden über

160 m3 hinausgehenden m3 (inkl. 10 % USt)

[…]"

6. Die Wasserleitungsgebührenordnung der Gemeinde Reith bei Kitzbühel, Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde Reith bei Kitzbühel vom 17. November 2008, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 18. November bis 4. Dezember 2008, (in der Folge: Wasserleitungsgebührenordnung 2008) lautet auszugsweise (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"§1 – Einteilung der Gebühren

(1) Zur Deckung der erstmaligen Herstellungskosten der Gemeindewasserversorgungsanlage und zur Deckung der Instandhaltungs-, Erneuerungs-, Betriebs- und Verwaltungskosten erhebt die Gemeinde für den Anschluss eines Grundstückes an die Wasserversorgungsanlage

a) eine Anschlussgebühr, für den laufenden Wasserbezug

b) eine Wasserbenützungsgebühr (Wasserzins) und für die Bereitstellung von Wasserzählern

c) eine Zählergebühr.

[…]

§2 – Entstehung der Gebührenpflicht

[…]

(3) Die Pflicht zur Entrichtung der laufenden Wasserbenützungsgebühr und der Zählergebühr entsteht mit dem Zeitpunkt des erstmaligen Wasserbezuges.

[…]

[…]

§4 – Bemessungsgrundlage und Höhe der Wasserbenützungsgebühr (Wasserzins)

(1) Bemessungsgrundlage ist der durch Wasserzähler gemessene

Wasserverbrauch und beträgt die Höhe des Wasserzinses pro m3               EUR 0,50,

wobei der Wasserzins bis zu einem Jahreswasserverbrauch von 130 m3

als einheitliche Jahresmindestgebühr berechnet wird und somit               EUR 65,00

beträgt und für jeden über die 130 m3 hinaus verbrauchten m3 Wasser EUR 0,50

(2) Von Neubauten, bei denen während der Bauzeit Gemeindewasser

ohne Zähler verwendet wird, beträgt die Bauwassergebühr pro m3

umbauten Raum                             EUR 0,22

(3) Die angeführten Wasserbenützungsgebühren verstehen sich alle inklusive der jeweils geltenden Umsatzsteuer.

(4) Störungen oder Beschädigungen der Wasserzähler sind dem Gemeindeamt unverzüglich anzuzeigen.

[…]

§7 – Gebührenschuldner

Zur Entrichtung der Gebühren sind die Eigentümer der angeschlossenen Grundstücke verpflichtet. Bei baulichen Anlagen auf fremden Grund ist der Eigentümer der baulichen Anlage, im Falle eines Baurechtes der Bauberechtigte Abgabenschuldner.

[…]

§9 – In-Kraft-Treten

(1) Diese Verordnung tritt mit 01.01.2009 in Kraft.

(2) Mit dem In-Kraft-Treten dieser Verordnung treten alle bisher beschlossenen Wasserleitungsgebührenordnungen außer Kraft."

7. Die Kanalgebührenordnung der Gemeinde Reith bei Kitzbühel, Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde Reith bei Kitzbühel vom 17. November 2008, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 18. November bis 4. Dezember 2008, (in der Folge: Kanalgebührenordnung 2008) lautet auszugsweise (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"§1 – Einteilung der Gebühren

(1) Zur Deckung der erstmaligen Herstellungskosten der Gemeindekanalisationsanlage und zur Deckung der Instandhaltungs-, Erneuerungs-, Betriebs- und Verwaltungskosten sowie zur Deckung der von der Gemeinde Reith b. Kitzbühel an den Abwasserverband Reither Ache zu leistenden Beiträge erhebt die Gemeinde für den Anschluss eines Grundstückes an die Kanalisationsanlage

a) eine Anschlussgebühr,

für die Benützung der Kanalisationsanlage

b) eine laufende Kanalbenützungsgebühr

und für die Einleitung von Dachabwässern

c) eine laufende Gebühr für eingeleitete Dachabwässer.

[…]

§2 – Entstehung der Gebührenpflicht

[…]

(3) Die Pflicht zur Entrichtung der laufenden Kanalbenützungsgebühr entsteht mit dem Zeitpunkt der erstmaligen Einleitung von Abwässern in die Kanalisationsanlage.

[…]

[…]

§4 – Bemessungsgrundlage und Höhe der laufenden Kanalbenützungsgebühr

(1) Bemessungsgrundlage ist der durch Wasserzähler gemessene Wasser-

verbrauch und beträgt die Höhe der laufenden Kanalbenützungsgebühr

pro m3                             EUR 1,65,

wobei die Kanalbenützungsgebühr bis zu einem Jahreswasserverbrauch

von 130 m3 als einheitliche Jahresmindestgebühr berechnet wird und

somit                                           EUR 214,50

beträgt und für jeden über die 130 m3 hinaus verbrauchten m3 Wasser EUR 1,65

Die angeführten Kanalbenützungsgebühren verstehen sich alle inklusive der jeweils geltenden Umsatzsteuer.

(2) Sollte für ein Gebäude oder für bestimmte Anlagenteile eines Gebäudes wie z.B. WC-Spülungen eine eigene Wasserversorgung (Eigenquelle, Grundwasser etc.) bestehen, so ist auch dieser Wasserverbrauch über einen Wasserzähler der Gemeinde zu erfassen und bildet bzw. erhöht dieser gemessene Verbrauch die Bemessungsgrundlage für die Kanalbenützungsgebühr nach Absatz 1.

(3) Landwirtschaftliche Wirtschaftsgebäudeteile sind von der laufenden Kanalbenützungsgebühr befreit, wenn der darin anfallende Wasserverbrauch durch einen Wasserzähler der Gemeinde erfasst wird.

(4) Störungen oder Beschädigungen der Wasserzähler sind dem Gemeindeamt unverzüglich anzuzeigen.

[…]

§7 – Gebührenschuldner

(1) Zur Entrichtung der Gebühren sind die Eigentümer der angeschlossenen Grundstücke verpflichtet. Bei baulichen Anlagen auf fremden Grund ist der Eigentümer der baulichen Anlage, im Falle eines Baurechtes der Bauberechtigte Abgabenschuldner.

[…]

§9 – In-Kraft-Treten

(1) Diese Verordnung tritt mit 01.01.2009 in Kraft.

(2) Mit dem In-Kraft-Treten dieser Verordnung treten alle bisher beschlossenen Kanalgebührenordnungen außer Kraft."

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Verfahrens

Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweisen sich die Verordnungsprüfungsverfahren insgesamt als zulässig.

2. In der Sache

Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes konnten in den Verordnungsprüfungsverfahren nicht zerstreut werden.

Wenn die Tiroler Landesregierung im Anlassverfahren ausführt, dass die Medianwerte nach Berechnungen der Gemeinde Reith bei Kitzbühel für Wasser bei 132 m3 und für Abwasser bei 130 m3 liegen würden, so nimmt sie offensichtlich auf Erhebungen im Zeitraum 1. Oktober 2007 bis 30. September 2008 Bezug, die der Erlassung der am 1. Jänner 2009 in Kraft getretenen Wassergebührenordnung 2008 und der Kanalgebührenordnung 2008 zugrunde gelegt worden sind. Der Verfassungsgerichtshof hat jedoch nicht diese beiden Verordnungen, sondern Bestimmungen aus der Wassergebührenordnung 2005 und aus der Kanalgebührenordnung 2005 (in jeweils zwei Fassungen) mit der Begründung in Prüfung gezogen, dass genau diese, sich aus dem Gleichheitssatz ergebenden (vgl. VfSlg 16.456/2002) und für die beiden Verordnungen aus dem Jahr 2008 durchgeführten Erhebungen der Erlassung der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen nicht vorangegangen seien, sodass er die darin festgelegten Jahresmindestgebühren für die Wasserbenützung von € 85,- für bis zu 170 m3 Wasserverbrauch und für die Kanalbenützung von € 235,20 bzw. € 246,40 für bis zu 160 m3 Abwasserentsorgung nicht nachprüfen könne. Da auch im Verordnungsprüfungsverfahren keine Unterlagen vorgelegt worden sind, aus denen sich ergibt, dass sowohl der Mittelwert als auch der Medianwert vor Erlassung der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen mindestens 170 m3 für den Wasserverbrauch und mindestens 160 m3 für die Abwasserentsorgung betragen haben, trifft das vom Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss dargelegte Bedenken zu.

IV. Ergebnis

1. §5 Abs2 und 3 der Wasserleitungsgebührenordnung 2005, §5 Abs2 und 3 der Wasserleitungsgebührenordnung 2005 in der Fassung der Ausschreibungsordnung 2007, §5 der Kanalgebührenordnung 2005 in der Fassung der Einhebungsordnung 2006 und §5 der Kanalgebührenordnung 2005 in der Fassung der Ausschreibungsordnung 2007 verstoßen daher gegen den auch den Verordnungsgeber bindenden Gleichheitssatz.

Da die als gesetzwidrig erkannten Bestimmungen mit einem auf die Vergangenheit beschränkten zeitlichen Anwendungsbereich weiterhin in Geltung stehen, ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (siehe zB VfSlg 19.343/2011 mwN) mit Aufhebung nach Abs3 des Art139 B-VG und nicht mit einem Ausspruch nach Abs4 dieser Verfassungsbestimmung vorzugehen.

2. Die Verpflichtung der Tiroler Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §59 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 litj Tir. Landes-VerlautbarungsG 2013.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Finanzverfassung, Finanzausgleich, Abgaben Gemeinde-, Wasserversorgung, Kanalisation Abgaben, Gebühr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2014:V67.2014

Zuletzt aktualisiert am

22.10.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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