TE Vfgh Beschluss 2014/10/8 G87/2014

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.10.2014
beobachten
merken

Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
EStG 1988 §39 f, §67 Abs6

Leitsatz

Unzulässigkeit eines Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des EStG 1988 hinsichtlich der Deckelung der begünstigten Besteuerung von Abfertigungen infolge Zumutbarkeit der Erwirkung eines Bescheides der Abgabenbehörde

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

1. Der Antragsteller ist seit 2005 Mitglied des Vorstandes einer Aktiengesellschaft. Sein aktuelles Monatsbruttogehalt beläuft sich auf € 50.000,–, 14 Mal jährlich. In seinem Vorstandsvertrag werden für den Fall der Beendigung des Vertragsverhältnisses Abfertigungsansprüche vereinbart. Diese betragen zum 30. April 2014 sechs Monatsentgelte.

2. Mit seinem auf Art140 Abs1 B-VG gestützten Individualantrag begehrt der Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge

"in §67 Abs6 Z1 EStG 1988 idF des Abgabenänderungsgesetz 2014, BGBl I 2014/13 folgende Wortfolgen, und zwar in

?              Z1 die Wortfolgen 'höchstens aber auf den Betrag' und ', der dem Neunfachen der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß §108 ASVG entspricht'; und in

?              Z2 den 3. Satz ('Ergibt sich jedoch bei Anwendung der dreifachen monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß §108 ASVG auf die der Berechnung zu Grunde zu legende Anzahl der laufenden Bezüge ein niedrigerer Betrag, ist nur dieser mit 6 % zu versteuern.')

als verfassungswidrig aufheben."

3. Zur Antragslegitimation bringt der Antragsteller vor, durch die Neufassung des §67 Abs6 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) durch das Abgabenänderungsgesetz 2014 (AbgÄG 2014) werde unmittelbar in seine Rechtsstellung eingegriffen, weil seine bereits bestehenden Abfertigungsansprüche infolge Überschreitens des unter Rückgriff auf die sozialversicherungsrechtliche Höchstbeitragsgrundlage definierten "Deckels" nicht mehr begünstigt mit 6 %, sondern voll der Besteuerung unterlägen. Eine Beendigung seines Vertragsverhältnisses und damit ein Entstehen seiner Abfertigungsansprüche seien jederzeit möglich, weshalb seine Rechtsposition auch aktuell beeinträchtigt sei.

Ein Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides durch das zuständige Finanzamt sei dem Antragsteller nicht möglich, weil sich der die Steuerpflicht auslösende Sachverhalt noch nicht vollständig verwirklicht habe. Da er hinsichtlich der ihm bei Beendigung seines Dienstverhältnisses zustehenden Abfertigung finanziell disponieren müsse und die bekämpfte Regelung zu einer massiven Entwertung seiner Abfertigungsansprüche führe, stehe ihm auch sonst kein zumutbarer Weg zur Verfügung, die behauptete Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmung geltend zu machen.

II. Rechtslage

1. §67 Abs6 EStG 1988, BGBl 400, lautet in der Fassung des AbgÄG 2014, BGBl I 13/2014, wie folgt (die angefochtenen Wortfolgen sind hervorgehoben):

"(6) Sonstige Bezüge, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen (wie zum Beispiel freiwillige Abfertigungen und Abfindungen, ausgenommen von BV-Kassen ausbezahlte Abfertigungen), sind nach Maßgabe folgender Bestimmungen mit dem Steuersatz von 6% zu versteuern:

1. Der Steuersatz von 6% ist auf ein Viertel der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate, höchstens aber auf den Betrag anzuwenden, der dem Neunfachen der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß §108 ASVG entspricht.

2. Über das Ausmaß der Z1 hinaus ist bei freiwilligen Abfertigungen der Steuersatz von 6% auf einen Betrag anzuwenden, der von der nachgewiesenen Dienstzeit abhängt. Bei einer nachgewiesenen

 

 

Dienstzeit von

ist ein Betrag bis zur Höhe von

3 Jahren

2/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate

5 Jahren

3/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate

10 Jahren

4/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate

15 Jahren

6/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate

20 Jahren

9/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate

25 Jahren

12/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate

mit dem Steuersatz von 6% zu versteuern. Ergibt sich jedoch bei Anwendung der dreifachen monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß §108 ASVG auf die der Berechnung zu Grunde zu legende Anzahl der laufenden Bezüge ein niedrigerer Betrag, ist nur dieser mit 6% zu versteuern.

3. Während dieser Dienstzeit bereits erhaltene Abfertigungen im Sinne des Abs3 oder gemäß den Bestimmungen dieses Absatzes sowie bestehende Ansprüche auf Abfertigungen im Sinne des Abs3 kürzen das sich nach Z2 ergebende steuerlich begünstigte Ausmaß.

4. Den Nachweis über die zu berücksichtigende Dienstzeit sowie darüber, ob und in welcher Höhe Abfertigungen im Sinne des Abs3 oder dieses Absatzes bereits früher ausgezahlt worden sind, hat der Arbeitnehmer zu erbringen; bis zu welchem Zeitpunkt zurück die Dienstverhältnisse nachgewiesen werden, bleibt dem Arbeitnehmer überlassen. Der Nachweis ist vom Arbeitgeber zum Lohnkonto (§76) zu nehmen.

5. Abs2 ist auf Beträge, die nach Z1 oder Z2 mit 6% zu versteuern sind, nicht anzuwenden.

6. Soweit die Grenzen der Z1 und der Z2 überschritten werden, sind solche sonstigen Bezüge wie ein laufender Bezug im Zeitpunkt des Zufließens nach dem Lohnsteuertarif des jeweiligen Kalendermonats der Besteuerung zu unterziehen.

7. Die vorstehenden Bestimmungen betreffend freiwillige Abfertigungen gelten nur für jene Zeiträume, für die keine Anwartschaften gegenüber einer BV-Kasse bestehen."

III. Erwägungen

1. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt.

Nicht jedem Normadressaten kommt aber die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).

2. Ein solcher zumutbarer Weg ist im vorliegenden Fall gegeben:

Dem Antragsteller steht die Möglichkeit offen, gegen den von der Abgabenbehörde erlassenen Bescheid, mit dem dieser für das Jahr der Auszahlung der Abfertigung gemäß §§39 f. EStG 1988 zur Einkommensteuer veranlagt wird, Beschwerde an das Bundesfinanzgericht zu erheben. Gegen die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes könnte er in der Folge eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof erheben und auf diesem Wege seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die von ihm angefochtenen Wortfolgen anders als im Wege des Individualantrages an den Verfassungsgerichtshof herantragen.

Im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht ist es dem Antragsteller zudem seit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 (BGBl I 51/2012) möglich, seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die vom Bundesfinanzgericht anzuwendenden Gesetzesbestimmungen vorzutragen und das gemäß Art140 Abs1 Z1 lita B-VG antragsberechtigte Verwaltungsgericht (Bundesfinanzgericht) zur Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof zu veranlassen.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers sind im vorliegenden Fall außergewöhnliche Umstände, deren Vorliegen die Einbringung eines Individualantrages zufolge Unzumutbarkeit des Beschreitens eines anderen Weges ausnahmsweise zulässig machen würden, nicht gegeben. Dass eine Abfertigung nicht näher dargelegte "große Auswirkungen auf [s]eine finanzielle Zukunft" hat, stellt für sich alleine – trotz der zeitlichen Verzögerungen, die mit der Erlangung eines anfechtbaren Bescheids verbunden sind – noch keine besondere Härte (siehe dazu allgemein zB VfSlg 17.636/2005, 18.151/2007; zu außergewöhnlichen wirtschaftlichen Härten VfSlg 8433/1978) dar. Man gelangte andernfalls zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtschutzes, die mit dem Grundprinzip des Individualantrages als eines bloß subsidiären Rechtsbehelfes nicht in Einklang stünde (VfSlg 15.626/1999 mwN).

IV. Ergebnis

1. Da dem Antragsteller ein zumutbarer Weg zur Geltendmachung seiner verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die angefochtenen Gesetzesbestimmungen offen steht, ist der Antrag schon mangels Legitimation des Antragstellers als unzulässig zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Einkommensteuer, Lohnsteuer, Abfertigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2014:G87.2014

Zuletzt aktualisiert am

14.10.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten