TE Vwgh Erkenntnis 2014/8/28 Ro 2014/21/0005

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Veröffentlicht am 28.08.2014
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
FrPolG 2005 §76 Abs1;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §76 Abs6;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Revision des D C, zuletzt in W, vertreten durch Dr. Claudia Stoitzner, Rechtsanwältin in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 45/5/36, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 22. November 2013, Zl. UVS-01/30/13449/2013-4, betreffend Festnahme und Schubhaft (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als er über die Festnahme des Revisionswerbers, die Schubhaftverhängung und die Anhaltung in Schubhaft bis 20. November 2013 abspricht, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und im Übrigen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der 1992 geborene Revisionswerber ist nigerianischer Staatsangehöriger und gelangte gemäß seinen Angaben im Dezember 2010 nach Österreich. Er stellt hier einen Antrag auf internationalen Schutz, der letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 19. März 2013 vollinhaltlich abgewiesen wurde; außerdem erging eine Ausweisung.

Der Revisionswerber verblieb im Bundesgebiet und wurde hier am 18. Oktober 2013 aufgegriffen und dann festgenommen. Mit Bescheid vom 19. Oktober 2013 verhängte die Landespolizeidirektion Wien in der Folge gemäß § 76 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) iVm § 57 Abs. 1 AVG zur Sicherung der Abschiebung des Revisionswerbers Schubhaft.

Am 5. November 2013 erhob der Revisionswerber, der am 28. Oktober 2013 einen Asylfolgeantrag gestellt hatte, Beschwerde nach § 82 FPG; er beantragte, seine Festnahme, die Anordnung der Schubhaft und die weitere Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären. Mit am 11. November 2013 mündlich verkündetem und am 12. November 2013 schriftlich ausgefertigtem Bescheid gab der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (die belangte Behörde) der Administrativbeschwerde keine Folge und erklärte die Festnahme des Revisionswerbers, die Verhängung der Schubhaft sowie die weitere Anhaltung in Schubhaft mit der Maßgabe für rechtmäßig, dass sich die weitere Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft auf § 76 Abs. 1 iVm § 76 Abs. 2 Z 1 und § 76 Abs. 6 erster Satz FPG gründe. Eine dagegen erhobene Revision wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom heutigen Tag, Zl. Ro 2014/21/0004, zurück. Der Revisionswerber verblieb weiter - bis zu seiner Abschiebung nach Nigeria am 9. Dezember 2013 - in Schubhaft.

Mittlerweile hatte der Revisionswerber - einlangend bei der belangten Behörde am 21. November 2013 - erneut eine Beschwerde nach § 82 FPG eingebracht, mit der er beantragte, seine "weitere Anhaltung" in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären; in der Begründung der Beschwerde wurde außerdem im Zusammenhang mit dem behaupteten schlechten Gesundheitszustand des Revisionswerbers (insbesondere) die "Befragung" des Amtsarztes in einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 22. November 2013 gab die belangte Behörde auch dieser Beschwerde keine Folge. Überdies wurde - wortgleich wie im Bescheid vom 11. bzw. 12. November 2013 -

die Festnahme des Revisionswerbers, die Verhängung der Schubhaft sowie die weitere Anhaltung in Schubhaft mit der Maßgabe für rechtmäßig erklärt, dass sich die weitere Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft auf § 76 Abs. 1 iVm § 76 Abs. 2 Z 1 und § 76 Abs. 6 erster Satz FPG gründe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Revision nach § 4 Abs. 1 erster Satz Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die gegenständliche Revision wäre gemäß dem zweiten Satz des § 4 Abs. 5 VwGbk-ÜG unzulässig, falls die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vorlägen. Nach dem vierten Satz des § 4 Abs. 5 VwGbk-ÜG ist vom Verwaltungsgerichtshof zu beurteilen, ob diese Zulässigkeitsvoraussetzungen gegeben sind. Dass ist (nur) dann der Fall, wenn die Entscheidung über die Revision von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Gemäß § 4 Abs. 5 fünfter Satz VwGbk-ÜG gelten für die Behandlung einer solchen "Übergangsrevision" die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung sinngemäß mit der Maßgabe, dass statt der Ablehnung der Beschwerde gemäß § 33a VwGG (in der genannten Fassung) die Revision bei Fehlen der genannten Voraussetzungen als unzulässig zurückgewiesen werden kann.

Die gegenständliche Revision erweist sich als zulässig und berechtigt.

Mit dem bekämpften Bescheid sprach die belangte Behörde zwar über die bei ihr am 21. November 2013 eingelangte zweite Schubhaftbeschwerde des Revisionswerbers ab. Schon der Spruch dieses Bescheides entspricht aber zur Gänze jenem des - ersten - Bescheides, mit dem über die Schubhaftbeschwerde vom 5. November 2013 abgesprochen worden war. Insbesondere erfolgte neuerlich die Erklärung, dass die Festnahme des Revisionswerbers und die Verhängung der Schubhaft rechtmäßig seien, obgleich diese Verwaltungsakte gar nicht in Beschwerde gezogen worden waren; vielmehr ist mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen, dass sich der Revisionswerber mit seinem Antrag, "die weitere Anhaltung" in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären, nur auf den Zeitraum ab Einbringung der zweiten Schubhaftbeschwerde (21. November 2013) bezog.

Hinzu kommt, dass die belangte Behörde dem Revisionswerber - wie in ihrem Erstbescheid - auch im gegenständlich bekämpften Bescheid vom 22. November 2013 den Ersatz von (ua.) Verhandlungsaufwand auferlegte, ohne dass eine Verhandlung überhaupt stattgefunden hätte. Dem entspricht dann, dass in der Begründung des bekämpften Bescheides im Wesentlichen nur jene Ausführungen wiederholt werden, die sich schon in der die erste Administrativbeschwerde abweisenden Erledigung vom 11. bzw. 12. November 2013 finden. Eigenständige Erwägungen zu der gegenständlichen zweiten Administrativbeschwerde enthält der bekämpfte Bescheid dagegen nicht. Beispielsweise fehlt jegliche Auseinandersetzung mit dem erstmals erstatteten Vorbringen, der Revisionswerber befinde sich in schlechten Gesundheitszustand; auch das Unterbleiben der beantragten Verhandlung wird mit keinem Wort erwähnt.

Im Ergebnis erweist sich der bekämpfte Bescheid damit auch in seinem Begründungsteil als bloßes Duplikat des ersten Bescheides vom 11. bzw. 12. November 2013.

Die kommentarlose Übernahme der bei Erledigung der ersten Administrativbeschwerde angestellten Überlegungen in den nunmehr bekämpften Bescheid über die zweite Schubhaftbeschwerde, die ihrerseits jedoch teilweise andere Argumente als die erste Beschwerde enthält, stellt keine ordnungsgemäße Bescheidbegründung dar. Die gewählte "Inkorporationstechnik" verleiht der Begründung reinen Formalcharakter, was letztlich nicht anders zu beurteilen ist, als ob der bekämpfte Bescheid überhaupt keine Begründung enthielte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 2012, Zl. 2010/21/0161). Er war daher, soweit er antragslos über die Festnahme des Revisionswerbers, die Schubhaftverhängung und seine Anhaltung bis zum 20. November 2013 abspricht, - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und im Übrigen gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der (auf "Übergangsfälle" gemäß § 4 iVm § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Da die Umsatzsteuer in den Pauschbeträgen der genannten Verordnung bereits enthalten ist, war das auf Ersatz derselben gerichtete Mehrbegehren abzuweisen.

Wien, am 28. August 2014

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelBegründung BegründungsmangelBesondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:RO2014210005.J00

Im RIS seit

24.09.2014

Zuletzt aktualisiert am

03.05.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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