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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
EMRK Art8Leitsatz
Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch Ausweisung eines pakistanischen Staatsangehörigen wegen verfassungswidriger Interessenabwägung; lange Dauer des Verfahrens und illegale Einreise dem Beschwerdeführer nicht vorwerfbarRechtssatz
Mit den Ausführungen, wonach der beinahe vierjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers nur dadurch vorübergehend legalisiert worden sei, dass er einen unbegründeten Asylantrag gestellt hätte, bzw dass der Beschwerdeführer mit seinem wahrheitswidrigen Vorbringen das Verfahren verzögert hätte, ignoriert der AsylGH die ihn treffende Pflicht zur Entscheidung in angemessener Zeit (vgl §23 AsylGHG iVm §73 AVG) und macht den Beschwerdeführer ohne weitere Begründung für die lange Verfahrensdauer verantwortlich.
Die Dauer des Verfahrens kann dem Beschwerdeführer aber nicht negativ angelastet werden (soweit es keine Anzeichen für eine bewusste Verfahrensverschleppung gibt, wofür im vorliegenden Fall aber kein Hinweis vorliegt - so schon VfGH 03.10.2013, U477/2013).
Der AsylGH lastet dem Beschwerdeführer ferner die illegale Einreise als "relevante[n] Verstoß gegen das Einwanderungsrecht" und damit gegen die öffentliche Ordnung an (vgl §10 Abs2 Z2 litg AsylG 2005).
Damit verkennt der AsylGH die Bedeutung des in §10 Abs2 Z2 litg AsylG 2005 gebrauchten und durch Art8 Abs2 EMRK determinierten Begriffs der "Öffentlichen Ordnung". Der EGMR hat zwar wiederholt ausgesprochen, dass Faktoren der Einwanderungskontrolle und Erwägungen zur Öffentlichen Ordnung ("factors of immigration control or considerations of public order") bei einer Abwägung iSv Art8 Abs2 EMRK für eine Ausweisung sprechen können, dabei aber immer betont, dass damit etwa zahlreiche Verfehlungen ("a history of breaches of immigration law") oder schwere bzw beharrliche Vergehen ("serious or persistent offences") gemeint sind (vgl EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl 40447/98; 11.04.2006, Fall Useinov, Appl 61292/00). Das einmalige Vergehen in Form der illegalen Einreise zur Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz fällt jedenfalls nicht in diese Kategorie, insbesondere angesichts des Umstandes, dass es seit Inkrafttreten der AsylG-Novelle 2003, BGBl I 101, am 01.05.2004, für international Schutzsuchende keine Möglichkeit mehr gibt, im Ausland einen Antrag auf Asyl in Österreich zu stellen (mit Ausnahme des Familienverfahrens), und für die meisten Schutzsuchenden gar keine Möglichkeit besteht einen Asylantrag einzubringen, ohne dafür illegal einzureisen.
Irreführender Verweis des AsylGH auf zwei Entscheidungen des VwGH (VwGH 25.02.2010, 2009/21/0165; 25.02.2010, 2009/21/0070); in diesen Fällen sind die Beschwerdeführer zu einem Zeitpunkt illegal nach Österreich eingereist, als eine Antragstellung auch im Ausland noch möglich war.
Damit unterstellt der AsylGH den in §10 Abs2 Z2 AsylG 2005 genannten Kriterien zum Teil einen anderen, als von Art8 Abs2 EMRK vorgegebenen Inhalt. Eine solche nicht den Anforderungen des Art8 Abs2 EMRK entsprechende Abwägung kann aber einen Eingriff in das durch Art8 Abs1 EMRK garantierte Recht nicht rechtfertigen.
Im Übrigen Ablehnung der Beschwerdebehandlung.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht, Ausweisung, Privat- und FamilienlebenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2014:U145.2014Zuletzt aktualisiert am
22.08.2014