TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/28 99/09/0073

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Veröffentlicht am 28.09.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
67 Versorgungsrecht;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
KOVG 1957 §54 Abs1;
KOVG 1957 §54;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger über die Beschwerde des R A in D-26826-W, vertreten durch Mag. Dipl.-Ing. Markus Petrowsky, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Rainergasse 3, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen in Wien vom 23. Februar 1999, Zl. OB. 143-265199-000, betreffend Ersatz ungebührlicher Mehrzahlung nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich, Burgenland vom 19. März 1991 wurde dem am 28. Februar 1965 geborenen Beschwerdeführer ab 1.8.1990 eine Waisenrente nach seinem am 24. Juli 1990 verstorbenen Vater, A A, geboren am 18. Mai 1920, der auf Grund einer Dienstbeschädigung im Sinne des § 4 Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG 1957) eine Blindenzulage in der Höhe der Pflegestufe III bezogen hatte, zuerkannt. Dem lag zu Grunde, dass der Beschwerdeführer infolge einer frühkindlichen Hirnschädigung mit Anfallsleiden, geistiger Beeinträchtigung und Sehstörung nicht in der Lage sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Aus den über Anfrage der Behörde erster Instanz von der Mutter des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 3. Jänner 1991 vorgelegten Urkunden ergab sich der Bezug einer Arbeitslosenhilfe in der Höhe von DM 166,80, ab dem 12. November 1990 in der Höhe von DM 148,20.

Mit Bescheid vom 7. April 1998 nahm das Bundessozialamt Wien, Niederösterreich und Burgenland das mit Bescheid vom 19. März 1991 rechtskräftig abgeschlossene Verfahren über die Gewährung der Waisenrente gemäß § 69 Abs. 1 AVG in Verbindung mit § 86 Abs. 1 KOVG 1957 von Amts wegen wieder auf und sprach gleichzeitig aus, dass gemäß § 41 Abs. 1 KOVG 1957 kein Anspruch auf Gewährung einer Waisenrente bestehe. Begründend führte die Behörde erster Instanz im Wesentlichen aus, anlässlich des Zuerkennungsverfahrens habe der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 3. 1. 1991 als Einkommen ab 1. 8. 1990 lediglich die Unterlagen betreffend Arbeitslosenhilfe vorgelegt. Das bereits seit 15. 11. 1990 bestehende Beschäftigungsverhältnis (Stadtverwaltung W) habe er jedoch verschwiegen. Bei dieser Beschäftigung habe es sich nicht um eine spezielle Behindertenverwendung oder eine Beschäftigungstherapie gehandelt. Im Hinblick auf den monatlichen Durchschnittsbezug von (umgerechnet ca.) S 13.000,-- könne Selbsterhaltungsunfähigkeit nicht angenommen werden. Damit habe der Beschwerdeführer aber wesentliche Umstände im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG verschwiegen, was eine amtswegige Wiederaufnahme nach Abs. 3 leg. cit. rechtfertige.

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer persönlich zugestellt und erwuchs in Rechtskraft.

Mit Bescheid vom 3. Juli 1998 sprach das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Wien, Niederösterreich, Burgenland aus, in Hinblick auf den rechtskräftigen Bescheid vom 7. April 1998 sei die ungebührliche Mehrzahlung in der Höhe von insgesamt S 72.222,-- dem Bund in Monatsraten von je S 500,-- und einer Restrate von S 222,-- zu ersetzen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem angefochtenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung keine Folge , setzte jedoch die monatlichen Rückzahlungsraten auf S 300,-- herab.

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung unter Zitierung der Bestimmung des § 54 Abs. 2 KOVG 1957 und nach Verweis auf den rechtskräftigen Bescheid vom 7. April 1998 lediglich wie folgt:

"Der Schiedskommission steht daher eine neuerliche Prüfung nicht zu.

Die aufgrund dieses Bescheides festgestellte ungebührliche Mehrzahlung an Waisenrente in Höhe von S 72.222,-- ist jedenfalls zur Gänze dem Bunde zu ersetzen. Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Berufungswerbers erachtet es die Schiedskommission aber als angemessen, die Rückzahlungsraten mit S 300,-- monatlich festzusetzen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht, nicht ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zum Rückersatz empfangener Rentenbezüge nach dem KOVG 1957 verpflichtet zu werden und in seinem Recht, zum Rückersatz allenfalls zu Unrecht empfangener Rentenbezüge nur nach Billigkeit und nur in billigen Raten verpflichtet zu werden, verletzt.

Der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe zu Unrecht die Bestimmung des § 54 Abs. 4 KOVG 1957 zum Nachteil des Beschwerdeführers nicht angewendet, nach welcher Bestimmung von der Hereinbringung eines Ersatzbetrages unter anderem abgesehen werden könne, wenn dies für den Verpflichteten eine besondere Härte bedeute. Genau dies sei der Fall: Der Beschwerdeführer habe die erhaltenen Beträge gutgläubig bezogen und verbraucht, zumindest zum Großteil wären ihm diese Beträge auch bei ordnungsgemäßem Verfahren zuzusprechen gewesen. Der Beschwerdeführer sei erwerbsunfähig, habe kein eigenes Vermögen und beziehe lediglich eine Erwerbsunfähigkeitsrente unterhalb des Pfändungsfreibetrages. Die belangte Behörde habe auch zu Unrecht die Bestimmung des § 54 Abs. 1 KOVG 1957 unbeachtet gelassen, wonach keine Verpflichtung zum Rückersatz eintritt, wenn den Leistungsempfänger kein Verschulden trifft und die Leistung in gutem Glauben empfangen wurde. Auch dies sei hier der Fall. Dem angefochtenen Bescheid lasse sich auch nicht entnehmen, weshalb die belangte Behörde gerade auf eine Schuld von insgesamt S 72.222,-- komme. Der Begründung eines Bescheides müssten aber die im Spruch angeführten Rechtsfolgen einwandfrei entnommen werden können, widrigenfalls der Bescheid bereits deshalb mit Rechtswidrigkeit belastet sei. Im Übrigen sei auch die herabgesetzte Rate weit überhöht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Beschwerdeführer erstattete hierzu eine Replik.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 54 Kriegsopferversorgungsgesetz, BGBl. Nr. 152/1957, in der Fassung der Novelle, BGBl. I Nr. 139/1997, lautet:

"(1) Zu Unrecht empfangene Rentenbezüge und sonstige Geldleistungen einschließlich eines von einem Träger der Krankenversicherung für Rechnung des Bundes gezahlten Krankengeldes sind dem Bund zu ersetzen. Sie dürfen jedoch nur für einen Zeitraum von drei Jahren, gerechnet vom Ersten des Monates an, in dem die Behörde (§ 78) von dem Neubemessungs- oder Einstellungsgrund Kenntnis erlangt hat, zum Rückersatz vorgeschrieben werden, sofern die Leistungen nicht durch eine Handlung im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51, herbeigeführt worden sind. Trifft den Empfänger an der Ungebührlichkeit der Leistung kein Verschulden und ist die Leistung von diesem in gutem Glauben empfangen worden, so tritt keine Verpflichtung zum Rückersatz ein.

(2) Der Ersatz zu Unrecht empfangener Rentenbezüge und sonstiger Geldleistungen ist durch Aufrechnung zu bewirken. Kann keine Aufrechnung stattfinden, so ist der Ersatzpflichtige oder sein gesetzlicher Vertreter zur Rückzahlung zu verhalten. Ist die sofortige Hereinbringung durch Aufrechnung oder Rückzahlung auf Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse des Ersatzpflichtigen nicht möglich oder nach der Lage des Falles unbillig, so ist die Forderung zu stunden oder die Abstattung in Raten zu bewilligen; Stundungszinsen sind nicht vorzuschreiben. Alle noch aushaftenden Teilbeträge werden aber sofort fällig, wenn der Ersatzpflichtige mit mindestens zwei Raten im Verzug ist. Bleibt die Aufforderung zur Rückzahlung erfolglos, so ist der Schadensbetrag im Verwaltungsweg einzutreiben.

(3) Die Verpflichtung zum Ersatze zu Unrecht empfangener Rentenbezüge oder sonstiger Geldleistungen ist mit Bescheid auszusprechen.

(4) Wenn die Verpflichtung zum Ersatze des Schadensbetrages eine besondere Härte bedeuten würde oder wenn das Verfahren zur Schadloshaltung des Bundes mit Kosten oder Weiterungen verbunden wäre, die in keinem Verhältnis zum Schadensbetrage stehen würden, kann von der Hereinbringung abgesehen werden."

Die Bestimmung des § 54 KOVG 1957 umfasst daher jedenfalls drei unterschiedlich zu beurteilende Fallgruppen, nämlich

1. die Neubemessung aus Gründen, die die Partei nicht zu verantworten hat (z.B. Irrtum der Behörde),

2. die Neubemessung aus Gründen, die zwar in der Sphäre der Partei liegen, aber nicht notwendigerweise durch ein Verschulden der Partei erforderlich wurde (z.B. wenn Umstände unentdeckt blieben und die Partei nicht schuldfähig oder selbst in Unkenntnis dessen war) und

3. die Neubemessung aus Gründen, die auf ein schuldhaftes Handeln der Partei zurückzuführen ist, wobei wieder zu unterscheiden ist, ob dieses Handeln a) aus Fahrlässigkeit oder b) mit Absicht (z.B. durch Erschleichung iSd § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG) erfolgt ist.

Berechtigung kommt der Beschwerde insoweit zu, als sie geltend macht, dass die belangte Behörde in keiner Weise auf das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Berufung eingegangen ist, wonach der Übergenuss der Waisenrente nicht den gesamten Zeitraum der Gewährung umfasst.

Gemäß § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. In der Begründung sind zufolge § 60 AVG die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Diesen Kriterien genügt der angefochtene Bescheid nicht.

Gegenstand des Rückersatzes iSd § 54 Abs. 1 KOVG 1957 sind die "zu Unrecht bezogenen Leistungen". In einem Bescheid über die Rückersatzverpflichtung der "zu Unrecht bezogenen Leistungen" ist daher auszusprechen, welche Leistungen in dem als relevant angesehenen Zeitraum erbracht wurden, welche Einzelleistungen hiervon "zu Unrecht bezogen" wurden bzw. welche allenfalls auch bei Kenntnis des verschwiegenen Umstandes zugestanden wären, also in welcher Höhe diese konkret von der Rückersatzverpflichtung umfasst sein sollen. Im angefochtenen Bescheid sind Berechnungsgrundlagen nicht enthalten. Die Höhe des vorgeschriebenen Betrages ist daher nicht nachvollziehbar. Auch ist unbegründet geblieben, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde offenbar von der Gesamthöhe der im Zeitraum 1. August 1990 bis 30. April 1996 bezogenen Rentenbeträge ausgegangen ist, ist doch aktenkundig, dass zumindest in den Zeiten der Arbeitslosigkeit tatsächlich keine anderen Einkünfte als die - bereits angegebene Arbeitslosenhilfe - erzielt worden waren. Sollte die belangte Behörde aber der Ansicht gewesen sein, durch die - angenommene - Erschleichung würden auch sonst zu Recht bestehende Ansprüche vernichtet, so hätte sie auch dies zu begründen gehabt.

Die belangte Behörde bleibt im weiteren auch jegliche Begründung dafür schuldig, warum eine besondere Härte, die im Sinne des § 54 Abs. 4 KOVG 1957 zur Abstandnahme von der Hereinbringung hätte führen können, ihrer Ansicht nach nicht vorliegt.

Die belangte Behörde hat sich daher nicht in einer dem § 58 Abs. 2 und 60 AVG entsprechenden Weise mit den Fragen der konkreten Höhe der Rückersatzverpflichtung und dem Vorliegen oder Nichtvorliegen einer mit dem Rückersatz verbundenen besonderen Härte (§ 54 Abs. 4 KOVG 1957) auseinander gesetzt.

Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 28. September 2000

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999090073.X00

Im RIS seit

27.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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