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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
GewO 1994 §19;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck, Hofrat Dr. Kleiser, sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, unter Beiziehung des Schriftführers Mag. Pichler, in der Beschwerdesache der M H in R, vertreten durch Dr. Roberto Hirnsberger, Rechtsanwalt in 6370 Kitzbühel, Bichlstraße 22, gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Tirol vom 9. Oktober 2012, Zl. Gew-50004-12/1-2012, betreffend Feststellung der individuellen Befähigung für die Ausübung eines Gewerbes und Untersagung der Ausübung eines angemeldeten Gewerbes, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen zu ersetzen.
Begründung
1. Mit Gewerbeanmeldung vom 21. März 2012 für das Gewerbe "Berufsfotograf gemäß § 94 Z. 20 GewO 1994" an einem näher bezeichneten Standort legte die Beschwerdeführerin zum Beweis ihrer Befähigung unter anderem ein Gutachten eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für (u.a.) den Bereich Fotografie, sowie eine Arbeitsbestätigung einer näher genannten Gesellschaft vor.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde im Instanzenzug festgestellt, dass die Beschwerdeführerin die individuelle Befähigung für die Ausübung des Gewerbes mit dem Wortlaut "Berufsfotograf gemäß § 94 Z. 20 Gewerbeordnung 1994" gemäß § 19 GewO 1994 nicht erbringe (Spruchpunkt I.) und die gesetzlichen Voraussetzungen zur Ausübung des genannten Gewerbes gemäß § 340 Abs. 1 und 3 GewO 1994 nicht vorlägen, sodass die Ausübung des Gewerbes gemäß § 340 Abs. 3 GewO 1994 untersagt wurde (Spruchpunkt II.).
3. Gegen diesen Bescheid richtete sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden, in eventu den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
4.1. Vorauszuschicken ist, dass auf mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Beschwerdefälle gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden sind. Dies trifft auf den vorliegenden Beschwerdefall zu.
4.2. Die für den gegenständlichen Fall maßgebliche Bestimmung des § 94 Z. 20 Gewerbeordnung 1994 (GewO) lautete zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in der Fassung BGBl. I Nr. 42/2008 wie folgt:
"§ 94. Folgende Gewerbe sind reglementierte Gewerbe:
(...)
20. Berufsfotograf (Handwerk)
(...)"
Mit Beschluss vom 8. Mai 2013, Zl. A 2013/0001, stellte der Verwaltungsgerichtshof in einem ähnlich gelagerten Beschwerdefall an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, § 94 Z. 20 GewO 1994, BGBl. Nr. 194 in der Fassung BGBl. I Nr. 42/2008, als verfassungswidrig aufzuheben.
Mit Erkenntnis vom 27. November 2013, G 49/2013-7, hat der Verfassungsgerichtshof § 94 Z. 20 GewO 1994, BGBl. Nr. 194 in der Fassung BGBl. I Nr. 42/2008, als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten.
Dieser Ausspruch wurde vom Bundeskanzler am 27. Dezember 2013 im BGBl. I Nr. 212/2013 kundgemacht.
4.3. Nach § 33 Abs. 1 VwGG ist, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde, nach dessen Einvernahme die Beschwerde in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führt nicht nur die formelle (ausdrückliche) Aufhebung des angefochtenen Bescheides, sondern auch der Wegfall des Rechtsschutzinteresses im Zuge eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu dessen Einstellung, weil der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen einer nach Art. 131 B-VG (in der Fassung vor BGBl. I Nr. 51/2012) erhobenen Bescheidbeschwerde zu einer rein abstrakten Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Bescheides nicht berufen ist. Ergibt sich also im Verfahren über eine derartige Beschwerde, dass eine fortwirkende Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts des Beschwerdeführers durch den angefochtenen Bescheid nicht (mehr) gegeben ist und auch eine der Beschwerde stattgebende Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in Ansehung des verletzten subjektiv-öffentlichen Rechts des Beschwerdeführers keine Veränderung bewirken würde, so führt dies zur Einstellung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (so etwa auch der hg. Beschluss vom 16. Oktober 2013, Zl. 2012/04/0117, und der hg. Beschluss vom 15. September 2011, Zl. 2006/04/0108).
4.4. Im gegenständlichen Verfahren ist das Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerin weggefallen: Die belangte Behörde mag im angefochtenen Bescheid zu Recht davon ausgegangen sein, dass das von der Beschwerdeführerin beantragte Gewerbe des Berufsfotografen gemäß § 94 Z. 20 GewO 1994 ein reglementiertes Gewerbe sei und die Beschwerdeführerin daher einen Befähigungsnachweis nach den §§ 16 ff. GewO 1994 zu erbringen habe. Infolge des oben zitierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 27. November 2013 und die folgende Kundmachung vom 27. Dezember 2013 ist § 94 Z. 20 GewO 1994 seit dem 28. Dezember 2013 jedoch nicht mehr in Geltung. Der Beruf des Fotografen ist seit diesem Zeitpunkt kein reglementiertes, sondern ein freies Gewerbe, für welches kein Befähigungsnachweis zu erbringen ist (vgl. § 5 Abs. 2 GewO 1994). Die im gegenständlichen Fall relevante Frage, ob die Beschwerdeführerin durch die im Rahmen der Gewerbeanmeldung vorgelegten Unterlagen den individuellen Befähigungsnachweis gemäß § 19 GewO 1994 erbracht hat, ist damit nur noch von theoretischer Natur, weil die Beschwerdeführerin nunmehr jederzeit ohne Beibringung eines Befähigungsnachweises das Gewerbe der Fotografin anmelden kann. Eine allfällige Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes kann in Bezug auf die von der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren angestrebte Gewerbeausübungsberechtigung keine Änderung der Rechtsstellung der Beschwerdeführerin mehr bewirken. Im Übrigen hat auch die Beschwerdeführerin keine fortwirkende Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes geltend gemacht, sondern im Rahmen der Einvernahme nach § 33Abs. 1 VwGG keine Stellungnahme abgegeben.
Da - wie bereits oben festgehalten - das Gesetz keinen Anspruch auf Feststellung der Gesetzwidrigkeit von Bescheiden schlechthin einräumt und auch sonst nicht ersichtlich ist, inwiefern die Rechtssphäre der Beschwerdeführerin durch eine allfällige Aufhebung des angefochtenen Bescheides zu ihren Gunsten verändert werden könnte, war die Beschwerde gemäß § 33 Abs. 1 VwGG für gegenstandslos zu erklären und das Beschwerdeverfahren nach Anhörung der Beschwerdeführerin einzustellen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014 auf den §§ 58 Abs. 2 VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Die nach § 58 Abs. 2 VwGG vorzunehmende hypothetische Prüfung des Verfahrensausganges ergibt, dass die Beschwerde Erfolg gehabt hätte, weil die obzitierte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Verhältnismäßigkeit des Befähigungsnachweises für den Berufsfotografen jedenfalls im Wege einer verfassungskonformen Auslegung zu berücksichtigen wäre. Wien, am 4. Juli 2014
Schlagworte
Zuspruch von Aufwandersatz gemäß §58 Abs2 VwGG idF BGBl 1997/I/088European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:2012040152.X00Im RIS seit
29.09.2014Zuletzt aktualisiert am
02.10.2014