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E000 EU- Recht allgemein;Norm
11992E095 EGV Art95;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der I K in K, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, Radetzkystraße 8, gegen den Bescheid des Berufungssenates II der Region Wien bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 27. Juli 1999, GZ. ZRV/33-W2/98, betreffend Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, insoweit der Beschwerdeführerin damit Einfuhrumsatzsteuer vorgeschrieben wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 3. Juni 1998 erstattete die Beschwerdeführerin beim Hauptzollamt Graz eine Selbstanzeige folgenden Inhalts: Sie habe am 19. März 1998 über das Zollamt Heiligenkreuz eine in Ungarn erworbene, herausnehmbare Zahnprothese (Vollprothese) aus Kunststoff eingeführt. Ihr Versuch, diese Ware zu verzollen, sei gescheitert; sowohl beim ungarischen Touristenbüro in Wien als auch durch die österreichische Botschaft in Budapest und die Universität Graz sei ihr die Auskunft gegeben worden, "nach den neuen EU-Richtlinien" sei keine Verzollung durchzuführen. Erst bei der Gebietskrankenkasse in Graz habe man ihr gesagt, sie müsse die Kunststoffprothese verzollen. Auch ein Grazer Richter habe ihr diesen Rat erteilt.
Dazu legte die Beschwerdeführerin dem Hauptzollamt Graz die Rechnung eines Zahnarztes aus Szentgotthard vom 18. März 1998 über DM 6.030,-- vor.
Daraufhin erließ das Hauptzollamt Graz am 3. Juni 1998 einen Bescheid, mit dem ausgehend von einem Rechnungsbeleg von S 6.030,-- S 60,-- Zoll und S 1.218,-- Einfuhrumsatzsteuer festgesetzt wurden.
Gegen diesen Bescheid berief die Beschwerdeführerin mit dem Argument, die Lieferung von Zahnersatz durch Zahnärzte sei in Österreich von der Umsatzsteuer befreit (§ 6 Abs. 1 Z. 20 UStG 1994), weshalb auch keine Einfuhrumsatzsteuer anfalle. Überdies sei auf Grund eines speziellen "Handelsübereinkommens" mit Ungarn für Waren der Nr. 90212110002 betreffend Kunststoffprothesen ein "Steuersatz" von Null Prozent vorgesehen.
Daraufhin wies das Hauptzollamt Graz die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 24. Juni 1998 mit dem Hinweis als unbegründet ab, § 6 Abs. 1 Z. 2 UStG 1994 sei wegen Abs. 4 der zitierten Gesetzesstelle nicht anwendbar.
Gegen diese Berufungsvorentscheidung stellte die Beschwerdeführerin fristgerecht einen "Vorlageantrag" (in dem sie ihre Argumente in der Berufung wiederholte), der von der belangten Behörde als Beschwerde behandelt und als unbegründet abgewiesen wurde. Auch die belangte Behörde stützte sich auf § 6 Abs. 4 UStG 1994 und vertrat die Ansicht, dass in dieser Bestimmung eine taxative Aufzählung der Befreiungen von Einfuhren vorgenommen aber keine Befreiung für die Einfuhr von Zahnersatz vorgesehen sei. Auf Grund der in Art. 13 der 6. EG-Richtlinie vorgesehenen Regelung, wonach die Steuerbefreiung nur für Zahnärzte und Zahntechniker vorgesehen sei, liege keine Steuerbefreiung vor, die "auf jeden Fall" bestünde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht darauf verletzt, keine Einfuhrumsatzsteuer und keinen Zoll entrichten zu müssen.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gem. Art. 20 Abs. 1 Zollkodex (ZK) stützen sich die bei Entstehen einer Zollschuld gesetzlich geschuldeten Abgaben auf den Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften.
Nach den von Art. 20 Abs. 3 ZK getroffenen Anordnungen umfasst der Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften unter anderem laut Buchstabe a) die Kombinierte Nomenklatur und laut Buchstabe d) die Zollpräferenzmaßnahmen auf Grund von Abkommen zwischen der Gemeinschaft und bestimmten Ländern oder Ländergruppen, in denen eine Zollpräferenzbehandlung vorgesehen ist.
Nach der Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften sind die in der Kombinierten Nomenklatur festgelegten objektiven Merkmale das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung (Urteil vom 28. April 1999 in der Rechtssache C 405/97, Mövenpick Deutschland GmbH für das Gastgewerbe gegen Hauptzollamt Bremen, Slg. 1999, I-2410).
Nach der Kombinierten Nomenklatur Code 9021211000 betrug der Zoll zum Stichtag 19. März 1998 für künstliche Zähne aus Kunststoff ein Prozent.
Gemäß dem mit Ungarn bestehenden Präferenzabkommen (Beschluss 93/742 mit Abkommen ABl 1993 Nr. L 347/1, angepasst an die paneuropäische Kumulierung durch den Beschluss 3/96 mit geändertem Protokoll Nr. 4 ABl 1997 Nr. L 92/1 betrug der Zoll für die oben genannte Position 9021211000 Null Prozent.
Art. 27 ZK lautet:
"Durch die Präferenzursprungsregeln werden die Voraussetzungen für den Erwerb des Warenursprungs im Hinblick auf die Anwendung der Maßnahmen nach Artikel 20 Abs. 3 Buchstabe d) oder e) festgelegt.
Die Präferenzursprungsregeln werden wie folgt festgelegt:
a) Im Fall der unter die Abkommen nach Art. 20 Abs. 3 Buchstabe d) fallenden Waren in den Abkommen;
b) im Fall der Waren, für die Zollpräferenzmaßnahmen nach Art. 20 Abs. 3 Buchstabe e) gelten, nach dem Ausschussverfahren."
Art. 16 Abs. 1 Buchstabe b) des oben zitierten Präferenzabkommens mit Ungarn bestimmt unter anderem, dass Ursprungszeugnisse Ungarns bei der Einfuhr in die Gemeinschaft die Begünstigungen des Abkommens erhalten, sofern in den in Art. 21 Abs. 1 genannten Fällen vom Ausführer eine Erklärung mit dem in Anhang IV angegebenen Wortlaut auf einer Rechnung, einem Lieferschein oder anderen Handelspapieren abgegeben wird, in der die Erzeugnisse so genau bezeichnet sind, dass die Feststellung der Nämlichkeit möglich ist (nachstehend "Erklärung auf der Rechnung" genannt).
Art. 21 des Präferenzabkommens bestimmt auszugsweise:
"(1) Die in Art. 16 Abs. 1 Buchstabe b) genannte Erklärung auf der Rechnung kann ausgefertigt werden:
a)
Von einem ermächtigten Ausführer im Sinne des Art. 22;
b)
von jedem Ausführer für Sendungen von einem oder mehreren Packstücken, die Ursprungserzeugnisse enthalten, deren Wert 6.000 ECU je Sendung nicht überschreitet.
(2) Eine Erklärung auf der Rechnung kann ausgefertigt werden, wenn die betreffenden Erzeugnisse als Ursprungserzeugnisse der Gemeinschaft, Ungarns oder eines der anderen in Art. 4 genannten Länder angesehen werden können und die übrigen Voraussetzungen dieses Protokolls erfüllt sind.
..."
Der in Anlage IV des Abkommens festgelegte Text der Erklärung
auf der Rechnung hat folgenden Wortlaut:
"Anlage Erklärung auf der Rechnung
Hinweis:
Die Erklärung auf der Rechnung, deren Wortlaut nachstehend wiedergegeben ist, ist gemäß den Fußnoten auszufertigen. Die Fußnoten brauchen jedoch nicht wiedergegeben werden.
Text der Erklärung auf der Rechnung
Der Ausführer (Ermächtigter Ausführer, Bewilligungs-Nr. ...
(1)) der War5en, auf die sich dieses Handelspapier bezieht,
erklärt, dass diese Waren, soweit nicht anders angegeben,
präfernzbegünstigte ... Ursprungswaren sind(2).
.......................................... (3)
(Ort und Datum)
.......................................... (3)
(Unterschrift des Ausführers
und Name
des Unterzeichners in
Druckschrift)
Fußnoten:
(1) Wird die Erklärung auf der Rechnung durch einen ermächtigten Ausführer im Sinne des Artikels 22 dieses Protokolls ausgefertigt, so ist die Bewilligungsnummer des ermächtigten Ausführers an dieser Stelle einzutragen. Wird die Erklärung auf der Rechnung nicht durch einen ermächtigten Ausführer ausgefertigt, so können die Wörter in Klammern weggelassen oder der Raum kann leergelassen werden.
(2) Der Ursprung der Waren ist anzugeben. Betrifft die Erklärung auf der Rechnung ganz oder teilweise Waren mit Ursprung in Ceuta und Melilla im Sinne des Artikels 37 des Protokolls, so bringt der Ausführer auf dem Papier, auf dem die Erklärung ausgefertigt ist, deutlich sichtbar die Kurzbezeichnung "CM" an.
(3) Diese Angaben können entfallen, wenn sie in dem Papier selbst enthalten sind.
(4) Siehe Artikel 21 Absatz 5 des Protokolls. In Fällen, in denen der Ausführer nicht unterzeichnen muss, entfällt auch der Name des Unterzeichners."
Da in der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Rechnung diese Erklärung fehlt, kann ihr das Präferenzabkommen nicht zugute kommen.
Mit Rücksicht darauf, dass der Rechnungsbeleg DM 6.030,-- (und nicht wie von der Zollbehörde offenbar irrtümlich angenommen S 6.030,--) ausweist, für den auch die Bestimmungen des Art. 217 Abs. 1 Buchstabe C ZK und des Art. 868 Abs. 2 ZK-DVO keine Anwendung, weil die Grenze von 10 ECU überschritten ist. Der Umstand, dass nur ein Betrag von öS 60,-- anstelle des ausgehend von DM 6.030,-- zu berechnenden, jedenfalls über 10 ECU liegenden Zollbetrages vorgeschrieben wurde, vermag die Beschwerdeführerin aber in ihren Rechten nicht zu beeinträchtigen. Hinsichtlich der Vorschreibung von Zoll haftet dem angefochtenen Bescheid daher keine Rechtswidrigkeit an.
Artikel 13 Teil A (1) Buchstabe e) der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuern - gemeinsames Mehrwertsteuersystem (77/388/EWG ABl. L 145, S 1) - im Folgenden kurz RL - bestimmt, dass unter anderem die Lieferungen von Zahnersatz durch Zahnärzte und Zahntechniker steuerbefreit sind.
Dazu verpflichtet Artikel 14 (1) Buchstabe a) der RL die Mitgliedsstaaten, unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsbestimmungen unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer zu befreien:
"a) die endgültige Einfuhr von Gegenständen, deren Lieferung durch Steuerpflichtige im Inland auf jeden Fall steuerfrei ist."
Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 3 UStG 1994 unterliegt der Umsatzsteuer die Einfuhr von Gegenständen (Einfuhrumsatzsteuer). Eine Einfuhr liegt vor, wenn ein Gegenstand aus einem Drittlandsgebiet in das Inland, ausgenommen die Gebiete Jungholz und Mittelberg, gelangt.
Gemäß § 6 Abs. 1 Z. 20 UStG 1994 sind von den unter § 1 Abs. 1 Z. 1 und 2 fallenden Umsätzen unter anderem die Lieferungen von Zahnersatz durch Zahnärzte und Zahntechniker steuerbefreit.
Umsätze dieser Art sind im Katalog des § 6 Abs. 4 UStG 1994 (umsatzsteuerfreie Einfuhr) nicht enthalten.
Was die Festsetzung von Einfuhrumsatzsteuer betrifft, ist davon auszugehen, dass mit dieser Steuer Importe erfasst werden sollen, um sie den inländischen Waren belastungsmäßig gleichzustellen (so z.B. Ruppe, UStG 1994 Kommentar2 Rz 435 zu § 1 UStG). Dadurch soll ein Ausgleich der Umsatzsteuerbelastung von eingeführten Gegenständen mit den im Inland gelieferten Gegenständen herbeigeführt werden (Kolacny-Mayer, MKK UStG2 57 Anm. 48 zu § 1 UStG). Die ausländischen Erzeugnisse sollen durch die Einfuhrumsatzsteuer mit demselben Steuerbetrag belastet werden, der auf den inländischen Erzeugnissen gleicher Art ruht, damit gleiche Wettbewerbsbedingungen bestehen (Kranich, Mehrwertsteuer, UStG 1994, 91 Rz 70).
Daraus folgt schon nach den Denkgesetzen, dass eine ausländische Ware nicht der Einfuhrumsatzsteuer unterliegen soll, wenn die Lieferung dieser Ware im Inland von der Umsatzsteuer befreit ist.
Demzufolge sieht auch Artikel 14 (1) Buchstabe a) der RL eine Steuerbefreiung für jene Gegenstände vor, deren Lieferung im Inland auf jeden Fall steuerfrei ist. Nach Artikel 13 Teil A (1) Buchstabe e) der RL ist aber unter anderem die Lieferung von Zahnersatz durch Zahnärzte und Zahntechniker im Inland steuerbefreit!
Diese Steuerbefreiung wurde somit nur unvollständig in das inländische Recht umgesetzt, indem zwar § 6 Abs. 1 Z. 20 UStG 1994 unter anderem die Lieferung von Zahnersatz durch Zahnärzte und Zahntechniker im Inland von der Steuer befreit, diese Befreiung aber in den für Einfuhren vorgesehenen Befreiungskatalog des § 6 Abs. 4 leg. cit. nicht übernommen wurde.
Die belangte Behörde vermeint in diesem Zusammenhang, der Steuerbefreiung gemäß Art. 14 (1) Buchstabe a) der RL unterlägen nur jene Lieferungen, die im Inland ohne jede Beschränkung steuerfrei wären, die Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z. 20 UStG sei aber eine persönliche, weil sie nur die Lieferung von Zahnersatz durch Zahnärzte und Zahntechniker betreffe. Dazu stützt sich die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift auf Schellmann, "Die Befreiungsvorschriften im Bereich der Einfuhrumsatzsteuer" (in Achatz, Praxisfragen zum UStG 1994, 90 und 91) sowie auf Tumpel, Mehrwertsteuer im innergemeinschaftlichen Warenverkehr, 324 (welcher Autor sich in FN 492 wiederum auf Schellmann in Achatz, Praxisfragen zum UStG 1994, 91 beruft). Beide Autoren vertreten die Meinung, die Lieferung von Zahnersatz durch Zahnärzte und Zahntechniker falle nicht unter die Steuerbefreiung, weil diese Lieferung im Inland nicht "in jedem Fall" steuerfrei sei.
Schellmann beruft sich für diese Behauptung in FN 18 auf Flick in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG-Kommentar Anm. 10 zu § 5 dUStG, wo sich folgende Ausführungen finden:
"Eine im Rahmen der UStG-Gesetzgebung erhobene Abgabe, die alle im Hoheitsgebiet eines Staates auf den Markt gelangenden inländischen und eingeführten ausländischen Waren in eine steuerlich vergleichbare Lage bringen soll, ist eine inländische Abgabe iS des Art. 95 EG-Vertrag. Die EUSt ist eine solche Abgabe. Sie darf deshalb nicht höher sein als die USt, die für die Lieferung der Waren im Inland zu zahlen ist. Daraus folgt auch, dass eine Ware, deren Lieferung im Inland steuerfrei ist, auch von der EUSt freizustellen ist, d.h. dass alle nach § 4 (ggf. iVm § 8) generell ustfreien Gegenstände auch eustfrei eingeführt werden können. Andernfalls wären eingeführte Gegenstände gegenüber den gleichen oder gleichartigen Inlandswaren ustlich benachteiligt; dadurch würde Art. 95 EG-Vertrag verletzt werden.
Das Diskriminierungsverbot des § 95 Abs. 1 EG-Vertrag setzt gleichartige Waren voraus. Gleichartigkeit in diesem Sinn besteht, wenn Waren normalerweise steuerrechtlich, zollrechtlich oder statistisch - je nach Lage des Falles - unter die gleiche Bezeichnung einzuordnen sind."
Diese Literaturstelle (die lediglich die schon oben dargelegten Zwecke der Einfuhrumsatzsteuer eindeutig klarstellt) vermag somit die Behauptung Schellmanns nicht zu stützen und erweist sich somit die von Schellmann und ihm folgend Tumpel vertretene Rechtsmeinung als unbegründet.
Der darauf gestützten Rechtsansicht der belangten Behörde kann mit Rücksicht auf den unzweifelhaft klaren Wortlaut der oben zitierten Richtlinienbestimmungen nicht gefolgt werden, weil durch die Vorschrift des Artikel 13 Teil A (1) Buchstabe e) der RL eindeutig bestimmt wird, dass die Lieferung von Zahnersatz durch Zahnärzte und Zahntechniker im Inland steuerfrei ist. Diesbezüglich muss daher auch Steuerfreiheit für entsprechende Einfuhren gemäß Artikel 14 (1) Buchstabe a) der RL bestehen, weil sonst jene Wettbewerbsgleichheit nicht bestünde, die herzustellen Aufgabe der Einfuhrumsatzsteuer ist. Der Einfuhrumsatzsteuer unterliegt daher eine Einfuhr von Zahnersatz nur dann, wenn der Zahnersatz im Ausland nicht durch einen Zahnarzt oder einen Zahntechniker geliefert wird, weil auch eine entsprechende im Inland nicht durch Zahnärzte bzw. Zahntechniker, sondern durch andere Unternehmer erbrachte Lieferung nicht der Steuerbefreiung teilhaftig ist.
Nach ständiger Rechtsprechung (siehe u.a. Urteil vom 24. September 1998 in der Rechtssache C-76/97, Tögel, Slg. 1998, I-5357, Randnr. 42) kann sich der einzelne in all den Fällen, in denen Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen, gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen, wenn der Staat die Richtlinie nicht fristgemäß oder nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umsetzt. Für diesen Fall hat der EuGH dem privaten Einzelnen das Recht zuerkannt, sich vor den Gerichten der Mitgliedstaaten gegenüber entgegenstehendem nationalen Recht auf die durch die obzitierte Sechste USt-Richtlinie normierten Steuerbefreiungen zu berufen (vgl. Urteile vom 10. Juni 1982, R.A. Grendel GmbH gegen Finanzamt für Körperschaften in Hamburg, Slg. 1982, 2301 und vom 22. Februar 1984, Gerda Kloppenburg gegen Finanzamt Leer, Slg. 1984, 1075).
Da im vorliegenden Fall einerseits die Auslegung der in Rede stehenden Bestimmungen der zitierten RL unzweifelhaft im Sinne der Grundsätze des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 6. Oktober 1982, Rs 283/81, C.I.L.F.I.T., ist und es andererseits nur um einen Fall einer ganz offenkundig nicht vollständig erfolgten Umsetzung der zitierten Richtlinie in das österreichische Umsatzsteuerrecht geht, konnte die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens unterbleiben. Der Verwaltungsgerichtshof ist davon überzeugt, dass diesbezüglich für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und für den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die gleiche Gewissheit bestünde.
Indem die belangte Behörde die in Art. 14 (1) Buchstabe a) iVm Art. 13A (1) Buchstabe e) der RL vorgesehene Steuerbefreiung auf die zum Vorsteuerabzug nicht berechtigte Beschwerdeführerin nicht angewendet hat, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG im Umfang der Vorschreibung von Einfuhrumsatzsteuer zu seiner Aufhebung führen muss.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.
Wien, am 28. September 2000
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999160302.X00Im RIS seit
09.11.2001Zuletzt aktualisiert am
03.07.2018