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96 StraßenbauNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Keine Gesetzwidrigkeit einer TrassenV betreffend die B 200 Bregenzerwaldstraße mangels Durchführung eines Verfahrens nach dem UVP-G; keine Verpflichtung Österreichs zur Anwendung des UVP-G durch die EU-Richtlinie über die UmweltverträglichkeitsprüfungSpruch
I. beschlossen:
Der Antrag der R GesmbH & Co KG wird zurückgewiesen;
II. gemäß Art139 B-VG zu Recht erkannt:
Der Antrag des C G wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Die antragstellende GesmbH & Co KG betreibt auf dem ihrem geschäftsführenden Gesellschafter gehörenden Grundstück 650 KG Schwarzach ein Orgelbauunternehmen. Mit der am 11. Jänner 1996 kundgemachten Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, BGBl. 14, wurde der Straßenverlauf eines Abschnittes der B 200 Bregenzerwaldstraße im Bereich der Gemeinden Wolfurt, Dornbirn, Schwarzach, Bildstein und Alberschwende neu bestimmt. Die den Planunterlagen zu entnehmenden Grenzen des Bundesstraßenbaugebietes verlaufen innerhalb des Grundstückes 650 parallel zur Grundgrenze.
1. Mit dem vorliegenden Antrag bekämpfen die Gesellschaft und ihr geschäftsführender Gesellschafter diese Verordnung zur Gänze, allenfalls im Abschnitt zwischen der Bahnlinie der ÖBB und der Landesstraße L 3.
Während der Auflegung der Planungsunterlagen zur öffentlichen Einsicht im Zuge des Ende Mai 1994 eingeleiteten Anhörungsverfahrens (§4 Abs5 BundesstraßenG) hätten die Antragsteller mit den im Antrag einleitend wörtlich wiedergegebenen grundsätzlichen Einwendungen den Straßenneubau abgelehnt (als kapazitätssteigernde Verbindung mit strukturellen Folgen für den Bregenzerwald, wegen fehlender Umweltverträglichkeitsprüfung und fehlenden Gesamtkonzepts, Konkurrenzierung des öffentlichen Verkehrs, Nichtberücksichtigung günstigerer Alternativen und fehlender Begleitmaßnahmen sowie ökologischer Bedenken) und auf die Gefahr von Schäden durch den Bau, Bestand und Betrieb der neuen B 200 für das Orgelbauunternehmen hingewiesen. Trotz ihrer Bitte seien ihnen nach Erlassung der Verordnung die zu diesen Einwendungen angestellten Überlegungen nicht mitgeteilt oder Kopien der Unterlagen übermittelt worden. Die Antragsteller wollen daher "bis zum Beweis des Gegenteils davon aus(zu)gehen", daß die Behörde keine nach den gesetzlichen Kriterien abgewogene Entscheidung getroffen habe. Das Verfahren sei ferner deshalb nicht ordnungsgemäß geführt worden, weil das Umweltverträglichkeitsprüfungs-Gesetz nicht angewendet worden sei. Entgegen dessen §46 Abs4, wonach die Bestimmungen bezüglich Bundesstraßen und Hochleistungsstrecken auf Vorhaben nicht anzuwenden seien, für die das Anhörungsverfahren bis zum 30. Juni 1994 eingeleitet wurde, verpflichte die seit 1. Jänner 1994 durch Österreich umzusetzende, keine Übergangsbestimmung enthaltende (gemeint offenbar: am 1. Jänner 1995 mit Anwendungsvorrang wirksam gewordene) Richtlinie der Europäischen Union über die Umweltverträglichkeitsprüfung zur Anwendung des Gesetzes auch auf dieses Verfahren. Die Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit des Vorhabens seien nicht hinreichend erhoben und gegen die sonstigen Entscheidungskriterien abgewogen worden; außerdem sei auf die durch den Bau, Bestand und Betrieb der neuen Trasse insbesondere auch durch die Boden- und Grundwasserverhältnisse entstehende Gefahr für das angrenzende Orgelbauunternehmen nicht Bedacht genommen worden.
2. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten, der im Zuge seiner Äußerung darauf hinweist, daß die Trasse entlang der Grundgrenze zur Gänze auf dem Nachbargrundstück verlaufe und keine Grundfläche abzulösen sei, vermißt eine Darlegung, inwieweit in die Rechtssphäre der Antragsteller eingegriffen werde, und führt in der Sache aus, die Behörde habe sich bei Erörterung der Ergebnisse des Anhörungsverfahrens Punkt für Punkt (auch) mit dem Vorbringen der Antragsteller auseinandergesetzt (und das Auskunftsbegehren am 8. Mai 1996 auch beantwortet), die Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung nicht anwenden müssen, weil es sich nicht um eine Autobahn oder Schnellstraße handle, in Form einer umfangreichen Nutzen-Kosten-Untersuchung einerseits "sieben Planfälle ... durch Auswahl geeigneter Indikatoren beurteilt, gegeneinander abgewogen und die Bestvariante ausgewählt", wobei sich die Amtsvariante als die wirtschaftlichste Lösung erwiesen habe, andererseits auch die Umweltverträglichkeit der Planfälle verglichen, wobei den Amtsentwurf auch die beste Umweltverträglichkeit mit den geringsten negativen Einflüssen auszeichne. Im Bereich des Betriebsgrundstückes der Antragsteller sei eine Gesamtablöse nicht in Erwägung gezogen worden, weil es durch den Trassenverlauf nicht in Anspruch genommen werde, im Hinblick auf die Gefahr der Setzung des Baugrundes aber ein lärm- und schwingungstechnisches sowie - nach Durchführung von Bohrungen - ein bodentechnisches Gutachten eingeholt worden; es stünden Baumethoden zur Verfügung, die Erschütterungen mit Schadensfolgen auf Nachbarliegenschaften vermeiden könnten; Schutzmaßnahmen gegen den Baulärm kosteten mit 500.000 S nur einen Bruchteil allfälliger Ablösekosten; zur Vermeidung einer Störung der Grundwasserhorizonte würden die abgesenkten Abschnitte der Trasse in wasserdichten Wannen geführt.
II. Nur der Antrag des Grundeigentümers ist zulässig. Die auf dem Grundstück das Orgelbauunternehmen betreibende Gesellschaft ist zur Antragstellung nicht legitimiert.
Daß Eigentümer von Grundstücken, die im Bundesstraßenbaugebiet liegen, auch wenn ihr Grund für die herzustellende Trasse nicht benötigt wird, von einer Trassenverordung unmittelbar betroffen werden und diese mit einem Antrag nach Art139 B-VG bekämpfen können, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 9823/1983, 10581/1985, 11755/1988, 12084/1989, 12864/1991, 12949/1991, 13191/1992, 13481/1993 und 14433/1996).
Die verordnete Trasse bildet offenbar auch eine Einheit.
Die wirtschaftliche Betroffenheit der antragstellenden Gesellschaft wird jedoch erst durch den (Gesellschafts-)Vertrag vermittelt, der ihr das Recht auf Benutzung dieses Grundstückes einräumt. Durch Einräumung obligatorischer Benutzungsrechte kann der Kreis der durch eine Trassenverordnung Betroffenen jedoch nicht erweitert werden. Daß der Gesellschaft ein Recht zustünde, das durch die Einbeziehung eines Liegenschaftsteiles in ein Straßenbaugebiet berührt werden könnte, tut der Antrag nicht dar. Er ist daher insoweit mangels Legitimation zurückzuweisen (§19 Abs3 Z2 lite VerfGG).
III. Der zulässige Antrag des Grundeigentümers ist jedoch nicht begründet.
Zu bemerken ist vorweg, daß der Antrag, soweit er aus einer behaupteten Verweigerung von Auskünften und der Mitteilung von Überlegungen oder Übermittlung von Unterlagen schließt, daß die Behörde keine gesetzmäßige Entscheidung getroffen hat, keine zureichend konkretisierten Bedenken gegen die Verordnung vorträgt. Im übrigen ist der Verfassungsgerichtshof im Verfahren nach Art139 B-VG an die vorgetragenen Bedenken gebunden, und diese sind im einzelnen darzulegen (§57 Abs1 Satz 2 VerfGG). Daß die Behörde den Einwendungen des Antragstellers gegen das Straßenbauvorhaben nicht Rechnung getragen hat, tut solche Bedenken nicht im einzelnen dar. Auch darauf ist daher nicht einzugehen.
Auch die vorgetragenen Bedenken treffen aber nicht zu:
1. In erster Linie rügt der Antrag, daß kein Verfahren nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungs-Gesetz, BGBl. 697/1993, durchgeführt wurde. Er setzt sich über die Bestimmung des §46 Abs4 dieses Gesetzes, wonach die Bestimmungen des dritten Abschnittes - Umweltverträglichkeitsprüfung für Bundesstraßen und Hochleistungsstrecken - auf Vorhaben nicht anzuwenden sind, für die das nach dem Bundesstraßengesetz vorgesehene Anhörungsverfahren bis zum 30. Juni (dem Tag vor Inkrafttreten des Gesetzes) eingeleitet wurde, mit der Behauptung hinweg, es sei die Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 1985 L 175, 40) anzuwenden gewesen. Auch die im Auflageverfahren vorgebrachten Einwendungen gehen zum Thema Umweltverträglichkeitsprüfung über diese Behauptung nicht hinaus.
Mit diesem Vorbringen unterläuft dem Antragsteller ein grundlegender Irrtum. Die in Rede stehende Richtlinie verpflichtet Österreich nicht, das von ihm erlassene Umweltverträglichkeitsprüfungs-Gesetz anzuwenden, sondern nur dazu, für eine Umweltverträglichkeitsprüfung der in Art2 der Richtlinie gebotenen Art zu sorgen, wobei die Projekte der in Anhang II aufgezählten Klassen - wozu der Bau von Straßen (Punkt 10 litd) gehört, die nicht Autobahnen oder Schnellstraßen sind (Anhang I Punkt 7) - dieser Prüfung nur unterzogen werden müssen, wenn ihre Merkmale nach Auffassung der Mitgliedstaaten das erfordern.
Mit dem Hinweis auf das Unterbleiben der Anwendung des Umweltverträglichkeitsprüfungs-Gesetzes ist daher eine Gesetzwidrigkeit der in Rede stehenden Verordnung nicht dargetan. Der Antrag müßte vielmehr schon von seinem eigenen Ausgangspunkt her im einzelnen darlegen, warum und inwieweit der Antragsteller der Meinung ist, der Gesetzgeber habe den ihm von Art2 Abs1 und Art4 Abs2 der Richtlinie eröffneten Spielraum überschritten, weil das anstehende Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung erfordere, und inwiefern die in §4 des BundesstraßenG vorgesehene Umweltverträglichkeitsprüfung (Abs1) ungeachtet des Umstandes, daß vor Erlassung der Verordnung ausreichende Planunterlagen durch sechs Wochen in den berührten Gemeinden zur öffentlichen Einsicht aufzulegen sind, innerhalb welcher Frist jedermann sich dazu mit der Wirkung äußern kann (Abs5), daß auf die Ergebnisse der Anhörung Bedacht zu nehmen ist, der genannten Richtlinie nicht entsprechen. In dieser Richtung bringt der Antrag nichts vor. Von Amts wegen hat der Gerichtshof aber im vorliegenden Verfahren keine Bedenken aufzuwerfen (ein Umstand, dem auch das Urteil des EuGH vom 24. Oktober 1996, Rs C-72/95, Kraaijeveld u.a., Slg. 1996, I-5403, entscheidende Bedeutung beimißt, wenn er das nationale Gericht für verpflichtet hält, die ihm eröffnete Möglichkeit, auch nicht geltend gemachte rechtliche Gesichtspunkte von Amts wegen aufzugreifen, im Rahmen einer Nichtigkeitsklage auch in bezug auf die Einhaltung des von der Richtlinie festgelegten Ermessensspielraumes wahrzunehmen).
Wie sich die Rechtslage angesichts des stufenweisen Überganges zur Geltung der Richtlinie kraft Beitritts zur Europäischen Union darstellt und welche Folgen allfällige Verstöße gegen die Richtlinie im Einzelfall nach sich zögen, muß folglich dahingestellt bleiben.
2. Was die Gesetzmäßigkeit der Verordnung im Hinblick auf §4 BundesstraßenG in diesem Zusammenhang betrifft, erschöpft sich der Antrag im Satz, die "Umweltverträglichkeit" sei nicht hinreichend erhoben und/oder mit den anderen vorgeschlagenen Varianten verglichen sowie gegenüber den sonstigen gesetzlichen Entscheidungskriterien abgewogen worden.
Diesem Vorwurf ist entgegenzuhalten, daß schon der Detailentwurf 1991 (Änderung 1993) einen ausführlichen Bericht über die Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt enthielt und im März 1994 eine Umweltverträglichkeitserklärung die Ergebnisse zusammenfaßte. Der Verfassungsgerichtshof kann daher die nicht näher spezifizierten Bedenken des Antrages nicht teilen.
3. Die Wirtschaftlichkeit der verordneten Trasse bezweifelt der Antrag insbesondere deshalb, weil die Kosten einer Einlösung des Betriebes und dessen Verlegung (in Höhe von mindestens 40 bis 50 Mio S) nicht erhoben und nicht berücksichtigt worden seien.
Dieser Vorwurf beruht auf der von der Behörde aufgrund des Sachverständigengutachtens nicht geteilten Auffassung, das Vorhaben mache die Absiedlung des Betriebes unumgänglich. Der Verfassungsgerichtshof kann der Einschätzung des Gutachtens, daß eine Weiterführung des Orgelbaubetriebes nach einer bauakustischen Sanierung der Außenwände der Betriebsanlage und dem Bau eines vorgelagerten Raumes im Bereich der Intonationsräume trotz des später zu erwartenden Verkehrslärms, während der Bauzeit aber bei Einhaltung entsprechender Auflagen möglich ist, nicht entgegentreten. Auch in seiner Äußerung im Auflageverfahren hat der Antragsteller diesbezüglich nur Befürchtungen artikuliert.
Die vorgetragenen Bedenken treffen also nicht zu. Ob der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten von dem ihm durch §4 Abs1 BundesstraßenG eingeräumten Planungsermessen in allen Punkten richtig Gebrauch gemacht hat, kann in diesem Verfahren nicht geprüft werden. Der Antrag ist daher abzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Straßenverwaltung, Trassierungsverordnung, Straßenverlaufsfestlegung, Umweltschutz, Umweltverträglichkeitsprüfung, EU-Recht Richtlinie, VfGH / BedenkenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:V46.1996Dokumentnummer
JFT_10019697_96V00046_00