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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde 1. der A in B, 2. der C, 3. der D, beide in E, alle vertreten durch Dr. Peter Kammerlander, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kalchberggasse 12, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom 23. Februar 2011, Zl. BMWFJ-96.205/0043-I/11/2010, betreffend eine Vermessungsangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1. F, 2. G, beide in E, beide vertreten durch Dr. Hans-Peter Neher, Rechtsanwalt in 4820 Bad Ischl, Pfarrgasse 5/II), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerinnen haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit der an das Vermessungsamt Gmunden gerichteten Eingabe vom 14. Jänner 2009 beantragten die mitbeteiligten Parteien als Grundstückseigentümer die Grenzvermessung der Grundstücke Nr. 1156, 1157 und .210 der Katastralgemeinde H zum Zwecke der Umwandlung in den Grenzkataster.
Die Beschwerdeführerinnen sind Miteigentümerinnen des an diese Grundstücke angrenzenden Grundstückes Nr. 1175/2 desselben Grundbuchs.
Die Parteien einigten sich nicht über den Grenzverlauf.
Mit Bescheiden des Vermessungsamtes Gmunden je vom 19. November 2009 wurden die Beschwerdeführerinnen "aufgefordert, binnen sechs Wochen ein für die Bereinigung des Grenzstreites bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen. Diese Aufforderung betrifft die gesamte Grenze zwischen dem Grundstück Nr. 1175/2 und den Grundstücken Nr. 1156 und 1157 der KG H (42023)."
Die dagegen erhobenen Berufungen der Beschwerdeführerinnen wurden mit Bescheid des Vermessungsamtes Gmunden vom 15. Mai 2010 abgewiesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurden die gegen diesen Berufungsbescheid des Vermessungsamtes Gmunden vom 15. Mai 2010 erhobenen Berufungen der Beschwerdeführerinnen abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde entscheidungswesentlich aus: Es sei unbestritten, dass in der Urmappe die Grenze zwischen den Grundstücken Nrn. 1175/1 und 1175/2 einerseits und den Grundstückern Nrn. 1156, .210 und 1157 andererseits von Norden nach Süden beginnend beim Grundstück Nr. 1445/2 weitgehend geradlinig bis zur Südwestecke des Gebäudes Grundstück Nr. .210 verlaufe, in der Folge mit einigen Punkten leicht nach Westen abknicke und sodann mit weiteren Knickpunkten in östliche Richtung beim damaligen Grundstück Nr. 1161 ende. Unbestritten sei weiters, dass die Lage des in der Urmappe dargestellten Gebäudes auf Grundstück Nr. .210 nicht mit der Lage des nunmehr bestehenden Gebäudes übereinstimme. Das in der Natur bestehende Gebäude Grundstück Nr. .210 sei gegenüber der Darstellung in der Urmappe um ca. 30 Grad verdreht. Der in der Urmappe dargestellte südwestliche Gebäudeeckpunkt sei in der Natur rund 10 m vom Gebäudeeckpunkt (ohne Zubau) entfernt. Das Gebäude sei in der Urmappe an der südlichsten Seite mit einer Breite von 20 m dargestellt; tatsächlich sei das bestehende Gebäude aber 18 m breit.
Es stehe fest, dass die Darstellung in der Digitalen Katastralmappe (DKM) nicht mit der Darstellung in der Urmappe übereinstimme. Nach der Anlegung der Urmappe im Maßstab 1:2880 sei keine weitere Grenzvermessung erfolgt. Im Zuge der Umbildung der alten Katastralmappe auf den Maßstab 1:1000 sei der Grenzverlauf unter Einbindung einer Luftbildauswertung im Bereich der Grundstücke Nrn. 1175/2, 1157 und .210 erheblich geändert worden, ohne dass hierfür Pläne zur Verfügung gestanden wären. Der Grenzverlauf sei somit nicht auf bestehende Pläne gegründet worden, vielmehr sei der Grenzverlauf auf das in der Luftbildauswertung zu sehende Gebäude "hingezogen" worden. Die Genauigkeit dieser Darstellung habe durch aktuellere Vermessungen nicht verbessert werden können und könne in der DKM demnach nicht besser sein als in der ursprünglichen Mappendarstellung. Die Darstellung in der Urmappe stimme mit der Darstellung in der DKM nur insofern überein, als beide Grenzen am Süd-Westeck des Gebäudes Grundstück Nr. .210 verliefen. Die Grenze selbst sei in der DKM weiter östlich dargestellt, die Abweichungen beider Darstellungen voneinander betrügen zwischen 40 cm und 5 m; im südlichen Bereich verlaufe die Grenze laut Urmappe weiter östlich als die Grenze laut DKM. Da der Grenzverlauf in der DKM aber nicht durch vorhandene Pläne oder Vermessungen verbessert, sondern nur aufgrund der Luftbildauswertung zum in der Natur bestehenden Gebäude "hingezogen" worden sei, sei die Darstellung des Grenzverlaufs in der DKM nicht unmittelbar als Nachweis hierfür geeignet.
In der zuständigen Gemeinde liege ein Bauakt aus dem Jahr 1956 auf, in dem ein Um- bzw. Anbau eines Stallgebäudes auf der Bauparzelle Grundstück Nr. .210 als bewilligt ausgewiesen werde; die beigezogenen Anrainer seien mit dem Anbau gemäß Bauplan einverstanden gewesen.
Die nach Aussagen der Beschwerdeführerinnen seit rund 29 Jahren bestehenden Holzpflöcke seien über Auftrag der mitbeteiligten Parteien im Jahre 2004 von DI I vermessen worden. Die Lage dieser Pflöcke decke sich im nördlichen Grenzbereich im Rahmen der Genauigkeit der Urmappe weitgehend mit dem Grenzverlauf dieser Mappe. Die südlichsten Pflöcke wichen bis zu 2,5 m von der westlich verlaufenden Grenze laut Urmappe ab.
Der Plan des Vermessers DI I vom 12. April 1983 beinhalte eine Mappenberichtigung und eine Straßenvermessung des Grundstückes Nr. 1445/2, welches im Süden an die Grundstücke Nrn. 1175/1 und 1156 grenze. In diesem Bereich seien die Punkte 5267 bis 5272 eingemessen. Im Punkt 5268 beginne die Grenze zwischen den Grundstücken Nrn. 1175/1 und 1156. Für diesen Bereich lägen auch die unterschriebenen Zustimmungserklärungen der damaligen Grundstückseigentümer vor.
Der Plan von DI J vom 3. Mai 1991 beinhalte eine Mappenberichtigung und eine Grenzdarstellung. Die Punkte 5267 bis 5272 seien überprüft worden und wiesen die identen Koordinaten wie im Plan von DI J aus. Die Punkte 7826 und 7827 seien als neue Punkte angegeben. Vom Planverfasser sei die Übereinstimmung hinsichtlich des unverändert gebliebenen Grenzverlaufs nur für die Mappenberichtigung im Grenzbereich zwischen den Grundstücken Nrn. 1175/2 und 1254 beurkundet worden.
Im Teilungsplan "Wegumlegung K" von DI I vom 22. März 2002 sei eine Mappenberichtigung im Bereich des Weges Grundstück Nr. 1145/2 und der Grundstücke Nrn. 1156 und 1157 angezeigt worden. Das Trennstück 1 des Weg-Grundstückes 1145/2 sei den mitbeteiligten Parteien als Miteigentümern, das Trennstück 2 hingegen dem Grundstück Nr. 1145/2 zugeschrieben worden. Die Grenze der den Parteien des Beschwerdeverfahrens gehörenden Grundstücke sei von diesem Plan hingegen nicht betroffen.
Weitere Pläne, die den Grenzverlauf zwischen den Grundstücken der Parteien des Beschwerdeverfahrens beträfen, gebe es nicht.
Ein Vergleich der Parteienangaben zum Grenzverlauf ergebe, dass die Angaben im Bereich der Punkte 84 bis 93 übereinstimmten; hier lasse sich auch eine Übereinstimmung der angegeben Grenzverläufe mit den vorhandenen Pflöcken feststellen. Zwischen den Punkten 93 und 38 bzw. 7826 werde von den mitbeteiligten Parteien ein Grenzverlauf entlang der alten Pflöcke angegeben, der sich im Rahmen der Zeichengenauigkeit der Urmappe mit dem sich aus der Urmappe ergebenden Grenzverlauf decke. Der von den Beschwerdeführerinnen hingegen angegebene Grenzverlauf knicke stark nach Osten ab. Im Bereich des Kanaldeckels betrage die Abweichung des von den Beschwerdeführerinnen angegebenen Grenzverlaufs zur Urmappe etwa 7 m, die Abweichung von der Darstellung in der DKM, die durch das ursprüngliche Gebäudeeck des Gebäudes Grundstück Nr. .210 verlaufe, betrage ca. 2 m. Von Punkt 7826 bis Punkt 5268 deckten sich die Angaben der mitbeteiligten Parteien mit den vorhandenen, zuvor beschriebenen Planunterlagen. Die von den Beschwerdeführerinnen hingegen angegebene Grenze verlaufe entlang des Gebäudes ca. 1 m weiter östlich bis zum Punkt 5268. Die Angaben der mitbeteiligten Parteien lägen demnach im gesamten Grenzverlauf wesentlich näher bei dem sich aus der Urmappe ergebenden Grenzverlauf. Die Angaben der Beschwerdeführerinnen lägen im Bereich des Gebäudeecks zwar wesentlich näher bei der DKM-Darstellung, wichen aber auch davon um bis zu 2 m ab.
Selbst wenn man von einem seit der Urmappe unveränderten Gebäude auf Grundstück Nr. .210 ausginge, klafften der Eckpunkt (ohne Zubau) in der Natur und der Eckpunkt laut Urmappe um 10 m auseinander. Der in der Urmappe dargestellte Stand lasse sich folglich nicht zweifelsfrei und problemlos in den jetzigen Stand umlegen. Von einem unverrückten Grenzpunkt, an dem unbedingt festzuhalten sei, könne daher nicht die Rede sein. Da es zwischen diesen beiden Gebäudedarstellungen derart große Abweichungen gebe, könne das Festhalten an diesem Punkt als Grenzpunkt nicht als "unumstößliche und vorrangigste Bedingung" gesehen werden. Ein Festhalten an diesem Grenzpunkt würde eine Verschiebung der gesamten Grenze bedingen, die in dieser Form auch von den Beschwerdeführerinnen nicht gefordert werde. Das Beibehalten dieses Eckpunktes als Grenzpunkt würde einen starken Knick im Grenzverlauf auf der Höhe von Punkt 93 bewirken, der jedenfalls nicht der Grenzdarstellung der Urmappe entsprechen würde.
Der Verweis der Beschwerdeführerinnen auf § 1 Abs. 5 Vermessungsverordnung 2010 - VermV sei nicht zielführend, weil sich diese Bestimmung auf die Kennzeichnung von Grenzen beziehe, die bereits festgelegt seien.
In keinem Gerichtsurteil sei ein Grenzverlauf als richtig festgestellt worden, vielmehr seien nur Anträge auf Feststellung eines behaupteten Grenzverlaufs rechtskräftig zurückgewiesen worden. Auch eine Anerkennung der Richtigkeit der Grenzdarstellung gemäß DKM könne aus keiner Gerichtsentscheidung abgeleitet werden.
Da der Stand der Urmappe mit dem Gebäude auf Grundstück Nr. .210 in der Natur nicht in Übereinstimmung gebracht werden könne, erübrige sich eine weitere Beweisaufnahme zur Frage des Alters dieses Gebäudes.
Die Beschwerdeführerinnen hätten diesbezüglich vorgebracht, der Verhandlungsleiter habe im Gerichtsverfahren als Zeuge der dort klagenden mitbeteiligten Parteien ausgesagt und nicht als Sachverständiger des Gerichts. Es sei nicht nachvollziehbar, woraus sich aus diesem Umstand eine Befangenheit ableiten lasse.
Eine Befangenheit des Verhandlungsleiters liege nicht vor.
Weder die Baufläche Grundstück Nr. .210 noch die Punkte 7826 und 7827, welche dem Plan des Dip.-Ing. J zu entnehmen seien, seien im Plan des DI I aus 1982 enthalten. Die Pläne lieferten aber keine verbindliche Aussage über den strittigen Grenzverlauf, weil die aus der DKM übernommenen Punkte weder vermessen noch verhandelt worden seien. Auch im Plan des DI J sei die Baufläche Grundstück Nr. .210 nicht Teil des Plans gewesen. Die Angaben der Beschwerdeführerinnen über den Grenzverlauf seien daher nicht wahrscheinlicher als die Angaben der mitbeteiligten Parteien. Die Angaben der Beschwerdeführerinnen stimmten weder mit der Urmappe noch mit der DKM-Darstellung überein. Die starken Abweichungen im Bereich des Kanaldeckels könnten nicht plausibel dargelegt werden. Selbst wenn das Gebäudeeck als Grenzpunkt angenommen werde, käme den Angaben der Beschwerdeführerinnen hinsichtlich des gesamten Grenzverlaufs weniger Wahrscheinlichkeit zu als den Angaben der mitbeteiligten Parteien. Vielmehr hätten - wie schon im Gerichtsurteil des Landesgerichtes Wels vom 30. Jänner 2007, 2 Cg 219/04i-46, festgehalten worden sei - bei der Beachtung der vorliegenden Beweisergebnisse gewichtige Anhaltspunkte für den Standpunkt der mitbeteiligten Parteien gesprochen.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 9. Juni 2011, B 453/11-5, die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde der Beschwerdeführerinnen abgelehnt und die Beschwerde zur Entscheidung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführerinnen durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht, nicht gemäß § 25 Abs. 2 VermG auf den Gerichtsweg verwiesen zu werden, verletzt. Sie machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Die mitbeteiligten Parteien beantragten in ihrer Gegenschrift
ebenfalls die kostenpflichtige Abweisung.
Die Beschwerdeführerinnen replizierten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist folgende Rechtslage des Vermessungsgesetzes, BGBl. Nr. 306/1968, (§ 18a VermG idF BGBl. Nr. 238/1975; auszugsweise) maßgeblich:
"Abschnitt III
Neuanlegung des Grenzkatasters
§ 15. (1) Die Einführung des Grenzkatasters in einer Katastralgemeinde erfolgt
1. durch die grundstücksweise vorzunehmende Umwandlung des Grundsteuerkatasters in einen Grenzkataster (teilweise Neuanlegung §§ 16 bis 20) oder
...
(2) Eine Neuanlegung kann nur in den Katastralgemeinden erfolgen, für die ein Festpunktfeld gemäß § 1 Z 1 lit. a vorhanden ist.
...
§ 17. Die Umwandlung (§ 15 Abs. 1 Z 1) erfolgt
1.
auf Antrag des Eigentümers gemäß § 18,
2.
auf Grund einer zu diesem Zwecke vorgenommenen Grenzvermessung (§ 34 Abs. 1),
...
§ 18. Dem Antrag auf Umwandlung gemäß § 17 Z 1 ist ein Plan einer der im § 1 Abs. 1 Z 1, 3 und 4 sowie Abs. 2 des Liegenschaftsteilungsgesetzes, BGBl. Nr. 3/1930, bezeichneten Personen oder Dienststellen, der den Voraussetzungen des § 39 Abs. 3 entspricht, anzuschließen.
§ 18a. (1) Die Eigentümer der angrenzenden Grundstücke, für die keine Zustimmungserklärung beigebracht worden ist, sind von der beabsichtigten Umwandlung gemäß § 17 Z 1 oder 3, unter Anschluß einer Belehrung über die Rechtsfolgen der Umwandlung, in Kenntnis zu setzen.
(2) Werden innerhalb von vier Wochen keine Einwendungen gegen die beabsichtigte Umwandlung erhoben, so gelten die im Plan dargestellten Grenzen als anerkannt und ist die Umwandlung vorzunehmen.
(3) Werden solche Einwendungen erhoben, so ist
1.
der Antrag gemäß § 17 Z 1 zurückzuweisen,
2.
im Falle des § 17 Z 3 die Eintragung im Grundsteuerkataster vorzunehmen.
...
§ 24. Zum Zwecke der Festlegung der Grenzen der Grundstücke sind an Ort und Stelle Grenzverhandlungen durchzuführen, zu denen sämtliche beteiligte Eigentümer zu laden sind.
§ 25. (1) In der Grenzverhandlung ist von den erschienen beteiligten Eigentümern nach Vorhalt der vorhandenen Behelfe (Grundsteuerkataster, Pläne und andere) der Verlauf der Grenzen festzulegen und in der Weise zu kennzeichnen, wie sie § 845 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches vorsieht. Kommen die Eigentümer der Kennzeichnungspflicht nicht nach, so ist die Kennzeichnung von Amts wegen gegen Kostenersatz vorzunehmen.
(2) Einigen sich die Eigentümer nicht über den Grenzverlauf und ist noch kein gerichtliches Verfahren anhängig, so ist der Eigentümer, der behauptet, daß die Grenze nicht mit dem sich auf Grund der Behelfe ergebenden Grenzverlauf übereinstimmt, aufzufordern, binnen sechs Wochen ein für die Bereinigung des Grenzstreites bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen. Läßt sich auf diese Weise der zur Einleitung des gerichtlichen Verfahrens aufzufordernde Eigentümer nicht ermitteln, so ist derjenige Eigentümer aufzufordern, dessen Behauptung den sonstigen in der Grenzverhandlung hervorgekommenen Umständen nach den geringeren Grad der Wahrscheinlichkeit besitzt.
(3) Wird eine von einem Eigentümer auf Grund der Aufforderung nach Abs. 2 eingebrachte Klage rechtskräftig abgewiesen, so gilt im Verhältnis zu ihm der von den übrigen beteiligten Eigentümern in der Grenzverhandlung angegebene Grenzverlauf als richtig.
(4) Bringt ein Eigentümer auf Grund der Aufforderung nach Abs. 2 einen Antrag auf Berichtigung der Grenze nach den §§ 850 ff. des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches ein, so steht den Parteien die Möglichkeit, ihr besseres Recht im Prozeßweg geltend zu machen (§ 851 Abs. 2 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches), nur innerhalb von sechs Wochen nach rechtskräftiger Beendigung des außerstreitigen Verfahrens offen.
(5) Kommt der Eigentümer der Aufforderung nach Abs. 2 nicht fristgerecht nach oder setzt er ein anhängiges gerichtliches Verfahren nicht gehörig fort, so ist er als dem von den übrigen beteiligten Eigentümern in der Grenzverhandlung angegebenen Grenzverlauf oder, wenn eine den Grenzverlauf festsetzende außerstreitige gerichtliche Entscheidung vorliegt, als dem Inhalt dieser Entscheidung zustimmend anzusehen.
(6) Einigen sich die Eigentümer nicht über den Grenzverlauf und ist ein gerichtliches Verfahren anhängig, so sind hierauf die Bestimmungen der Abs. 3 bis 5 sinngemäß anzuwenden."
Die Beschwerdeführerinnen tragen vor, die Zuweisung der Klägerrolle sei auf Grund der vorliegenden Urteile des Landesgerichtes Wels vom 30. Jänner 2006, 2 Cg 219/04i, und vom 14. August 2008, 2 Cg 155/07g, bestätigt mit Urteilen des Oberlandesgerichtes Linz vom 28. August 2008, 6 R 55/07m, bzw. vom 15. Dezember 2008, 6 R 183/08, "nicht möglich". In diesen Urteilen werde nämlich festgestellt, "dass eine Grenzvermessung so wie sie im Lageplan des DI I GZ 4936/04 vom 24.05.2004 dargestellt ist den mitbeteiligten Parteien nicht zusteht". Im Urteil des Landesgerichtes Wels vom 30. Jänner 2006 werde festgestellt, dass der Knotenpunkt der Grenzen der Grundstücke Nr. 1175/2, 1156, 1157 und .210 an der südwestlichen Ecke des Wirtschaftsgebäudes auf Grundstück Nr. .210 einen "Knoten" bilde und die Grenze des Grundstückes Nr. 1175/2 nicht von diesem Gebäudeeck nach Westen verschoben "abklafft". Es sei sohin gerichtlich festgestellt, dass die von DI I eingemessene Linie der "Stempen" nicht die Grenzlinie zwischen den Grundstücken der Parteien sein könne. Im Wiederaufnahmeverfahren 2 Cg 155/07g des Landesgerichtes Wels wiederum sei festgestellt worden, dass ein bestimmter Grenzverlauf eines nicht im Grenzkataster eingetragenen Grundstückes weder durch Grundbuchsauszüge noch durch Mappenkopien bewiesen werden könne. Die belangte Behörde gehe hingegen unrichtigerweise von der Verbindlichkeit der Darstellung in der Urmappe und von einer Errichtung des Gebäudes in Abweichung von dieser Urmappe aus. Da es sich jedoch um ein kombiniertes Wohn- und Wirtschaftsgebäude alter Substanz handle, sei eine solche "unbegründete" Annahme wohl erfahrungsfremd und stünde in Widerspruch zu den Vermessungsgrundsätzen und Rechtsgrundlagen. Die Verweisung auf den Gerichtsweg mit der Begründung, die Grenze ergebe sich aus dem Vermessungsplan Dipl.-Ing. I GZ 4936/04 betreffend die Einmessung der "Stempen", stehe im klaren Widerspruch zu den erwähnten zivilgerichtlichen Urteilen, nach welchen von einem durch den Festpunkt "südwestliche Ecke des alten Gebäudes .210" gekennzeichneten Grenzverlauf auszugehen sei. Da es sich hinsichtlich des erwähnten Grenzknotens um einen durch das Gebäude dargestellten Festpunkt handle, hätte die belangte Behörde zur Rechtfertigung eines Abgehens von der festen Anknüpfung entsprechende Erhebungen durchführen müssen.
Es könne nicht ohne klar und logisch nachvollziehbare Erhebungsgrundlagen von der Behörde angenommen werden, dass sich der fest an das Gebäudeeck angebundene Grenzknoten verselbständigt habe und in das freie Gelände abgedriftet sei. Die Behörden wären daher zu näheren Erhebungen, insbesondere über bauliche Veränderungen beim Gebäude auf Grundstück Nr. .210 und Einsichtnahme in die Protokolle über die Anlegung des Bezug habenden Grundbuchs verpflichtet gewesen.
Ohne sachliche Prüfung gingen die Behörden davon aus, dass der "vermessungstechnische Festpunkt Mauerecke - der Grenzknoten an der südwestlichen Ecke der Bauparzelle .210 Graben 13 - nicht als altbestehendes, dauerhaftes Grenz-Zeichen (im Sinne § 2 Abs. 3 VermV) beurteilt wird".
Mit diesem Vorbringen zeigen die Beschwerdeführerinnen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurden die Beschwerdeführerinnen in dem über Antrag der mitbeteiligten Parteien gemäß § 18 VermG eingeleiteten Verfahren (Umwandlung gemäß § 15 Abs. 1 Z 1 VermG) gemäß § 25 Abs. 2 VermG aufgefordert, binnen sechs Wochen für die Bereinigung des Grenzstreites ein gerichtliches Verfahren anhängig zu machen, weil ihre Behauptung des Grenzverlaufes nach Auffassung der Behörden den sonstigen in der Verhandlung hervorgekommenen Angaben nach den geringeren Grad der Wahrscheinlichkeit besitzt. Die Verweisung auf den Rechtsweg gemäß § 25 Abs. 2 VermG hat dann zu erfolgen, wenn sich die betroffenen Grundstückseigentümer nicht über den strittigen Grenzverlauf in der Grenzverhandlung (§ 25 Abs. 1 VermG) einigen konnten und in dieser Rechtssache noch kein gerichtliches Verfahren anhängig ist. Mit der Verweisung auf den Rechtsweg ist die Frage des strittigen Grenzverlaufes im gerichtlichen Rechtsweg zu klären.
Die Beschwerdeführerinnen bestreiten die Voraussetzungen für eine Verweisung auf den Rechtsweg nach § 25 Abs. 2 VermG mit dem Hinweis auf bindende rechtskräftige Gerichtsurteile. Diesem Vorbringen hat die Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend entgegengehalten, dass über den hier strittigen Grenzverlauf gerichtlich noch nicht entschieden wurde. In dem von den mitbeteiligten Parteien beim Landesgericht Wels gegen die Beschwerdeführerinnen eingeleiteten Verfahren (2 Cg 219/04i) wurde dem Klagebegehren auf Feststellung eines von den klagenden Mitbeteiligten behaupteten Grenzverlaufes deshalb nicht stattgegeben, weil der behauptete Grenzverlauf nicht festgestellt werden könne. Im Verfahren 2 Cg 155/07g des Landesgerichtes Wels wurde die Wiederaufnahmeklage der mitbeteiligten Parteien abgewiesen. Eine Bindung der Behörden an Gerichtsentscheidungen kann nur so weit eintreten, wie deren Rechtskraft reicht, das heißt, sie erfasst nur den Inhalt des Spruchs, nicht aber die Entscheidungsgründe (vgl. das hg Erkenntnis vom 28. November 2013, Zl. 2013/03/0070, mwN.). Ein Ausspruch über den strittigen Grenzverlauf erfolgte durch die genannten Gerichtsentscheidungen nicht. Die Voraussetzungen für die Verweisung auf den Rechtsweg gemäß § 25 Abs. 2 VermG liegen im Beschwerdefall somit vor.
Die belangte Behörde hat auf Grund der in der Grenzverhandlung vorgelegenen Behelfe im Sinne des § 25 Abs. 1 VermG, insbesondere der Darstellung der Grenze in der Urmappe und den in der Natur vorhandenen Pflöcken, nachvollziehbar dargelegt, dass die von den mitbeteiligten Parteien vorgetragenen Behauptungen zum strittigen Grenzverlauf plausibler sind als die Angaben der Beschwerdeführerinnen. Der Verwaltungsgerichtshof vermag auf Grund der nicht als unschlüssig zu erkennenden Würdigung der vorliegenden Beweise in der Annahme der belangten Behörde, die Behauptung der Beschwerdeführerinnen zum hier maßgeblichen strittigen Grenzverlauf besitze einen geringeren Grad der Wahrscheinlichkeit als diejenige der mitbeteiligten Parteien, keine Rechtswidrigkeit zu erblicken.
Insoweit die Beschwerdeführerinnen auf fehlende Feststellungen betreffend ein "altbestehendes, dauerhaftes Grenz-Zeichen" verweisen, ist ihnen neuerlich entgegenzuhalten, dass Sache des Beschwerdeverfahrens die Verweisung auf den Rechtsweg zur Klärung des strittigen Grenzverlaufes ist. Inwieweit die als fehlend gerügte Feststellung am Grad der Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 25 Abs. 2 letzter Satz VermG eine Veränderung herbeigeführt hätte, wird in der Beschwerde nicht dargelegt. Der behauptete Verfahrensmangel fehlender Feststellungen wurde somit nicht gesetzmäßig ausgeführt.
Insoweit die Beschwerdeführerinnen auch vor dem Verwaltungsgerichtshof die Behauptung einer Befangenheit des Verhandlungsleiters der Behörde erster Instanz aufrecht halten, sind sie auf die durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gedeckten Ausführungen im angefochtenen Bescheid zu verweisen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG weiter anzuwendenden §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 (siehe § 3 Z. 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014).
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 1 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden. Die Beschwerdeführerinnen werden durch die Erledigung der Beschwerdesache in keinem civil right im Sinne des Art. 6 EMRK verletzt. Mit dem angefochtenen Bescheid werden die Beschwerdeführerinnen durch die im § 25 VermG enthaltenen Verfahrensvorschriften auf den Gerichtsweg zur Klärung einer strittigen Grundstücksgrenze verwiesen. Die strittige Frage des Grenzverlaufes soll also erst vor den im Art. 6 EMRK vorgesehenen Gerichten entschieden werden.
Wien, am 12. August 2014
Schlagworte
Organisationsrecht Justiz - Verwaltung Verweisung auf den Zivilrechtsweg VwRallg5/1Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:2011060121.X00Im RIS seit
13.10.2014Zuletzt aktualisiert am
14.10.2014