RS Vfgh 2014/10/9 KR1/2014

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Veröffentlicht am 09.10.2014
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)

Norm

B-VG Art121 Abs1, Art126a, Art126b Abs1
RechnungshofG 1948 §3 Abs2
KFG 1967 §131a

Leitsatz

Abweisung des Antrags des Rechnungshofes auf Feststellung der Befugnis zur Einsichtnahme in den gesamten E-Mailverkehr des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie mangels Begründung der Erforderlichkeit eines derart weitreichenden Einsichtsverlangens für die Gebarungsprüfung des Verkehrssicherheitsfonds; Zurückweisung des Antrags hinsichtlich der begehrten Einsichtnahme in einzelne E-Mails mangels Vorliegens einer Meinungsverschiedenheit

Rechtssatz

Abweisung des Antrags auf Feststellung, dass der Rechnungshof befugt ist, zum Zwecke der Gebarungsüberprüfung des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) insbesondere in die Gesamtauszüge aus dem Quellsystem zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten in Form einer Auflistung aller im überprüften Zeitraum (2008 bis dato) von der Domain @bmvit.gv.at aus intern und extern gesendeten und empfangenen E-Mails mit Sender, Empfänger, Sende- bzw Empfangszeitpunkt, Betreff und Größe zu erhalten und Einsicht zu nehmen.

Die in §3 Abs2 RechnungshofG 1948 (RHG) enthaltenen Bestimmungen über die Einsichtnahme in die dort genannten Behelfe gehören zu den die Zuständigkeit des Rechnungshofes regelnden Bestimmungen iSd Art126a B-VG. Bei Meinungsverschiedenheiten darüber, auf welche Behelfe sich das Einsichtsrecht erstreckt, kann daher der VfGH zur Entscheidung angerufen werden. Das Thema der Entscheidung des VfGH ist durch den Umfang der Meinungsverschiedenheit begrenzt.

Zurückweisung des Antrags auf Feststellung, dass der Rechnungshof befugt ist, zum Zwecke der Gebarungsüberprüfung des BMVIT insbesondere in den Inhalt und allfällige Attachements einzelner, vom Rechnungshof aufgrund dieser Gesamtauszüge ausgewählter E-Mails zu erhalten und Einsicht zu nehmen.

Hinsichtlich dieses Antrags liegt keine Meinungsverschiedenheit zwischen dem Rechnungshof und dem BMVIT iSd Art126a B-VG vor. Eine solche kann erst dann entstehen, wenn der Rechnungshof vom BMVIT die Einsicht in genau bestimmte oder bestimmbare E-Mails verlangt und das BMVIT dies verweigert. Dies ist bisher nicht geschehen.

Zudem hat die Vertreterin des BMVIT in der mündlichen Verhandlung vor dem VfGH ausdrücklich erklärt, dem Rechnungshof die Einsicht in alle E-Mails zu ermöglichen, sofern diese für die Gebarungsüberprüfung des Verkehrssicherheitsfonds abstrakt relevant sein können.

Im Übrigen enthält der Antrag kein bestimmtes Begehren, welche "ausgewählten E-Mails" der Rechnungshof vom BMVIT erhalten und in welche E-Mails er Einsicht nehmen will, zumal er die Einsicht in Unterlagen anstrebt, die er selbst erst in Zukunft auszuwählen gedenkt.

Der Verkehrssicherheitsfonds ist gemäß §131a KFG 1967 idF BGBl I 57/2007 ein beim BMVIT eingerichteter und von ihm verwalteter unselbständiger Verwaltungsfonds und damit Teil der gemäß Art126b Abs1 B-VG vom Rechnungshof zu überprüfenden Staatswirtschaft des Bundes. Der Rechnungshof ist daher befugt, die Gebarung des Verkehrssicherheitsfonds zu überprüfen.

Ein der Gebarungsüberprüfung durch den Rechnungshof unterworfener Rechtsträger ist nicht befugt, die Einsicht des Rechnungshofes zu Zwecken der allgemeinen Gebarungsüberprüfung zu behindern oder von Bedingungen abhängig zu machen. Die geprüften Stellen haben dem Rechnungshof ohne Rücksicht auf sonst bestehende Verschwiegenheitspflichten die nötigen Auskünfte zu erteilen und die Einsicht auch in vertrauliche Unterlagen zu dulden (vgl zB VfSlg 17065/2003).

Aus der umfassenden Einsichtsbefugnis des Rechnungshofes kann keine umfassende Informationspflicht des Rechnungshofes gegenüber der Allgemeinheit abgeleitet werden (mit Judikaturhinweisen).

Die geprüften Stellen haben dem Rechnungshof (unbeschränkte) Auskünfte und Einsicht auch in vertrauliche Unterlagen jedoch nur dann zu gewähren, wenn und insoweit dies zum Zweck der Gebarungsüberprüfung erforderlich ist.

Sofern zur Einsichtnahme durch den Rechnungshof verlangte Unterlagen keine abstrakte Relevanz für die Gebarungsüberprüfung des geprüften Rechtsträgers (der geprüften Stelle) haben (können), stellt sich mangels Kompetenz des Rechnungshofes zur diesbezüglichen Einsichtnahme gar nicht erst die Frage der Verletzung des Grundrechts auf Datenschutz oder anderer Grundrechte.

Die Prüfung der Rechtmäßigkeit des im Jahr 2009 durchgeführten Verfahrens für die Vergabe von Kreativleistungen für eine Werbekampagne (zur Bewusstseinsbildung zum Thema Alkohol am Steuer) zählt zur (zulässigen) Gebarungsüberprüfung des beim BMVIT eingerichteten Verkehrssicherheitsfonds durch den Rechnungshof, weil die Entscheidung, welchem Bieter in einem Vergabeverfahren der Zuschlag erteilt wird, jedenfalls finanzielle Auswirkungen auf den Bund haben kann.

Eine nähere Begründung der Gebarungsrelevanz der verlangten Unterlagen ist dann unerlässlich, wenn - wie im konkreten Fall - nicht evident ist, inwieweit die Einsichtnahme in die verlangten Unterlagen zu Zwecken der Gebarungsüberprüfung des Verkehrssicherheitsfonds notwendig ist, bzw nicht von Vornherein ausgeschlossen werden kann, dass bestimmte Unterlagen für die Gebarungsüberprüfung des Verkehrssicherheitsfonds oder des BMVIT keine Bedeutung haben.

Wenn der Rechnungshof im vorliegenden Fall der Gebarungsüberprüfung des Verkehrssicherheitsfonds ein vom Umfang her derart weitgehendes Einsichtsverlangen gegenüber dem BMVIT stellt, das nicht nur die Gesamtauszüge aus dem Quellsystem in Form einer Auflistung aller im überprüften Zeitraum von der Domain @bmvit.gv.at aus intern gesendeten und empfangenen E-Mails, sondern auch von dieser Domain aus extern gesendeten und empfangenen E-Mails sämtlicher externer Kommunikationspartner der Mitarbeiter des BMVIT umfasst, hat der Rechnungshof durch nachvollziehbare Fakten darzulegen und auf Grund dieser zu begründen, warum alle diese Unterlagen für die Gebarungsüberprüfung des Verkehrssicherheitsfonds erforderlich sind, insbesondere warum auch E-Mails von Personen relevant sind, bei denen derzeit für den VfGH kein Bezug zur Gebarung des Verkehrssicherheitsfonds erkennbar ist.

Da der Rechnungshof nicht näher und substantiiert dargelegt hat und für den VfGH nicht von Vornherein evident ist, warum die Einsichtnahme in "die Gesamtauszüge aus dem Quellsystem zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten in Form einer Auflistung aller im überprüften Zeitraum (2008 bis dato) von der Domain @bmvit.gv.at aus intern und extern gesendeten und empfangenen E-Mails mit Sender, Empfänger, Sende- und Empfangszeitpunkt, Betreff und Größe" in dieser umfassenden Form zum Zwecke der Gebarungsüberprüfung des beim BMVIT eingerichteten Verkehrssicherheitsfonds notwendig ist, ist dieser Antrag des Rechnungshofes zur Gänze abzuweisen.

Keine Möglichkeit einer teilweisen Abweisung bzw Stattgabe des Antrags mangels näherer Darlegung der Gebarungsrelevanz der verlangten Unterlagen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Rechnungshofzuständigkeit, Kraftfahrrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2014:KR1.2014

Zuletzt aktualisiert am

14.03.2016
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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