RS Vfgh 2014/10/8 WI1/2014

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Veröffentlicht am 08.10.2014
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Index

L0350 Gemeindewahl, Bürgermeisterwahl

Norm

B-VG Art141 Abs1 litb
Sbg GdWO 1998 §74, §75
VfGG §68 Abs1

Leitsatz

Keine Stattgabe der Anfechtung der engeren Wahl des Bürgermeisters der Gemeinde Neumarkt am Wallersee; Anfechtungsantrag auf Aufhebung des Wahlverfahrens ab Beginn der Feststellung des Wahlergebnisses durch die Sprengelwahlbehörden zu eng gefasst angesichts des objektiv nicht feststellbaren Wahlergebnisses wegen Verstoßes gegen das Gebot der sicheren Verwahrung der Wahlakten

Rechtssatz

Rechtzeitigkeit der elektronisch eingebrachten Wahlanfechtung.

Zwar sieht §83 Sbg GdWO 1998 ua für die engere Wahl des Bürgermeisters administrative Einsprüche an die Bezirkswahlbehörde - im Sinne eines Instanzenzugs nach §68 Abs1 VfGG - vor, doch gilt dies nur für Einsprüche gegen die ziffernmäßige ("zahlenmäßige") Ermittlung des Wahlergebnisses durch die Gemeindewahlbehörde.

Im vorliegenden Fall strebt die anfechtungswerbende Partei nicht die Nachprüfung ziffernmäßiger Ermittlungen einer Wahlbehörde an. Sie rügt vielmehr die Wertung von Stimmzetteln als für eine bestimmte Partei abgegeben oder als gültig bzw ungültig, wofür die unmittelbare Anfechtung nach Art141 Abs1 litb B-VG eröffnet wird. Die begehrte Nachprüfung beschränkt sich - im Unterschied zu dem der Entscheidung VfSlg 9441/1982 zugrunde liegenden Fall - nämlich nicht auf ein bloßes Nachzählen der in den Umschlägen der Parteien jeweils enthaltenen Stimmzettel, sondern hat die Rechtmäßigkeit der Zuordnung dieser Stimmzettel zur jeweiligen Partei zum Gegenstand.

Auf Grund der übereinstimmenden Sachverhaltsdarstellungen der anfechtungswerbenden Partei und der beteiligten Wählergruppe sowie auf Grund der vorgelegten Akten erachtet es der VfGH als erwiesen, dass der Wahlakt der Gemeindewahlbehörde einschließlich der Wahlakten der Sprengelwahlbehörden im Zeitraum zwischen 23.03.2014 bis einschließlich 11.04.2014 unversiegelt und auch sonst nicht fest verschlossen in einem für unbefugte Personen unkontrolliert zugänglichen Raum aufbewahrt war. Dieser Umstand stellt einen Verstoß gegen das ua aus §74 Abs2 und §75 Abs3 Sbg GdWO 1998 ableitbare Gebot der sicheren Verwahrung der Wahlakten dar. Dieses Gebot gilt auch im Stadium eines verfassungsgerichtlichen Anfechtungsverfahrens bzw des hiezu nach Abschluss des Wahlverfahrens einsetzenden Fristenlaufes, weil gesichert sein muss, dass das verfassungsgerichtliche Verfahren von Wahlunterlagen ausgeht, deren Beweiswert - objektiv - nicht angezweifelt werden kann. Haben unbefugte Personen unkontrollierten Zugang zu den Wahlakten, ist eine verlässliche Ermittlung des Wahlergebnisses durch die hiezu (allein) zuständigen Organe objektiv nicht mehr gewährleistet: Bei Verletzung jener Vorschriften der Wahlordnung, die eine einwandfreie Prüfung der Stimmenzählung sichern sollen, ist nämlich die Möglichkeit von Missbräuchen, die das Gesetz unbedingt ausschließen will, jedenfalls gegeben, ohne dass es des Nachweises einer konkreten - das Wahlergebnis tatsächlich verändernden - Manipulation bedarf.

Da das Wahlergebnis anhand der Wahlakten - objektiv - nicht mit Verlässlichkeit festgestellt werden kann, dürfte sich der VfGH im Falle des Zutreffens der behaupteten Rechtswidrigkeit nicht damit begnügen, die Wahl auf Grund der behaupteten Rechtswidrigkeit vom Beginn der Feststellung des Wahlergebnisses durch die Sprengelwahlbehörden an aufzuheben. Der VfGH wäre vielmehr genötigt, die Wahl vom Beginn des Abstimmungsverfahrens an aufzuheben. Zu einem solchen Ausspruch ist er aber wegen des engen Aufhebungsantrages der anfechtungswerbenden Partei - diese beantragt ausdrücklich (bloß) die Aufhebung des Wahlverfahrens ab Beginn der Feststellung des Wahlergebnisses durch die Sprengelwahlbehörden - nicht befugt (vgl VfSlg 14080/1995, 15645/1999).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Wahlen, Bürgermeister, Ermittlungsverfahren, Wahlergebnis, Stimmzettel, VfGH / Wahlanfechtung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2014:WI1.2014

Zuletzt aktualisiert am

14.03.2016
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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