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E2D Assoziierung Türkei;Norm
ARB1/80 Art6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger, über die Beschwerde des M A in W, vertreten durch Dr. Gerhard Renner, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilferstraße 95, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 25. Jänner 1999, GZ. 10/13117/854 955, betreffend Ausstellung eines Befreiungsscheines nach dem AuslBG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 25. Jänner 1999 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Bau-Holz Wien vom 6. Feber 1998, mit dem der am 5. Feber 1998 gestellte Antrag des Beschwerdeführers, ihm einen Befreiungsschein nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) auszustellen, abgewiesen worden war, gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Z. 1 iVm § 4c Abs. 2 AuslBG keine Folge gegeben.
Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensverlaufes und der maßgebenden Rechtslage in sachverhaltsmäßiger Hinsicht aus, der Beschwerdeführer sei auf Grund seiner Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin M A, geb. S im Besitze eines Befreiungsscheines für die Zeit vom 27.3.1991 bis 26.3.1996 gewesen. Mit Urteil "der Staatsanwaltschaft Wien" (richtig: des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien) vom 11. August 1993 sei diese Ehe gemäß § 23 EheG für nichtig erklärt und aus diesem Grund der erteilte Befreiungsschein widerrufen worden. Allerdings sei dem Beschwerdeführer in der Folge eine Arbeitserlaubnis mit einer Gültigkeit vom 19.4.1994 bis 18.4.1996 ausgestellt und in weiterer Folge für die Zeit vom 19.4.1996 bis 18.4.1998 verlängert worden. Daher könnten Beschäftigungszeiten lediglich in dem Zeitraum vom 19.4.1994 bis 18.4.1998 Berücksichtigung finden. Tatsächlich sei der Beschwerdeführer vom 19.4.1994 bis 27.12.1996, vom 12.5.1997 bis 20.6.1997 beschäftigt gewesen. Die Beschäftigungszeit vom 28.7.1997 bis 31.10.1998 könne nicht einberechnet werden, weil sich die Arbeitserlaubnis nur auf den örtlichen Geltungsbereich Wien, nicht aber auf den Geltungsbereich Niederösterreich bezogen habe und eine dort erworbene Beschäftigungszeit nicht als "erlaubt" zu qualifizieren sei. Selbst unter Einrechnung dieser Zeit ergäbe sich nur eine reguläre Beschäftigungszeit von 3 Jahren, 6 Monaten und 10 Tagen, sodass die zeitlichen Voraussetzungen weder des § 15 Abs. 1 Z. 1 iVm § 4c Abs. 2 AuslBG noch jene des Art. 6 dritter Gedankenstrich des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 erfüllt seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht "auf Feststellung von Tatumständen, die im Akteninhalt Deckung finden" und in seinem Recht, "nur dann von der Ausstellung eines Befreiungsscheines gem. § 15 Abs. 1 Z. 2 AuslBG ausgeschlossen zu sein, wenn die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin durch Urteil rechtskräftig für nichtig erklärt worden ist", verletzt.
Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bzw. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 15 Abs. 1 Z. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl. Nr. 218/1975 in der Fassung BGBl. Nr. 314/1994 ist einem Ausländer auf Antrag ein Befreiungsschein auszustellen, wenn der Ausländer während der letzten acht Jahre mindestens fünf Jahre im Bundesgebiet im Sinne des § 2 Abs. 2 mit einer dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Tätigkeit erlaubt beschäftigt war.
Gemäß § 15 Abs. 1 Z. 2 AuslBG ist einem Ausländer auf Antrag ein Befreiungsschein auszustellen, wenn der Ausländer mindestens fünf Jahre mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet war und seinen Wohnsitz im Bundesgebiet hat.
Artikel 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB Nr. 1/80) hat folgenden Wortlaut:
"Vorbehaltlich der Bestimmungen in Art. 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, in diesem Mitgliedstaat
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nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;
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nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;
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nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis."
Nach den insoweit unstrittigen Feststellungen der Verwaltungsbehörden wurde dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 27. März 1991 ein Befreiungsschein gemäß § 15 Abs. 1 Z. 2 AuslBG ausgestellt, was bedeutet, dass dieser sich allein auf den Tatbestand der aufrechten Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin gestützt hat.
Voraussetzung für die Bewilligung des beantragten Befreiungsscheines nach § 15 Abs. 1 Z. 1 AuslBG (eine Bewilligung nach Z. 2 leg. cit. kommt infolge des nicht mehr aufrechten Bestandes der Ehe im Entscheidungszeitpunkt nicht mehr in Betracht) ist aber u.a. das Vorliegen einer erlaubten Beschäftigung durch den im Gesetz genannten Zeitraum. Wie die belangte Behörde richtig ausführt, ist eine Beschäftigung aber in diesem Sinne nicht 'erlaubt', wenn sie - wie im Beschwerdefall - auf einem Befreiungsschein im Sinne des § 15 Abs. 1 Z. 2 AuslBG beruhte, die tatbestandsmäßige Ehe aber wegen Nichtigkeit mit Wirkung ex tunc aufgehoben wurde. Die ex tunc-Wirkung des Ehenichtigkeitsurteils hat zur Folge, dass die Ehegatten als von Anfang an nicht verheiratet anzusehen sind, weshalb dem Beschwerdeführer die Ausnahme des § 1 Abs. 2 lit. l AuslBG zu keinem Zeitpunkt zugute kam (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. Dezember 1998, Zl. 96/09/0308 und vom 10. Februar 1999, Zl. 98/09/0144, jeweils betreffend die - infolge der Vergleichbarkeit der vom Gesetz geforderten Beurteilungskriterien in dieser Frage - vergleichbare Ausstellung bzw. Verlängerung einer Arbeitserlaubnis).
Am zuletzt genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Februar 1999, Zl. 98/09/0144, hat Muzak (ZAS 2000, S 88f) Kritik geübt. Diese gibt indes keinen Anlass, von der Rechtsprechung abzugehen. Dass der Widerruf einer Arbeitserlaubnis (wie im Vorerkenntnis) nur ex nunc wirken könne, wird aus dem Terminus "Widerruf" abgeleitet, welchen der Gesetzgeber "in aller Regel" im Falle einer ex tunc-Wirkung nicht verwende. Dieses Argument vermag eben so wenig zu überzeugen wie der Hinweis des Autors auf § 7 Abs. 8 AuslBG (welcher sowohl in § 14f Abs. 2 als auch in § 16 Abs. 2 AuslBG zitiert wird, also gleicherweise beim Widerruf einer Beschäftigungsbewilligung wie auch beim Widerruf einer Arbeitserlaubnis und beim Widerruf eines Befreiungsscheines gilt). Diese dem Schutz der privatrechtlichen Ansprüche der Partner des Arbeitsverhältnisses dienenden Regelungen - vgl. dazu auch § 29 AuslBG - erlauben keinen Rückschluss darauf, dass bei der Berechnung von anspruchsbegründenden Zeiten für die Verlängerung einer Arbeitserlaubnis oder eines Befreiungsscheines ohne weiteres Zeiten als rechtmäßig erworben zu gelten hätten, welche durch den Abschluss einer später als nichtig erklärten ("Staatsbürgerschafts"-)Ehe erworben wurden. In diesem Zusammenhang ist vielmehr zu unterscheiden zwischen der in den §§ 7 Abs. 8, 14f Abs. 2 und 16 Abs. 2 AuslBG vorgesehenen Sistierung der Wirkungen des Widerrufs (für das konkrete Arbeitsverhältnis) und der Frage der Rechtmäßigkeit der Folgen einer vom Gesetz verpönten Handlung, welche der Gesetzgeber mit Sanktionen belegen kann oder nicht. Auch wenn der Gesetzgeber aus welchen Gründen immer ganz oder teilweise von solchen Sanktionen absieht, so ist damit über die Rechtmäßigkeit noch keine abschließende Aussage getroffen. Die genannten Bestimmungen des AuslBG lassen sich somit zur Stützung der Ansicht Muzaks nicht heranziehen.
Muzak macht dem Gerichtshof noch zum Vorwurf, er habe ausgeführt, die gegenteilige Lösung würde zu einem "unhaltbaren Ergebnis" führen. Hiemit würden "bloß rechtspolitische Bedenken" dargelegt. Der Autor fügt hinzu, "dass es in der österreichischen Rechtsordnung durchaus vorkommen kann, dass Rechtspositionen, die ursprünglich zu Unrecht erlangt wurden, nach einiger Zeit dennoch rechtlich gesichert bleiben".
Dieser Argumentation ist entgegenzuhalten, das nicht "unhaltbare", sondern sachgerechte Ergebnisse als ein erstrebenswertes Ziel der Rechtsprechung anzusehen sind.
Insoweit der Beschwerdeführer geltend macht, die von der belangten Behörde getroffene Feststellung, seine Ehe mit der österreichischen Staatsangehörigen Manuela Studeny sei für nichtig erklärt worden, finde im Akteninhalt keine Deckung, so unterliegt er einem Irrtum. Zwar hat die belangte Behörde sich fälschlicherweise auf den Inhalt der von der Staatsanwaltschaft Wien als klagender Partei eingebrachte Klage gestützt, aus der im Akt liegenden Ausfertigung des Urteiles des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 21. Dezember 1993 geht jedoch hervor, dass die von der belangten Behörde getroffene Feststellung richtig war. Die Ehe des Beschwerdeführers mit der genannten österreichischen Staatsangehörigen wurde mit diesem Urteil gemäß § 23 EheG für nichtig erklärt. Dieses Urteil ist am 28. Jänner 1994 in Rechtskraft erwachsen.
Folge des rechtskräftigen Ehenichtigkeitsurteils ist im Sinne des obzitierten Erkenntnisses, dass im vorliegenden Fall die vor der Ausstellung der (von der Tatbestandswirkung der Ehe mit einer österreichischen Staatsangehörigen nicht umfassten) Arbeitserlaubnis, das heißt vor dem 19. April 1994, liegenden Beschäftigungszeiten des Beschwerdeführers auf Grund der Nichtigerklärung der für die Ausstellung des Befreiungsscheines nach § 15 Abs. 1 Z. 2 AuslBG ursächlichen Ehe als nicht erlaubt anzusehen sind und daher eine der Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 Z. 1 AuslBG nicht vorliegt.
Da die Frage der Erlaubtheit der Beschäftigung (= "ordnungsgemäß") für die Beurteilung der Beschäftigungszeiten nach dem Art. 6 dritter Gedankenstrich des ARB Nr. 1/80 gleichermaßen wesentlich ist, gilt für die Anwendbarkeit dieser Norm das bereits Gesagte.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 41 AMSG und der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 28. September 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999090086.X00Im RIS seit
21.12.2000